VwGH vom 29.05.2015, 2012/17/0178
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Senatspräsident Dr. Köhler und Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Fries, über die Beschwerde 1. der F GmbH in W, Deutschland, 2. der F GmbH in W und 3. der W Limited in T, alle vertreten durch Dr. Erich Jungwirth, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Trautsongasse 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Vorarlberg vom , UVS-1- 828/E3-2011, betreffend Beschlagnahme nach GSpG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der beschwerdeführenden Parteien gegen einen Bescheid, mit dem die Beschlagnahme von vier Glücksspielgeräten gemäß § 52 Abs 1 Z 1 in Verbindung mit § 53 Abs 1 Z 1 lit a GSpG 1989 ausgesprochen worden war, als unbegründet abgewiesen.
1.2. Bei den Geräten handelte es sich nach den Feststellungen der belangten Behörde um vier Internet-Terminals im Eigentum der Erstbeschwerdeführerin. Die Zweitbeschwerdeführerin hatte die Terminals in ihrem Lokal in B aufgestellt und damit ihren Gästen die Teilnahme am Online-Angebot der Drittbeschwerdeführerin, die von der belangten Behörde daher als Betreiberin der Geräte angesehen wurde, ermöglicht. Die Zweitbeschwerdeführerin erhielt dafür eine umsatzabhängige Vergütung.
1.3. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Inhalts der Berufung aus, die Spielentscheidung sei über die Internetverbindung zentralseitig herbeigeführt worden. Die Spielteilnahme sei über elektronische Medien erfolgt bzw sei der Spielvertrag über elektronische Medien abgeschlossen worden. Die Entscheidung über Gewinn oder Verlust sei ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängig gewesen.
Im Rahmen der Kontrolle seien Probespiele durchgeführt worden, der Spieleinsatz habe maximal EUR 9,-- betragen. Die Geräte seien mit einem externen Server verbunden gewesen, die Spielentscheidung sei zentralseitig herbeigeführt worden. Die Geräte seien baugleich und es seien dieselben Spiele programmiert gewesen. Die Drittbeschwerdeführerin verfüge über von einer maltesischen Behörde ausgestellte Lizenzen und sei die Betreiberin der Geräte. Bei den Spielen habe es sich um Glücksspiele gehandelt. Die Auszahlung eines Gewinns sei durch das Personal der Zweitbeschwerdeführerin vorgenommen worden.
Nach Wiedergabe einschlägiger Vorschriften des GSpG 1989 führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerinnen seien Unternehmerinnen im Sinne des § 2 Abs 2 GSpG 1989, da von einer nachhaltigen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen auszugehen gewesen sei. Für die Ausspielungen sei keine Konzession erteilt worden und es liege auch keine Ausnahme vom Glücksspielmonopol im Sinne des § 4 GSpG 1989 vor.
Nach Darstellung der Strafbestimmung des § 52 Abs 1 Z 1 GSpG 1989 und Hinweis auf § 52 Abs 3 GSpG 1989 betreffend den Tatort, wenn eine Verwaltungsübertretung nicht im Inland begangen würde, stellte die belangte Behörde fest, dass Gegenstände, mit deren Hilfe eine verbotene Ausspielung durchgeführt werde oder auf andere Weise in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen werde, dem Verfall unterlägen.
Zu den unionsrechtlichen Berufungsausführungen verwies die belangte Behörde zunächst darauf, dass sich aus dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Engelmann (Rs C-64/08) nichts für die Beschwerdeführerinnen gewinnen lasse, da es in diesem Urteil um das bewilligungslose Betreiben eines Spielcasinos gegangen sei, während es im Beschwerdefall um die Aufstellung von Apparaten zwecks Durchführung elektronischer Ausspielungen außerhalb eines Spielcasinos gehe.
In Auseinandersetzung mit den Aussagen des EuGH in seinen Urteilen in den Rechtssachen Placanica (Rs C-338/04) und Engelmann vertrat die belangte Behörde sodann die Auffassung, dass das Unionsrecht der Anwendung des GSpG nicht entgegen stehe, wenn die Konzessionserteilung schon aus einem mit Unionsrecht vereinbarem Grund nicht in Betracht gekommen wäre (Hinweis auf ). An diesem Ergebnis änderten auch die von den Beschwerdeführerinnen vorgelegten Gutachten nichts.
Zum Dickinger Ömer führte die belangte Behörde schließlich aus, dass der EuGH darin das österreichische Glücksspielmonopol keineswegs per se als europarechtswidrig bezeichnet habe. Es sei in dem Urteil im Gegenteil festgehalten worden, ein Mitgliedstaat könne Grund zu der Annahme haben, dass nur die Errichtung eines Monopols zugunsten einer einzigen Einrichtung es ihm erlaube, die Kriminalität in diesem Sektor zu beherrschen und das Ziel, Anreize für übermäßige Spielausgaben zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, hinreichend zu verfolgen.
Die Annahme, dass das Werbevolumen für sich alleine gesehen die Abgrenzung dafür sei, ob der Einsatz von Geldmitteln für Werbung maßvoll sei, werde nicht geteilt. Nach wörtlicher Wiedergabe der Ausführungen von Bresich/Klingenbrunner/Posch in Strejcek/Bresich, GSpG 1989, 50, wird geschlossen, dass angesichts des Ausmaßes illegalen Glücksspiels in Österreich auch die "Werbung im genannten Umfang" aufgrund der Notwendigkeit der Kriminalitätsbekämpfung noch nicht von vornherein als überschießend zu erkennen sei.
