VwGH vom 16.03.2011, 2008/08/0125
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des T I in L, vertreten durch Mag. Klaus Rinner, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Freistädter Straße 3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom , Zl. LGSOÖ/Abt.4/2008-0566-4-000076/11, betreffend Zuerkennung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, hier angefochtenen Bescheid, wies die belangte Behörde - in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides - den Antrag des Beschwerdeführers vom auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, das Bundesasylamt habe dem Arbeitsmarktservice bekannt gegeben, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers seit rechtskräftig negativ abgeschlossen sei. Verfügbarkeit sei eine Anspruchsvoraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld. Die Voraussetzung sei dann erfüllt, wenn jemand zur Aufnahme einer unselbständigen Beschäftigung zu den am Arbeitsmarkt üblichen Arbeitszeiten laufend zur Verfügung stehe. In der Berufung habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen eingewandt, er sei bis Dezember 2007 über 5 Jahre in Österreich entsprechend den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtmäßig unselbständig beschäftigt gewesen und habe bis Dezember 2007 über eine gültige Arbeitserlaubnis verfügt. Darauf erwiderte die belangte Behörde, es bestehe kein Aufenthaltstitel mehr, wenn das Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen sei. Das Verfahren des Beschwerdeführers sei von der "Sicherheitsdirektion für Oberösterreich" negativ entschieden worden. Anspruch auf eine Leistung nach dem AlVG bestehe aber für Asylwerber, die gegen einen negativen rechtskräftigen Bescheid Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof einlegten, wobei dieser die aufschiebende Wirkung des Vollzuges des rechtskräftigen Bescheides zuerkenne. Die Behandlung der vom Beschwerdeführer eingebrachten Beschwerde sei aber mit Beschluss vom abgelehnt worden. Die Entscheidung der "Sicherheitsdirektion" sei daher mit rechtskräftig; seit diesem Zeitpunkt sei der Beschwerdeführer in Österreich nicht mehr aufenthaltsberechtigt. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom sei zwar aufschiebende Wirkung gewährt worden, diese betreffe aber den Bescheid der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vom , mit dem die Ausweisung des Beschwerdeführers ausgesprochen worden sei. Diese aufschiebende Wirkung beziehe sich nur auf die Vollstreckbarkeit des Ausweisungsbescheides, wodurch das Aufenthaltsrecht nicht (auch nicht vorläufig) wieder hergestellt werde. Da das Asylverfahren negativ abgeschlossen sei und der Beschwerdeführer damit kein Aufenthaltsrecht mehr besitze, sei er für den österreichischen Arbeitsmarkt nicht verfügbar.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Gemäß § 7 Abs. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaft erfüllt und die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat. Nach § 7 Abs. 2 AlVG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer (u.a.) eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf.
Gemäß § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG kann und darf eine Person eine Beschäftigung aufnehmen, die sich berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2005/08/0211, ausgeführt hat, hat der Gesetzgeber durch die mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 71/2003 erfolgte Novellierung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes eine eindeutige Verknüpfung zwischen der Berechtigung zum Aufenthalt zum Zweck der Aufnahme und Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung und der Leistungsverpflichtung der Arbeitslosenversicherung vorgenommen. Die Novellierung des § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG durch die AlVG-Novelle BGBl. I Nr. 102/2005 diente der Klarstellung der Verfügbarkeit zur Aufnahme einer unselbständigen Beschäftigung als Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe im Hinblick auf die vorgesehenen Neuordnungen im Aufenthaltsrecht. Durch diese Neuformulierung hat sich am Inhalt dieser Bestimmungen nichts geändert, sodass das Vorliegen der aufenthaltsrechtlichen Berechtigung, eine unselbständige Beschäftigung im Bundesgebiet aufnehmen zu dürfen, Voraussetzung für die Verfügbarkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG ist. Es kommt dabei nicht auf die subjektive Absicht des Betroffenen an, im Inland eine Beschäftigung aufnehmen zu wollen, sondern darauf, dass seine Berechtigung zum Aufenthalt die Möglichkeit einer Beschäftigungsaufnahme in rechtlicher Hinsicht abdeckt.
Diese Verknüpfung zwischen Aufenthaltsberechtigung und Leistungsverpflichtung der Arbeitslosenversicherung hat der Verfassungsgerichtshof auch mit seinem Erkenntnis vom , Zl. G 61/05, VfSlg. 17.648, im Hinblick auf die Fassung des § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG durch BGBl. I Nr. 71/2003, als sachlich abgegrenzt und verfassungsrechtlich zulässig beurteilt.
Im Sinne der hier maßgebenden Fassung des § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG ist es sohin unumgänglich, dass ein entsprechender Aufenthaltstitel gegeben ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0095, mwN).
