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VwGH vom 24.04.2015, 2012/17/0235

VwGH vom 24.04.2015, 2012/17/0235

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Straßegger und Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richterinnen bzw Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schubert-Zsilavecz, über die Beschwerde 1. der S R und 2. des F R, beide in J, beide vertreten durch Dr. Sylvia Bleierer und Dr. Johannes Wiener, Rechtsanwälte in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 28, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom , Zl BMLFUW-LE./1102-I/7/2011, betreffend einheitliche Betriebsprämie 2010, Anerkennung als "Sonderfall-Investitionen", zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in Höhe von insgesamt EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Antrag vom begehrten die beschwerdeführenden Parteien die Anerkennung als Sonderfall 2010 wegen Investitionen in die Tierhaltung. Die Art der Investition bezeichneten die beschwerdeführenden Parteien mit Stallumbau und Stallzubau, als Nachweise von der Baubehörde gaben sie eine "Bauanzeige vom " an. Angeschlossen war eine Bestätigung des Bürgermeisters der Gemeinde J vom , nach der die für Änderung der Betriebsform von Anbindehaltung auf Laufstall notwendigen Umbauarbeiten im Jahr 2006 beim bestehenden Rinderstall der Beschwerdeführer nicht baubewilligungspflichtig gewesen seien, sowie zwei Pläne.

Mit Bescheid vom wies die Agrarmarkt Austria (in der Folge: AMA) den Antrag der beschwerdeführenden Parteien auf Anerkennung als "Sonderfall - Investitionen in die Tierhaltung 2010" ab und führte dazu begründend aus, die "Baubewilligung bzw Bauanzeige ist nicht OK".

Die dagegen von den beschwerdeführenden Parteien erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ab. Nach Wiedergabe der verfahrensrelevanten Vorschriften führte die belangte Behörde aus, dass am auf dem Betrieb der beschwerdeführenden Parteien eine Vor-Ort-Kontrolle der AMA über die Investitionen in die Tierhaltung stattgefunden und der Leiter der Amtshandlung ermittelt habe, dass 10 vor dem und insgesamt 50 bis zum errichtete Standplätze vorgefunden worden seien.

Rechtlich führte sie aus, bei Investitionen in die Produktionskapazitäten für die Tierhaltung sei ein Sonderfall anzuerkennen. Als Betriebe in besonderer Lage seien solche zu verstehen, die in einem gewissen Zeitraum aufgrund näher zu definierender Umstände keine Direktzahlungen oder nur teilweise erhalten hätten, weil zB eine Investition in die Tierhaltung erst durchgeführt werden müsse. Investitionen vor dem - also Bauvorhaben, die vor diesem Datum begonnen worden seien - seien nicht als "Sonderfall-Investitionen" in die Tierhaltung anzuerkennen.

Weiter führte die belangte Behörde aus, dass das Vorliegen einer Baubewilligung oder Bauanzeige eine wichtige Voraussetzung für die positive Anerkennung eines Antrages "Sonderfall-Investitionen" sei. Dem gegenständlichen Antrag liege keine Bauanzeige oder Baubewilligung zu Grunde. Die beschwerdeführenden Parteien hätten zwar im Antragsformular "Bauanzeige vom " angegeben, hierbei handele es sich jedoch um eine Bestätigung der Gemeinde im Zuge der Abgabe des Antrages "Sonderfall-Investitionen" und nicht um eine Bauanzeige. Diese nachträglich ausgestellte Bestätigung, dass die Umbaumaßnahmen nicht baubewilligungspflichtig gewesen seien, ersetze nicht die formale Voraussetzung des Vorliegens einer Bauanzeige. Der Antrag auf Anerkennung als "Sonderfall-Investitionen" - sei daher von der erstinstanzlichen Behörde zu Recht negativ beurteilt worden, weshalb die Berufung abzuweisen gewesen sei.

Mit Beschluss vom , B 1321/11-6, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der zunächst an ihn gerichteten Beschwerde ab und trat diese unter einem gemäß Art 144 Abs 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof ab.

