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VwGH vom 24.02.2011, 2010/09/0116

VwGH vom 24.02.2011, 2010/09/0116

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde der G Ges.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Konrad Faulhaber, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Laudongasse 25, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 3/08114/327 4280, betreffend Zulassung als Schlüsselkraft (mitbeteiligte Partei: VL in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit der an den Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, gerichteten Eingabe vom beantragte der Mitbeteiligte (in der Folge: VL), ein ukrainischer Staatsangehöriger, die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung mit dem Aufenthaltszweck "Schlüsselkraft - unselbstständig". Die Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde übermittelte diesen Antrag samt der von der Beschwerdeführerin ausgefüllten Arbeitgebererklärung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice, welche diesen Antrag mit Bescheid vom auf Zulassung als Schlüsselkraft nach Anhörung des Regionalbeirates gemäß § 12 Abs. 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 5 AuslBG abwies.

Als Begründung verwies die Behörde erster Instanz - ohne dass Ermittlungen aktenkundig stattgefunden hätten - lediglich darauf, im Ermittlungsverfahren habe keine der in § 2 Abs. 5 AuslBG genannten Voraussetzungen festgestellt werden können. Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Berufung der Beschwerdeführerin und des VL gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 5 AuslBG keine Folge gegeben. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens begründete die belangte Behörde ihren Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen:

"Mit der Normierung des § 2 Abs. 5 AuslBG wurde aus beschäftigungspolitischen Erwägungen ein Steuermechanismus für den Neuzugang von unselbständigen Erwerbstätigen zum inländischen Arbeitsmarkt geschaffen, der unter strengen Maßstäben hochqualifizierten Arbeitskräften eine Zulassung zu diesem eröffnet.

Um der generellen Bedingung dieser Bestimmung 'einer besonderen, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragten Ausbildung ' gerecht zu werden, muss einerseits eine schulische, universitäre oder berufliche Bildung erworben worden sein, die über das normale Maß hinaus als ausgezeichnet zu qualifizieren ist und andererseits gleichzeitig an Personen mit einer solchen eine entsprechende Nachfrage im Inland bestehen.

Dieses Erfordernis ist nur erfüllt, wenn der ausländische Staatsbürger über eine diesbezügliche Ausbildung in einem Bereich verfügt, welche am bundesweiten Arbeitsmarkt nachgefragt ist und nicht durch am inländischen Arbeitsmarkt verfügbare Arbeitskräfte abgedeckt werden kann.

Eine spezielle Nachfrage an einer Arbeitskraft für den Aufgabenbereich Absatzförderung des Ostgeschäfts mit dem von Ihnen gestellten Anforderungsprofil, insbesondere mit den von Ihnen geforderten Orts - und Sprachkenntnissen, ist am inländischen Arbeitsmarkt nicht evident.

Für das Vorhandensein spezieller Kenntnisse und Fertigkeiten mit entsprechender beruflicher Erfahrung muss die Qualifikation des Ausländers auf besonderen Fähigkeiten oder Talenten beruhen, welche für die geplante Beschäftigung ein unbedingtes Erfordernis darstellen.

Herr VL hat im Jahre 2005 an der privaten Hochschule ' Europäische Universität ' das Bakkalaureatsstudium absolviert, die akademische Bildung ' Wirtschaft - und Unternehmertum ' erworben und es wurde ihm am das Bakkalaureatsdiplom verliehen. Seit Anfang des Jahres 2006, somit seit seinem 22. Lebensjahr, befindet sich Herr VL in Österreich und wurde zum Masterstudium Internationale Betriebswirtschaft an der Universität Wien zugelassen.

Herr VL verfügt anhand der evidenten Fakten über keine berufliche Praxis.

Die Sprachkenntnisse von Herrn VL können diese Anforderung nicht ersetzen und stellen keine speziellen Kenntnisse und Fertigkeiten im Sinne des § 2 Abs. 5 AuslBG dar, da die Erfüllung dieser Bedingung im Konnex mit einer entsprechender beruflicher Erfahrung stehen muss.

Eine außergewöhnlich hohe Qualifikation von Herrn VL entsprechend der Normierung des § 2 Abs. 5 AuslBG liegt nach dem evidenten Sachverhalt nicht vor.

Aus den aufgezeigten Fakten treffen sind die Grundbedingungen des § 2 Abs. 5 AuslBG, nämlich das Vorhandensein einer besonderen Ausbildung, nach der am inländischen Arbeitsmarkt eine offenkundige Nachfrage besteht oder der Erwerb spezieller Kenntnisse oder Fertigkeiten mit entsprechender beruflicher Erfahrung nicht zu."

