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VwGH vom 24.03.2014, 2012/17/0140

VwGH vom 24.03.2014, 2012/17/0140

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrat Dr. Köhler, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer und Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) in 1090 Wien, Otto Wagner Platz 5, gegen den am verkündeten und am ausgefertigten Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien, Zlen. 1.) UVS- 06/FM/47/170/2011-6 und 2.) UVS-06/FMV/47/220/2011, betreffend Übertretung des § 48d Abs. 1 und des § 82 Abs. 7 BörseG (mitbeteiligte Parteien: S in Wien, vertreten durch die Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, und C AG in Wien, vertreten durch die monlaw Leuthner Rechtsanwalts GmbH in 1010 Wien, Canovagasse 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat den Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) wurde der Erstmitbeteiligte als verantwortlicher Beauftragter der zweitmitbeteiligten Partei im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG für schuldig erkannt, dass es die zweitmitbeteiligte Partei als Emittentin an ihrem Unternehmenssitz unterlassen habe, eine sie unmittelbar betreffende Insider-Information, und zwar die von der F plc beabsichtigte Legung eines öffentlichen Übernahmeangebotes zum Erwerb der Aktien an der zweitmitbeteiligten Partei, spätestens ab , unverzüglich gemäß § 48d Abs. 1 Börsegesetz (BörseG) der Öffentlichkeit bekannt zu geben "bzw. - in eventu. -" gemäß § 48d Abs. 2 BörseG die FMA unverzüglich von der Entscheidung, die Bekanntgabe der Insider-Information aufzuschieben, zu unterrichten "bzw. in eventu" gemäß § 48d Abs. 1 Satz 3 und 4 BörseG eine erhebliche Veränderung im Hinblick auf eine bereits bestehende offengelegte Insider-Information ab und auf demselben Weg wie die Bekanntgabe der ursprünglichen Information zu veröffentlichen, sowie gemäß § 82 Abs. 7 BörseG vor der Veröffentlichung der FMA und dem Börseunternehmen mitzuteilen. Am hätten der Erstmitbeteiligte (Vorstand der zweitmitbeteiligten Partei und Vorstand der C-Privatstiftung, die Aktionärin der zweitmitbeteiligten Partei sei) und Herr M. (Vorstand der S-Privatstiftung, welche ebenfalls Aktionärin der zweitmitbeteiligten Partei sei), den Term Sheet, in dem wesentliche Parameter zum geplanten Übernahmeangebot der F plc an die Aktionäre der zweitmitbeteiligten Partei vereinbart worden seien, unterschrieben. Seitens der F plc sei dieser Term Sheet am unterfertigt worden. Laut eigener Aussage des Erstmitbeteiligten sei damit ab 7./ die hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Legung des öffentlichen Übernahmeangebotes zum Erwerb der Aktien der zweitmitbeteiligten Partei durch die F plc gegeben gewesen. Jedenfalls ab Unterfertigung des Term Sheets am handle es sich bei der beabsichtigten Legung eines Übernahmeangebotes seitens der F plc um eine öffentlich nicht bekannte, genaue Information, die direkt die Emittentin betreffe und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet gewesen wäre, den Kurs der Aktien der Emittentin erheblich zu beeinflussen, weil sie ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde. Weiters hafte die zweitmitbeteiligte Partei als Emittentin gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die über den Erstmitbeteiligten verhängten Geldstrafen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.

