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VwGH vom 16.03.2011, 2008/08/0058

VwGH vom 16.03.2011, 2008/08/0058

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des A K in F, vertreten durch Großmann Wagner Rechtsanwalts GmbH in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 6/I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom , Zl. 14-SV- 3011/2/08, betreffend Beitragspflicht in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem BSVG (mitbeteiligte Partei:

Sozialversicherungsanstalt der Bauern in 1030 Wien, Ghegastraße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom hat die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt festgestellt, dass der Beschwerdeführer in der Zeit vom 1. Jänner bis in der Kranken- und Pensionsversicherung der Bauern (mit jeweils konkret genannten monatlichen Beitragsgrundlagen und Monatsbeiträgen) beitragspflichtig sei.

Dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch hat die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid keine Folge gegeben.

Begründend führte die belangte Behörde dazu nach Darlegung des Verfahrensganges und Zitierung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen aus, es sei unbestritten, dass der Beschwerdeführer im Kalenderjahr 2006 Eigentümer eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes in Z mit einem Ausmaß von 8,996 ha und einem Einheitswert für Eigengrund von EUR 2.300,-- gewesen sei und zusätzlich landwirtschaftliche Nutzflächen als Pachtflächen im Ausmaß von 2,1063 ha mit einem Einheitswert des Pachtgrundes von EUR 359,12 bewirtschaftet und somit den Eigenbetrieb und Pachtflächen auf seine Rechnung und Gefahr geführt habe.

Davon ausgehend setzte sie - neben Ausführungen zur im zweitinstanzlichen Verfahren noch strittigen Höhe der Beitragsgrundlagen und Monatsbeiträge - im Wesentlichen fort, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2006 auch als Selbständiger eine Erwerbstätigkeit ausgeübt und für diese Tätigkeit im Jahr 2006 eine Beitragsgrundlage nach GSVG in der Höhe von EUR 34.309,20 vorgelegen sei. Die Zusammenrechnung der GSVG- und BSVG-Beitragsgrundlagen für dieses Jahr habe ergeben, dass (mangels Erreichen der Jahres-Höchstbeitragsgrundlage) eine Restbeitragsgrundlage für das BSVG verblieben sei; deshalb habe eine Beitragsvorschreibung auch in der Kranken- und Pensionsversicherung der Bauern für das Jahr 2006 vorgenommen werden müssen.

Dem Einwand des Beschwerdeführers, dass die landwirtschaftliche Tätigkeit kein Einkommen mit sich bringe, sogar mit finanziellen Defiziten verbunden sei und lediglich als Freizeitbeschäftigung betrieben werde, weshalb es unzumutbar wäre, eine (Mehrfach )Pflichtversicherung, nämlich nach dem GSVG und BSVG, bezahlen zu müssen, hielt die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes entgegen:

Der Verwaltungsgerichtshof vertrete in ständiger Judikatur die Auffassung, dass für die Beantwortung der Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb geführt werde, maßgeblich sei, ob jene Person, deren Versicherungsund/oder Beitragspflicht zu beurteilen sei, aus der Betriebsführung im Außenverhältnis (also im Verhältnis zu Dritten) berechtigt und verpflichtet werde. Wer aus der Betriebsführung in diesem Sinn berechtigt und verpflichtet werde, sei eine Rechtsfrage, die nicht bloß nach tatsächlichen Gesichtspunkten, sondern letztlich nur auf Grund rechtlicher Begebenheiten beantwortet werden könne. Als solche Rechtstatsachen würden dingliche und obligatorische Rechtsverhältnisse in Betracht kommen. Dabei zähle auch der wirksame Abschluss eines Pachtvertrages zu jenen obligatorischen Rechtsverhältnissen, durch die eine Änderung der sich sonst aus den Eigentumsverhältnissen ergebenden Zurechnung von Rechten und Pflichten im Außenverhältnis mit der Rechtsfolge bewirkt werde, dass nicht mehr der Eigentümer, sondern der Pächter den land(forst)wirtschaftlichen Betrieb auf seine Rechnung und Gefahr führe. Die Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG knüpfe nicht an die tatsächliche Arbeit im land(forst)wirtschaftlichen Betrieb an, sondern daran, auf wessen Rechnung und Gefahr der land(forst)wirtschaftliche Betrieb geführt werde.

