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VwGH vom 29.06.2017, Ra 2017/21/0032

VwGH vom 29.06.2017, Ra 2017/21/0032

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Halm-Forsthuber, über die Revision des H Q, vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , W137 2143190-1/4E, betreffend Festnahme und Anhaltung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist Staatsangehöriger des Irak. Er verließ seinen Herkunftsstaat und gelangte über die Türkei und Griechenland auf der sogenannten "Balkanroute" nach Durchquerung der Staatsgebiete von Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich. Hier stellte er am einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Hierauf wurde ein Konsultationsverfahren nach der Dublin III-VO (Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung)) eingeleitet und am ein auf Art. 13 Abs. 1 der genannten Verordnung gestütztes Wiederaufnahmegesuch an die kroatischen Behörden gerichtet. Dieses Ersuchen blieb unbeantwortet.

3 In der Folge wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom den vom Revisionswerber gestellten Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 zurück. Unter einem stellte es fest, dass gemäß Art. 13 Abs. 1 der Dublin III-VO Kroatien zur Antragsprüfung zuständig sei, weil der Revisionswerber im Sinne der genannten Verordnungsbestimmung aus einem Drittstaat kommend die Landgrenze dieses Mitgliedstaats illegal überschritten habe. Weiters ordnete das BFA gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung des Revisionswerbers (nach Kroatien) an und es sprach aus, dass "demzufolge" gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Kroatien zulässig sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom als unbegründet ab. Dagegen wurden weder eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof noch eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

4 Über entsprechenden, auf § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG gestützten Auftrag des BFA vom wurde der Revisionswerber sodann am in seiner in Tirol gelegenen Unterkunft festgenommen und anschließend in das Polizeianhaltezentrum Wien-Hernals überstellt. Dort wurde er bis zu seiner Abschiebung auf dem Luftweg von Wien-Schwechat nach Kroatien (Zagreb), die am vorgenommen wurde, angehalten.

5 Gegen die Festnahme und Anhaltung sowie gegen die Abschiebung erhob der Revisionswerber mit einem von seinem rechtsanwaltlichen Vertreter beim BVwG am eingebrachten Schriftsatz eine Maßnahmenbeschwerde. Diese Beschwerde wurde, soweit sie sich gegen die hier gegenständliche Festnahme und Anhaltung richtet, der der "Kammer A (Asyl- und Fremdenrecht)" zugehörigen Gerichtsabteilung "W137" zugewiesen; deren Leiter ist Mag. P. H. mit Dienstort am Hauptsitz des BVwG in Wien. Soweit die Beschwerde die Abschiebung bekämpft, wurde sie einer anderen, der "Kammer L (Außenstelle Linz)" zugehörigen Gerichtsabteilung zugewiesen.

6 Die gegen die Festnahme und Anhaltung erhobene Beschwerde wurde sodann von dem genannten Richter mit Erkenntnis vom , W137 2143190 1/4E, gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 FPG (offenbar gemeint: BFA-VG) iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen. Demzufolge wurde auch der Antrag des Revisionswerbers auf Zuspruch von Kostenersatz abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Der Entscheidung in der Sache liegt zu Grunde, dass das BVwG der in der Beschwerde (zusammengefasst) vertretenen Auffassung, die Abschiebung und demzufolge die vorangehende Festnahme und Anhaltung des Revisionswerbers seien trotz der rechtskräftigen Anordnung zu seiner Außerlandesbringung nach Kroatien im Hinblick auf ein vom slowenischen Obersten Gerichtshof am an den Gerichtshof der Europäischen Union gestelltes Ersuchen um Vorabentscheidung rechtswidrig, mit näherer Begründung nicht gefolgt ist. Es vertrat die Meinung, dieses Vorabentscheidungsersuchen betreffend die - nach Meinung des Revisionswerbers auch für die in seinem Verfahren ergangene Zuständigkeitsentscheidung maßgebliche und möglicherweise unionsrechtswidrig gelöste - Vorfrage der (Un-)Rechtmäßigkeit der Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten iSd Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO im Zuge der organisierten Flüchtlingsbewegungen über die "Balkanroute" könne an der Rechtskraft der diesbezüglichen Entscheidung nichts ändern.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung eines Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen hat:

8 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird vorrangig geltend gemacht, die bekämpfte Entscheidung sei von einem nach der Geschäftsverteilung des BVwG hierfür nicht zuständigen Richter getroffen worden. Das trifft - wie sich aus den weiteren Ausführungen ergibt - zu, weshalb sich die Revision unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG schon deshalb als zulässig und auch als berechtigt erweist.

