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VwGH vom 14.11.2013, 2012/17/0199

VwGH vom 14.11.2013, 2012/17/0199

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Straßegger und Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde der E F in G, vertreten durch Mag. Wolfgang Paar, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 29/II, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom , Zl. 2-GI-G4489/3-2012, betreffend Müllbehandlungsbeitrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Spruchpunkt 1. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Verbandsobmannes des Burgenländischen Müllverbandes (in weiterer Folge kurz: BMV) vom wurde der Beschwerdeführerin und Miteigentümern für ein Grundstück, dessen Miteigentümerin die Beschwerdeführerin seit 1961 war, gemäß §§ 62 bis 65 des Gesetzes vom über die Vermeidung, Sammlung, Beförderung und Behandlung von Abfällen (Bgld. Abfallwirtschaftsgesetz 1993), und der Tarifverordnung des BMV ein Müllbehandlungsbeitrag für das Kalenderjahr 2010 zur Zahlung vorgeschrieben.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung wandte die Beschwerdeführerin unter anderem ein, niemals einen Bescheid über die angebliche Anschlusspflicht zugestellt bekommen zu haben. Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit Bescheid vom wies die Berufungskommission des BMV die Berufung als unbegründet ab und führte im Wesentlichen aus, dass die Eigentümer des Grundstücks Benützer im Sinn des Bgld. Abfallwirtschaftsgesetzes 1993 seien, welche rechtskräftig zum Anschluss an die öffentliche Müllabfuhr des BMV und zur Benützung seiner Einrichtung verpflichtet worden seien. Die vorgeschriebenen Müllbehandlungsbeiträge seien von den zum Anschluss verpflichteten Grundeigentümern zu entrichten, welche die Beiträge zur ungeteilten Hand schuldeten. Die Abgabenbehörde könne selbst entscheiden, welchem Miteigentümer der Beitrag vorgeschrieben werde.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung, in der sie unter anderem darauf verwies, ihren Liegenschaftsanteil den übrigen Miteigentümern von Anfang an zum Gebrauch überlassen zu haben. Im März 2011 habe sie diesen Anteil verschenkt und sie sei nicht mehr Miteigentümerin. Die Beschwerdeführerin machte auch Nichtigkeit des Verfahrens geltend, weil über ihre Berufung nicht die zuständige Berufungskommission entschieden habe, sondern wiederum die erste Instanz. Mit der Vorstellung verband die Beschwerdeführerin den Antrag, ihr "bis zur Zustellung der endgültigen Entscheidung hemmende Wirkung, also Stundung, zuzuerkennen".

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde in Spruchpunkt 1. die Vorstellung und in Spruchpunkt 2. der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung für die Vorstellung der Beschwerdeführerin abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dem vorliegenden Verwaltungsakt sei zu entnehmen, dass Frau Ingrid S. Mitglied und Vorsitzende der Berufungskommission des BMV sei. Alle Mitglieder seien ordnungsgemäß geladen worden und die Entscheidungsfindung sei in Anwesenheit von fünf der sechs Mitglieder, wovon eines entschuldigt gewesen und somit das erforderliche Präsenzquorum eingehalten worden sei, einstimmig erfolgt. Der Bescheid sei von dem gemäß § 48 Bgld.

Abfallwirtschaftsgesetz 1993 zuständigen Organ erlassen worden. Mit Bescheid des BMV vom seien Frau Hermine B. und Miteigentümer mit dem Hinweis, dass mit der Zustellung des Bescheides die Zustellung an alle Miteigentümer als vollzogen gelte (Hinweis auf § 75 Abs. 7 Landesabgabenordnung - LAO; seit § 101 Abs. 1 Bundesabgabenordnung - BAO), zum Anschluss des genannten Grundstücks an das Entsorgungsnetz des BMV verpflichtet worden. Dieser Bescheid sei gegenüber allen Miteigentümern in Rechtskraft erwachsen und nicht Gegenstand der Vorstellung. Die Anschlussverpflichtung liege daher für die Miteigentümer des Grundstücks vor und diese seien gemäß § 63 Abs. 1 Bgld. Abfallwirtschaftsgesetz 1993 zur Beitragsleistung verpflichtet. Alle Miteigentümer schuldeten die ihnen vorgeschriebenen Müllbehandlungsbeiträge gemäß § 63 Abs. 2 zur ungeteilten Hand. Ein Fruchtgenussrecht habe die Beschwerdeführerin den übrigen Miteigentümern des Grundstücks nicht wirksam eingeräumt, weil dieses nicht verbüchert worden sei und es an der Offenkundigkeit der Dienstbarkeit fehle.

Zunächst seien die Bescheide zur Vorschreibung des Müllbehandlungsbeitrags an Hermine B. und Miteigentümer, später an Charlotte B. und Miteigentümer ergangen und sie hätten jeweils den Hinweis enthalten, dass mit der Zustellung der Bescheide die Zustellung an alle Miteigentümer als vollzogen gelte.