Die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen würden keine Berücksichtigung des Maßes der Intensität zulassen, mit der eine Liegenschaft land(forst)wirtschaftlich genutzt werde. Wie sehr eine Liegenschaft im Verhältnis zur theoretischen Nutzbarkeit tatsächlich genutzt werde, lasse sich nicht objektiv bestimmen und dieses Kriterium sei daher als Voraussetzung für den Eintritt einer Pflichtversicherung untauglich; sofern eine Bewirtschaftung einer Liegenschaft, die als land(forst)wirtschaftlicher Betrieb im Sinne des Landarbeitsgesetzes anzusehen sei, überhaupt erfolge, sei somit für die Frage der Pflichtversicherung grundsätzlich der abstrakte, pauschale Einheitswert der Liegenschaft maßgeblich und nicht die Intensität der Nutzung oder der daraus erzielte Gewinn.

Der Beschwerdeführer habe eingeräumt, dass auf den vorhandenen Grundflächen Nutztiere wie Pferde gehalten würden und somit ein Abgrasen einer landwirtschaftlichen Fläche durch Nutztiere erfolge. Das Halten von Pferden als Nutztiere stelle jedenfalls eine landwirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von § 5 Abs. 1 Landarbeitsgesetz dar, die einer Betriebsführung auf Rechnung und Gefahr des Beschwerdeführers zuzurechnen sei, auch wenn damit keine Gewinnerzielung beabsichtigt sei oder diese Tätigkeit bloß als Hobby betrieben werde. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer zu den Eigengrundflächen von über 8 ha auch Pachtflächen im Ausmaß von über 2 ha dazugepachtet habe, lasse auf jeden Fall erkennen, dass er nicht nur Eigentümer einiger landwirtschaftlicher Flächen sei, die brach liegen und nicht land(forst)wirtschaftlich betrieben würden, sondern mit der Absicht des Beschwerdeführers, den Eigengrund um über ein Viertel seines Ausmaßes durch Zupachtung für die Betriebsführung zu vergrößern, ein konkretes Interesse verbunden gewesen sei, ein Flächenausmaß in einer bestimmten Größenordnung zur Bewirtschaftung zur Verfügung zu haben.

Zum weiteren Einwand des Beschwerdeführers, wonach bei einer nebenbei im geringem Ausmaß erfolgten landwirtschaftlichen Tätigkeit keine Mehrfachversicherung erfolgen könne, wurde festgehalten, dass dem österreichischen Sozialversicherungssystem der Grundsatz der Mehrfachversicherung anhafte, was zur Folge habe, dass für jede Erwerbstätigkeit - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - eine Pflichtversicherung gegeben sei. Der Verfassungsgerichtshof habe das System der Mehrfachversicherung bereits aus verschiedenen Anlässen geprüft und für nicht verfassungswidrig befunden. Dafür spreche das Solidaritätsprinzip der Sozialversicherung, das mit sich bringe, dass in Kauf genommen werden müsse, dass es trotz Versicherungspflicht praktisch zu keinem Leistungsanfall komme.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die Mitbeteiligte - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird geltend gemacht, dass der Beschwerdeführer in seinem "Recht auf eine einzige Pflichtversicherung aufgrund einer einzigen selbständigen Erwerbstätigkeit" verletzt werde (die rechnerische Richtigkeit der festgestellten Beitragsgrundlagen und Monatsbeiträge wird nicht bestritten). Soweit der Beschwerdeführer dazu im Wesentlichen vorbringt wird, dass keine Bewirtschaftung von land(forst)wirtschaftlichen Flächen im Sinne des § 5 Abs. 1 Landarbeitsgesetz stattfinde und keinerlei Tiere zur Zucht, Mästung oder Gewinnung tierischer Erzeugnisse gehalten würden, sowie das Fehlen von Feststellungen zur tatsächlichen Nutzung und Gebrauchsart dieser Flächen rügt, ist ihm Folgendes zu entgegnen:

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG sind auf Grund dieses Bundesgesetzes, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung Personen pflichtversichert, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung besteht die Pflichtversicherung für die im § 2 Abs. 1 Z. 1 genannten Personen nur, wenn der nach dem Bewertungsgesetz 1955 festgestellte Einheitswert des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes den Betrag von EUR 1.500,-- erreicht oder übersteigt.

