VwGH vom 29.05.2015, 2012/17/0231
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Mag. Brandl als Richterinnen bzw Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Fries, über die Beschwerde der Gemeinde S, vertreten durch die Eisenberger Herzog Rechtsanwalts GmbH in 8010 Graz, Hilmgasse 10, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , FA7A-481-498/2010-3, betreffend Kanalisationsbeitrag (mitbeteiligte Parteien: 1. GL, und 2. CL, beide in H, beide vertreten durch die Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der beschwerdeführenden Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom schrieb der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde den mitbeteiligten Parteien als Eigentümer einer näher genannten Liegenschaft einen ergänzenden Kanalisationsbeitrag gemäß § 4 Abs 1 und 2 Steiermärkisches Kanalabgabengesetz 1955 iVm §§ 1 und 2 Kanalabgabenordnung der beschwerdeführenden Gemeinde in der Höhe von EUR 760,80 vor. Eine am durchgeführte Erhebung und Vermessung an Ort und Stelle habe eine Berechnungsfläche von 50,72 m2 ergeben. Die Liegenschaft der mitbeteiligten Parteien sei an die öffentliche Kanalisationsanlage angeschlossen. 1998 sei dafür bereits ein einmaliger Kanalisationsbeitrag gemäß § 2 Abs 1 Kanalabgabengesetz 1955 vorgeschrieben worden. Gemäß § 4 Abs 4 Kanalabgabengesetz 1955 sei bei Zu- und Umbauten von Baulichkeiten ein ergänzender Kanalisationsbeitrag entsprechend der neu gewonnenen Bruttogeschoßfläche zu berechnen.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung bestritten die mitbeteiligten Parteien, dass bei den "in Rede stehenden" Stallgebäuden ein Umbau oder eine Nutzungsänderung bzw Änderung der Bruttogeschoßfläche stattgefunden habe.
Mit Bescheid vom änderte der Gemeinderat den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend ab, dass den mitbeteiligten Parteien anstelle des ergänzenden Kanalisationsbeitrags der einmalige Kanalisationsbeitrag vorgeschrieben werde; im Übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Es sei zwar richtig, dass im Zuge des Umbaus keine Bruttogeschoßfläche dazugewonnen worden sei, jedoch seien die gegenständlichen Baulichkeiten vor dem Umbau als Stallgebäude zur Tierhaltung genutzt worden, "jetzt" seien sie hingegen zu "Lagerräumen/Wohnraum" umgebaut worden und würden daher nicht mehr für die Land- und Forstwirtschaft genutzt. Es sei auch ein Wasser- und Kanalanschluss im betreffenden Gebäudeteil errichtet worden und ein faktischer Anschluss an den öffentlichen Kanal ohne Ausspruch der Anschlussverpflichtung erfolgt. Die Bestimmung des § 4 Abs 4 Kanalabgabengesetz 1955, wonach ein Ergänzungsbeitrag nur entsprechend der neu gewonnenen Bruttogeschoßfläche vorgeschrieben werden dürfe, gelte nur für den Fall, dass für die entsprechende Baulichkeit bereits ein einmaliger Kanalisationsbeitrag entrichtet worden sei. Aus dem Vermessungsprotokoll des Jahres 1991 anlässlich der damaligen Vorschreibung des einmaligen Kanalisationsbeitrages ergebe sich aber, dass die Wirtschaftsgebäude unberücksichtigt geblieben seien. Die Fehlbezeichnung im erstinstanzlichen Bescheid (der ohnehin nur auf § 4 Abs. 1 und 2 Stmk KanalAbgG Bezug genommen habe) sei daher zu korrigieren gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhoben die mitbeteiligten Parteien Vorstellung und führten begründend aus, es sei unbestritten, dass bereits 1991 eine Vermessung zur Vorschreibung des einmaligen Kanalisationsbeitrags stattgefunden habe und die in Frage stehenden Wirtschaftsgebäude bereits zu diesem Zeitpunkt benützt worden, aber bei der Vorschreibung des einmaligen Kanalisationsbeitrags unberücksichtigt geblieben seien. Es sei daher gemäß § 156 Abs 2 Steiermärkische Landesabgabenordnung (in Folge: Stmk LAO) iVm § 323a Abs 1 Z 3 BAO bereits Festsetzungsverjährung eingetreten. Die Festsetzung eines Ergänzungsbetrags komme nicht in Betracht.