In ihrer vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde beantragten die beschwerdeführenden Parteien, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs 11 VwGG idF des Bundesgesetzes, BGBl I Nr 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Die Verordnung (EG) Nr 73/2009 des Rates vom mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr 1290/2005, (EG) Nr 247/2006, (EG) Nr 378/2007 sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr 1782/2003, ABl L 30 vom , S 16, (in der Folge:

Verordnung (EG) Nr 73/2009) lautet auszugsweise samt Überschriften:

"TITEL III

REGELUNG DER EINHEITLICHEN BETRIEBSPRÄMIE

("BETRIEBSPRÄMIENREGELUNG")

KAPITEL 1

Allgemeine Bestimmungen

Artikel 41

Nationale Reserve

(1) Jeder Mitgliedstaat wendet eine nationale Reserve an,

(...)

(4) Die Mitgliedstaaten verwenden die nationale Reserve, um nach objektiven Kriterien unter Gewährleistung der Gleichbehandlung der Betriebsinhaber und unter Vermeidung von Markt- und Wettbewerbsverzerrungen denjenigen Betriebsinhabern Zahlungsansprüche zuzuteilen, die sich in einer besonderen Lage befinden, die von der Kommission nach dem Verfahren des Artikels 141 Absatz 2 zu definieren ist.

..."

Die Verordnung (EG) Nr 1120/2009 der Kommission vom mit Durchführungsbestimmungen zur Betriebsprämienregelung gemäß Titel III der Verordnung (EG) Nr 73/2009 des Rates mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe, ABl L 316 vom , S 1 (in der Folge: Verordnung (EG) Nr 1120/2009) lautet auszugsweise samt Überschriften:

"...

KAPITEL 2

Nationale Reserve

...

Artikel 19

Allgemeine Bestimmungen für Betriebsinhaber in besonderer

Lage

(1) Für die Anwendung von Artikel 41 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 sind 'Betriebsinhaber in besonderer Lage' Betriebsinhaber gemäß den Artikeln 20 bis 23 der vorliegenden Verordnung.

(2) Erfüllt ein Betriebsinhaber die Bedingungen für die Anwendung von zwei oder mehr der Artikel 20, 21 und 22, so erhält er eine Anzahl Zahlungsansprüche, die gemäß Artikel 17 Absätze 2 und 3 festgesetzt wird und deren Wert der höchstmögliche Wert ist, der sich bei getrennter Anwendung der Artikel, deren Bedingungen er erfüllt, ergibt.

Kommt ein Betriebsinhaber auch für Zahlungsansprüche gemäß

Artikel 22 in Betracht, so darf die Gesamtzahl der zuzuweisenden Ansprüche die gemäß dem genannten Artikel festgesetzte Anzahl nicht übersteigen.

(3) ...

(4) ...

...

Artikel 21

Investitionen

(1) Die Mitgliedstaaten können nach objektiven Kriterien unter Gewährleistung der Gleichbehandlung der Betriebsinhaber und unter Vermeidung von Markt- und Wettbewerbsverzerrungen im Falle von Betriebsinhabern, die in einen Sektor investiert haben, der gemäß Titel III Kapitel 4 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 in die Betriebsprämienregelung einbezogen wird, den Wert von Zahlungsansprüchen erhöhen oder Zahlungsansprüche zuweisen.

Bei der Aufstellung der Kriterien gemäß Unterabsatz 1 tragen die Mitgliedstaaten dem Bezugszeitraum und/oder sonstigen für die Einbeziehung des betreffenden Sektors zugrunde gelegten Kriterien Rechnung.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend bei Beendigung der Anwendung der Regelung für die einheitliche Flächenzahlung gemäß Artikel 122 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009.

..."

§ 8 Abs 3 Z 3 Marktordnungsgesetz 2007 - MOG 2007,

BGBl I Nr 55/2007 in der Fassung BGBl I Nr 23/2010, lautet samt

Überschrift:

" Direktzahlungen

...