Betriebe der Land- und Forstwirtschaft im Sinne des auch für den Pflichtversicherungstatbestand des § 2 Abs. 1 Z. 1 erster Satz BSVG maßgebenden § 5 Abs. 1 Landarbeitsgesetz 1984 (LAG) sind

"Betriebe der land- und forstwirtschaftlichen Produktion und ihre Nebenbetriebe, soweit diese in der Hauptsache die Verarbeitung der eigenen Erzeugnisse zum Gegenstand haben und sich nicht als selbständige, von der Land- und Forstwirtschaft getrennt verwaltete Wirtschaftskörper darstellen, ferner die Hilfsbetriebe, die der Herstellung und Instandhaltung der Betriebsmittel für den land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb dienen. In diesem Rahmen zählen zur land- und forstwirtschaftlichen Produktion die Hervorbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte einschließlich des Wein- und Obstbaues, des Gartenbaues und der Baumschulen, das Halten von Nutztieren zur Zucht, Mästung oder Gewinnung tierischer Erzeugnisse sowie die Jagd und Fischerei. Der land- und forstwirtschaftlichen Produktion gleichzuhalten ist die der Erhaltung der Kulturlandschaft dienende Landschaftspflege, sofern dafür Förderung aus öffentlichen Mitteln bezogen wird, deren zugrunde liegendes Förderungsziel die Erhaltung der Kulturlandschaft direkt oder indirekt mit einschließt."

Voraussetzung für die Versicherungspflicht (nach dem BSVG) ist die Führung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes auf eigene Rechnung und Gefahr, wobei auch die Absicht auf Erzielung eines Gewinnes fehlen kann. Das Vorliegen eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft muss auch dann angenommen werden, wenn auf landwirtschaftlicher Grundfläche eine land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit im technischen Sinn entwickelt wird, ohne dass hiebei eine Gewinnerzielung beabsichtigt oder möglich ist (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 96/08/0355).

Der Beschwerdeführer hat - dem angefochtenen Bescheid zufolge - in seiner Stellungnahme nur eingeräumt, dass er auf brachliegenden Flächen ein paar Pferde halte. Die belangte Behörde geht davon aus, dass "das Halten von Pferden als Nutztiere jedenfalls eine landwirtschaftliche Tätigkeit darstelle", auch wenn es als Hobby betrieben werde.

Daran ist zwar richtig, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb auch dann vorliegt, wenn er als Hobby betrieben wird; in rechtlicher Hinsicht hat die belangte Behörde aber verkannt, dass allein das "Halten von Pferden als Nutztiere" noch keine landwirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 LAG ist: Wie aus der Definition in § 5 Abs. 1 LAG hervorgeht, ist nur das Halten von Nutztieren "zur Zucht, Mast oder Gewinnung tierischer Erzeugnisse" Landwirtschaft. Dass der Beschwerdeführer über das Halten der Pferde hinaus eine Züchtung oder die Gewinnung von tierischen Erzeugnissen betrieben habe, hat die belangte Behörde nicht festgestellt.

Zur Frage, ob der Beschwerdeführer - wie er im Einspruchsverfahren nicht mehr eingeräumt hat und worauf sich die belangte Behörde auch nicht stützt - einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb tatsächlich führt, wären entsprechende Ermittlungen anzustellen gewesen, insbesondere ob und welche landwirtschaftliche Tätigkeit im technischen Sinn der Beschwerdeführer - abseits der Pferdehaltung - auf den landwirtschaftlichen Flächen im hier strittigen Zeitraum tatsächlich entfaltet hat.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 43 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2. Ein Ersatz von Pauschalgebühren war wegen der in Sozialrechtssachen geltenden sachlichen Abgabefreiheit (§ 44 Abs. 1 BSVG) nicht zuzuerkennen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

Wien, am

Fundstelle(n):
SAAAE-75641