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung, lauten auszugsweise:

"§ 2 (1) ...

(5) Als Schlüsselkräfte gelten Ausländer, die über eine besondere, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragte Ausbildung oder über spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten mit entsprechender beruflicher Erfahrung verfügen und für die beabsichtigte Beschäftigung eine monatliche Bruttoentlohnung erhalten, die durchwegs mindestens 60 vH der Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) zuzüglich Sonderzahlungen zu betragen hat. Überdies muss mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:

1. die beabsichtigte Beschäftigung hat eine besondere, über das betriebsbezogene Interesse hinausgehende Bedeutung für die betroffene Region oder den betroffenen Teilarbeitsmarkt oder

2. die beabsichtigte Beschäftigung trägt zur Schaffung neuer Arbeitsplätze oder zur Sicherung bestehender Arbeitsplätze bei oder

3. der Ausländer übt einen maßgeblichen Einfluss auf die Führung des Betriebes (Führungskraft) aus oder

4. die beabsichtigte Beschäftigung hat einen Transfer von Investitionskapital nach Österreich zur Folge oder

5. der Ausländer verfügt über einen Abschluss einer Hochschul- oder Fachhochschulausbildung oder einer sonstigen fachlich besonders anerkannten Ausbildung.

§ 4b (1) Die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes (§ 4 Abs. 1) lässt die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zu, wenn für die vom beantragten Ausländer zu besetzende offene Stelle weder ein Inländer noch ein am Arbeitsmarkt verfügbarer Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, die beantragte Beschäftigung zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen auszuüben. Unter den verfügbaren Ausländern sind jene mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, Inhaber einer Arbeitserlaubnis, eines Befreiungsscheines oder eines Niederlassungsnachweises sowie EWR-Bürger (§ 2 Abs. 6) und türkische Assoziationsarbeitnehmer zu bevorzugen. Der Prüfung ist das im Antrag auf Beschäftigungsbewilligung angegebene Anforderungsprofil, das in den betrieblichen Notwendigkeiten eine Deckung finden muss, zu Grunde zu legen. Den Nachweis über die zur Ausübung der Beschäftigung erforderliche Ausbildung oder sonstige besondere Qualifikationen hat der Arbeitgeber zu erbringen.

...

§ 12 (1) Ausländer, die über keine Niederlassungsbewilligung verfügen, werden zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft zugelassen, wenn

1. die Voraussetzungen der §§ 2 Abs. 5, 4 Abs. 1 und 3 (mit Ausnahme der Z 7) und 4b vorliegen,

2. keine fremdenrechtlichen Bedenken gegen die Niederlassung bestehen und

3. das in der Niederlassungsverordnung vorgesehene Länderkontingent für Schlüsselkräfte noch nicht ausgeschöpft ist.

..."

In der dem gegenständlichen Antrag beiliegenden Arbeitgebererklärung ist das Anforderungsprofil für die vorgesehene Beschäftigung als Schlüsselkraft folgendermaßen umschrieben:

"Wirtschft. Ausbildung, Ortskenntnisse, Sprachen: Russisch, Ukrainisch, Polnisch, Englisch + Deutsch"

Als Qualifikationsnachweis, der in deutscher Sprache vorliege, wurde "österr. Sprachdiplom; Bachelor" angeführt. Im Verfahren wurde als Nachweis ein Diplom der Privat Hochschule "Europäische Universität" in der Ukraine vom vorgelegt. Dieses Diplom bildete die Grundlage für den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Bescheid der Universität Wien vom , mit dem VL über seinen Antrag zum Studium der Studienrichtung "Masterstudium Internationale Betriebswirtschaft" unter der Bedingung der gemäß § 64 Abs. 5 UG 2002 iVm dem Studienplan der Studienrichtung Bakkalaureatsstudium Betriebswirtschaft positiv abgelegten Prüfungen "Modul Business English, § 6 (2) 15., im Ausmaß von 6 ECTS" zum Wintersemester 2006 zugelassen wurde.

In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, dass der genannte Studienabschluss der Europäischen Universität aus der Ukraine im Hinblick auf seine Inhalte und Anforderungen zwar als grundsätzlich gleichwertig im Sinne des § 64 Abs. 5 UG 2002 anzusehen sei, es fehle jedoch der Nachweis der Prüfungen "Modul Business English, § 6 (2) 15., im Ausmaß von 6 ECTS" laut Studienplan der Studienrichtung Bakkalaureatsstudium Betriebswirtschaft.

Die Beschwerdeführerin legte keine Nachweise (weder im Verwaltungsverfahren noch anlässlich der Beschwerde) über die behauptete Sprachenausbildung des VL vor.