Schließlich begründete die belangte Behörde die Abweisung des Antrags der Beschwerdeführerin, der Vorstellung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, damit, dass sie den Eintritt eines durch sofortige Vollstreckung des Bescheides nicht wiedergutzumachenden Schadens nicht behauptet habe.

Erkennbar nur gegen Spruchpunkt 1. dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht primär die Befangenheit des Entscheidungsorgans im Rechtsmittelverfahren geltend.

Gemäß § 42 Abs. 1 Bgld. Abfallwirtschaftsgesetz 1993 bilden die Gemeinden des Burgenlandes einen Gemeindeverband mit der Bezeichnung "Burgenländischer Müllverband" mit dem Sitz in Oberpullendorf. Dieser hat bei der Einhebung des Müllbehandlungsbeitrags - wovon sowohl die belangte Behörde als auch die Beschwerdeführerin ausgehen - die BAO anzuwenden (vgl. zur ähnlichen Regelung der bis geltenden Landesabgabenordnung - LAO, LGBl. für das Burgenland Nr. 2/1963, das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/17/0424).

Nach § 76 Abs. 1 lit. d BAO haben sich im Rechtsmittelverfahren vor der Abgabenbehörde zweiter Instanz Organe der Ausübung ihres Amtes wegen Befangenheit zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen, wenn sie an der Entscheidung des angefochtenen Bescheides mitgewirkt haben.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt dieser Befangenheitsgrund dann vor, wenn der Bescheid unterer Instanz ganz oder teilweise auf einen Willensakt des im Berufungsverfahren handelnden Organs basiert (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/15/0211, mwN). Liegen aber diese Voraussetzungen vor, dann hat sich der Organwalter der Ausübung seines Amtes zu enthalten, ohne dass zu prüfen ist, ob er sich tatsächlich an einer unparteiischen Entscheidung gehemmt fühlt (vgl. Ritz , BAO4, Rz 5 zu § 76); es liegt ein sogenannter absoluter Befangenheitsgrund vor.

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich, dass der Abgabenbescheid erster Instanz von der Verbandsobfrau des BMV (Ingrid S.) erlassen wurde, die auch in der Berufungskommission mitwirkte, sodass von der belangten Behörde die Befangenheit der Berufungskommission nach § 76 Abs. 1 lit. d BAO aufzugreifen gewesen wäre. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. Hengstschläger/Leeb , AVG, § 7 , Rz 25, mwN).

Darüber hinaus ist Folgendes auszuführen:

Von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wurde, dass das Grundstück, dessen Miteigentümerin sie im Vorschreibungszeitraum (2010) war, in einem Bereich liegt, für den eine Abfallsammlung eingerichtet ist. Damit ist es im sogenannten Pflichtbereich (§ 2 Abs. 12 Bgld. Abfallwirtschaftsgesetz 1993) gelegen. Gemäß § 11 Abs. 1 leg. cit. sind die Eigentümer derartiger Grundstücke verpflichtet, die Sammlung, Beförderung und die Behandlung des auf ihren Grundstücken anfallenden Haushalts- und Sperrmülls durch die öffentliche Müllabfuhr besorgen zu lassen (Anschlusspflicht). Die Verpflichtung zur Entrichtung der dafür zu leistenden Müllbehandlungsbeiträge entsteht allerdings gemäß § 62 Abs. 3 Bgld. Abfallwirtschaftsgesetz 1993 erst mit dem Eintritt der Rechtskraft des Bescheides gemäß § 11 leg. cit., sodass es auf die Wirksamkeit der Zustellung des Bescheides des BMV vom an die Beschwerdeführerin ankommt.

Wie schon oben ausgeführt, ist zwar die BAO - und vor dem die LAO - auf das Bgld. Abfallwirtschaftsgesetz 1993 anwendbar, das gilt allerdings nur soweit es die Erhebung der Beiträge betrifft. Die Zustellung des Bescheides über die Anschlusspflicht an die Beschwerdeführerin war daher nach den Bestimmungen des AVG - und nicht wie im angefochtenen Bescheid nach der LAO - zu prüfen.

Auch wenn nach § 63 Abs. 2 Bgld. Abfallwirtschaftsgesetz 1993 Miteigentümer die Beiträge zur ungeteilten Hand schulden, wird damit nur die Art ihrer Verpflichtung geregelt, aber nicht eine Beitragspflicht begründet, deren Voraussetzungen in § 62 leg. cit. genannt sind. Die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Entrichtung des Müllbehandlungsbeitrags entsteht daher erst, wenn der Anschlusspflichtbescheid gemäß § 11 Abs. 1 Bgld. Abfallwirtschaftsgesetz 1993 ihr gegenüber rechtskräftig wird.

Der angefochtene Bescheid war daher auch aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am