Der bloße Verweis auf die Werbekosten ohne weitere Konkretisierungen sei ungeeignet, eine "in diesem Zusammenhang nicht maßvolle Werbung aufzuzeigen".
1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde.
1.5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Gemäß § 79 Abs 11 VwGG in der Fassung BGBl I Nr 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
2.2. Nach der hg Rechtsprechung kommt einer vom Eigentümer einer nach dem GSpG beschlagnahmten Sache verschiedenen Person nur dann die Berufungslegitimation im Beschlagnahmeverfahren zu, wenn sie Inhaber oder Betreiber der Geräte im Sinne des Glücksspielgesetzes war (, , 2011/17/0122, und vom , 2011/17/0111). Gemäß § 53 Abs 3 GSpG in der Fassung BGBl I Nr 111/2010 kommt nunmehr neben dem Eigentümer dem Veranstalter und dem Inhaber die Parteistellung im Beschlagnahmeverfahren zu.
Die Beschwerdeführerinnen stehen nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid in einer derartigen Beziehung zu den beschlagnahmten Gegenständen (als Eigentümerin, Veranstalterin und Inhaberin), dass ihnen die Berufungs- und demzufolge auch die Beschwerdelegitimation vor dem Verwaltungsgerichtshof zukommt.
Insofern ist die Beschwerde aller drei Beschwerdeführerinnen zulässig.
2.3. Im hg Erkenntnis vom , Ro 2014/17/0121, wurde in einer Angelegenheit nach dem Glücksspielgesetz ausgesprochen, dass das Verwaltungsgericht von Amts wegen wahrzunehmen habe, wenn eine in der österreichischen Rechtsordnung vorgesehene Regelung gegen das Unionsrecht verstoßen sollte und deswegen unangewendet zu bleiben hätte.
Wie der Verwaltungsgerichtshof weiters im Erkenntnis vom , Ro 2014/17/0126, festgehalten hat, wäre, um zu einer derartigen Beurteilung zu gelangen, zunächst die Frage zu beantworten, ob das Unionsrecht im konkreten Fall überhaupt anzuwenden ist, was auf Sachverhalte ohne Auslandsbezug nicht zutreffe.
Ein derartiger Auslandsbezug liegt im Beschwerdefall im Hinblick auf die Veranstaltung der Ausspielungen durch die Drittbeschwerdeführerin vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem Erkenntnis vom darüber hinaus im Anschluss an das genannte Erkenntnis vom darauf hingewiesen, dass das (im dortigen Revisionsverfahren betroffene) Verwaltungsgericht, um rechtens eine Beurteilung vornehmen zu können, ob Bestimmungen des Glücksspielgesetzes dem Unionsrecht widersprechen oder nicht, nach Durchführung eines amtswegigen Ermittlungsverfahrens konkrete Tatsachenfeststellungen zu treffen gehabt hätte, aus denen abzuleiten wäre, dass durch anzuwendende Bestimmungen des Glücksspielgesetzes vorgenommene Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (nicht) gerechtfertigt seien.
Der EuGH habe (zuletzt etwa mit Urteil vom , Rs C-390/12) die unionsrechtliche Zulässigkeit des Glücksspielmonopols nicht nur von der Zielsetzung des Gesetzgebers - Spielerschutz und Kriminalitätsbekämpfung - sondern auch von der tatsächlichen Wirkung der Regelungen abhängig gemacht. Im Zuge eines amtswegigen Ermittlungsverfahrens hätte das Verwaltungsgericht daher insbesondere zu prüfen, ob die Regelungen des Glücksspielgesetzes in ihrer Gesamtheit dazu führen, dass die Gelegenheit zum Spiel verringert und die damit verbundene Kriminalität bekämpft wird. Dies wäre beispielsweise dann nicht erfüllt, wenn es trotz der restriktiven Ausgestaltung des Glücksspielrechts in den letzten Jahren zu einer Ausweitung der Spielsucht samt der damit verbundenen Probleme gekommen wäre (Hinweis auf ).
Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid zwar eingehend mit den vom EuGH entwickelten Kriterien für die Unionsrechtskonformität von Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit auf dem Gebiet des Glücksspiels auseinandergesetzt und ist zu den sich daraus ergebenden wesentlichen Fragen zu einer positiven Beurteilung (im Sinne einer Vereinbarkeit des innerstaatlichen Rechts mit dem Unionsrecht) gekommen. Sie hat diese Einschätzung jedoch ohne konkrete Sachverhaltsfeststellungen vorgenommen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, auf welches "Ausmaß illegalen Glücksspiels in Österreich" sich die belangte Behörde bezieht, und fehlen auch Grundlagen für die angesprochene "Werbung im genannten Umfang".
Es lässt sich daher auch im vorliegenden Fall auf dem Boden der von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen nicht beurteilen, ob ihre Einschätzung, die Rechtslage nach dem GSpG 1989 entspreche den vom EuGH für die Zulässigkeit der damit bewirkten Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit entwickelten Kriterien, zutreffend ist.
2.4. Die belangte Behörde hat in Verkennung der Rechtslage nicht die erforderlichen Tatsachenfeststellungen getroffen, um die Vereinbarkeit der anzuwendenden Bestimmungen mit dem Unionsrecht von Amts wegen zu beurteilen. Dadurch hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben ist, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art 6 EMRK und Art 47 Abs 2 GRC wurde im gegenständlichen Fall durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne der EMRK, genüge getan (vgl hiezu etwa , und die darin angegebene Judikatur, oder vom , 2010/17/0272).
2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG aF in Verbindung mit § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013, in der Fassung BGBl II Nr 8/2014.
Wien, am