Der Erstmitbeteiligte habe dadurch folgende

Rechtsvorschriften verletzt: § 48 Abs. 1 Z 2 iVm § 48d Abs. 1 iVm

§ 48a Abs. 1 Z 1 BörseG unter Heranziehung von § 9 Abs. 1 VStG,

§ 48 Abs. 1 Z 6 iVm § 82 Abs. 7 BörseG unter Heranziehung von § 9

Abs. 1 VStG. Über ihn wurde eine Geldstrafe von EUR 8.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) sowie zwei weitere Gelstrafen von jeweils EUR 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 3 Tage) verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis erhoben die mitbeteiligten Parteien Berufung. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Berufung Folge gegeben, das bekämpfte Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Spruchs des vor ihr bekämpften Straferkenntnisses, der wesentlichen Aussagen in der mündlichen Berufungsverhandlung und Zitierung der angewendeten Bestimmungen des BörseG und des Übernahmegesetzes (ÜbG) im Wesentlichen aus, die von der Erstbehörde getroffenen Sachverhaltsfeststellungen würden als erwiesen angesehen und zum Inhalt der Berufungsentscheidung erklärt. Zur Beweiswürdigung stützte sie sich auf die unbedenkliche Aktenlage, die im Berufungsverfahren unbestritten geblieben sei.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, in § 5 ÜbG würden die Geheimhaltungs- und Veröffentlichungspflichten des Bieters normiert. Eine unverzügliche Bekanntmachung habe jedenfalls dann zu erfolgen, wenn seitens des Bieters die Entscheidung durch den Vorstand und den Aufsichtsrat getroffen worden sei, ein Übernahmeangebot zu stellen. Die Veröffentlichungspflichten der Zielgesellschaft gemäß § 6 Abs. 2 ÜbG beträfen den Fall, dass hinsichtlich der Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft erhebliche Kursbewegungen oder Gerüchte und Spekulationen betreffend ein bevorstehendes Angebot im Markt eingetreten seien. Daraus sei zu ersehen, dass durch das ÜbG spezielle Veröffentlichungspflichten sowohl des Bieters als auch der Zielgesellschaft im Rahmen eines Übernahmeverfahrens normiert würden, deren Verletzung unter Strafsanktion stehe. In dem von der Erstbehörde angelasteten Tatzeitraum vom bis sei ein Übernahmeverfahren nach dem ÜbG anhängig gewesen. Die genannten Bestimmungen des ÜbG stellten hinsichtlich der hier vorliegenden Information eine lex specialis zu den Veröffentlichungspflichten der Emittentin gemäß § 48d Abs. 1 BörseG dar, sodass im vorliegenden Zusammenhang der zuletzt genannten Bestimmung grundsätzlich kein Anwendungsbereich verbleibe. Die gegenständliche Information, deren Nichtveröffentlichung dem Erstmitbeteiligten zur Last gelegt worden sei, sei eine solche, deren Veröffentlichung im Rahmen eines Übernahmeverfahrens ausdrücklich im ÜbG geregelt werde, weshalb eine Bestrafung der Emittentin wegen Übertretung des § 48d und des § 82 Abs. 7 BörseG nicht in Betracht komme.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die beschwerdeführende Partei beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift. Die mitbeteiligten Parteien erstatteten jeweils eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

§ 1 Z 1 bis 4 Übernahmegesetz - ÜbG in der Fassung des Aktienrechts-Änderungsgesetz 2009 - AktRÄG 2009, BGBl. I Nr. 71/2009 lautet:

"1. Teil

Allgemeines

Begriffe

§ 1. Im Sinn dieses Bundesgesetzes bedeuten:

1. Übernahmeangebot (Angebot): ein öffentliches Angebot an die Inhaber von Beteiligungspapieren einer Aktiengesellschaft zum Erwerb eines Teils oder aller Beteiligungspapiere gegen Barzahlung oder im Austausch gegen andere Wertpapiere.

2. Zielgesellschaft: die Aktiengesellschaft, deren Beteiligungspapiere Gegenstand eines Angebots sind.

3. Bieter: jede natürliche oder juristische Person und jede Personengesellschaft, die ein Angebot stellt, beabsichtigt, ein solches zu stellen, oder hiezu verpflichtet ist.

4. Beteiligungspapiere: börsenotierte Aktien und sonstige übertragbare börsenotierte Wertpapiere, die mit einer Gewinnbeteiligung oder einer Abwicklungsbeteiligung verbunden sind; weiters übertragbare Wertpapiere, die zum Erwerb solcher Wertpapiere berechtigen, wenn diese von der Zielgesellschaft oder einem mit ihr verbundenen Unternehmen im Sinn des § 228 Abs. 3 UGB ausgegeben wurden."