(3) Bei der Durchführung der Betriebsprämienregelung gemäß Titel III der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 ist nach folgender Maßgabe vorzugehen:

...

3. Eine besondere Lage im Sinne des Art. 41 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 (Sonderfall) liegt vor, wenn sich durch Investitionen in Produktionskapazitäten durch Neuschaffung von Standplätzen für die Rinderhaltung oder durch Kauf von gemäß

Z 1 förderfähigen Ackerflächen, die im Zeitraum bis längstens durchgeführt wurden und mit denen unmittelbar eine Erhöhung der in Z 1 genannten Direktzahlungen verbunden ist, eine Erhöhung der Produktionskapazitäten - unter Heranziehung der Kriterien des folgenden Satzes - um mindestens 10% und 200 Euro bezogen auf die Produktionskapazitäten des Jahres 2005 errechnet. Bei Vorliegen eines Sonderfalls ergibt sich ein zusätzlicher Referenzbetrag von 30 Euro je neu geschaffenem Standplatz bzw. 45 Euro je ha zugekaufter Ackerfläche. Flächen, für die bereits Zahlungsansprüche mit übertragen worden sind, sind bei der Berechnung des zusätzlichen Referenzbetrags nicht einzubeziehen. Beträgt das für die Finanzierung der Sonderfälle benötigte Betragsvolumen mehr als 5% des jeweiligen Gesamtbetrags, sind die vorgenannten Prämiensätze soweit aliquot einzukürzen, dass höchstens 5% des jeweiligen Gesamtbetrags benötigt werden."

§ 8 Direktzahlungs-Verordnung, BGBl II Nr 491/2009, lautet samt Überschrift:

"Sonderfall Investition in Produktionskapazitäten

§ 8. (1) Die Anerkennung als Sonderfall gemäß § 8 Abs. 3 Z 3 MOG 2007 ist - unbeschadet der erforderlichen Sammelantragstellung gemäß § 3 der INVEKOS-CC-V 2010 - spätestens bis mittels eines von der AMA aufzulegenden Formblatts zu beantragen. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist durch die in Abs. 2 oder 3 genannten Nachweise zu belegen.

(2) Eine Investition in Produktionskapazitäten durch Neuschaffung von Standplätzen für die Rinderhaltung im Zeitraum bis ist nachzuweisen durch Baupläne, die der Baubewilligung oder Bauanzeige zugrunde gelegt worden sind. Als tatsächlich neu geschaffene Standplätze gelten alle den Tierschutzstandards entsprechenden Standplätze für Rinder, die die vor Durchführung der Investition bestehende Anzahl an Standplätzen überschreiten und für die die entsprechende Düngerlagerkapazität gemäß § 6 der Verordnung über das Aktionsprogramm 2008 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigungen durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen, kundgemacht in der Wiener Zeitung Nr. 22 vom , vorhanden ist.

(3) ..."

Die Oö Bauordnung 1994 - Oö BauO 1994 regelt in der im Jahr 2006 geltenden Fassung als bewilligungspflichtige Bauvorhaben den Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden. Daneben gibt es anzeigepflichtige Bauvorhaben etwa für den Neu-, Zu- oder Umbau von Betriebs- und Nebengebäuden sowie für die Änderung oder Instandsetzung von Gebäuden. In diesen Fällen ist dem Antrag auf Baubewilligung und der Bauanzeige u.a. der Bauplan anzuschließen. Zusätzlich kennt die Oö BauO 1994 auch noch bewilligungs- und anzeigefreie Bauvorhaben etwa für den sonstigen Innenausbau von bestehenden Gebäuden.

Die beschwerdeführenden Parteien bringen vor, die für die Anerkennung als Sonderfall - Investitionen in die Tierhaltung 2010 erforderlichen Voraussetzungen seien durch die von der Behörde erster Instanz durchgeführte Kontrolle ermittelt und festgestellt worden. Daher komme es auf die Vorlage von Bauplänen einer Baubewilligung oder Bauanzeige, welche weder erforderlich seien noch vorgelegt werden könnten, nicht mehr an.

