VwGH vom 11.09.2015, 2012/17/0130

VwGH vom 11.09.2015, 2012/17/0130

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Mag. Brandl als Richterinnen bzw Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schubert-Zsilavecz, über die Beschwerde der MP in M, vertreten durch die GKP Gabl Kogler Leitner Stöglehner Bodingbauer Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Museumstraße 31 und 31a, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Wels vom , Jv 4197/11x-33 (3 Rev 79/11), betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem an das Bezirksgericht Wels gerichteten Schriftsatz vom brachten die minderjährigen Kinder der Beschwerdeführerin, vertreten durch die nunmehrige rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführerin, einen Unterhaltserhöhungsantrag gegen ihren Vater, den Inhaber eines Gastronomiebetriebes, ein.

Das Bezirksgericht Wels bestellte mit Beschluss vom den Steuerberater Dr. Wolfgang H als Sachverständigen zur Erstellung eines Gutachtens über das wirtschaftliche Einkommen des Vaters in den letzten drei Wirtschaftsjahren.

Mit Beschluss vom bestimmte das Bezirksgericht Wels die dafür angefallenen Gebühren des Sachverständigen mit insgesamt EUR 2.688,--. Die Ersatzpflicht treffe den Vater der antragstellenden Kinder und die Beschwerdeführerin je zur Hälfte, weil das Gutachten in ihrem Interesse bzw auf ihre Veranlassung eingeholt worden sei. Laut Zustellverfügung sollte der Beschluss neben dem Revisor, dem Rechnungsführer und dem Sachverständigen auch dem Vater und der rechtsfreundlichen Vertretung der Kinder zugestellt werden.

Mit einem weiteren Beschluss vom bestimmte das Bezirksgericht Wels weitere Gebühren des Sachverständigen mit insgesamt EUR 264,--, wobei wieder ausgesprochen wurde, dass die Ersatzpflicht den Vater der antragstellenden Kinder und die Beschwerdeführerin je zur Hälfte treffe und die Zustellverfügung dieselben Personen wie im Beschluss vom aufwies.

Mit Zahlungsauftrag vom schrieb der Kostenbeamte des Bezirksgerichtes Wels der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit dem genannten Unterhaltsverfahren Sachverständigengebühren in der Höhe von insgesamt EUR 1.476,-- zuzüglich einer Einhebungsgebühr von EUR 8,-- zur Zahlung binnen 14 Tagen vor.

Mit Eingabe vom erhob die Beschwerdeführerin (vertreten durch ihre nunmehrige rechtsfreundliche Vertretung) "Einwendungen" gegen den Zahlungsauftrag. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Wels vom sei ihren drei Kindern die Verfahrenshilfe gemäß § 64 Abs 1 ZPO bewilligt worden, was auch eine Befreiung von der Entrichtung von Sachverständigengebühren umfasse. Der Beschluss vom , mit dem die Gebühren des Sachverständigen mit insgesamt EUR 2.688,-- bestimmt worden seien, sei der Beschwerdeführerin nicht zugestellt worden, weshalb sie dagegen auch kein Rechtsmittel habe ergreifen können. Sie sei auch in diesem Verfahren niemals Partei gewesen. Ihre nunmehrige rechtsfreundliche Vertretung habe bislang ausschließlich ihre Kinder vertreten. Erst jetzt habe sie diese Rechtsanwaltskanzlei zur Erhebung der gegenständlichen "Einwendungen" bevollmächtigt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die "Einwendungen" gegen den Zahlungsauftrag zurück, weil diese keinen Berichtigungsantrag iSd § 7 Abs 1 GEG darstellten. Über die Behauptung, es liege mangels wirksamer Zustellung an die Beschwerdeführerin kein rechtskräftiger gerichtlicher Kostenbeschluss vor, könne nicht der Kostenbeamte im Rahmen des Einbringungsverfahrens, sondern nur das erkennende Gericht entscheiden (Hinweis: ). Die Rechtmäßigkeit rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen, die die Zahlungspflicht dem Grunde und der Höhe nach festlegen würden, könne durch die Justizverwaltung nicht überprüft werden, was auch Art 94 B-VG entspreche (Hinweis: ). Überdies sei die Zustellung der Beschlüsse an die Beschwerdeführerin durch Zustellnachweis bzw durch Beurkundung in Form eines Aktenvermerks ausgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl I Nr 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Weiters ist das Gerichtliche Einbringungsgesetz (GEG), BGBl Nr 288/1962 idF vor der Grundbuchsgebührennovelle - GGN, BGBl I Nr 1/2013, anzuwenden.

Nach § 1 Abs 1 Z 5 GEG hat das Gericht in bürgerlichen Rechtssachen alle Kosten, die aus Amtsgeldern berichtigt wurden, sofern sie von einer Partei zu ersetzen sind, wie die Gebühren der Sachverständigen (lit c), von Amts wegen einzubringen.

