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VwGH vom 24.04.2012, 2010/09/0088

VwGH vom 24.04.2012, 2010/09/0088

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2010/09/0089

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerden des EK in R, vertreten durch Dr. Michael Langhofer, Rechtsanwalt in 5202 Neumarkt/W., Hauptstraße 4, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , 1. Zl. VwSen-300845/6/WEI/Ga und 2. Zl. VwSen- 300846/6/WEI/Ga, betreffend Zurückweisungen von Berufungen gegen Bestrafungen wegen Übertretungen des OÖ Polizeistrafgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.179,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom und mit einem weiteren Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom wurde der Beschwerdeführer wegen näher dargestellter Übertretungen des § 5 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 2 lit. b des Oberösterreichischen Polizeistrafgesetzes (OÖ PolStG) für schuldig erkannt und über ihn zwei Geldstrafen in der Höhe von EUR 400,-- und EUR 500,-- sowie zwei Ersatzfreiheitsstrafen in der Höhe von 80 Stunden und 100 Stunden verhängt.

Das Straferkenntnis vom wurde am und das Straferkenntnis vom wurde am dem Rechtsanwalt Dr. H in Salzburg als "Urlaubsvertreter" des Dr. L persönlich zugestellt. Dr. H hatte sich in einer per Telefax vom übermittelten Eingabe als "Urlaubsvertreter" vorgestellt, auf die erteilte Substitutionsvollmacht berufen und er sandte am per Telefax Berufungen in beiden Fällen gegen die angeführten Straferkenntnisse an die Behörde erster Instanz, wo diese Berufungen laut Eingangsstempel auch am einlangten.

Am rief der Beschwerdeführer beim Sachbearbeiter der Behörde erster Instanz an und teilte diesem mit, dass er die dem Rechtsanwalt Dr. L erteilte Vollmacht mit sofortiger Wirkung zurückziehe. Er wolle nunmehr einer anderen Person eine Generalvollmacht erteilen.

Mit Schreiben vom ersuchte die belangte Behörde den Rechtsanwalt Dr. L um Stellungnahme zur Frage der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses per und übermittelte auch den Bezug habenden Aktenvermerk der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom . Das Schreiben blieb unbeantwortet, woraufhin ein telefonischer Kontakt am hergestellt wurde, anlässlich dessen der Beschwerdevertreter Dr. L bekannt gab, dass er vom Beschwerdeführer keine ausdrückliche Mitteilung erhalten habe und nur wisse, dass dieser mit seinem Substituten und "Urlaubsvertreter" vor Einbringung der Berufung vom nicht habe sprechen wollen.

Mit den angefochtenen, weitgehend gleichlautenden Bescheiden vom wurden die Berufungen als unzulässig zurückgewiesen und dies unter Hinweis auf § 10 AVG im Wesentlichen damit begründet, dass die Frage des Erlöschens der Vertretungsbefugnis nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen sei, wobei die Vollmacht durch übereinstimmende oder einseitige Willenserklärung, nämlich Widerruf des Machtgebers oder Kündigung des Machthabers beendet werden könne. Eine Vollmacht setze ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Machtgeber und Machthaber voraus, und könne daher jederzeit durch einseitige Willenserklärung aufgehoben werden. Gemäß § 1020 ABGB stehe es vor allem dem Machtgeber frei, die Vollmacht nach Belieben zu widerrufen. Dies sei im vorliegenden Fall durch die außenwirksame telefonische Mitteilung an die Behörde erster Instanz erfolgt, der Beschwerdeführer habe zur Vorbereitung seines Rechtsmittels nicht einmal mit dem Substituten von Dr. L sprechen wollen. Zum Zeitpunkt der Einbringung der Berufung habe daher keine Vertretungsbefugnis und auch keine Substitutionsvollmacht mehr bestanden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges verbunden und nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 10 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 5/2008 lautet:

"Vertreter

§ 10. (1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.

(2) Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis richten sich nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.

(3) Als Bevollmächtigte sind solche Personen nicht zuzulassen, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreiben.

(4) Die Behörde kann von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Familienmitglieder, Haushaltsangehörige, Angestellte oder durch amtsbekannte Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten.

(5) Die Beteiligten können sich eines Rechtsbeistandes bedienen und auch in seiner Begleitung vor der Behörde erscheinen.

(6) Die Bestellung eines Bevollmächtigten schließt nicht aus, daß der Vollmachtgeber im eigenen Namen Erklärungen abgibt."

Dass im vorliegenden Fall Dr. L bevollmächtigt war, den Beschwerdeführer in den beiden Verwaltungsstrafverfahren zu vertreten, ist zwischen den Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof ebenso unbestritten wie der Umstand, dass dieser den Rechtsanwalt Dr. H als "Urlaubsvertreter" substituiert hat.

Umstritten ist zwischen den Parteien des Verwaltungsverfahrens aber die Frage, ob die telefonische Mitteilung des Beschwerdeführers an den Behördenmitarbeiter, er ziehe die dem Dr. L erteilte Vollmacht zurück, als wirksamer Widerruf der erteilten Vollmacht gewertet werden musste. Die belangte Behörde beruft sich insoferne auf die in § 10 Abs. 2 erster Satz AVG enthaltene Vorschrift, dass über den Inhalt und Umfang einer Vollmacht auftauchende Zweifel nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen sind, dieses ermögliche auch den telefonischen Widerruf einer erteilten Vollmacht.

Hinsichtlich der Erteilung einer Vollmacht enthält § 10 Abs. 1 dritter Satz AVG allerdings die ausdrückliche Vorschrift,

dass "(v)or der Behörde ... eine Vollmacht auch mündlich erteilt

werden" kann. Aus dieser Vorschrift, die zur Gültigkeit der mündlich erteilten Vollmacht die Anwesenheit des Vollmachtgebers "vor der Behörde" verlangt, hat der Verwaltungsgerichtshof den Schluss gezogen, dass einer telefonischen Bevollmächtigungserklärung keine Rechtswirksamkeit zukommt und daran auch nichts der Umstand ändert, dass sich im Akt ein Vermerk der Behörde über das diesbezügliche Telefongespräch befindet (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/10/0167). Nichts anderes muss jedoch auch für den Fall des contrarius actus der Erteilung einer Vollmacht, nämlich des hier zu beurteilenden Widerrufs gelten, zumal § 10 AVG für den Fall des Widerrufs der Vollmacht keine besonderen Vorschriften enthält. Aus dem dritten Satz des § 10 Abs. 1 AVG ist daher zu schließen, dass der fernmündliche Widerruf einer erteilten Vollmacht keine Wirkungen zeitigt, weil in diesem Fall die im Gesetz normierten Voraussetzungen, dass dies "vor der Behörde" erfolgt, nicht erfüllt sind (vgl. zum Ganzen Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, 2004, § 10, RZ 16 und 25 ff).

Ob die mit den angefochtenen Bescheiden erfolgten Zurückweisungen der Berufungen allenfalls aus anderen als aus den von der belangten Behörde angegebenen Gründen zulässig gewesen wären (vgl. zur Wirksamkeit einer Zustellung an den Substituten VwSlg. 12.860/1989, Rechtzeitigkeit), war vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beurteilen.

Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht - im Rahmen des Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am