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VwGH vom 21.10.2015, 2012/17/0196

VwGH vom 21.10.2015, 2012/17/0196

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Dr. Leonhartsberger und Hofrat Mag. Brandl als Richterinnen bzw Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Beschwerde des EK in Trieben, vertreten durch die Kreissl Pichler Walther Rechtsanwälte GmbH in 8940 Liezen, Rathausplatz 4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom , BMLFUW-LE./0307-I/7/2010, betreffend Rinderprämien 2008, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid versagte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer im Instanzenzug die Gewährung der Mutterkuhprämie für das Jahr 2008 mit der Begründung, dass diese Prämie einen Mutterkuhbestand voraussetze, also Kühe, die über mehrere Jahre gehalten würden. Diese Kühe müssten regelmäßig kalben und dürften nicht gemolken werden, damit sie ihre Kälber säugen könnten. Der Beschwerdeführer habe in der Berufung angegeben, neben Mutter- und Milchkühen auch Mastkühe zu halten, die keine Abkalbungen aufwiesen und drei bis zehn Monate gehalten würden. Der Kuhbestand des Beschwerdeführers sei anhand der Rinderdatenbank im Einzelnen überprüft worden:

Von den am ersten Antragsstichtag () vorhandenen 71 Fleischrassekühen seien bereits 24 bis zum letzten Antragsstichtag abgegeben worden (und damit als storniert gewertet). Zahlreiche Kühe (24 Stück) seien ersetzt worden und nur bei 23 Stück habe kein Ersatz stattgefunden. Somit seien von diesen 23 Kühen am nur mehr 11 gehalten worden.

Von den am zweiten Antragsstichtag () vorhandenen 17 Fleischrassekühen sei eine bis zum letzten Antragsstichtag abgegeben worden (und damit als storniert gewertet). Zahlreiche Kühe (7 Stück) seien ersetzt worden. Nur bei 9 Stück habe kein Ersatz stattgefunden.

Von den am dritten Antragsstichtag () vorhandenen 5 Fleischrassekühen sei nur eine Kuh ersetzt worden. Die übrigen 4 Kühe seien am noch immer gehalten worden.

Insgesamt seien daher (bis ) von den an den drei Antragsstichtagen vorhandenen 93 Fleischrassekühen nur mehr 20 gehalten worden. Im Jahr 2008 hätten insgesamt 21 dieser 93 Kühe abgekalbt.

Das zeige, dass vor allem die Milchkühe (rechnerisch 19 Stück notwendig) abgekalbt hätten und mit den übrigen Kühen primär eine Kuhmast betrieben werde.

Es sei dem Beschwerdeführer im Zuge des Parteiengehörs auch vorgehalten worden, dass primär eine Kuhmast betrieben werde und bezüglich der "Mutterkuhhaltung" lediglich getrachtet werde, das Mindestmaß an Abkalbungen zu erreichen und die Kühe gerade während des Haltezeitraums zu halten, um die Mutterkuhprämie gewährt zu bekommen. Dazu habe der Beschwerdeführer sich nicht geäußert.

Es sei daher davon auszugehen, dass im Betrieb des Beschwerdeführers eine Kuhmast neben der Haltung der Milchkühe erfolge. Eine Mutterkuhhaltung im Sinne der Verordnung (EG) 1782/2003 habe 2008 nicht existiert. Von den an den drei Antragsstichtagen des Jahres 2008 vorhandenen 93 Fleischrassekühen seien bis nur mehr 20 gehalten worden (und 2010 noch zwei weitere Kühe abgegeben worden, sodass nur mehr 18 der an den drei Antragsstichtagen vorhandenen 93 Fleischrassekühen gehalten würden). Ein Jahr nach dem letzten Antragsstichtag () seien noch 25 dieser 93 Kühe gehalten worden. Dies zeige deutlich, wie rasch auf dem Betrieb des Beschwerdeführers die Kühe gewechselt hätten. Im Jahr 2008 hätten insgesamt nur 21 dieser 93 Kühe abgekalbt.

Beim Betrieb des Beschwerdeführers sei aber die Voraussetzung, dass Kühe über mehrere Jahre hinweg gehalten würden, um die Kälber zu säugen, auf Grund des dauernden Wechsels des Kuhbestands (mit Ausnahme der Milchkühe) nicht gegeben, sodass Art 122 Buchstabe d) und Art 125 der Verordnung (EG) 1782/2003 nicht erfüllt seien. Abgesehen von den notwendigen Milchkühen könne nicht erkannt werden, dass weitere Kühe (die für die Mutterkuhprämie in Frage kämen) über einen längeren Zeitraum gehalten worden seien.