§§ 2, 3 Z 1 und 3 und § 5 ÜbG in der Fassung des Übernahmerechts-Änderungsgesetzes 2006 - ÜbRÄG 2006, BGBl. I Nr. 75/2006 lauten:

Geltungsbereich

§ 2. Dieses Bundesgesetz gilt vorbehaltlich des 4. Teils für öffentliche Angebote zum Erwerb von Beteiligungspapieren, die von einer Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland ausgegeben wurden und an einer österreichischen Börse zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind.

Allgemeine Grundsätze für öffentliche Übernahmeangebote

§ 3. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind Ausdruck folgender allgemeiner Grundsätze:

1. Alle Inhaber von Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft, die sich in gleichen Verhältnissen befinden, müssen gleich behandelt werden, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist. Die Pflicht zur Gleichbehandlung gilt insbesondere für Inhaber von Aktien, die der gleichen Gattung angehören.

...

3. Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft müssen im Interesse aller Aktionäre und sonstigen Inhaber von Beteiligungspapieren wie auch im Interesse der Arbeitnehmer, der Gläubiger und im öffentlichen Interesse handeln.

...

Geheimhaltungs- und Bekanntmachungspflichten zur Vermeidung von Marktverzerrungen und des Mißbrauchs von Insiderinformationen

§ 5. (1) Der Bieter hat für Geheimhaltung zu sorgen, um ein vorzeitiges und ungleichmäßiges Bekanntwerden seiner Überlegungen und seiner Absicht, ein Angebot zu stellen, zu verhindern; dasselbe gilt sinngemäß für Überlegungen und die Absicht, Tatsachen herbeizuführen, die den Bieter zur Stellung eines Angebots verpflichten. Der Bieter hat insbesondere alle für ihn im Zusammenhang mit dem Übernahmeverfahren tätigen Personen über ihre Geheimhaltungspflichten und das Verbot des Mißbrauchs von Insiderinformationen (§ 48b BörseG) zu unterrichten, interne Richtlinien für die Informationsweitergabe zu erlassen und deren Einhaltung zu überwachen sowie geeignete organisatorische Maßnahmen zur Verhinderung der Weitergabe von Insiderinformationen und ihrer mißbräuchlichen Verwendung zu treffen.

(2) Der Bieter hat Überlegungen oder die Absicht, ein Angebot zu stellen oder Tatsachen herbeizuführen, die ihn zur Stellung eines Angebots verpflichten, unverzüglich bekanntzumachen und den Verwaltungsorganen der Zielgesellschaft mitzuteilen, wenn erhebliche Kursbewegungen oder Gerüchte und Spekulationen betreffend ein bevorstehendes Angebot auftreten und anzunehmen ist, daß diese auf die Vorbereitung des Angebots oder diesbezügliche Überlegungen oder auf Aktienkäufe durch den Bieter zurückzuführen sind.

(3) Der Bieter hat jedenfalls unverzüglich bekanntzumachen und den Verwaltungsorganen der Zielgesellschaft mitzuteilen,

1. daß sein Vorstand und Aufsichtsrat die Entscheidung, ein Angebot zu stellen, getroffen haben oder

2. daß Tatsachen eingetreten sind, die ihn zur Stellung eines Angebots verpflichten.

(4) Die Bekanntmachung nach Abs. 2 und Abs. 3 hat so zu erfolgen, daß dadurch Insidergeschäfte und Marktverzerrungen tunlichst hintangehalten werden. Die Übernahmekommission kann auf Antrag des Bieters unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligungspapierinhaber von der Verpflichtung zur Bekanntmachung gemäß Abs. 3 für eine kurze Frist befreien, wenn dadurch die Schädigung berechtigter Interessen des Bieters oder mit ihm gemeinsam vorgehender Rechtsträger (§ 1 Z 6) verhindert werden kann und der Bieter bescheinigt, daß die Geheimhaltung gewährleistet ist."