9 Art. 135 B-VG lautet auszugsweise:

"Artikel 135. (1) Die Verwaltungsgerichte erkennen durch Einzelrichter. Im Gesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte oder in Bundes- oder Landesgesetzen kann vorgesehen werden, dass die Verwaltungsgerichte durch Senate entscheiden. ...

(2) Die vom Verwaltungsgericht zu besorgenden Geschäfte sind durch die Vollversammlung oder einen aus ihrer Mitte zu wählenden

Ausschuss ... auf die Einzelrichter und die Senate für die

gesetzlich bestimmte Zeit im Voraus zu verteilen. ...

(3) Eine nach der Geschäftsverteilung einem Mitglied zufallende Sache darf ihm nur durch das gemäß Abs. 2 zuständige Organ und nur im Fall seiner Verhinderung oder dann abgenommen werden, wenn es wegen des Umfangs seiner Aufgaben an deren Erledigung innerhalb einer angemessenen Frist gehindert ist."

10 Der dem (für die "ordentliche" Gerichtsbarkeit geltenden) Art. 87 Abs. 3 B-VG nachgebildete Art. 135 Abs. 3 B-VG statuiert auch für die Verwaltungsgerichte den "Grundsatz der festen Geschäftsverteilung" (siehe zum vergleichbaren, für den Asylgerichtshof in Geltung gestandenen Art. 129e Abs. 2 B-VG das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , U 1913/10 u.a., VfSlg. 19.556, Punkt III.2.1. der Entscheidungsgründe, mwN, sowie zum ebenfalls vergleichbaren, für die Unabhängigen Verwaltungssenate in Geltung gestandenen Art. 129b Abs. 2 B-VG die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , B 1209/10, VfSlg. 19.514, Punkt III.1.3., und vom , B 823/2012, VfSlg. 19.764, Punkt IV.1.1.). Diese Einrichtung steht (u.a.) auch im engen Zusammenhang mit dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter im Sinne des Art. 83 Abs. 2 B-VG. Im Geltungsbereich des verfassungsgesetzlich geregelten Prinzips der festen Geschäftsverteilung bedeutet diese Garantie auch das Recht auf eine Entscheidung durch den gemäß der Geschäftsverteilung zuständigen Organwalter; in diesem Sinne handelt es sich bei der Geschäftsverteilung um eine zuständigkeitsbegründende Rechtsvorschrift (vgl. auch dazu die schon genannten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes).

11 Entscheidet daher ein nach der Geschäftsverteilung des BVwG nicht zuständiger (Einzel-)Richter, so führt dies im Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zur Aufhebung der Entscheidung wegen Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (vgl. etwa das schon genannte, die Entscheidung über eine Maßnahmenbeschwerde durch ein nach der Geschäftsverteilung unzuständiges Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates betreffende Erkenntnis vom , B 1209/10, VfSlg. 19.514) und im Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zur Aufhebung der Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des BVwG (vgl. der Sache nach zur Entscheidung durch ein einer unzuständigen Außenstelle angehörendes Mitglied des Unabhängigen Finanzsenates das Erkenntnis vom , Zl. 2011/16/0052, und zuletzt das in tragender Weise auch auf einen Verstoß gegen die Geschäftsverteilung des BVwG rekurrierende Erkenntnis vom , Ra 2014/18/0161, Rz 18; siehe zuletzt auch das Erkenntnis vom , Ra 2016/19/0221, Rz 17).