Es scheine vielmehr, wie der Beschwerdeführer auch in der Berufung angegeben habe, dass fast alle anderen Kühe Mastkühe seien, die keine Abkalbungen aufwiesen und bis zu 10 Monate gehalten würden. (Auch wenn außer den notwendigen Milchkühen allenfalls noch ganz wenige Kühe bis im Betrieb gewesen seien, handle es sich allein deshalb nicht um einen Bestand, in dem Kälber für die Fleischerzeugung gehalten würden, da fast alle anderen Kühe als Mastkühe wieder abgegeben worden seien und auch keine Abkalbungen aufwiesen.)

Diese Vorgangsweise sei offenbar gerade deswegen gewählt worden, um die Mutterkuhprämie (für die Anzahl an Kühen, für die Prämienansprüche vorhanden gewesen seien) zu erhalten, sodass darüber hinaus Art 29 der Verordnung (EG) 1782/2003 anzuwenden und auch aus diesem Grunde keine Mutterkuhprämie zu gewähren sei. Eine "Mutterkuhhaltung" existiere offenbar nur zu Kuhmastzwecken und nicht um einen Bestand zu haben, in dem Kälber für die Fleischerzeugung gehalten würden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom , B 699/10-6, deren Behandlung ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof aus, die richtige Anwendung von Art 29 der Verordnung (EG) 1782/2003 des Rates vom und damit des Unionsrechts sei keine vom Verfassungsgerichtshof aufzugreifende Rechtsfrage. Ein Abgehen der Behörde von der bisherigen Auslegung der Verordnung sei für sich allein nicht geeignet, den Gleichheitsgrundsatz zu verletzen.

In seiner vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl I Nr 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf folgende Bestimmungen gestützt:

- Verordnung (EG) 1782/2003 des Rates vom mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr 2019/93, (EG) 1452/2001, (EG) 1453/2001, (EG) 1454/2001, (EG) 1868/94, (EG) 1251/1999, (EG) 1254/1999, (EG) 1673/2000, (EWG) Nr 2358/71 und (EG) 2529/2001, ABl L 270/1 vom . Diese lautet auszugsweise:

"...

Artikel 29

Beschränkung der Zahlungen

Unbeschadet besonderer Bestimmungen in einzelnen Stützungsregelungen erhalten Betriebsinhaber keine Zahlungen, wenn feststeht, dass sie die Voraussetzungen für den Erhalt solcher Zahlungen künstlich geschaffen haben, um einen den Zielen der betreffenden Stützungsregelung zuwiderlaufenden Vorteil zu erwirken.

...

Artikel 122

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Kapitels bezeichnet der Ausdruck

...

d) 'Mutterkuh' eine Kuh einer Fleischrasse oder eine

aus der Kreuzung mit einer Fleischrasse hervorgegangene Kuh, die einem Bestand angehört, in dem Kälber für die Fleischerzeugung gehalten werden;

...

Artikel 125

Mutterkuhprämie

(1) Ein Betriebsinhaber, der in seinem Betrieb Mutterkühe hält, kann auf Antrag eine Prämie zur Erhaltung des Mutterkuhbestands (Mutterkuhprämie) erhalten. Diese Prämie wird auf Jahresbasis je Kalenderjahr und Betriebsinhaber im Rahmen individueller Höchstgrenzen gewährt."

- Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über produktspezifische Beihilferegelungen nach Titel IV der Verordnung (EG) 1782/2003 und über den Anbau von nachwachsenden Rohstoffen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP-Beihilfen-Verordnung 2008), BGBl II Nr 43; diese lautet auszugsweise:

"...

7. Abschnitt

Mutterkuhprämie

Gemeinsame Bestimmungen für Kühe und Kalbinnen

§ 10. (1) Die Angaben aus der elektronischen Datenbank für Rinder über die Haltung von Mutterkühen und Kalbinnen gelten als Antrag des Betriebsinhabers auf die Mutterkuhprämie.

(2) Als Antragsteller gilt der Betriebsinhaber, der prämienfähige Mutterkühe oder Kalbinnen am 1. Jänner, 16. März oder 10. April hält und für dessen Betrieb ein Sammelantrag für das betreffende Jahr abgegeben wird.

...

Verfahrensvorschriften

§ 31. (1) Gegen einen Bescheid betreffend die Vorschusszahlung können bei der AMA binnen zwei Wochen ab Zustellung schriftlich begründete Einwände eingebracht werden.

(2) Über gemäß Abs. 1 vorgebrachte Einwände ist von der AMA gleichzeitig mit dem Bescheid über die Endauszahlung zu entscheiden.

..."