Sind in bürgerlichen Rechtssachen die Kosten einer Amtshandlung, die den Betrag von EUR 300,-- übersteigen, aus Amtsgeldern zu berichtigen oder berichtigt worden, so hat gemäß § 2 Abs 2 GEG das erkennende Gericht (der Vorsitzende) mit der Auszahlungsanweisung oder, wenn die Auszahlung nicht vom Richter angeordnet wird, unverzüglich nach dieser Anweisung mit gesondertem Beschluss dem Grunde nach zu bestimmen, welche Partei in welchem Umfang diese Kosten nach Abs 1 zu ersetzen hat. Gegen diesen Beschluss ist der Rekurs zulässig.

Wenn der Zahlungspflichtige die geschuldeten Beträge nicht sogleich erlegt oder diese nicht aus einem Kostenvorschuss berichtigt werden können, wird gemäß § 6 Abs 1 GEG die Einbringung dieser Beträge von dem hiezu bestimmten Beamten des Gerichtes erster Instanz (Kostenbeamter) veranlasst (Zahlungsauftrag). Der Zahlungsauftrag hat eine Aufstellung der geschuldeten Beträge und die Aufforderung zu enthalten, den Betrag binnen 14 Tagen bei Zwangsfolge einzuzahlen (Einhebung). Für die Einhebung ist vom Zahlungspflichtigen eine Einhebungsgebühr von 8 Euro zu entrichten.

§ 7 Abs 1 GEG lautete:

"§ 7. (1) Der Zahlungspflichtige kann, wenn er sich durch den Inhalt des Zahlungsauftrages beschwert erachtet, binnen 14 Tagen dessen Berichtigung verlangen. Der Berichtigungsantrag ist bei dem Gericht einzubringen, dessen Kostenbeamter den Zahlungsauftrag erlassen hat. In Ansehung von Beträgen, die in Durchführung einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichtes in den Zahlungsauftrag aufgenommen wurden, gilt dies jedoch nur dann, wenn die Zahlungsfrist unrichtig bestimmt wurde oder wenn der Zahlungsauftrag der ihm zugrunde liegenden Entscheidung des Gerichtes nicht entspricht.

..."

Die Vorschreibung der Gebühren und Kosten nach dem GEG ist kein gerichtliches, sondern ein Verwaltungsverfahren, auf das mangels gesetzlicher Regelungen die allgemeinen Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens heranzuziehen sind. Dazu gehört unzweifelhaft auch der Verfahrensgrundsatz, dass die Verwaltungsbehörde von Amts wegen vorzugehen und sich mit den vom Berichtigungswerber geltend gemachten Einwänden in der Bescheidbegründung auseinanderzusetzen hat (vgl ).

Die Bestimmung der Sachverständigengebühr obliegt in jedem Fall dem Richter. Erst wenn die hierüber ergangenen Beschlüsse rechtskräftig sind und die Beträge bei Gericht nicht eingezahlt wurden, sind die rechtskräftig festgestellten Beträge einzubringen. Sowohl der Kostenbeamte als auch der Präsident des Gerichtshofes I. Instanz als Justizverwaltungsorgane sind auf Grund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Gerichtsgebührenfestsetzung an die Entscheidung des Gerichtes gebunden; eine Überprüfung der Entscheidung des Gerichtes ist im Berichtigungsverfahren ausgeschlossen (vgl , mwN).

Im Beschwerdefall bestritt die Beschwerdeführerin in ihren "Einwendungen" gegen den Zahlungsauftrag ausdrücklich, dass die diesem zu Grunde liegenden Kostenbestimmungsbeschlüsse ihr gegenüber wirksam geworden seien, weil zum Zeitpunkt der Zustellung dieser Beschlüsse an ihre jetzige rechtsfreundliche Vertretung diese lediglich zur Vertretung ihrer Kinder im Unterhaltsverfahren, nicht hingegen zur Vertretung der Beschwerdeführerin selbst bevollmächtigt gewesen sei.

Die belangte Behörde begründete ihre zurückweisende Entscheidung mit § 7 Abs 1 dritter Satz GEG, wonach ein Berichtigungsantrag nur dann erhoben werden könne, wenn im Zahlungsauftrag die Zahlungsfrist unrichtig bestimmt worden sei oder wenn der Zahlungsauftrag der ihm zugrunde liegenden Entscheidung des Gerichtes nicht entspreche. Beides sei im Beschwerdefall nicht der Fall gewesen.

Die gerichtliche Entscheidung gemäß § 7 Abs 1 GEG ist im Beschwerdefall die Festsetzung der Sachverständigengebühr und der Ausspruch, dass die Ersatzpflicht beide Elternteile je zur Hälfte treffe. Die Gesetzmäßigkeit einer solchen gerichtlichen Entscheidung über die dem Grunde und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellte Zahlungspflicht darf nicht mehr im Wege des Verwaltungsverfahrens zur Einbringung der Forderung aufgerollt werden (vgl , iZm der Einbringung von Zwangsstrafen).