Unbestritten ist, dass VL über keine berufliche Erfahrung verfügt.

§ 2 Abs. 5 Einleitungssatz AuslBG nennt zwei unabhängig voneinander (arg.: "oder") zu beurteilende Erfordernisse, über die der Ausländer verfügen müsse, wobei jedes Erfordernis für sich aus mehreren Tatbestandselementen besteht:

a) eine besondere, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragte Ausbildung,

b) spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten mit entsprechender beruflicher Erfahrung.

Nach dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 AuslBG anzuwendenden § 4b AuslBG ist der Prüfung des Antrages das in diesem angegebene Anforderungsprofil, das in den betrieblichen Notwendigkeiten eine Deckung finden muss, zu Grunde zu legen. Den Nachweis über die zur Ausübung der Beschäftigung erforderliche Ausbildung oder sonstige besondere Qualifikationen hat der Arbeitgeber zu erbringen.

Ad § 2 Abs. 5 AuslBG erstes Erfordernis: Da Nachweise über die Sprachausbildung des VL über die im Anforderungsprofil genannten Sprachen nicht vorgelegt wurden, wobei hier insbesondere auf die oben ausgeführte Bedingung des Bescheides der Universität Wien (fehlendes Business-English) hinzuweisen ist, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie diesbezüglich von einer fehlenden besonderen Ausbildung des VL ausgegangen ist. Ist dieses Tatbestandselement aber nicht erfüllt, dann macht es den angefochtenen Bescheid nicht rechtswidrig, dass ihn die belangte Behörde hinsichtlich des weiteren Tatbestandselementes der "inländischen Nachfrage" unzureichend begründet hat (zu den Anforderungen an die Begründung zur "inländischen Nachfrage" ist auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/09/0156, mwN hinzuweisen).

Ad § 2 Abs. 5 AuslBG zweites Erfordernis: Da VL unbestrittenermaßen über keine berufliche Erfahrung verfügt, erfüllt er schon deshalb dieses Tatbestandselement nicht.

Zu Recht führt die belangte Behörde aus, dass sich dann, wenn keines der Erfordernisse des § 2 Abs. 5 Einleitungssatz AuslBG erfüllt ist, eine Prüfung erübrigt, ob allenfalls eine der in den Z. 1 bis 5 leg. cit. genannten weiteren Voraussetzungen durch die in Aussicht genommene Beschäftigung zuträfe.

Als Verfahrensmangel rügt die Beschwerdeführerin, sie habe am eine ergänzende Eingabe eingebracht, in der sie ein "Anlagenverzeichnis (AFA-Verzeichnis) der damaligen Beteiligungen vorgelegt, dies zum Nachweis der Ernsthaftigkeit des Unterfangens, der beruflichen Erfahrung der Bf die neuerlich ihren Handel ausweiten möchte" und die Einvernahme des EG beantragt habe, dieser sei jedoch nicht einvernommen worden. Die belangte Behörde wendet in ihrer Gegenschrift ein, eine solche Ergänzung sei nicht erstattet worden. Dieser Streitpunkt kann aber dahinstehen, weil auch der von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde referierte Inhalt der Ergänzung keinen anderen Bescheid bewirkt hätte, so die Ergänzung tatsächlich bei der belangten Behörde eingelangt wäre.

Denn die Beschwerdeführerin bringt vor, der Zeuge EG hätte "sowohl über die Qualifikation als auch die Fähigkeiten des VL, als auch die Fundiertheit der Geschäftsausweitung der Firma G selbst, in ihrem Segment - Stempelwarenerzeuger - Auskunft" geben können. Damit zeigt die Beschwerdeführerin einerseits nicht auf, welche konkreten Sachverhalte dieser Zeuge im Hinblick auf VL hätte vorbringen können, sodass dem behaupteten Verfahrensmangel die Relevanz fehlt. Andererseits könnte aber die Zeugenaussage ohnehin nicht die fehlenden Nachweise der Ausbildung in den Sprachen ersetzen, weil nicht behauptet wird, dass derartige Ausbildungsnachweise erlangt worden wären und eine Zeugenaussage nur über die Tatsache der Erlangung von Ausbildungsnachweisen zielführend wäre. Hinsichtlich der beabsichtigten Geschäftsausweitung erübrigte sich die Aussage des EG, weil es auf die Erfüllung der Z. 1 bis 5 des § 2 Abs. 5 AuslBG in gegenständlicher Konstellation nicht ankommt.

Die Beschwerde war daher - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
OAAAE-75784