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VwGH vom 16.02.2011, 2008/08/0120

VwGH vom 16.02.2011, 2008/08/0120

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der S Patentanwälte in Wien, vertreten durch Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl Kommandit-Partnerschaft in 1010 Wien, Rathausstraße 19/DG/53, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2008-0566-9-000475, betreffend Widerruf und Rückforderung von Altersteilzeitgeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, hier angefochtenen Bescheid wurde - in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides - das der Beschwerdeführerin für ihre Arbeitnehmerin N gewährte Altersteilzeitgeld für den Zeitraum vom bis widerrufen und der in diesem Zeitraum zu Unrecht bezogene Betrag in Höhe von EUR 19.914,03 zum Rückersatz vorgeschrieben.

Die belangte Behörde ging von folgendem Sachverhalt aus:

Die Beschwerdeführerin hatte mit ihrer Arbeitnehmerin N am eine Altersteilzeitvereinbarung getroffen. Danach werde N ab bis ihre Arbeitszeit um 50 % verringern. Es werde ein Blockzeitmodell gewählt und zwar in der Weise, dass die Arbeitsphase vom bis und die Freizeitphase vom bis dauere. Das Modell basiere auf der Anwendbarkeit der sogenannten "Hacklerregelung". Sollten die Anspruchsvoraussetzungen auf die vorzeitige Pension nach der Hacklerregelung wegen entgeltfreier Zeiten, z.B. durch langen Krankenstand nicht erreicht werden, dann verlängere sich der Vertrag um die notwendige Zeit zur Erreichung der Pension. Auch für den Fall, dass sich die Gesetzeslage betreffend das Pensionsalter noch ändere, verlängere sich auch die Geltungsdauer der Altersteilzeitvereinbarung.

Mit Änderungsmeldung vom , beim Arbeitsmarktservice am eingegangen, teilte die Beschwerdeführerin dem Arbeitsmarktservice mit, dass sich die Altersteilzeitvereinbarung um einen Monat bis (statt bisher ) verlängere. Grund hiefür sei, dass N ersucht worden sei, ihre Nachfolgerein einzuschulen und daher bis weiter ganztags zu arbeiten und erst ab 15. September in die Freizeitphase überzugehen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, Anspruch auf Altersteilzeitgeld gebühre für die Dauer von höchstens fünf Jahren und sei jedenfalls mit dem Erreichen des Regelpensionsalters befristet. Pensionsstichtag von N sei nach der "Hacklerregelung" der ; danach bestehe kein Anspruch auf Altersteilzeitgeld mehr.

Grundlage des Altersteilzeitmodells sei die Aufteilung 50 % Arbeitsphase und 50 % Freizeitphase. Das Ende der Arbeitsphase sei ursprünglich mit vereinbart gewesen. Erst mit (gemeint offenbar: 2007) sei dem Arbeitsmarktservice zur Kenntnis gelangt, dass das Altersteilzeitmodell mit N dahin geändert worden sei, dass dieses erst mit enden solle; die Arbeitsphase solle sich bis verlängern. Zum Zeitpunkt der Mitteilung dieses Umstandes an das Arbeitsmarktservice Anfang Oktober habe N die 14 Tage im September bereits gearbeitet gehabt. Eine - wie in der Berufung behauptet - rückwirkende Aufhebung der "neuen" Vereinbarung, also der Ausweitung des Altersteilzeitraumes bis sei nicht mehr möglich, da in diesem Fall die Relation von 50 : 50 zwischen Arbeits- und Freizeitphase nicht mehr hergestellt werden könne. Das Altersteilzeitmodell sei dadurch, dass eine Aufteilung 50 : 50 innerhalb des gesetzlich möglichen Altersteilzeit-Zeitraumes (bis ) nicht mehr möglich sei, nicht mehr schlüssig, sodass die gesetzlichen Voraussetzungen für den Bezug von Altersteilzeitgeld, wie sich durch die nachträglich erfolgte Änderung herausgestellt habe, von Beginn an nicht vorgelegen seien.

Daher sei der Altersteilzeitgeldbezug zu widerrufen und das bereits bezogene Altersteilzeitgeld zum Rückersatz vorzuschreiben gewesen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 27 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 142/2004 lautet:

"§ 27. (1) Ein Arbeitgeber, der ältere ArbeitnehmerInnen beschäftigt, die ihre Arbeitszeit verringern, und diesen einen Lohnausgleich gewährt, hat Anspruch auf Altersteilzeitgeld.