Gemäß Art 41 der Verordnung (EG) Nr 73/2009 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, dass er aus der sogenannten "nationalen Reserve" einen Anteil nach objektiven Kriterien, unter Gewährleistung der Gleichbehandlung der Betriebsinhaber und unter Vermeidung von Markt- und Wettbewerbsverzerrungen an Betriebsinhaber in einer besonderen Lage vergibt. Nach Art 21 der Verordnung (EG) Nr 1120/2009 können die Mitgliedstaaten Betriebsinhabern, die in bestimmte Sektoren investiert haben, Zahlungsansprüche zuweisen.

Die konkretisierende nationale Regelung findet sich in § 8 Abs 3 Z 3 MOG und sieht vor, dass eine besondere Lage vorliegt, wenn der Betriebsinhaber durch Investitionen in Produktionskapazitäten durch Neuschaffung von Standplätzen für die Rinderhaltung eine Erhöhung der Produktionskapazitäten schafft.

Noch näher geregelt werden die Anspruchskriterien in § 8 Abs 2 Direktzahlungs-Verordnung, der die Verpflichtung zum Nachweis einer Investition in Produktionskapazitäten durch Neuschaffung von Standplätzen für die Rinderhaltung durch Baupläne, die der Baubewilligung oder Bauanzeige zugrunde gelegt worden sind, enthält. Für die nach der Oö BauO 1994 bewilligungs- und anzeigefreien Bauvorhaben enthält die Direktzahlungs-Verordnung jedoch keine (ausdrückliche) Regelung. Aus den oben dargestellten rechtlichen Grundlagen für den Sonderfall Investition in Produktionskapazitäten ist keine Bestimmung ersichtlich, dass in dieser Konstellation keine einheitliche Betriebsprämie zustünde. Vor allem § 8 Abs 3 Z 3 MOG spricht in diesem Zusammenhang nur von einer Neuschaffung von Standplätzen für die Rinderhaltung.

Mit der Anordnung des § 8 Abs 2 Direktzahlungs-Verordnung, dass die Investition in Produktionskapazitäten durch Neuschaffung von Standplätzen für die Rinderhaltung durch Baupläne, die der Baubewilligung oder Bauanzeige zugrunde gelegt worden sind, nachzuweisen sind, wird zwar eine formelle Beweislast statuiert, doch wird damit für den nicht geregelten Fall eines bewilligungs- und anzeigefreien Bauvorhabens eine Beweisführung in anderer Weise nicht ausgeschlossen.

Daran ändern auch die Erläuterungen zu § 8 Abs 3 Z 3 MOG (Ausschussbericht NR - Sonstige Anlage zur Info, 293 BlgNR 24. GP 9) nichts. Diese halten erklärend fest, "... als neu geschaffene Standplätze bzw. zugekaufte Flächen sind nur jene zu berücksichtigen, die bei der Ermittlung des Referenzbetrags noch nicht enthalten waren. Die Neuschaffung von Standplätzen ist dabei nachzuweisen durch die Baupläne, die der Baubewilligung oder Bauanzeige zugrunde gelegt worden sind. Für die konkrete Ermittlung der tatsächlich neu geschaffenen Standplätze sind die Tierschutzstandards heranzuziehen..." Ein bewilligungs- und anzeigefreies Bauvorhaben bedenken sie damit nicht, weshalb nicht daraus geschlossen werden kann, dass eine einheitliche Betriebsprämie nur im Fall von Bauarbeiten auf Grund einer Baubewilligung oder -anzeige zustünde. Dies lässt sich insbesondere dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen.

Liegen einer Baubewilligung oder Bauanzeige zugrunde gelegte Baupläne nicht vor, hätte die Behörde die Beweisführung in anderer Weise zulassen müssen.

Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG aF in Verbindung mit § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013, in der Fassung BGBl II Nr 8/2014.

Wien, am