Mit Schreiben vom gab die beschwerdeführende Gemeinde eine Stellungnahme zur Vorstellung der mitbeteiligten Parteien ab und führte darin unter anderem aus, dass der öffentliche Kanal 1998 errichtet worden sei. Damals seien im betreffenden Gebäudeteil (Stall) Hühner und Schweine gehalten worden. Nun würde dieser aber als Wohn-, Gewerbe- bzw Lagerraum genutzt. Es liege somit eine neue Nutzungsart vor, für die Kanalanschlussgebühren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Benützung zu entrichten seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung Folge, hob den Berufungsbescheid des Gemeinderates auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Gemeinde (zurück). Begründend führte die belangte Behörde neben der Wiedergabe des Verfahrensganges und der anzuwendenden Rechtsvorschriften aus, der Berufungsbescheid setze auch EUR 13,20 an Bundesgebühren für die Eingabe der Berufung fest. Diese Kostenfestsetzung erweise sich als rechtswidrig, da das Gebührengesetz 1957 unter Tarifpost 6 Abs 5 lit 4 ausdrücklich bestimme, dass Eingaben an Verwaltungsbehörden in Abgabensachen nicht der Eingabengebühr unterlägen. Schon allein aus diesem Grund sei der Bescheid aufzuheben.
Überdies ergebe sich aus § 4 Abs 3 Stmk KanalAbgG keine Ermächtigung, die dort genannten Gebäudeteile gänzlich aus der Berechnungsfläche für die (1998 erfolgte) Festsetzung des Kanalisationsbeitrages auszunehmen. Die bereits 1991 erstmalig benützten Stallgebäude hätten vielmehr (damals) von der Abgabenbehörde mitberücksichtigt werden müssen. Da der Kanal 1998 errichtet worden sei, habe die Frist zur Festsetzungsverjährung spätestens mit zu laufen begonnen. Somit sei spätestens mit Ablauf des Festsetzungsverjährung eingetreten. Auf die Frage der Nutzungsänderung der Objekte sei daher nicht näher einzugehen gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Gemeinde zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 913/11-8, ablehnte und die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In seiner Begründung führte der Verfassungsgerichtshof aus, dass § 2 Abs 3 und § 4 Abs 4 Stmk KanalAbgG auch dann nicht verfassungswidrig seien, wenn ein Umbau im Sinne dieser Vorschriften bei einer bloßen Nutzungsänderung einer Baulichkeit nicht angenommen werden würde.
In ihrer vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde machte die beschwerdeführende Gemeinde inhaltliche Rechtswidrigkeit in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Auch die mitbeteiligten Parteien erstatteten eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl I Nr 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
Das Gesetz vom über die Erhebung der Kanalabgaben durch die Gemeinden des Landes Steiermark (Kanalabgabengesetz 1955, in der Folge: Stmk KanalAbgG), LGBl Nr 71/1955, lautet in der Stammfassung auszugsweise:
"Gegenstand der Abgabe
§ 2.
(1) Der Kanalisationsbeitrag ist einmalig für alle Liegenschaften im Gemeindegebiete zu leisten, für welche eine gesetzliche Anschlusspflicht an das bereits bestehende öffentliche Kanalnetz besteht, ohne Rücksicht darauf, ob sie an das Kanalnetz tatsächlich angeschlossen sind oder nicht.
...