§ 6 ÜbG in der Stammfassung BGBl. I Nr. 127/1998 lautet:

"Verhandlungen mit der Zielgesellschaft

§ 6. (1) Der Bieter kann seine Überlegungen und seine Absicht, ein Angebot zu stellen, auch vor deren Bekanntmachung oder Veröffentlichung den Verwaltungsorganen der Zielgesellschaft bekanntgeben und hierüber mit diesen verhandeln.

(2) Die Verwaltungsorgane der Zielgesellschaft haben für Geheimhaltung zu sorgen; die Bestimmungen des § 5 Abs. 1 über die Pflichten des Bieters gelten auch für die Verwaltungsorgane der Zielgesellschaft. Der Vorstand der Zielgesellschaft ist jedoch unter Bedachtnahme auf § 5 Abs. 4 erster Satz zur Bekanntmachung verpflichtet, wenn bei Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft erhebliche Kursbewegungen oder Gerüchte und Spekulationen betreffend ein bevorstehendes Angebot auftreten und anzunehmen ist, daß diese auf die Vorbereitung des Angebots oder diesbezügliche Überlegungen zurückzuführen sind.

(3) Zur Geheimhaltung sind auch Aktionäre der Zielgesellschaft verpflichtet, mit denen der Bieter unter Hinweis auf die Vertraulichkeit über den Erwerb von Anteilsrechten verhandelt oder die sonst vom Bieter oder von der Zielgesellschaft Kenntnis von geheimzuhaltenden Tatsachen erlangen."

Mit dem ÜbG wollte der Gesetzgeber den bis dahin gesetzlich nicht geregelten Erwerb von Aktien über ein an die Öffentlichkeit gerichtetes Angebot und die Rechtsfolgen des Erwerbs einer kontrollierten Beteiligung näher ausgestalten, um die Bereitschaft, in österreichische börsenotierte Aktiengesellschaften zu investieren, zu fördern und dergestalt eine erhöhte Attraktivität des österreichischen Kapitalmarkts für private und institutionelle Anleger erreichen. Das wollte der Gesetzgeber dadurch erreichen, dass für öffentliche Übernahmeangebote verbindliche Regeln, insbesondere verbesserte Transparenz, vorgeschrieben wurden, um eine sachgerechte und informierte Entscheidung der Aktionäre sicherzustellen. Zusätzlich soll der Erwerber einer kontrollierenden Beteiligung verpflichtet werden, den übrigen Aktionären ("Minderheitsaktionären") ein Kaufangebot zu machen, um ihnen damit das Ausscheiden aus der Aktiengesellschaft zu ermöglichen. Bei der Ausgestaltung des ÜbG orientierte sich der österreichische Gesetzgeber weitgehend am Richtlinienvorschlag der EU über öffentliche Übernahmeangebote in der nach der Stellungnahme des Europäischen Parlaments geänderten Fassung vom (RV 1276 XX. GP, 17).

Der Gesetzgeber sah es entsprechend dem RL-Vorschlag als erforderlich an, sicherzustellen, dass den Minderheitsaktionären im Fall eines öffentlichen Übernahmeangebots möglichst aufschlussreiche Informationen über die zukünftige Unternehmenspolitik und die Bewertung der Aktien gegeben werden. Sie sollen ihre Entscheidung über einen Verkauf ihrer Wertpapiere oder über einen weiteren Verbleib in der Gesellschaft auf einer möglichst soliden und transparenten Grundlage treffen können. Zugleich sollen aber vor der Veröffentlichung der Angebotsunterlagen durch Geheimhaltungspflichten bzw. Bekanntmachungspflichten in den Fällen, in denen ein bevorstehendes Angebot nicht mehr geheim gehalten werden kann, Insider-Geschäfte und Marktverzerrungen vermieden werden (RV 1276 XX. GP, 21). Zu den in § 5 ÜbG normierten Geheimhaltungs- und Bekanntmachungspflichten zur Vermeidung von Marktverzerrungen und des Missbrauchs von Insider-Informationen führen die Materialien (RV 1276 XX. GP, 28) wörtlich aus:

"§ 5 ergänzt und modifiziert die Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität nach dem Börsegesetz, entschärft wird insbesondere das in § 82 Abs. 6 BörseG angelegte Problem, dass kursrelevante neue Tatsachen stets unverzüglich bekannt gemacht werden müssen."

Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll primär die Geheimhaltung Marktverzerrungen verhindern und der Bieter dazu verpflichtet werden, möglichst verlässlich und möglichst lange für die Geheimhaltung seiner Pläne zu sorgen, um ein vorzeitiges und ungleichmäßiges Bekanntwerden des bevorstehenden Angebotes zu verhindern. Die Geheimhaltung muss jedoch nach der Intention des Gesetzgebers im Sinn einer Ad-hoc-Publizität aufgegeben werden, wenn bereits erhebliche Kursbewegungen oder Gerüchte und Spekulationen aufgetreten sind (RV 1276 XX. GP, 29).

Um Marktverzerrungen und Insider-Geschäfte möglichst zu unterbinden wollte der Gesetzgeber mit § 6 Abs. 2 ÜbG sicherstellen, dass für die Organe der Zielgesellschaft, welche zulässigerweise vor Bekanntmachung oder Veröffentlichung eines Angebotes mit dem Bieter Gespräche führen, dieselben Geheimhaltungspflichten gelten wie für die Organe der Bietergesellschaft (RV aaO).

Nach dem - in den soeben dargestellten Materialien zum ÜbG genannten - § 82 Abs. 6 BörseG in der zum Zeitpunkt der Erlassung des ÜbG geltenden Fassung BGBl Nr. 753/1996 hatte jeder Emittent von Wertpapieren, die zum amtlichen Handel oder geregelten Freiverkehr zugelassen sind, unverzüglich eine neue Tatsache zu veröffentlichen, die in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten ist, wenn sie wegen ihrer Auswirkung auf den Geschäftsverlauf, die Vermögens- oder Ertragslage geeignet ist, den Kurs der Wertpapiere erheblich zu beeinflussen. Die Bundeswertpapieraufsicht konnte den Emittenten auf Antrag von der Veröffentlichungspflicht befreien, wenn dadurch die Schädigung berechtigter Interessen des Emittenten verhindert werden kann. In diesem Fall hatte der Emittent zu bescheinigen, dass Anleger durch die Befreiung nicht geschädigt werden. Damals wollte der Gesetzgeber ausweislich der Materialien (RV 369 XX. GP, 117) eine Vereinheitlichung der bis dahin an verschiedenen Stellen geregelten Melde- und Veröffentlichungspflichten betreffend kursrelevante Informationen erreichen.

§ 48a Abs. 1 Z 1 lit. a Börsegesetz 1989 - BörseG idF BGBl. I

Nr. 127/2004 lautet:

" Marktmissbrauch

§ 48a. (1) Für Zwecke der §§ 48a bis 48r gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1. 'Insider-Information' ist eine öffentlich nicht bekannte, genaue Information, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen, weil sie ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde.

a) Eine Information gilt dann als genau, wenn sie eine Reihe von bereits vorhandenen oder solchen Tatsachen und Ereignissen erfasst, bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft eintreten werden, und darüber hinaus bestimmt genug ist, dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Tatsachen oder Ereignisse auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zulässt."

Gemäß § 48d Abs. 1 BörseG haben die Emittenten von Finanzinstrumenten Insider-Informationen, die sie unmittelbar betreffen, unverzüglich der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Nach § 48 Abs. 1 Z 2 BörseG idF BGBl. I Nr. 48/2006 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer gegen eine Verpflichtung gemäß u.a. § 48d Abs. 1 BörseG verstößt und ist mit einer Geldstrafe bis zu EUR 30.000,-- zu bestrafen.

Nach § 48d Abs. 2 BörseG kann ein Emittent die Bekanntgabe von Insider-Informationen aufschieben, wenn diese Bekanntgabe seinen berechtigten Interessen schaden könnte, sofern diese Unterlassung nicht geeignet ist, die Öffentlichkeit irrezuführen und der Emittent in der Lage ist, die Vertraulichkeit der Information zu gewährleisten.

