VwGH vom 16.09.2010, 2010/09/0094

VwGH vom 16.09.2010, 2010/09/0094

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des PP in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Langeder, Rechtsanwalt in 1150 Wien, Stutterheimstraße 16-18, Stg. 2, OG 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-07/AV/3/46/2010, betreffend Aufschub des Strafvollzuges gemäß § 54a Verwaltungsstrafgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis vom wurde der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GmbH wegen Übertretung des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) mit einer Geldstrafe von EUR 4.200,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe von einer Woche, vier Tagen und fünf Stunden bestraft. Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom als verspätet zurückgewiesen.

Mit weiterem Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom wurde der Beschwerdeführer neuerlich als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GmbH wegen Übertretung des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG in 17 Fällen mit Geldstrafen von insgesamt EUR 142.800,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafen von insgesamt zehn Wochen, drei Tagen und 16 Stunden bestraft. Dieses Straferkenntnis ist rechtskräftig geworden.

Mit dem am an den Magistrat der Stadt Wien gerichteten Schreiben ersuchte der Beschwerdeführer "um Verschiebung (oder Stundung)" seines Haftantrittes, welcher am stattfinden solle und begründete dies damit, dass er einen Anwalt suche, durch welchen er eine Anzeige bzw. Klage gegen seine Steuerberaterin einbringen wolle, welche schwarz, ohne sein Wissen und Einverständnis jene Baustelle mit ihren Teilhabern und Komplizen eröffnet habe, auf welcher die Ausländer, deren Beschäftigung dem Beschwerdeführer zur Last gelegt worden sei, gearbeitet hätten. Er erwarte von der Baupolizei einen Auszug von dem Einsatz und die Erfassung der Arbeiter, welche dort schwarz gearbeitet hätten. Er trage keine Schuld und sei nicht gewillt, die Strafe für die hinterlistige Tat (anderer) auf sich zu nehmen. Es müssten jene zur Verantwortung gezogen werden, welche schuldig seien und hiefür benötigten die angesprochenen Behörden für ihre Ermittlungen einige Zeit, weshalb der Beschwerdeführer eine Verschiebung seines Haftantrittes beantrage, bis sein Standpunkt bewiesen sei.

Diesem Antrag wurde mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom keine Folge gegeben und dies damit begründet, dass die im Antrag vorgebrachten Gründe für einen Aufschub im Sinne des § 54a Abs. 1 und 2 VStG nicht ausreichten.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er im Wesentlichen ausführte, dass für die ihm zur Last gelegte unerlaubte Beschäftigung von Ausländern in Wahrheit die Steuerberaterin der von ihm vertretenen GmbH verantwortlich sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. Dies wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und des § 54a VStG damit begründet, dass mit dem Vorbringen, die gegen den Beschwerdeführer rechtskräftig verhängten Strafen seien zu Unrecht verhängt worden, kein wichtiger Grund im Sinne des § 54a VStG dargestellt worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die § 52a und § 54a des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) lauten:

"Abänderung und Aufhebung von Amts wegen

§ 52a. (1) Von Amts wegen können der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegende Bescheide, durch die das Gesetz zum Nachteil des Bestraften offenkundig verletzt worden ist, sowohl von der Behörde als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

§ 68 Abs. 7 AVG gilt sinngemäß.

(2) Die Folgen der Bestrafung sind wiedergutzumachen. Soweit dies nicht möglich ist, ist gemäß dem Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz 2005 (StEG 2005), BGBl. I Nr. 125/2004, zu entschädigen.

...

Aufschub und Unterbrechung des Strafvollzuges

§ 54a. (1) Auf Antrag des Bestraften kann aus wichtigem Grund

der Strafvollzug aufgeschoben werden, insbesondere wenn

1. durch den sofortigen Vollzug der Freiheitsstrafe

die Erwerbsmöglichkeit des Bestraften oder der notwendige

Unterhalt der ihm gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten

Personen gefährdet würde oder

2. dringende Familienangelegenheiten zu ordnen sind.

(2) Auf Antrag des Bestraften kann aus wichtigem Grund (Abs. 1) auch die Unterbrechung des Vollzuges der Freiheitsstrafe bewilligt werden. Die Zeit der Unterbrechung des Strafvollzuges ist nicht in die Strafzeit einzurechnen.

(3) Ein Aufschub oder eine Unterbrechung des Strafvollzuges ist dem Bestraften auf Antrag für die Dauer von mindestens sechs Monaten zu bewilligen, wenn er während der letzten sechs Monate schon ununterbrochen sechs Wochen wegen einer von einer Verwaltungsbehörde verhängten Strafe in Haft war. Besteht jedoch begründete Sorge, dass sich der Bestrafte dem Strafvollzug durch Flucht entziehen werde, so ist der Antrag auf Aufschub oder Unterbrechung des Strafvollzuges abzuweisen, wenn die Umstände, die Anlass zur begründeten Sorge geben, bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag vorliegen.

(4) Der Aufschub oder die Unterbrechung des Vollzuges der Freiheitsstrafe ist zu widerrufen, wenn begründete Sorge besteht, daß sich der Bestrafte dem Strafvollzug durch Flucht entziehen werde."

