VwGH vom 30.09.2010, 2010/09/0115

VwGH vom 30.09.2010, 2010/09/0115

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des Ing. JS in D, vertreten durch Nusterer Mayer Rechtsanwälte OG in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. LAD1-Dis-524/7-2010, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe (weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.302,10 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe Dienstpflichtverletzungen gemäß § 26 Abs. 1 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972, LGBl. 2200, (in der Folge: DPL 1972) dadurch begangen, dass er

1. in einem Aktenvermerk vom über den Tagesablauf des Außendienstes am das Ende der Dienstreise mit 17:15 Uhr vermerkt und weiters angegeben habe "15:45 Uhr - Weiterfahrt nach L, I, S / Erhebungen und Kontrollen" sowie "16:30 Uhr bis 17:00 verfassen von Tagesbericht", obwohl er die Dienstreise durch Rückkehr an seinen Wohnort bereits um 15:22 Uhr beendet habe sowie

2. in einem Aktenvermerk vom über den Tagesablauf des Außendienstes am das Ende der Dienstreise mit 16:45 Uhr vermerkt und weiters angegeben habe "13:25 Uhr bis 16:00 Uhr Erhebungen für die Schlussfeststellungen des Bauloses S" sowie "16:00 Uhr bis 16:15 Uhr verfassen von Tagesbericht", obwohl er die Dienstreise durch Rückkehr an seinen Wohnort bereits um 14:55 Uhr beendet habe.

Der Beschwerdeführer habe dadurch die Geschäfte des Dienstzweiges, in dem er verwendet werde, nicht unter Beachtung der bestehenden Rechtsvorschriften mit größter Sorgfalt besorgt sowie in seinem gesamten Verhalten nicht darauf Bedacht genommen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibe.

Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von einem Dienstbezug (EUR 4.693,30) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung erwogen:

Gemäß § 26 Abs. 1 DPL 1972 hat der Beamte die Geschäfte des Dienstzweiges, in dem er verwendet wird, unter Beachtung der bestehenden Rechtsvorschriften mit größter Sorgfalt, anhaltendem Fleiß und voller Unparteilichkeit zu besorgen. Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Gemäß § 95 DPL 1972 finden die Bestimmungen des 11. Abschnitts des NÖ Landes-Bedienstetengesetzes (NÖ LBG), LGBl. 2100, auf Beamte nach diesem Gesetz sinngemäße Anwendung.

Gemäß § 173 NÖ LBG sind beamtete Bedienstete, die schuldhaft ihre Dienstpflichten verletzen, nach den Bestimmungen dieses Abschnitts zur Verantwortung zu ziehen.

