VwGH vom 14.04.2010, 2008/08/0099
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des A L in Wien, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Favoritenstraße 108/3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. BMSK-326705/0003-II/A/3/2007, betreffend Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem B-KUVG (mitbeteiligte Partei: Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter in 1080 Wien, Josefstädter Straße 80), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war seit 1960 in verschiedenen Beschäftigungen nach dem ASVG bei der Gebietskrankenkasse krankenversichert. Vom bis stand er in einem Arbeitsverhältnis nach dem Universitätsgesetz 2002 zur Technischen Universität X und war krankenversichert nach dem B-KUVG. Seit dem bezieht der Beschwerdeführer eine Pension nach dem ASVG.
Am beantragte der Beschwerdeführer, die mitbeteiligte Versicherungsanstalt möge feststellen, dass der Beschwerdeführer bei dieser nicht krankenversichert sei; in eventu möge sie feststellen, dass er bei dieser krankenversichert sei. Er sei auf Grund des § 1 Abs. 1 Z 18 iVm Z 21 B-KUVG bei der mitbeteiligten Versicherungsanstalt als Pensionist krankenversichert. Er sei aber der Meinung, dass diese Gesetzesstelle falsch angewendet worden sei, weil er nicht auf Grund eines Arbeitsverhältnisses nach § 1 Abs. 1 Z 21 B-KUVG (Arbeitnehmer nach dem Universitätsgesetz 2002), sondern auf Grund von verschiedenen Arbeitsverhältnissen nach dem ASVG in Pension gegangen sei. Er sei keinesfalls überwiegend als Arbeitnehmer nach dem Universitätsgesetz 2002 versichert gewesen, sodass die Zuordnung in die Krankenversicherung der mitbeteiligten Versicherungsanstalt rechtswidrig sei.
Die mitbeteiligte Versicherungsanstalt stellte mit Bescheid vom die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers in der Krankenversicherung der mitbeteiligten Versicherungsanstalt ab fest.
Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom den dagegen erhobenen Einspruch des Beschwerdeführers ab.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung ab. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe im letzten Jahr seiner Tätigkeit unmittelbar vor der Alterspension eine Beschäftigung nach § 1 Abs. 1 Z 21 B-KUVG ausgeübt. Der Gesetzgeber habe in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebracht, dass im Rahmen des Krankenversicherungsschutzes Kontinuität zu gelten habe; dies sei auch aus der Formulierung "krankenversichert bleiben" in § 1 Abs. 1 Z 18 lit. a B-KUVG abzuleiten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Versicherungsanstalt beantragte in ihrer "Gegenäußerung", die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 413 ASVG, der gemäß § 129 B-KUVG auch hinsichtlich des Verfahrens zur Durchführung des B-KUVG gilt, lautet:
"(1) Der Landeshauptmann entscheidet
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1. | über die bei ihm eingebrachten Einsprüche und Vorlageanträge, |
2. | unter Ausschluß eines Bescheidrechtes der beteiligten Versicherungsträger über die Versicherungszugehörigkeit oder Versicherungszuständigkeit, in der Pensionsversicherung auch über die Leistungszugehörigkeit oder Leistungszuständigkeit auf Antrag eines beteiligten Versicherungsträgers, einer anderen Partei oder eines Gerichts, wenn Zweifel oder Streit darüber bestehen, welcher Versicherung eine Person versicherungs- oder leistungszugehörig ist oder welcher Versicherungsträger für sie versicherungs- oder leistungszuständig ist. |
(2) In dem Verfahren nach Abs. 1 Z 1 hat der Versicherungsträger, gegen dessen Bescheid sich der Einspruch richtet, Parteistellung.
(3) Die rechtskräftige Entscheidung nach Abs. 1 Z 2 über die Versicherungszuständigkeit wirkt in der Krankenversicherung nur für künftig fällige Beitragsleistungen und künftig eintretende Versicherungsfälle.