§ 82 Abs. 7 BörseG verpflichtet jeden Emittenten von Wertpapieren, die zum amtlichen Handel oder geregelten Freiverkehr zugelassen sind, die nach § 48d BörseG zu veröffentlichenden Tatsachen vor der Veröffentlichung der FMA und dem Börseunternehmen mitzuteilen. Wer diese Verpflichtung als Emittent nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt, begeht nach § 48 Abs. 1 Z 6 BörseG eine Verwaltungsübertretung und ist ebenso mit einer Geldstrafe bis zu EUR 30.000,-- zu bestrafen.

Mit der Novelle zum BörseG BGBl. I Nr. 127/2004 wollte der Gesetzgeber den gesetzlichen Rahmen zur wirksamen Bekämpfung des Marktmissbrauches (Insider-Handel, Marktmanipulation) neu regeln, um das reibungslose Funktionieren der Wertpapiermärkte und das Vertrauen der Öffentlichkeit in diese Märkte zu gewährleisten, und die Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) samt den zu deren Durchführung erlassenen Richtlinien der Kommission umsetzen (RV 546 XXII. GP, 2).

Der Erwägungsgrund 28 der Richtlinie 2003/6/EG (ABl. L 96/18) lautet:

"Die Auslegung und Umsetzung dieser Richtlinie durch die Mitgliedstaaten muss den Anforderungen für eine wirksame Regulierung entsprechen, die die Interessen der Inhaber übertragbarer Wertpapiere, die Stimmrechte in einer Gesellschaft verleihen (oder solche Rechte durch Ausübung von Rechten oder Umwandlung verleihen können), schützt, wenn die Gesellschaft Gegenstand eines öffentlichen Übernahmeangebots oder eines anderen Vorschlags für einen Kontrollwechsel ist. Insbesondere werden die Mitgliedstaaten durch diese Richtlinie in keiner Weise daran gehindert, die Maßnahmen zu erlassen oder anzuwenden, die sie für diese Zwecke für angemessen halten."

Nach der in Österreich herrschenden Meinung gehen die übernahmerechtlichen Geheimhaltungs- und Bekanntmachungspflichten innerhalb ihres Anwendungsbereiches den allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Offenlegungspflichten, insbesondere der Adhoc-Publizität nach § 48d Abs. 1 BörseG, als lex specialis vor ( Kalss/Oppitz/Zollner , Kapitalmarktrecht § 23 Rz 60;

Zollner in Huber , Übernahmegesetz § 5, Rz 10;

Dorda , ecolex 1998, 847; S. Bydlinski/Winner , ÖBA 1998, 916). Damit wird die Publizitätspflicht sistiert ( Kalss , ÖBA 2000, 288; Zollner aaO). Dies gilt auch für die Geheimhaltungspflicht der Zielgesellschaft nach § 6 Abs. 2 ÜbG ( Nowotny/Stern , RdW 1998, 658; Kalss , ÖBA 2000, 287; Kalss/Oppitz/Zollner , Kapitalmarktrecht § 23 Rz 82).

Gemäß dem Wortlaut des § 48d Abs. 1 BörseG hätte die zweitmitbeteiligte Partei als Emittentin von Finanzinstrumenten Insider-Informationen, die sie unmittelbar betreffen, unverzüglich der Öffentlichkeit bekannt zu geben, ohne auf andere gesetzliche Pflichten Bedacht zu nehmen. Nach § 6 Abs. 2 ÜbG haben jedoch die Verwaltungsorgane der Zielgesellschaft, also der zweitmitbeteiligten Partei für die Geheimhaltung der Absicht, dass ein Bieter ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot stellen werde, zu sorgen. Der Rechtsordnung ist aber nicht zu unterstellen, dass sie die gleichzeitige Erfüllung zwei einander ausschließender Pflichten, nämlich die Veröffentlichung und die Geheimhaltung derselben Information verlangt. Die Publizitätspflicht nach § 48d Abs. 1 BörseG betrifft Insider-Informationen gemäß § 48a Abs. 1 Z 1 BörseG. Das ist eine öffentlich nicht bekannte, genaue Information, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft, die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen, weil sie ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde. Die Absicht, ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot zum Erwerb von Beteiligungspapieren einer Aktiengesellschaft kann zwar durchaus eine Insider-Information darstellen, betrifft aber nur einen Bruchteil des Anwendungsbereiches von § 48a Abs. 1 Z 1 BörseG. Schon diese Überlegung spricht dafür, dass nur eine scheinbare Antinomie vorliegt und dass die Geheimhaltungspflichten des ÜbG mit der herrschenden Meinung als lex specialis zu § 48d Abs. 1 BörseG anzusehen sind.

