VwGH vom 24.02.2011, 2010/09/0123
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde 1. des RB und 2. der W GmbH, beide in W, beide vertreten durch Dr. Johann Kral, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Frankgasse 6/10, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 3/08114/327 5442, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung,
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen, und
2. den Beschluss gefasst:
Die Beschwerde wird hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von je EUR 305,30 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Bescheid der Behörde erster Instanz vom wurde der Antrag der Zweitbeschwerdeführerin auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den Erstbeschwerdeführer, einen slowakischen Staatsangehörigen, abgewiesen.
Dagegen erhob die Zweitbeschwerdeführerin Berufung. Dieser wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom keine Folge gegeben.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus:
"Die Übergangsbestimmungen zur EU - Erweiterung für Staatsbürger, deren Länder mit , wozu unter anderem die Republik Slowakei gehört, der Europäischen Union beigetreten sind, gelten bis und sind nicht auf bestimmte Berufsgruppen eingeschränkt. Eine Ausnahme vom Übergangsregime für beispielsweise qualifiziertes Personal wurde nicht normiert.
Unabhängig von der Arbeitsmarktlage ist daher die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für einen neuen EU - Bürger bei überschrittener Landeshöchstzahl nur zulässig, wenn im erstinstanzlichen Verfahren entweder der Regionalbeirat einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet oder eine der Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Ziff 2 bis 6 AuslBG vorliegt.
Wie zuvor dargelegt, stimmte der Regionalbeirat der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für (den Erstbeschwerdeführer) nicht zu und es wurde auch nicht das Zutreffen eines Tatbestandes des § 4 Abs. 6 Ziff 2 bis 6 AuslBG eruiert, der die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung rechtfertigt.
Im Zuge des Berufungsverfahrens ist bei Überziehung der Landeshöchstzahl das Vorliegen eines Erfordernisses des § 4 Abs. 6 Ziff 2 bis 6 AuslBG für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung unabdingbar.
Nach der vom Arbeitsmarktservice Österreich für April 2010 veröffentlichten Statistik rechnen 88.937 Ausländer auf diese Höchstzahl, was eine Überschreitung dieser von 34,8 % bedeutet.
(Der Erstbeschwerdeführer) wird hinsichtlich seiner beabsichtigten Verwendung als EDV - Spezialist keinem der im § 4 Abs. 6 AuslBG genannten Kriterien gerecht.
Er weist durch ihren Aufenthalt im Bundesgebiet seit noch keine fortgeschrittene Integration im Bundesgebiet auf, da im Hinblick auf die im Beitrittsvertrag festgelegten Übergangsbestimmungen Staatsbürger jener Länder, welche am der Europäischen Union beigetreten sind, lediglich durch ihre Anwesenheit in Österreich keine Aufenthaltsverfestigung erlangen, es handelt sich weder um eine Beschäftigung auf Grund einer Verordnung gemäß § 5 AuslBG - befristete Zulassung von Ausländern im Rahmen von festgelegten Kontingenten - noch um eine auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarung, die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 - Beschäftigung als Schlüsselarbeitskraft - sind nicht gegeben, der gewünschte Ausländer ist kein Ehegatte eines auf Dauer rechtmäßig niedergelassenen und beschäftigten Ausländers und hinsichtlich seines vorgesehenen Einsatzes auch nicht der Personengruppe der zuvor zitierten Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung zuzuordnen.
Im Ermittlungsverfahren wurden somit keine Fakten erhoben, die eine Subsumierung des beantragten Ausländers unter § 4 Abs. 6 AuslBG zulassen.
Daher steht durch die Überschreitung der Landeshöchstzahl § 4 Abs. 6 AuslBG der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für (den Erstbeschwerdeführer) zwingend entgegen.
Der Umstand, demnach Ihrerseits ein Bedarf an einem EDV - Spezialisten mit dem von Ihnen dargelegten Anforderungsprofil besteht und Ihnen seitens des Arbeitsmarktservice keine Arbeitskräfte zugewiesen wurden, ist im gegenständlichen Verfahren nicht geeignet einen anderen Beurteilungsmaßstab zu begründen und kann keine Berücksichtigung finden, da durch die Überziehung der für das Bundesland Wien festgelegten Landeshöchstzahl das Vorliegen einer unabdingbaren Voraussetzung des § 4 Abs. 6 AuslBG zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den gewünschten Ausländer nicht gegeben ist."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Zurückweisung der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Ad 1.: Die Zweitbeschwerdeführerin macht zunächst unter Hinweis auf § 1 des Arbeitsmarktservicegesetzes geltend, die belangte Behörde hätte zwecks Aufrechterhaltung einer funktionierenden Wirtschaft den Antrag solange nicht ablehnen dürfen, als sie keine Ersatzkraft ausfindig gemacht hätte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Zl. 2007/09/0199, hiezu Folgendes ausgeführt:
"Auch in einem Fall wie dem vorliegenden, in welchem die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur bei Vorliegen einer der Fälle der Z. 1 bis 6 des § 4 Abs. 6 AuslBG, insbesondere auch gemäß § 4 Abs. 6 Z. 4 iVm § 2 Abs. 5 AuslBG für eine Schlüsselkraft erfolgen durfte, war aber zunächst § 4 Abs. 1 AuslBG anzuwenden und hatte die belangte Behörde zunächst das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Bestimmung zu prüfen. Dazu gehört grundsätzlich auch die Durchführung eines Ersatzkraftstellungsverfahrens gemäß § 4b AuslBG (vgl. § 4 Abs. 1, den Einleitungssatz des Abs. 6 AuslBG).