Darüber hinaus hat sich die belangte Behörde auf einen "Auslegungsvermerk Nr. 2003/07" der Europäischen Kommission, Generaldirektion Landwirtschaft, vom , Dok AGRI - 2003 - 64542, bezogen, in dem die Kommission die Auffassung vertrat, dass bei einem Milchkuhbestand die Kälber systematisch nach der Geburt verkauft würden, um die Milcherzeugung zu steigern. Die wichtigste Aufgabe eines Mutterkuhbestandes liege aber in der Aufzucht von Kälbern für die Fleischerzeugung und nicht in der Fleischerzeugung selbst, wie sie sich allein durch die Geburt und/oder allein durch den Verkauf von Kälbern ergebe. Der Begriff der Aufzucht impliziere auch eine gewisse Dauer und damit auch, dass die Kälber zusammen mit ihren Müttern für das Säugen und bis zum Absetzen und je nach Art der Haltung selbst darüber hinaus in dem Bestand verblieben. Zum Mutterkuhbestand gehörten demnach neben den Färsen auch die Kühe, die regelmäßig kalbten und nicht gemolken würden, weil sie mit ihren Kälbern zusammenblieben, um diese zu säugen. Auf diese Realität beziehe sich für Kontrollzwecke die Verweildauer von durchschnittlich vier Monaten, die außer in begründeten Ausnahmefällen gelte, wobei dieser Zeitraum abhängig von der Rasse der Tiere und/oder der Art der Haltung länger oder kürzer sein könne.

Strittig ist im Beschwerdefall, ob die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zu Recht die Zahlung der Mutterkuhprämie versagt hat, weil "auf Grund des dauernden Wechsels des Kuhbestands (mit Ausnahme der Milchkühe)" im Betrieb des Beschwerdeführers die Voraussetzungen des Art 122 Buchstabe d und Art 125 der VO (EG) 1782/2003 nicht gegeben seien.

Zunächst ist festzuhalten, dass sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht mit Sicherheit entnehmen lässt, ob die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass der Betrieb des Beschwerdeführers die in den genannten Rechtsquellen angeführten Voraussetzungen für die Gewährung der Mutterkuhprämie erfüllt oder nicht. Zum einen führt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, es habe auf Grund des starken Wechsels von Kühen gar keine Mutterkuhhaltung im Betrieb des Beschwerdeführers gegeben, zum anderen dürfte die belangte Behörde durchaus davon ausgegangen sein, dass die Voraussetzungen zum Bezug der Mutterkuhprämie iSd Art 125 der VO (EG) 1782/2003 an sich erfüllt gewesen sind, der Beschwerdeführer diese Voraussetzung für den Erhalt der Zahlung aber künstlich geschaffen habe, um einen den Zielen der Stützungsregelung zuwiderlaufenden Vorteil zu erwirken (vgl Art 29 der VO (EG) 1782/2003). Selbst wenn man davon ausginge, dass es sich hinsichtlich der Bezugnahme auf Art 29 der VO (EG) 1782/2003 lediglich um eine Eventualbegründung handle, die nur dann zum Tragen käme, sollte der Verwaltungsgerichtshof die primäre Ansicht der belangten Behörde, es liege gar keine Mutterkuhhaltung vor, nicht teilen, so wäre für die belangte Behörde nichts gewonnen. Beide Begründungsstränge entziehen sich nämlich mangels ausreichender Nachvollziehbarkeit der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof. Es ist aus der Begründung des angefochtenen Bescheides in keiner Hinsicht ersichtlich, dass die Vorgehensweise der belangten Behörde in den unionsrechtlichen bzw innerstaatlichen Vorschriften ihre Deckung findet.

Auch Merkblätter der Agrarmarkt Austria oder Informationsschreiben an bzw von Interessensvereinigungen stellen im Übrigen keine verbindlichen rechtlichen Grundlagen iSd § 18 B-VG dar (vgl dazu ), auf die sich die belangte Behörde hätte stützen können. Dasselbe gilt auch für den im angefochtenen Bescheid angeführten und in den Verwaltungsakten enthaltenen "Auslegungsvermerk Nr. 2003/07" der Europäischen Kommission, ist doch nicht ersichtlich, dass es sich bei diesem um etwas anderes als ein kommissionsinternes Dokument handelt, dem keine Verbindlichkeit zukommt.

Wenn einem Bescheid ein Begründungsmangel anhaftet, der zur Folge hat, dass der Beschwerdeführer über die von der belangten Behörde getroffenen Erwägungen nicht ausreichend unterrichtet wird, die Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes nicht möglich ist und nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Vermeidung des Mangels zu einem anderen Bescheid gekommen wäre, ist dieser Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben (vgl zB , mwN).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG aF in Verbindung mit § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013, in der Fassung BGBl II Nr 8/2014.

Wien, am