12 In Umsetzung der in Rz 9 dargestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben normieren § 15 Abs. 1 und 4 sowie § 16 Abs. 1 und 2 BVwGG - die Regelungen betreffend den Geschäftsverteilungsausschuss ergeben sich aus § 11 BVwGG - (auszugsweise) Folgendes:

"Geschäftsverteilung

§ 15. (1) Vor Ablauf jedes Geschäftsverteilungsjahres hat der Geschäftsverteilungsausschuss jeweils für das nächste Geschäftsverteilungsjahr eine Geschäftsverteilung zu beschließen. Das Geschäftsverteilungsjahr beginnt am 1. Februar und endet am 31. Jänner des Folgejahres. Die Geschäftsverteilung hat zu bestimmen:

1. ob die Mitglieder des Bundesverwaltungsgerichtes auf einem Arbeitsplatz in der Dienststelle am Sitz oder in einer Außenstelle verwendet werden, wobei den Mitgliedern ein Arbeitsplatz in der jeweils anderen Dienststelle nur mit ihrer Zustimmung zugewiesen werden darf;

2. die Vorsitzenden und Beisitzer der Senate sowie die Ersatzmitglieder (Stellvertreter, Ersatzbeisitzer) und die Reihenfolge, in der diese einzutreten haben;

3. die Verteilung der dem Bundesverwaltungsgericht zufallenden gerichtlichen Geschäfte auf die Einzelrichter und Senate;

4. die Einrichtung von Kammern und ihre Geschäftsgebiete sowie die in den einzelnen Kammern zusammengefassten Einzelrichter und Senate.

...

(4) Wegen Veränderungen im Personalstand, wegen Überlastung oder zu geringer Beschäftigung einzelner Mitglieder oder Senate oder aus anderen wichtigen Gründen kann die Geschäftsverteilung vom Geschäftsverteilungsausschuss auch während des Geschäftsverteilungsjahres geändert werden. ...

Gerichtsabteilungen und Kammern

§ 16. (1) Für jeden Einzelrichter und Senat ist eine Gerichtsabteilung zu eröffnen. ...

(2) In der Geschäftsverteilung ist auf Vorschlag des Präsidenten vorzusehen, dass die Gerichtsabteilungen (Einzelrichter und Senate) auf Grund des sachlichen Zusammenhangs ihrer Geschäfte zu Kammern zusammenzufassen sind. ..."

13 Im Zeitpunkt der Einbringung der gegenständlichen Maßnahmenbeschwerde beim BVwG am (zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts siehe das schon erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 823/2012, VfSlg. 19.764, Punkt IV.1.1.) galt die Geschäftsverteilung 2016 des BVwG in der Fassung des Beschlusses des Geschäftsverteilungsausschusses vom . Darauf beziehen sich die weiteren Ausführungen.

14 Die Geschäftsverteilung sieht im § 14 - entsprechend § 16 Abs. 1 BVwGG - vor, dass für jede Einzelrichterin und jeden Einzelrichter eine Gerichtsabteilung am Hauptsitz in Wien oder in den Außenstellen in Graz, Innsbruck und Linz (§ 1 Abs. 1 und 2 BVwGG) eröffnet wird und dass sie mit der Leitung dieser Gerichtsabteilung betraut sind. Aus § 15 ergibt sich, dass Mag. P. H., der im vorliegenden Fall das angefochtene Erkenntnis erlassen hat, die am Hauptsitz eingerichtete Gerichtsabteilung "W137" leitet. § 19 der Geschäftsverteilung, der sich auf die Einrichtung und Zusammensetzung der Kammern bezieht, normiert in seinem Abs. 2, dass die genannte Gerichtsabteilung "W137" der "Kammer A (Asyl- und Fremdenrecht)" zugehört. Die in den Außenstellen eingerichteten Kammern ("G", "I" und "L") setzen sich gemäß Abs. 6 bis 8 der genannten Bestimmung jeweils aus den dort eingerichteten Gerichtsabteilungen zusammen. Gemäß § 20 der Geschäftsverteilung umfassen die Geschäftsbereiche der Kammern die ihnen in der Anlage 2 jeweils zugeordneten "Zuweisungsgruppen"; die Zuständigkeit einer Gerichtsabteilung erstreckt sich auf den gesamten Geschäftsbereich jener Kammer, der sie angehört, sofern sich aus der Anlage 2 nicht anderes ergibt. Dort kann auch vorgesehen werden, dass eine Gerichtsabteilung für Zuweisungsgruppen zuständig ist, die in den Geschäftsbereich einer anderen Kammer fallen. Die einzelnen, näher umschriebene Rechtsbereiche umfassenden "Zuweisungsgruppen" ergeben sich aus der Anlage 1.