Hinzu kommt, dass beide Bestimmungen der Verhinderung von Insider-Handel und Marktverzerrungen dienen. Dieses Ziel kann nicht nur durch Beseitigung von Informationsasymmetrien im Wege der Statuierung von Publizitätspflichten erreicht werden. Ebenso kann je nach den Umständen eine - wie in den §§ 5 und 6 ÜbG angeordnete - Geheimhaltungspflicht einem Insider-Handel entgegenwirken. Die Regelungen des ÜbG betreffend Geheimhaltungs- und Bekanntmachungspflichten sind darüber hinaus zeitlich abgegrenzt und auf die Besonderheiten des Übernahmerechts abgestimmt. So wird etwa aus der Pflicht zur Geheimhaltung eine zur unverzüglichen Bekanntmachung, wenn erhebliche Kursbewegungen oder Gerüchte und Spekulationen betreffend ein bevorstehendes Angebot auftreten, vom Vorstand und Aufsichtsrat des Bieters die Entscheidung zur Stellung eines Angebotes endgültig getroffen wurde oder ihn die Pflicht zur Stellung eines Angebotes trifft.

Mit der in § 48d Abs. 1 BörseG normierten Publizitätspflicht wollte der Gesetzgeber Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/6/EG umsetzen, welche in ihrem Erwägungsgrund 28 ausdrücklich abweichende Bestimmungen für öffentliche Übernahmeangebote zulässt. Damit ist auch der in den Materialien zum ÜbG zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers (RV 1276 XXII. GP, 5) gerechtfertigt, dass mit § 5 ÜbG die Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität nach dem BörseG ergänzt und modifiziert werden soll. Auch wenn damit noch die in § 82 Abs. 6 BörseG idF BGBl. Nr. 753/1996 einheitlich geregelte Ad-hoc-Publizität entschärft werden sollte, gilt das für die Insiderinformationen umfassende Nachfolgeregelung des § 48d Abs. 1 BörseG idF BGBl. I Nr. 127/2004 in gleicher Weise. Sowohl vor dieser Änderung des BörseG in der Stammfassung des ÜbG als auch danach in der Fassung des ÜbRÄG 2006 verpflichtete § 5 Abs. 1 ÜbG den Bieter die Überlegungen und die Absicht zur Stellung eines öffentlichen Übernahmeangebotes geheim zu halten und alle für ihn im Zusammenhang mit dem Übernahmeverfahren tätigen Personen über das Verbot des Missbrauchs von Insiderinformationen nach dem BörseG zu unterrichten. Daraus erhellt, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass Überlegungen oder die Absicht betreffend ein öffentliches Übernahmeangebot zu einer Insiderinformation führen können, die nicht zu verlautbaren, sondern geheim zu halten ist. Die den Bieter in § 5 Abs. 1 ÜbG treffenden Pflichten werden qua § 6 Abs. 2 ÜbG auf die Zielgesellschaft und somit die Emittentin im Sinne des BörseG ausgedehnt.

Auf Grund dieser Erwägungen ist daher mit der herrschenden Auffassung in Österreich für den hier zu beurteilenden Sachverhalt, nämlich die Information über die Absicht, ein öffentliches Übernahmeangebot zu legen, für die Dauer und im Umfang des Anwendungsbereiches des ÜbG vom Vorrang der Geheimhaltungspflicht nach § 5 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 2 ÜbG gegenüber der Publizitätspflicht nach § 48d Abs. 1 BörseG auszugehen.