(4) Im Verfahren über Leistungssachen darf über die im Abs. 1 Z 2 bezeichneten Fragen als Vorfrage nicht entschieden werden. Der Versicherungsträger oder das Gericht haben vielmehr die Einleitung des Verfahrens beim Landeshauptmann anzuregen und das eigene Verfahren bis zur Rechtskraft der Entscheidung nach Abs. 1 Z 2 auszusetzen (zu unterbrechen). Einem Rekurs gegen den Unterbrechungsbeschluß kann aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt werden.
(5) In den Fällen des Abs. 1 Z 2 hat der Landeshauptmann die vorläufige Durchführung und, wenn ein gerichtliches Verfahren nicht anhängig ist, die Erbringung der in Betracht kommenden Leistungen bis zur Rechtskraft der Entscheidung nach Abs. 1 Z 2 einem Versicherungsträger nach freiem Ermessen zu übertragen. Der mit der vorläufigen Durchführung der Versicherung betraute Versicherungsträger hat darauf Bedacht zu nehmen, daß das Ausmaß der ihm zur Erbringung übertragenen vorläufigen Leistung die voraussichtliche endgültige Leistung nicht übersteigt. Ist ein gerichtliches Verfahren anhängig, so ist, nach der Übertragung der Durchführung der Versicherung an einen Versicherungsträger durch den Landeshauptmann, auch dieser Versicherungsträger Beklagter und ihm gegenüber der § 74 Abs. 2 des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes sinngemäß anzuwenden. Die vorläufigen Beiträge und Leistungen sind auf die endgültigen Beiträge und Leistungen anzurechnen. Die beteiligten Versicherungsträger haben binnen drei Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung über den Zuständigkeits- oder Zugehörigkeitsstreit miteinander abzurechnen.
(6) Die Bestimmungen des Abs. 1 Z 2 und der Abs. 3 bis 5 gelten entsprechend auch im Verhältnis zu den Sonderversicherungen (§ 2 Abs. 2)."
Die Kranken- und Unfallversicherung öffentlich Bediensteter ist eine Sonderversicherung (§ 2 Abs. 2 Z 1 ASVG).
Der Sache nach liegt hier in erster Linie kein Streit über die Voraussetzungen der Krankenversicherung von Pensionsbeziehern nach dem B-KUVG vor, sondern es ist strittig, ob diese Krankenversicherung von der örtlich zuständigen Gebietskrankenkasse oder von der mitbeteiligten Versicherungsanstalt der öffentlich Bediensteten durchzuführen ist (eine Frage der Versicherungszuständigkeit) bzw. ob die Krankenversicherung nach dem ASVG oder nach dem B-KUVG eingetreten ist (eine Frage der Versicherungszugehörigkeit). Über die Versicherungszugehörigkeit und die Versicherungszuständigkeit entscheidet aber auf Antrag unter anderem einer Partei der Landeshauptmann gemäß § 413 Abs. 1 Z 2 ASVG in erster Instanz unter Ausschluss eines Bescheidrechtes der beteiligten Versicherungsträger. Der mitbeteiligten Versicherungsanstalt war somit jedenfalls eine inhaltliche Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers verwehrt.
Die belangte Behörde wird daher den Bescheid des Landeshauptmanns dahin abzuändern haben, dass der Bescheid erster Instanz (der Bescheid der mitbeteiligten Versicherungsanstalt) gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos behoben wird.
In der Folge wird der Landeshauptmann als zuständige Behörde erster Instanz über den - ihm im Ergebnis im Sinne des § 6 AVG bereits zugeleiteten - Antrag des Beschwerdeführers eine Entscheidung zu treffen haben, in welcher der für die Durchführung der Krankenversicherung zuständige Versicherungsträger bestimmt wird. Dabei werden auch die Bestimmungen des § 413 Abs. 3 und 5 ASVG anzuwenden und die in Betracht kommende Gebietskrankenkasse als weitere Partei dem Verfahren beizuziehen sein.
Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 43 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren ("Pauschalgebühr") war im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit gemäß § 30 B-KUVG iVm § 110 ASVG abzuweisen.
Wien, am