(3) Bei anschlusspflichtigen Neubauten und bei Zu-, Auf-, Ein- und Umbauten in anschlusspflichtigen Baulichkeiten nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes entsteht die Beitragspflicht mit der erstmaligen Benützung der Baulichkeit oder ihrer Teile. Bei Wiedererrichtung einer zerstörten, abgetragenen oder beschädigten Baulichkeit ist der Kanalisationsbeitrag nur insoweit zu leisten, als das wiedererrichtete Bauwerk die Ausmaße des früheren überschreitet.
...
Ausmaß
§ 4.
(1) Die Höhe des Kanalisationsbeitrages bestimmt sich aus dem mit der verbauten Grundfläche (in Quadratmetern) mal Geschoßanzahl vervielfachten Einheitssatz (Abs. 2), wobei Dachgeschosse und Kellergeschosse je zur Hälfte eingerechnet werden;
Wirtschaftsgebäude, die keine Wohnung oder Betriebsstätte enthalten, werden nach der verbauten Fläche ohne Rücksicht auf die Geschoßzahl, Hofflächen, das sind ganz oder teilweise von Baulichkeiten umschlossene Grundflächen, deren Entwässerung durch die Kanalanlage erfolgt, nach dem Flächenausmaß eingerechnet.
...
(3) Für nicht Wohnzwecken dienende Gebäude (Gebäudeteile) land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und für die dazu gehörigen Hofflächen, deren Entwässerung durch die öffentliche Kanalanlage erfolgt, darf höchstens die Hälfte und für unbebaute Flächen (in Quadratmeter) mit künstlicher Entwässerung in die öffentliche Kanalanlage höchstens ein Zehntel des Einheitssatzes in Anrechnung gebracht werden.
(4) Bei Zu-, Auf-, Ein- und Umbauten von Baulichkeiten, für welche bereits ein Kanalisationsbeitrag entrichtet wurde, sind der Berechnung des ergänzenden Kanalisationsbeitrages (Ergänzungsbeitrag) lediglich die neu verbaute Fläche und die neu errichteten Geschosse zugrunde zu legen."
Durch die Novelle LGBl Nr 81/2005 wurde in § 2 Abs 3 erster Satz die Wortfolge "bei Zu-, Auf-, Ein- und Umbauten" durch die Wortfolge "bei Zu- und Umbauten" ersetzt. Weiters erhielten § 4 Abs 1, 3 und 4 folgende Fassung:
"(1) Die Höhe des Kanalisationsbeitrages bestimmt sich aus dem Produkt von Einheitssatz und der Bruttogeschoßflächen eines Gebäudes. Dabei sind Keller- und Dachgeschoße zur Hälfte, die übrigen Geschoße zur Gänze zu berechnen; Nebengebäude, oberirdische Garagen und Wirtschaftsgebäude, die keine Wohnung oder Betriebsstätte enthalten, werden nach der Bruttogeschoßfläche des Erdgeschoßes ohne Rücksicht auf die Geschoßanzahl eingerechnet. Bei Tiefgaragen ist der Berechnung die Bruttogeschoßfläche jenes Geschoßes zugrunde zu legen, das die größte Ausdehnung hat. Für Hofflächen, das sind ganz oder teilweise von Baulichkeiten umschlossene Grundflächen (in Quadratmetern), deren Entwässerung durch die Kanalanlage erfolgt, darf höchstens die Hälfte und für unbebaute Flächen (in Quadratmetern) mit künstlicher Entwässerung in die öffentliche Kanalanlage darf höchstens ein Zehntel des Einheitssatzes in Anrechnung gebracht werden.
...
(3) Bei Wirtschaftsgebäuden mit land- oder forstwirtschaftlicher Nutzung gelangen nur jene baulich abgegrenzten Geschoßflächen (in Quadratmetern) zur Verrechnung, deren Entwässerung durch die öffentliche Kanalanlage erfolgt. Ausschließlich Lagerzwecken dienende Gebäude eines Gewerbe-, Handels-, Dienstleistungs- oder Industriebetriebes mit künstlicher Entwässerung in die öffentliche Kanalanlage sind lediglich mit der Bruttogeschoßfläche des Erdgeschoßes in Anrechnung zu bringen.
