VwGH vom 26.01.2010, 2008/08/0051
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des YS in Wien, vertreten durch Dr. Alois Eichinger, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2007-0566-9-001582, betreffend Verfügbarkeit gemäß § 7 AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0324, verwiesen. Festzuhalten ist daraus, dass der Beschwerdeführer mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom des Anspruches auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom bis gemäß § 10 AlVG verlustig erklärt wurde. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer Berufung erhoben, der von der belangten Behörde mit Bescheid vom (angefochtener Bescheid im Verfahren Zl. 2006/08/0324) keine Folge gegeben wurde.
Den Bescheid vom hat der Verwaltungsgerichtshof mit dem zitierten hg. Erkenntnis vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe seiner Berufung ärztliche Zeugnisse betreffend seine Frau und seine Tochter beigelegt. Diese ärztlichen Zeugnisse über Spitalsaufenthalte der Frau und der Tochter des Beschwerdeführers bezögen sich zwar auf einen späteren Zeitpunkt als jenen des Vorstellungsgespräches. Die belangte Behörde hätte aber zu prüfen gehabt, ob der Beschwerdeführer schon zum Zeitpunkt seines Vorstellungsgespräches wegen der Art der mit den Bestätigungen dargelegten Erkrankungen auf Grund des gesundheitlichen Zustandes seiner Frau und sich daraus ergebender Betreuungspflichten gegenüber seiner Tochter überhaupt in der Lage gewesen wäre, eine Beschäftigung anzunehmen. Betreuungspflichten des Beschwerdeführers könnten nämlich zu dem Ergebnis führen, dass dieser im Zeitpunkt der Zuweisung der Beschäftigung und auch danach nicht verfügbar im Sinne des § 7 AlVG gewesen ist. Dann stünde zwar für die tatsächliche Dauer des Fehlens der Verfügbarkeit kein Arbeitslosengeld bzw. keine Notstandshilfe zu, es wäre aber die Verhängung einer Sanktion nach § 10 AlVG ausgeschlossen.
Auf Grund weiterer Ermittlungen nach dem hg. Erkenntnis vom hat die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom neuerlich keine Folge gegeben, den erstinstanzlichen Bescheid aber dahingehend abgeändert, dass mangels Verfügbarkeit gemäß § 7 AlVG im gegenständlichen Zeitraum kein Leistungsanspruch gegeben ist.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 7 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 102/2005 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
"§ 7. (1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer
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1. | der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, |
2. | die Anwartschaft erfüllt und |
3. | die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat. |
(2) Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist.
(3) Eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf eine Person,
1. die sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält,
2. die sich berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben, und
3. die nicht den Tatbestand des § 34 Abs. 3 Z 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG), BGBl. I Nr. 75, unter Berücksichtigung des § 34 Abs. 4 FrG erfüllt.
..."
§ 9 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung
BGBl. I Nr. 77/2004 lautet auszugsweise:
"Arbeitswilligkeit
(1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.
(2) Eine Beschäftigung ist zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. ...
..."
§ 10 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung
BGBl. I Nr. 77/2004 lautet auszugsweise:
"(1) Wenn die arbeitslose Person
1. sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder ...
...
so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. ...
...
(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen."
Die genannten Bestimmungen gelten gemäß § 38 AlVG für die Notstandshilfe sinngemäß.
Voraussetzung für die Verhängung einer Sanktion gemäß § 10 AlVG ist, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im zitierten hg. Erkenntnis vom ausgesprochen hat, dass der Arbeitslose überhaupt verfügbar im Sinne des § 7 AlVG ist. Eine Sanktion gemäß § 10 AlVG darf nicht verhängt werden, wenn die Verfügbarkeit nicht gegeben ist. Kommt die Berufungsbehörde zu dem Schluss, dass die Sanktion gemäß § 10 AlVG mangels Verfügbarkeit zu Unrecht verhängt worden ist, hat sie den bei ihr angefochtenen erstinstanzlichen Bescheid, mit dem eine solche Sanktion ausgesprochen worden ist, gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos zu beheben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0208).
Gegenstand des Bescheides der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom war der Verlust des Anspruches des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe gemäß § 10 AlVG iVm § 38 AlVG für die Zeit vom bis . Die belangte Behörde war lediglich zuständig, über diese Sache zu entscheiden. Dadurch, dass sie den erstinstanzlichen Bescheid dahingehend abgeändert hat, dass anstelle der Verhängung einer Sanktion gemäß § 10 AlVG die Verfügbarkeit gemäß § 7 AlVG verneint wurde, hat sie ihre Zuständigkeit überschritten und die Sache des Verfahrens unzulässigerweise im Berufungsstadium ausgetauscht (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom und die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I, 2. Auflage, S. 1267 unter E 128 wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Für das weitere Verfahren wird bemerkt, dass in der Begründung des angefochtenen Bescheides nähere Darlegungen über die genaue Zeit des Mangels an Verfügbarkeit fehlen. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die belangte Behörde den Zeitraum vom bis als jenen angenommen hat, in dem keine Verfügbarkeit vorgelegen ist.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
JAAAE-75618