§ 69 AVG lautet:

"Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde,

falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung

herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die

im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn jedoch in der betreffenden Sache ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, diesem."

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil er im Verwaltungsverfahren klar ausgeführt habe, dass die gegen ihn erlassenen Straferkenntnisse auf Grund strafbarer Handlungen, insbesondere seiner ehemaligen Steuerberaterin, herbeigeführt worden seien. Er habe offensichtlich Schritte eingeleitet, eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 AVG oder eine amtswegige Abänderung der Straferkenntnisse nach § 52a VStG zu bewirken. Da § 69 AVG infolge der Verweisungsnorm des § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anwendbar sei, komme eine Wiederaufnahme zum Vorteil des Beschwerdeführers durchaus in Frage. Ein anhängiges oder vom Beschwerdeführer eingeleitetes Verfahren auf Wiederaufnahme stelle jedenfalls einen Grund dar, welcher die belangte Behörde zur Aufschiebung des Strafvollzuges nach § 54a VStG ermächtige. Infolge einer unrichtigen Rechtsansicht habe die belangte Behörde dies jedoch zu Unrecht unterlassen. Auch seien der belangten Behörde Verfahrensmängel vorzuwerfen, weil die Behörden entsprechende Ermittlungen unterlassen hätten.

Der Beschwerdeführer zeigt jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Zwar weist er zutreffend darauf hin, dass in § 54a Abs. 1 VStG jene wichtigen Gründe, aus welchen der Strafvollzug nach dieser Gesetzesstelle aufgeschoben werden kann, mit dem Wort "insbesondere" nur beispielsweise angeführt sind. Beispielsweise führt das Gesetz in den Z. 1 und 2 Umstände an, welche die persönliche Lebensführung des Bestraften betreffen. Auf Grund eines Antrages gemäß § 54a Abs. 1 soll daher vor allem vermieden werden, dass durch die Wahl des Zeitpunktes der Vollstreckung der Freiheitsstrafe auf unbillige Weise in die persönliche Lebensführung des Bestraften eingegriffen wird. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage der Verwaltungsstrafgesetz-Novelle 1987, BGBl. Nr. 516, mit welcher die geltende Fassung des § 54a Abs. 1 VStG erlassen wurde, verweisen darauf, dass mit dieser Bestimmung "den Grundsätzen des Strafvollzugsgesetzes (vgl. §§ 6 und 99 StVG)" gefolgt werde (vgl. 133 BlgNR, 17. GP, 14). Auch diese Bestimmungen nennen als Grund für den Aufschub des Strafvollzuges nicht ausdrücklich die Anhängigkeit eines Verfahrens zur Wiederaufnahme des Strafverfahrens.

Auch wenn man die Anhängigkeit eines Verfahrens zur Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 69 AVG oder zur Abänderung und Aufhebung eines rechtskräftigen Straferkenntnisses gemäß § 52a VStG als wichtigen Grund für den Aufschub des Strafvollzuges im Sinne des § 54a Abs. 1 VStG annehmen wollte, weil es wohl nicht den Grundsätzen eines fairen Verfahrens im Sinne des Art. 6 EMRK entspräche, wenn eine Freiheitsstrafe ungeachtet des Vorliegens stichhältiger Gründe für die Annahme, die Strafe werde auf Grund einer Wiederaufnahme des Verfahrens oder auf Grund des § 52a VStG aufgehoben oder herabgesetzt, so hat der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall kein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, auf Grund dessen angenommen werden könnte, dass im vorliegenden Fall derartige stichhaltige Gründe tatsächlich vorgelegen wären. Die im gegenständlichen Verwaltungsverfahren aufgestellten Behauptungen, wonach die den Bestrafungen zu Grunde liegenden Übertretungen des AuslBG durch die Steuerberaterin des Beschwerdeführers verursacht und verschuldet worden seien sowie die Ankündigung einer "Anzeige bzw. Klage" gegen dieselbe stellen für sich allein jedenfalls keinen wichtigen Grund im Sinne des § 54a Abs. 1 VStG für einen Strafaufschub dar. Dass der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens bzw. eine Anregung auf Ausübung der im § 52a VStG vorgesehenen Befugnisse gestellt hätte, ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Entgegen dem Vorbringen in der vorliegenden Beschwerde ist auch der im Verwaltungsverfahren erstatteten Berufung kein diesbezüglicher Antrag bzw. keine diesbezügliche Anregung zu entnehmen.

Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Bescheid sohin nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Hinzuweisen ist im Beschwerdefall allerdings darauf, dass dem klaren Zweck des § 54a Abs. 3 VStG zufolge der Strafvollzug grundsätzlich nicht länger als sechs Wochen dauern soll und dass nach Ablauf dieser Zeit dem Bestraften jedenfalls ein Aufschub oder eine Unterbrechung des Strafvollzuges zu gewähren ist, weil vermieden werden soll, dass über längere Zeiträume angesammelte Freiheitsstrafen mit Haft in unangemessener Dauer vollzogen werden (vgl. die Erläuterungen der Regierungsvorlage zu § 54a VStG, 133 BlgNR, 17. GP, 14).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am