(2) Altersteilzeitgeld gebührt längstens fünf Jahre für Personen, die nach spätestens fünf Jahren das Regelpensionsalter vollenden und die

1. in den letzten 25 Jahren vor der Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) 780 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt waren, wobei auf die Anwartschaft anzurechnende Zeiten gemäß § 14 Abs. 4 und 5 berücksichtigt und die Rahmenfrist um arbeitslosenversicherungsfreie Zeiten der Betreuung von Kindern bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres erstreckt werden,

2. auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung ihre Normalarbeitszeit, die im letzten Jahr der gesetzlichen oder kollektivvertraglich geregelten Normalarbeitszeit entsprochen oder diese höchstens um 20 vH unterschritten hat, auf 40 bis 60 vH verringert haben,

3. auf Grund eines Kollektivvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder einer vertraglichen Vereinbarung

a) bis zur Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 45 ASVG einen Lohnausgleich in der Höhe von mindestens 50 vH des Unterschiedsbetrages zwischen dem im letzten Jahr (bei kürzerer Beschäftigungszeit in einem neuen Betrieb während dieser kürzeren, mindestens drei Monate betragenden Zeit) vor der Herabsetzung der Normalarbeitszeit durchschnittlich gebührenden Entgelt und dem der verringerten Arbeitszeit entsprechenden Entgelt erhalten und

b) für die der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge entsprechend der Beitragsgrundlage vor der Herabsetzung der Normalarbeitszeit entrichtet und

4. auf Grund eines Kollektivvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder einer vertraglichen Vereinbarung Anspruch auf Berechnung einer zustehenden Abfertigung auf der Grundlage der Arbeitszeit vor der Herabsetzung der Normalarbeitszeit haben; für die Berechnung einer Abfertigung nach dem BUAG gilt § 13d Abs. 3 BUAG.

(3) Für Personen, die eine Leistung aus der gesetzlichen Pensionsversicherung aus einem Versicherungsfall des Alters, ein Sonderruhegeld nach dem Nachtschwerarbeitsgesetz, BGBl. Nr. 354/1981, oder einen Ruhegenuss aus einem Dienstverhältnis zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft beziehen oder die Anspruchsvoraussetzungen für eine dieser Leistungen erfüllen, gebührt kein Altersteilzeitgeld.

(4) (…)

(5) Sieht die Vereinbarung über die Altersteilzeitarbeit unterschiedliche wöchentliche Normalarbeitszeiten oder eine unterschiedliche Verteilung der wöchentlichen Normalarbeitszeit vor, so ist die Voraussetzung nach Abs. 2 Z 2 auch dann erfüllt, wenn

1. die wöchentliche Normalarbeitszeit in einem Durchrechnungszeitraum im Durchschnitt die vereinbarte verringerte Arbeitszeit nicht überschreitet,

2. das Entgelt für die Altersteilzeitarbeit fortlaufend gezahlt wird und

3. zusätzlich zumindest während der Freizeitphase (abgesehen von unvermeidlichen kurzen Unterbrechungen) eine zuvor arbeitslose Person über der Geringfügigkeitsgrenze versicherungspflichtig beschäftigt oder zusätzlich ein Lehrling ausgebildet und im Zusammenhang mit dieser Maßnahme vom Dienstgeber kein Dienstverhältnis aufgelöst wird.

(6) Der Arbeitgeber hat jede für das Bestehen oder für das Ausmaß des Anspruches auf Altersteilzeitgeld maßgebliche Änderung unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice anzuzeigen.

(7) Das Altersteilzeitgeld stellt kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuergesetzes 1994 (UStG 1994), BGBl. Nr. 663, dar.

(8) Wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Altersteilzeitgeld wegfällt, ist es einzustellen; wenn sich eine für das Ausmaß des Altersteilzeitgeldes maßgebende Voraussetzung ändert, ist es neu zu bemessen. Wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Altersteilzeitgeldes als gesetzlich nicht begründet herausstellt, ist die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen. Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Altersteilzeitgeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten. Die Verpflichtung zum Rückersatz besteht auch hinsichtlich jener Leistungen, die wegen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels weiter gewährt wurden, wenn das Verfahren mit der Entscheidung geendet hat, dass die Leistungen nicht oder nicht in diesem Umfang gebührten."