15 Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde (u.a.) das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1) oder wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2). Von diesem Recht hat der Revisionswerber mit seiner am beim BVwG erhobenen Beschwerde Gebrauch gemacht. Für solche Beschwerden bestimmt § 22 Abs. 4 Z 1 der Geschäftsverteilung des BVwG Folgendes:

"§ 22. Protokollierung und Sortierung; Verteilung auf die Zuweisungsgruppen

...

(4) Die Zuweisung von Rechtssachen nach § 22a BFA-VG (Bestimmung der konkreten Zuweisungsgruppe) richtet sich

1. bei Beschwerden gegen die Festnahme und/oder die Anhaltung gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und 2 BFA-VG nach dem Ort der Festnahme oder Anhaltung, wenn aber mehrere derartiger Maßnahmen (Festnahmen oder Anhaltungen) gemeinsam in Beschwerde gezogen werden, nach dem Ort, an dem die zeitlich erste dieser in Beschwerde gezogenen Maßnahmen gesetzt oder begonnen wurde;"

16 Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass für die Ermittlung der konkreten "Zuweisungsgruppe" auf den Ort der am vorgenommenen Festnahme des Revisionswerbers, der im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Landespolizeidirektion Tirol liegt, abzustellen ist; nach der genannten Bestimmung kommt es dabei auf den Ort der späteren Anhaltung (in Wien) nicht an. Das macht die Revision zutreffend geltend.

17 In der Anlage 1 der Geschäftsverteilung ist die demnach im vorliegenden Fall in Betracht kommende "Zuweisungsgruppe" betreffend (u.a.) Rechtssachen nach § 22a BFA-VG, insbesondere Festnahme und Anhaltung, im örtlichen Zuständigkeitsbereich (Sprengel) der Landespolizeidirektion Tirol mit der Kurzbezeichnung "SCH-I" umschrieben. Wie sich aus der Anlage 2 der Geschäftsverteilung ergibt, sind für diese "Zuweisungsgruppe" nur die "Kammer I (Außenstelle Innsbruck)" und demzufolge dort näher genannte Richter als Leiter von Gerichtsabteilungen zur Entscheidung zuständig, die dieser Kammer zugehören. Für Angelegenheiten der "Zuweisungsgruppe" "SCH-I" ist hingegen die "Kammer A (Asyl- und Fremdenrecht)", der - wie erwähnt - (u.a.) die Gerichtsabteilung "W 137" mit dem Leiter Mag. P. H., der im vorliegenden Fall das angefochtene Erkenntnis erlassen hat, nicht zuständig. Auch das zeigt die Revision zutreffend auf. Der Anlage 2 lässt sich im Übrigen auch nicht entnehmen, dass diese Gerichtsabteilung ausnahmsweise für die grundsätzlich der "Kammer I" zugewiesenen Angelegenheiten der "Zuweisungsgruppe" "SCH-I" zuständig wäre.

18 Dem hält das BVwG in der im Rahmen des Vorverfahrens hierzu ermöglichten Stellungnahme entgegen, gemäß § 6 Abs. 2 der Geschäftsverteilung des BVwG sei die "Heilung" der Unzuständigkeit eingetreten.