…
Wird die Vermittlung von Ersatzkräften wie im vorliegenden Fall ausdrücklich gewünscht und vom Antragsteller ein darauf abzielender Vermittlungsauftrag erteilt, dann hat die Behörde, um den Normzweck zu erreichen, ein Verfahren zur Vermittlung von Ersatzkräften im Sinne des § 4b AuslBG durchzuführen, bevor sie eine Entscheidung über den zu Grunde liegenden Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für eine bestimmte Person trifft. Erst wenn ein Ersatzkraftstellungsverfahren in einem Fall wie dem vorliegenden zu keiner Einstellung einer bevorrangten Arbeitskraft und damit zur Deckung des mit dem Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zum Ausdruck gebrachten Bedarfes geführt hat, sind die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 AuslBG zu prüfen und ist bei deren Nichtvorliegen eine Versagung auf Grund dieser Bestimmung zulässig."
Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zwar nicht ausgeführt, dass sie ein Ersatzkraftstellungsverfahren durchgeführt habe bzw. zu welchem Ergebnis ein allenfalls durchgeführtes derartiges Verfahren geführt habe. Dies führt aber deshalb nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, weil die Zweitbeschwerdeführerin in der Beschwerde selbst ausdrücklich davon ausgeht, dass es in Österreich "offensichtlich keine vorgemerkte Person, die die geforderten Qualifikationen aufweist" gebe. "Aus diesem Grund" sei "kein einziger arbeitswilliger Vorgemerkter beim Zweitbeschwerdeführer vorstellig" geworden. Damit geht sie selbst davon aus, dass ein Ersatzkraftstellungsverfahren keinen Erfolg gebracht hat (hätte).
Es kommt nicht allein auf die Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 iVm § 4b Abs. 1 AuslBG an. Vielmehr müssen im Falle der Überschreitung festgelegter Landeshöchstzahlen gemäß § 4 Abs. 6 nicht nur die Voraussetzungen der Abs. 1 bis 3 des § 4 AuslBG vorliegen, sondern kumulativ dazu eine der in § 4 Abs. 6 Z. 1 bis 6 genannten weiteren Voraussetzungen erfüllt sein.
Mit dem weiteren Vorbringen, ein Unternehmen, das intensive Kontakte zu osteuropäischen Staaten unterhalte, müsse auch über Mitarbeiter verfügen, die in der Lage seien, die Kommunikation mit Betriebsstellen in diesen Ländern sicherzustellen, zielt die Zweitbeschwerdeführerin in Verbindung mit den im Antrag genannten, für die zu besetzende Stelle notwendigen Qualifikationen "EDV-Spezialkurs für finanziell-administrative Software, Sprachkenntnisse deutsch-ungarisch-slowakisch" anscheinend auf § 4 Abs. 6 Z. 4 iVm § 2 Abs. 5 AuslBG ("Schlüsselkraft").
§ 2 Abs. 5 Einleitungssatz AuslBG nennt zwei unabhängig voneinander (arg.: "oder") zu beurteilende Erfordernisse, über die der Ausländer verfügen müsse, wobei jedes Erfordernis für sich aus mehreren Tatbestandselementen besteht:
a) eine besondere, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragte Ausbildung,
b) spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten mit entsprechender beruflicher Erfahrung.
Nach dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 AuslBG anzuwendenden § 4b AuslBG ist der Prüfung des Antrages das in diesem angegebene Anforderungsprofil, das in den betrieblichen Notwendigkeiten eine Deckung finden muss, zu Grunde zu legen. Den Nachweis über die zur Ausübung der Beschäftigung erforderliche Ausbildung oder sonstige besondere Qualifikationen hat der Arbeitgeber zu erbringen.
Weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde wurde ein konkretes Vorbringen erstattet, das das Zutreffen der im Einleitungssatz des § 2 Abs. 5 AuslBG genannten Tatbestandselemente "besondere Ausbildung" oder "spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten mit entsprechender beruflicher Erfahrung" beim Erstbeschwerdeführer dartun könnte. Es wurde nicht behauptet, dass der Erstbeschwerdeführer eine "besondere Ausbildung" in den im Anforderungsprofil genannten Fertigkeiten besitze und auch keine diesbezüglichen Nachweise vorgelegt. Es wurde auch nicht vorgebracht, dass der Erstbeschwerdeführer über eine berufliche Erfahrung in der angestrebten Tätigkeit verfüge.
Der Erstbeschwerdeführer ist daher schon aus diesen Gründen nicht als Schlüsselkraft im Sinne des § 2 Abs. 5 AuslBG anzusehen.
Weitere Einwendungen gegen die Begründung des angefochtenen Bescheides enthält die Beschwerde nicht, auch aus dem Akteninhalt ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass der Erstbeschwerdeführer eines der Kriterien des § 4 Abs. 6 AuslBG erfülle, sodass keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erkennen ist.
Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Ad 2.: Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen, weil er den Bescheid der Behörde erster Instanz nicht mit Berufung bekämpft und dergestalt entgegen Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG den Instanzenzug nicht ausgeschöpft hat (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. 2003/09/0128).
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am