Die von der Beschwerdeführerin dagegen vorgebrachten Überlegungen betreffen abweichende Konstellationen mit unterschiedlichen Zeitpunkten des Entstehens von Veröffentlichungspflichten nach dem BörseG sowie dem ÜbG und sind daher für die Lösung des gegenständlichen Falles nicht von Bedeutung.

Nach den im Straferkenntnis getroffenen Feststellungen, die im angefochtenen Bescheid übernommen wurden, unterfertigten der Erstmitbeteiligte und Herr M am den Term Sheet, in welchem wesentliche Parameter zum geplanten Übernahmeangebot der F plc an die Aktionäre der zweitmitbeteiligten Partei vereinbart worden seien. Bei der Nennung des Erstmitbeteiligten ist in Klammer ergänzt, dass er Vorstand der zweitmitbeteiligten Partei und Vorstand einer Privatstiftung sei, die Aktionärin der zweitmitbeteiligten Partei sei. Bei Herrn M erfolgte ein Hinweis darauf, dass er Vorstand einer anderen Privatstiftung sei, die ebenfalls Aktionärin der zweitmitbeteiligten Partei sei. Dieser Term Sheet wurde von der F Plc am unterschrieben. Aus diesen Feststellungen ergibt sich nicht mit hinreichender Deutlichkeit, dass auch die zweitmitbeteiligte Partei Partnerin der Vereinbarung werden sollte, weil die Vertragsparteien nicht genannt sind. Hinzu kommt, dass zwar auch festgestellt wurde, der Erstmitbeteiligte sei verantwortlicher Beauftragter der Emittentin gewesen, doch ist daraus eine Alleinvertretungsbefugnis nicht abzuleiten, gegen die der in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltene Firmenbuchauszug spricht, der eine Vertretung durch zwei Vorstandsmitglieder gemeinsam oder durch eines von ihnen gemeinsam mit einem Gesamtprokuristen ausweist. Damit sind aber auch die Beschwerdeausführungen betreffend eine dem Übernahmeangebot vorgelagerte Entscheidung des Vorstandes der Zielgesellschaft, mit dem Bieter eine vertragliche Vereinbarung über die Durchführung des Übernahmeangebotes abzuschließen, hinfällig.

Da nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich ist, welchen Interessen der zweitbeschwerdeführenden Partei die Bekanntgabe der Information hätte schaden können, war ein Aufschub einer Bekanntgabe nach § 48d Abs. 2 BörseG von der belangten Behörde nicht zu prüfen. Auch in der Beschwerde werden berechtigte Interessen des Emittenten am Aufschub nicht dargestellt, sondern lediglich solche des Bieters und "beispielsweise" Sanierungsszenarien genannt. Wenn die beschwerdeführende Partei - ohne einen bestimmten Bezug auf den dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Sachverhalt zu nehmen - davon ausgeht, dass die "Zielgesellschaft ... zielstrebig an der Abgabe eines Übernahmeangebotes gearbeitet" habe und daraus deren konkretes Interesse, von der F plc übernommen zu werden, ableitet, fehlt es dafür an entsprechenden Feststellungen, deren Fehlen nicht geltend gemacht wurde. Insoweit weicht die Rechtsrüge vom festgestellten Sachverhalt ab. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, worin das Interesse der zweitmitbeteiligten Partei an einer Übernahme durch eine andere Gesellschaft bestehen soll. Eine Berücksichtigung der Interessen der den Term Sheet unterzeichnenden Aktionäre der zweitmitbeteiligten Partei könnte allerdings dem Neutralitätsgebot des § 3 Z 3 ÜbG (vgl. Huber/Alscher in Huber , Übernahmegesetz § 3 Rz 30) zuwiderlaufen. Die Möglichkeit eines Aufschubes der Veröffentlichung nach § 48d Abs. 2 BörseG kann damit die Geheimhaltungspflicht nach § 6 Abs. 2 leg. cit. nicht ausreichend absichern, was ebenso für den Vorrang der zuletzt genannten Bestimmung spricht.

Der angefochtene Bescheid war daher nicht mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts belastet, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 und § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am