(4) Bei Zu- und Umbauten von Baulichkeiten ist der ergänzende Kanalisationsbeitrag (Ergänzungsbeitrag) entsprechend der neu gewonnenen Bruttogeschoßfläche zu berechnen."
Nach § 14 Tarifpost 6 Abs 5 Z 4 Gebührengesetz (GebG) unterliegen Eingaben an Verwaltungsbehörden, außer an Zollbehörden in den Fällen der Z 4a, in Abgabensachen nicht der Eingabengebühr.
Die belangte Behörde hat ihre aufhebende Entscheidung zunächst darauf gestützt, dass die Festsetzung einer Eingabengebühr der Bestimmung des § 14 Tarifpost 6 Abs 5 Z 4 GebG widerspreche, weil Eingaben an Verwaltungsbehörden in Abgabensachen nicht der Eingabengebühr unterlägen. Damit wäre die belangte Behörde zwar im Recht, sie verkennt aber, dass dem Bescheid des Gemeinderates vom eine solche Festsetzung nicht zu entnehmen ist. Die bloße Wortfolge in der Zustellverfügung: "im Anschluss eines Erlagscheines für die Entrichtung der Bundesgebühren gem. Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267 i. d. g. F. für die Berufung von EUR 13,20" entfaltet nämlich noch keine normative Wirkung (vgl zur Praxis der Gebührenerhebung Gaier , Kommentar zum Gebührengesetz 1957 § 3 Rz 10 ff). Die belangte Behörde vermochte daher ihre aufhebende Entscheidung nicht auf den Umstand zu stützen, dass in dessen Zustellverfügung angeordnet wurde, dem Bescheid vom einen Erlagschein über eine (nicht vorzuschreibende) Eingabengebühr beizulegen.
Die Entscheidung der belangten Behörde erweist sich aber auch sonst als rechtswidrig:
Den mitbeteiligten Parteien wurde nämlich mit dem Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde vom ein ergänzender Kanalisationsbeitrag (Ergänzungsbeitrag) vorgeschrieben. Damit war aber Sache des erstinstanzlichen Verfahrens die Vorschreibung eines Ergänzungsbeitrages, die in der Folge von den mitbeteiligten Parteien mit Berufung bekämpft wurde. Der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde hat diese Berufung abgewiesen und den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahin gehend abgeändert, als nunmehr ein einmaliger Kanalisationsbeitrag vorgeschrieben wird.
Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist aber durch die Sache begrenzt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf die Abgabenbehörde zweiter Instanz in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelbehörde in Aussicht genommenen rechtlichen Art nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war, nicht einen Sachbescheid im Ergebnis erstmals erlassen. Sie darf beispielsweise nicht erstmals eine Abgabe überhaupt oder eine andere Abgabe an Stelle der festgesetzten Abgabe vorschreiben oder jemanden erstmals in eine Schuldnerposition verweisen. Nimmt die Rechtsmittelbehörde diese Befugnis für sich in Anspruch, dann ist dies ein Eingriff in die sachliche Zuständigkeit der Behörde erster Instanz (vgl , mwN).
Da es sich bei der Vorschreibung des einmaligen Kanalisationsbeitrages um die erstmalige Vorschreibung einer anderen Abgabe als den Ergänzungsbeitrag gehandelt hat (vgl zum Vorarlberger Kanalisationsgesetz wieder , zum Burgenländischen Kanalabgabegesetz , und zum Ergänzungsbeitrag zur Aufschließungsabgabe nach der NÖ BauO ), hat die Berufungsbehörde ihre Zuständigkeit überschritten. Dadurch, dass die belangte Behörde diese Unzuständigkeit nicht wahrgenommen hat, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, die im Hinblick auf die Bindungswirkung der verfehlten Begründung des angefochtenen Bescheides zu dessen Aufhebung führen muss.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG aF in Verbindung mit § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013, in der Fassung BGBl II Nr 8/2014.
Wien, am