19 Die genannte Bestimmung normiert, dass - von hier nicht in Betracht kommenden zwingenden Fällen abgesehen - die Richterin oder der Richter, deren/dessen Gerichtsabteilung die Rechtssache zugewiesen worden ist, für die betreffende Rechtssache zuständig wird, wenn sie oder er einen außenwirksamen Akt setzt oder nicht rechtzeitig eine Unzuständigkeitsanzeige erhebt. § 6 Abs. 4 der Geschäftsverteilung des BVwG bestimmt in diesem Zusammenhang ergänzend, "die Wahrnehmung der Unzuständigkeit der Richterinnen und Richter und das weitere Verfahren richtet sich nach den diesbezüglichen Bestimmungen der Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichtes". Diesbezüglich sieht die Geschäftsordnung im § 17 Abs. 2 vor, dass eine Unzuständigkeitsanzeige iSd Abs. 1 bei "Eilsachen" innerhalb von zwei Arbeitstagen, andernfalls innerhalb von zwei Wochen nach erfolgter Zuweisung oder nach erlangter Kenntnis des nachträglichen Entstehens einer Unzuständigkeit zu erfolgen habe. Nach Ablauf dieser Frist habe eine neuerliche Zuweisung der Rechtssache wegen Unzuständigkeit nur dann zu erfolgen, wenn dies gesetzlich zwingend vorgesehen sei.

20 Diese Regelungen können aber vor dem Hintergrund des der Partei zustehenden Rechts auf eine Entscheidung durch den gemäß der Geschäftsverteilung zuständigen Organwalter (siehe oben Rz 10 f) verfassungskonform nicht auch dahin verstanden werden, dass es der Partei infolge der Unterlassung einer rechtzeitigen Unzuständigkeitsanzeige durch den unzuständigen Richter des BVwG verwehrt wäre, den Verstoß gegen die Geschäftsverteilung im Verfahren vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts geltend zu machen. Der Grundsatz der festen Geschäftsverteilung bedeutet nämlich, dass die Verteilung der Geschäfte auf die einzelnen Spruchkörper durch Regeln, nämlich durch den Beschluss über die Geschäftsverteilung, von vornherein feststehen muss, dass in der Folge niemand Einfluss auf die Verteilung der Geschäfte nehmen kann und dass ferner die Einhaltung dieser Regeln nachprüfbar sein muss. Ausgenommen sind lediglich die in Art. 87 Abs. 3 zweiter Satz B-VG vorgesehenen besonderen Fälle der Verhinderung oder Überlastung eines Richters (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , U 5/08, VfSlg. 18.594, Punkt III.2.6. der Entscheidungsgründe); Letzteres gilt sinngemäß auch für Art. 135 Abs. 3 B-VG. Läge den in Rz 19 angeführten Regelungen der Geschäftsverteilung aber das Verständnis zugrunde, dass durch ein Verschweigen des unzuständigen Richters dessen Zuständigkeit auch für die Partei bindend bewirkt werde, dann liefe das den dargestellten Zwecken der festen Geschäftsverteilung zuwider. Es wäre nämlich weder eine verpönte (allenfalls im Einverständnis mit dem unzuständigen Richter) mögliche Einflussnahme auf die Zuteilung von Rechtssachen ausgeschlossen, noch wäre die Einhaltung der Regeln über die Geschäftsverteilung wirksam überprüfbar. Im Übrigen läge ein Widerspruch zu Art. 135 Abs. 3 B-VG vor, weil im Ergebnis dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter des BVwG - ohne dessen Mitwirkung und nicht durch das zuständige Organ - eine ihm zufallende Rechtssache ohne Vorliegen der Voraussetzungen der genannten Verfassungsbestimmung abgenommen wird.

21 Demnach kann eine Heilung des Mangels einer sich aus der Geschäftsverteilung ergebenden Unzuständigkeit aus den Gründen des § 6 Abs. 2 gegenüber der Partei, wofür es auch keine gesetzliche Deckung gibt, nicht eintreten (vgl. in diesem Sinne auch das schon erwähnte Erkenntnis vom , Ra 2016/19/0221, Rz 17). Die genannte Bestimmung der Geschäftsverteilung steht daher der Geltendmachung des dem BVwG unterlaufenen Verstoßes gegen die Geschäftsverteilung in der vorliegenden Revision nicht entgegen.

22 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des BVwG aufzuheben.

23 Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017210032.L00
Schlagworte:
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

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