Nach § 174 Abs. 1 NÖ LBG sind Disziplinarstrafen für aktive beamtete Bedienstete


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1.
der Verweis,
2.
die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Dienstbezuges,
3.
die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Dienstbezügen,
4.
die Entlassung.
Gemäß Abs.
2 ist bei der Berechnung der Geldbuße oder Geldstrafe von dem Dienstbezug auszugehen, auf den im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses Anspruch besteht.
§
175 NÖ LBG enthält die Bestimmungen für die Strafbemessung.
Danach ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um die jeweiligen Bediensteten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem StGB für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen. Auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der jeweiligen Bediensteten ist Bedacht zu nehmen.
Wurden durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen und wird über diese Dienstpflichtverletzungen gleichzeitig erkannt, ist nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er den ihm zur Last gelegten, oben wiedergegebenen, im Spruch des Disziplinarerkenntnisses enthaltenen Sachverhalt begangen hat.
Fest steht damit, dass der Beschwerdeführer Aufzeichnungen über dienstliche Verrichtungen angefertigt und unterschrieben hat, deren Inhalt betreffend die darin enthaltenen Dienstzeiten und Angaben über die Art der Dienstverrichtungen eine dienstliche Tätigkeit vorspiegelten, die er zu diesen Zeiten und in dieser Form nicht entfaltet hat, weil er sich bereits zuvor an seine Wohnadresse begeben hat und dass diese Aufzeichnungen dienstliche Verwendung gefunden haben.
Die Subsumtion des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes unter die Disziplinarstrafdrohung des §
26 Abs. 1 DPL 1972 ist nicht zu beanstanden, weil die Anfertigung von unrichtigen Dokumentationen über die eigene Dienstzeit sowohl als Verstoß gegen die Pflicht zur Besorgung der Geschäfte des betreffenden Dienstzweiges als auch zur Bedachtnahme auf das Vertrauen der Allgemeinheit in die Amtsführung gewertet werden darf.
Darüber hinausgehend wurde dem Beschwerdeführer keine Dienstpflichtverletzung vorgeworfen. Sämtliche Behauptungen des Beschwerdeführers, es würde ihm anderes vorgeworfen (z.B. "Auffälligkeiten", "Unregelmäßigkeiten bei der Verzeichnung von Zeitausgleich", "Krankenstände"), finden sich nicht im gegenständlichen Tatvorwurf. Die darauf abzielenden Beschwerdeausführungen entbehren daher einer Grundlage. Gleiches gilt für das Vorbringen, das Bild in der Öffentlichkeit könne deshalb nicht beeinträchtigt sein, weil Beamte zu verschiedenen Zeiten zu Hause sein könnten oder eine Teilzeitbeschäftigung vorliegen könnte. Damit verkennt der Beschwerdeführer, dass ihm nicht die frühzeitige Heimkehr zum Wohnort vorgeworfen wird, sondern -
es sei wiederholt - die falsche Beurkundung seiner Tätigkeit.
Nicht nachvollziehbar ist angesichts des gegenständlichen Tatvorwurfes der -
wie die belangte Behörde zu Recht ausführt - vorsätzlichen Falschdokumentation von nicht geleisteten Dienstverrichtungen der Vorwurf des Beschwerdeführers, die "Vorgesetzten würden gegen ihn im Sinne eines 'Bossing' vorgehen", oder es solle "die Person des Beschwerdeführers in Misskredit gebracht werden".
Es ist entgegen dem Beschwerdevorbringen ohne Belang, ob die schriftlichen Aufzeichnungen des Beschwerdeführers die Qualität eines "Leistungsverzeichnisses" eines "Aktenvermerkes" etc. haben, er sie "freiwillig" geführt habe oder ob bzw. aus welchen Gründen er dazu verpflichtet gewesen sei, diese Aufzeichnungen zu führen.
Es ist auch bedeutungslos, dass die Feststellungen für die -
noch dazu unbestrittene - Feststellung des Zeitpunktes der (jeweiligen) Rückkehr des Beschwerdeführers an seine Wohnadresse auf Beobachtungen und Fotos eines Vorgesetzten des Beschwerdeführers beruhen, weil - selbst wenn man dadurch den vom Beschwerdeführer behaupteten Eingriff in sein Privat- und Familienleben bejahte - im Disziplinarverfahren diesbezüglich kein Beweisverwertungsverbot besteht. Irrelevant ist im gegenständlichen Zusammenhang der Beurteilung einer Dienstpflichtverletzung des Beschwerdeführers das Vorbringen, der Vorgesetzte habe bei der Überwachung des Beschwerdeführers "Halte- und Parkverbote" verletzt und hätte nicht zum Bereich der Wohnung des Beschwerdeführers "zufahren" dürfen.
Der Beschwerdeführer wendet noch ein, die gegenständlichen Vorfälle seien der Öffentlichkeit weder bekannt noch dieser zugänglich. Die Bekanntheit bzw. der Bekanntheitsgrad, den ein Verhalten in der Öffentlichkeit erlangt, sowie die tatsächliche Beeinträchtigung des Vertrauens in der Bevölkerung ist für die Erfüllung des Tatbildes und die darauf fußende Bestrafung unerheblich (vgl.
Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten3, 2003, S. 148 und die dort zitierte hg. Rechtsprechung).
Das Verschulden durfte die belangte Behörde zu Recht als vorsätzliches Handeln werten, weil die gegenständlich vorliegende An- und Unterfertigung von Arbeitsaufzeichnungen, die mit den tatsächlich geleisteten Diensten nicht übereinstimmen, sondern Tätigkeiten anführen, die in der beurkundeten Weise nicht geleistet wurden, und deren Vorlage an den Dienstgeber nur in vorsätzlicher Weise erfolgen kann.
Mit dem weiteren Vorbringen, nämlich dem Vorwurf mangelnder Sachverhaltsermittlungen, dem Vorwurf "falscher" Beurteilung bzw. Würdigung der vom Vorgesetzten vorgelegten Beweise und der Behauptung, dass die Milderungsgründe des §
34 StBG "allesamt anwendbar", an anderer Stelle, dass "beinahe alle Tatbestände des § 34 StBG ... erfüllt" seien, zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit auf, weil er keinen konkreten Sachverhalt nennt.
Der einzige konkret vorgebrachte Milderungsgrund ist die bisherige Unbescholtenheit. Gerade dieser Milderungsgrund (der naturgemäß nur bei bisheriger "korrekter Dienstverrichtung" gegeben sein kann) wurde von der belangten Behörde aber ohnehin berücksichtigt. Angesichts der ausführlichen Begründung zur Strafbemessung, in der die belangte Behörde sowohl die Schwere der Tat als auch Erschwerungs- und Milderungsgründe sowie die weiteren für die Strafbemessung relevanten Kriterien berücksichtigt hat, kann nicht erkannt werden, dass durch die Verhängung einer Disziplinarstrafe in Höhe von einem Monatsbezug das der Behörde bei der Strafbemessung eingeräumte Ermessen überschritten worden und der Beschwerdeführer dadurch in seinen Rechten verletzt worden wäre.
Die Beschwerde war daher gemäß §
42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§
47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am