2. Der Beschwerdeführer wendet ein, es liege ein Begründungsmangel vor, da sich die belangte Behörde nicht mit den Argumenten des Beschwerdeführers in der Berufung auseinandergesetzt habe.
Die Pflicht, einen Bescheid schlüssig zu begründen, stellt aber keinen Selbstzweck dar. Ein Begründungsmangel führt daher nur dann zur Bescheidaufhebung, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Gerichtshof an der Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert (vgl. etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 § 60 AVG E 157 ff wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Ein derartiger Fall liegt hier aber nicht vor, der Bescheid ist überprüfbar.
3. Der Beschwerdeführer verweist weiters auf die vom Verfassungsgerichtshof gewährte aufschiebende Wirkung einer Beschwerde.
Entsprechend dem mit der Berufung vorgelegten Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , Zl. B 1932/07-2, wurde der Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit dem dort angefochtenen Bescheid wurde - wie sich aus der im Verwaltungsakt befindlichen Beschwerde gegen jenen Bescheid ergibt - nicht über den Asylantrag des Beschwerdeführers entschieden, sondern vielmehr (nach rechtskräftiger Beendigung des Asylverfahrens) die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgesprochen. Das Asylverfahren war hingegen - wie sich ebenfalls aus dem Akteninhalt ergibt - jedenfalls bereits seit Juni 2007 rechtskräftig beendet; die Behandlung der im Asylverfahren des Beschwerdeführers erhobenen Beschwerde war mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom abgelehnt worden (vgl. hiezu weiters das - den Beschwerdeführer betreffende - hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0089, mit welchem die Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom - nach Ablehnung der Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom und Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof mit gesondertem Beschluss vom - als unbegründet abgewiesen wurde).
Demnach bestand aber bereits zum Zeitpunkt des Antrages des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld im Jänner 2008 (und auch zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) kein Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers mehr, das diesen dazu berechtigt hätte, eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen.
Entgegen der Beschwerde ist § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG auch nicht dahin zu interpretieren, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld für Ausländer (in verfassungskonformer Interpretation) nur für den Fall beschränkt werden dürfe, dass sich die betreffende Person nicht im Inland aufhalten dürfe und die Verschaffung dieser Person in das Ausland rechtlich auch durchsetzbar sei. Der Gesetzgeber hat vielmehr durch die mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 71/2003 erfolgte Novellierung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes eine eindeutige Verknüpfung zwischen der Berechtigung zum Aufenthalt zum Zweck der Aufnahme und Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung und der Leistungsverpflichtung der Arbeitslosenversicherung vorgenommen. Diese Verknüpfung ist sachlich abgegrenzt und verfassungsrechtlich zulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/08/0216, mwN).
4. Auch der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Gemäß Art. 2 lit. c der genannten Richtlinie bezeichnet der Ausdruck "Asylbewerber" einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, der einen Asylantrag gestellt hat, über den noch nicht endgültig entschieden ist. Gemäß Art. 3 dieser Richtlinie gilt diese für alle Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen, die an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats Asyl beantragen, solange sie als Asylbewerber im Hoheitsgebiet verbleiben dürfen, sowie für ihre Familienangehörigen, wenn sie nach nationalem Recht von diesem Asylantrag erfasst sind. Im hier vorliegenden Fall wurde aber über den Asylantrag des Beschwerdeführers bereits vor der Antragstellung auf Arbeitslosengeld rechtskräftig entschieden; ein Recht, als "Asylbewerber" im Bundesgebiet zu verbleiben (§ 19 Asylgesetz 1997; vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0030; § 13 Asylgesetz 2005), bestand demnach nicht mehr, sodass der Beschwerdeführer aus der genannten Richtlinie keine Rechte (mehr) ableiten kann. Ein Vorabentscheidungsverfahren hatte demnach zu unterbleiben.
5. Da der Beschwerdeführer über keinen gültigen Aufenthaltstitel verfügt, steht er der Arbeitsvermittlung nicht im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 1 AlVG zur Verfügung. Ein Absehen von der Voraussetzung der Verfügbarkeit würde in solchen Fällen zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Privilegierung des Fremden zu Lasten der Versichertengemeinschaft führen, weil er Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehen könnte, ohne sich - wie grundsätzlich alle anderen Leistungsbezieher - der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen zu müssen (vgl. neuerlich das Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0095, mwN).
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet des - hier vorliegenden - Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn nicht Art. 6 Abs. 1 EMRK dem entgegensteht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom , Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2000/07/0083, und vom , Zl. 2000/08/0072). Dieser Umstand liegt aber auch im gegenständlichen Fall vor, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind. In der Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatsachenfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
YAAAE-75801