VwGH vom 26.11.2008, 2008/08/0118

VwGH vom 26.11.2008, 2008/08/0118

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der N G.m.b.H. in Wien, vertreten durch Buchgraber & Schneider Rechtsanwalts KG in 1080 Wien, Laudongasse 11/3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. LGSW/Abt. 3-, betreffend Sonderbeitrag gemäß § 25 Abs. 2 AlVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schreiben vom brachte das Finanzamt Wien 4/5/10 eine "Anzeige gem. § 27 AuslBG an Arbeitsmarkservice" bei der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien ein. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Frau O. anlässlich einer Erhebung am gegen 10.50 Uhr im Geschäftslokal der Beschwerdeführerin bei Arbeiten an Regalen angetroffen worden sei. Sie habe einen weißen Arbeitsmantel getragen und gegenüber dem Kontrollorgan angegeben, als Verkäuferin bei der Beschwerdeführerin tätig zu sein. Eine Abfrage bei der Wiener Gebietskrankenkasse habe ergeben, dass O. zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht zur Sozialversicherung gemeldet gewesen sei, jedoch seit laufend im Bezug von Arbeitslosengeld stehe.

Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien, Regionale Geschäftsstelle Prandaugasse (in der Folge: AMS Prandaugasse), vom wurde die Beschwerdeführerin zur Zahlung eines Sonderbeitrages zur Arbeitslosenversicherung in der Höhe von EUR 198,89 verpflichtet. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass O. am bei einer Tätigkeit im Sinne des § 12 Abs. 1 (offenbar gemeint: Abs. 3) lit. a AlVG im Betrieb der Beschwerdeführerin betreten worden sei. Obwohl O. dazu verpflichtet gewesen sei, habe sie diese Tätigkeit dem Arbeitsmarktservice nicht unverzüglich gemeldet. Wie das Ermittlungsverfahren ergeben habe, sei seitens der Beschwerdeführerin auch keine zeitgerechte Meldung beim zuständigen Sozialversicherungsträger erfolgt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass sich O. auf Arbeitssuche befunden und im Dezember 2008 (gemeint wohl: 2007) als Verkäuferin beworben habe. Als Vorstellungstermin sei der vereinbart worden. Man habe sich im Geschäftslokal der Beschwerdeführerin getroffen, das Gespräch habe eineinhalb Stunden gedauert. Es seien O. die typischen Arbeitsabläufe anhand praktischer Beispiele gezeigt worden und man habe feststellen wollen, ob O. auch ein korrektes Auftreten habe, was im Hinblick auf die vorwiegend japanische Kundschaft der Beschwerdeführerin von großer Wichtigkeit sei. Danach sei O. zu ihrem AMS-Kurs gegangen. Auf Grund dieses Kurses sei O. auch gar nicht in der Lage gewesen, im vollen Ausmaß bei der Beschwerdeführerin zu arbeiten. O. sei lediglich für das Vorstellungsgespräch im Geschäft der Beschwerdeführerin gewesen und habe für ihre Anwesenheit keine Bezahlung erhalten. Zwei Tage nach dem Vorstellungsgespräch sei O. auf Probe geringfügig angestellt worden. Diese Anstellung sei zeitgerecht gemeldet worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge. Begründend führte sie nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen aus, dass in der Anzeige des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom ausgeführt worden sei, dass O. am für die Beschwerdeführerin arbeitend angetroffen worden sei. Sie sei im weißen Arbeitsmantel Regalbetreuungstätigkeiten nachgegangen. Die rechtzeitige Anmeldung bei der Wiener Gebietskrankenkasse sei nicht erfolgt. Auf Grund der Anzeige des Zollamtes Wien sei daher davon auszugehen, dass die Vorschreibung des Sonderbeitrages zu Recht erfolgt sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtwidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 3 lit. a AlVG gilt insbesondere nicht als arbeitslos, wer in einem Dienstverhältnis steht.

§ 25 Abs. 2 AlVG idF BGBl. I Nr. 104/2007 lautet:

"(2) Wird ein Empfänger von Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) bei einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 lit. a, b oder d durch öffentliche Organe, insbesondere Organe von Behörden oder Sozialversicherungsträgern oder Exekutivorgane, betreten, die er nicht unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle angezeigt hat (§ 50), so gilt die unwiderlegliche Rechtsvermutung, daß diese Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt ist. Das Arbeitslosengeld (die Notstandshilfe) für zumindest vier Wochen ist rückzufordern. Erfolgte in einem solchen Fall keine zeitgerechte Meldung durch den Dienstgeber an den zuständigen Träger der Krankenversicherung, so ist dem Dienstgeber von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ein Sonderbeitrag in der doppelten Höhe des Dienstgeber- und des Dienstnehmeranteiles zur Arbeitslosenversicherung (§ 2 des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes, BGBl. Nr. 315/1994) für die Dauer von sechs Wochen vorzuschreiben. Als Bemessungsgrundlage dient der jeweilige Kollektivvertragslohn bzw., falls kein Kollektivvertrag gilt, der Anspruchslohn. Die Vorschreibung gilt als vollstreckbarer Titel und ist im Wege der gerichtlichen Exekution eintreibbar."

Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Ungeachtet dessen, dass nach dem ersten Satz des § 25 Abs. 2 AlVG schon eine "Tätigkeit gem. § 12 Abs. 3 lit. a, b oder d", bei deren Verrichtung die im Leistungsbezug nach dem AlVG stehende Person betreten wird, dazu führt, dass die gesetzliche Vermutung des letzten Halbsatzes des ersten Satzes des § 25 Abs. 2 AlVG eintritt, dass diese Tätigkeit mit Entgelt oberhalb der Bagatellgrenze entlohnt wird, so reicht dies nach dem Gesetzeswortlaut nicht aus, um auch den Sonderbeitrag nach dem dritten Satz leg. cit. verhängen zu dürfen. Die im dritten Satz des § 25 Abs. 2 AlVG dafür normierte weitere Voraussetzung ist nämlich, dass eine "zeitgerechte" Meldung zum zuständigen Träger der Krankenversicherung unterblieben ist, d.h. eine Meldung, die auf Grund der Art der Beschäftigung gesetzlich geboten gewesen wäre. Eine Meldung ist aber nur dann gesetzlich geboten, wenn es sich um eine Tätigkeit handelte, die tatsächlich sozialversicherungspflichtig war und bei der "der Dienstgeber" zur zeitgerechten Meldung verpflichtet gewesen ist. Die Verhängung eines Sonderbeitrages kommt daher im Ergebnis nur dann in Betracht, wenn die Tätigkeit - unter Außerachtlassung der Vermutung des § 25 Abs. 2 erster Satz AlVG - eine Pflichtversicherung nach einem der Tatbestände des ASVG begründet hätte, wobei allerdings auch eine probeweise verrichtete Tätigkeit die Versicherungspflicht begründen kann (vgl. zB das Erkenntnis vom , Zl. 2000/08/0180, Slg. Nr. 16.285/A).

In diesem Zusammenhang macht jedoch die Beschwerdeführerin geltend, dass O. keiner Tätigkeit nach § 12 Abs. 3 AlVG nachgegangen, sondern vielmehr zum fraglichen Zeitpunkt noch in keinem Dienstverhältnis zur Beschwerdeführein gestanden sei. Weder O. noch die Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin seien einvernommen worden noch sei der Beschwerdeführerin Gelegenheit zur Stellungnahme zu allfälligen Beweisergebnissen gegeben worden. Wäre dies geschehen, hätte sich erwiesen, dass O. nur für ein Vorstellungsgespräch anwesend gewesen und keiner meldepflichtigen Tätigkeit im Sinne des § 12 Abs. 3 AlVG nachgegangen sei. Die Behauptung der Verwendung weißer Arbeitskleidung sei unrichtig und müsse unrichtig sein, da im gegenständlichen Lokal kein Mitarbeiter weiße Arbeitsbekleidung trage.

Die Verwaltungsbehörden sind zur Einhaltung des § 45 Abs. 3 AVG von Amts wegen verpflichtet, ohne dass es hiezu eines Antrages der Partei bedürfte. Dem Gebot des Parteiengehörs entspricht es nicht, wenn die Behörde solche Tatsachen für die Begründung ihrer Entscheidung heranzieht, die der Partei nicht vorher zur Stellungnahme zwecks Wahrung und Geltendmachung ihrer Rechte vorgehalten worden sind (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, Seite 687 bei E 275 zu § 45 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Aus dem Verwaltungsakt ist nicht ersichtlich, dass die Behörde erster Instanz oder die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Anzeige des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom zwecks Wahrung des rechtlichen Gehörs vorgehalten hätte. Nach dem Beschwerdevorbringen ist es nicht ausgeschlossen, dass die belangte Behörde bei ordnungsgemäßer Gewährung von Parteiengehör zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Kostenmehrbegehren der Beschwerdeführerin war abzuweisen, weil im pauschalierten Schriftsatzaufwand nach der zitierten Verordnung bereits die Umsatzsteuer enthalten ist.

Wien, am