§ 28 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 179/1999 lautet:

"Ruhen des Anspruches auf Altersteilzeitgeld

§ 28. Leistet der Arbeitnehmer über die Altersteilzeitarbeit hinaus Mehrarbeit, die üblicherweise zu einem Einkommen führt, welches die Geringfügigkeitsgrenze für den Kalendermonat gemäß § 5 Abs. 2 ASVG überschreitet, so gebührt für diesen Zeitraum kein Altersteilzeitgeld."

2. Voraussetzung für die Gewährung von Altersteilzeitgeld ist unter anderem eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die Normalarbeitszeit auf 40 bis 60 vH zu verringern.

Im hier zu beurteilenden Fall wurde zwischen der Beschwerdeführerin und der Dienstnehmerin N (zunächst) vereinbart, die Arbeitszeit auf 50 vH zu verringern. Die Arbeitszeit sollte dabei gemäß § 27 Abs. 5 AlVG "geblockt" werden (Arbeitszeit bis zum , sodann Freizeitphase, die mit der "Hacklerpension" enden sollte). Auf Grundlage dieser Vereinbarung wurde der Beschwerdeführerin - unbestritten - Altersteilzeitgeld gewährt.

3. Altersteilzeitvereinbarungen sind - wie sich auch aus § 82 Abs. 1 AlVG ergibt (vgl. auch Pfeil, Arbeitslosenversicherungsrecht3, Anm. zu § 82) - an sich abänderbar, wobei derartige Abänderungen, da sie eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Altersteilzeitgeld betreffen, gemäß § 27 Abs. 8 AlVG zu Einstellung, Neubemessung, Widerruf oder rückwirkender Berichtigung samt Rückersatzverpflichtung führen können (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/08/0156). Auch weitere Abänderungen - somit etwa eine Wiederherstellung der ursprünglichen Vereinbarung - sind wirksam möglich.

4. In der Berufung wurde - von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid den Sachverhalt betreffend nicht in Frage gestellt - ausgeführt, die Abänderung der Altersteilzeitvereinbarung sei "zurückgenommen" worden, es bleibe bei der ursprünglichen Vereinbarung.

Demnach ist davon auszugehen, dass sich die Altersteilzeitvereinbarung wiederum auf den Zeitraum bis , also bis zum Pensionsstichtag der Dienstnehmerin der Beschwerdeführerin, erstrecken soll; die Freizeitphase solle demnach mit beginnen. An sich zutreffend verweist die belangte Behörde hiezu darauf, dass durch eine rückwirkende Abänderung einer Vereinbarung faktisch bereits geleistete Arbeiten nicht ungeschehen gemacht werden können; von der Arbeitnehmerin der Beschwerdeführerin wurden aber im Zeitraum vom 1. bis , also in der Freizeitphase Arbeiten erbracht. Dieser Umstand rechtfertigt aber nicht den gänzlichen Widerruf sowie Rückforderung des Altersteilzeitgeldes:

5. Gemäß § 28 AlVG gebührt dann, wenn der Arbeitnehmer über die Altersteilzeitarbeit hinaus Mehrarbeit (in einem Ausmaß, das üblicherweise zu einem die Geringfügigkeitsgrenze überschreitenden Einkommen führt) leistet, - lediglich - für diesen Zeitraum kein Altersteilzeitgeld. Im hier vorliegenden Fall einigten sich die Beschwerdeführerin und deren Arbeitnehmerin darauf, dass die Arbeitnehmerin in einem Zeitraum von einem halben Monat ihre Nachfolgerin einschult. Da diese Einschulung in der in der Altersteilzeitvereinbarung vorgesehenen Freizeitphase erfolgte, liegt eine über die Altersteilzeitarbeit hinausgehende Mehrarbeit der Arbeitnehmerin der Beschwerdeführerin vor. Ausgehend von dem in den Verwaltungsakten dargelegten laufenden Entgelt der Dienstnehmerin vor Übertritt in die Altersteilzeit ist es offensichtlich, dass diese Arbeit üblicherweise zu einem die Geringfügigkeitsgrenze überschreitenden Einkommen führt. Demnach gebührt für diesen Monat (vgl. Krapf/Keul, Arbeitslosenversicherungsgesetz, 4. Lfg., § 28 Rz 607) kein Altersteilzeitgeld.

6. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Von der in der Beschwerde beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am