Wenn § 7 Abs 1 zweiter Satz GEG von einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichtes spricht, ist davon auszugehen, dass damit der Eintritt der formellen Rechtskraft gemeint ist, dass also den Parteien des Verfahrens dagegen kein ordentliches Rechtsmittel mehr zusteht. Diese formelle Rechtskraft tritt im Falle der Erhebung von Rechtsmitteln mit der Zustellung der letztinstanzlichen Entscheidung ein (vgl ).

Dass eine gerichtliche Entscheidung (formell) rechtskräftig geworden ist, ist daher ausgeschlossen, wenn diese dem zur Zahlung Verpflichteten nicht wirksam zugestellt wurde (vgl ).

Die Beschränkung des Berichtigungsantrages auf die genannten Gründe iSd § 7 Abs 1 dritter Satz GEG ist nur dann zu beachten, wenn dem Zahlungsauftrag eine rechtskräftige Entscheidung des Gerichtes zugrunde liegt (vgl , mwN, und vom , 2004/06/0042).

Bei Zutreffen der Behauptungen über die unterbliebene Zustellung an die Beschwerdeführerin wäre sie daher bei ihrem Berichtigungsantrag von den in § 7 Abs 1 dritter Satz GEG gezogenen Grenzen nicht betroffen gewesen. Die belangte Behörde hätte sich mit diesen "Einwendungen" auseinandersetzen müssen. Der bloße Hinweis im angefochtenen Bescheid, dass es bezüglich der Zustellung der gerichtlichen Gebührenbeschlüsse einen (im Übrigen nicht näher konkretisierten) Zustellnachweis (gemeint wohl: an die nunmehrige rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführerin) bzw einen (ebenfalls nicht näher konkretisierten) Aktenvermerk gebe, reicht nicht aus. Eine Zustellung der genannten Kostenbestimmungsbeschlüsse an die nunmehrige rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführerin würde nur dann eine wirksame Zustellung an die Beschwerdeführerin sein, wenn bereits zu diesem Zeitpunkt eine Bevollmächtigung zur Vertretung der Beschwerdeführerin selbst (und nicht nur in deren Eigenschaft als gesetzliche Vertreterin ihrer Kinder) bestanden hätte. Gerade das wurde aber von der Beschwerdeführerin nach der Aktenlage betreffend die Antragstellung in Abrede gestellt.

Allerdings erweist sich auch die erst in der Gegenschrift geäußerte Rechtsansicht, wonach bereits das Vorhandensein des Abdrucks der Stampiglie "Rechtskräftig und vollstreckbar" auf Ausfertigungen von Kostenbestimmungsbeschlüssen die Behörde von Feststellungen in Bezug auf die behauptete unterbliebene Zustellung dieser Beschlüsse entbinden würde, als unrichtig.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , 99/12/0199, ausgesprochen hat, handelt es sich bei einer solchen Rechtskraftbestätigung um die bloße Beurkundung einer sich unmittelbar aus dem Gesetz selbst ergebenden, mit einem erlassenen Urteil oder Beschluss verbundenen Rechtsfolge, die von der Erfüllung bestimmter Tatsachen (die formelle Rechtskraft zB vom ungenützten Verstreichen der Rechtsmittelfrist oder von der Abgabe eines Rechtsmittelverzichtes nach mündlicher Verkündung, die materielle Rechtskraft zB zusätzlich von der an alle Parteien des Verfahrens erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung) abhängt und unabhängig von ihrer Beurkundung eintritt. Die Rechtskraftbestätigung selbst ist keine normativ verbindliche, der Rechtskraft zugängliche gerichtliche (Feststellungs)Entscheidung; sie ist ihrem Inhalt nach bloß eine von der Behörde (Gericht) bezeugte rechtserhebliche Tatsache, der auf Grund der Eigenschaft des bestätigenden Organes die Eigenschaft einer öffentlichen Urkunde nach § 292 Abs 1 ZPO zukommt. Als solche macht sie (soweit sie keine äußeren Mängel aufweist) den vollen Beweis der bezeugten (rechtserheblichen) Tatsache, das heißt, sie begründet die Vermutung ihrer inhaltlichen Richtigkeit, die allerdings nach § 292 Abs 2 ZPO (vgl auch § 47 AVG und § 168 BAO) widerlegt werden kann (in diesem Sinne beispielsweise auch = SZ 2009/85).

Wird die Gesetzmäßigkeit oder Richtigkeit der gerichtlichen Rechtskraftbestätigung im Verfahren vor der Behörde bestritten, dann hat die Behörde diese Frage als Vorfrage zu behandeln: die endgültige normative Entscheidung über den Eintritt der (formellen und/oder materiellen) Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung (hier: Beschluss nach § 2 Abs 2 GEG) hat das Gericht zu treffen, das diese erlassen hat. Liegt eine normative rechtskräftige Entscheidung zu dieser Frage vor, sind die Behörden für ihre Verfahren daran gebunden (vgl wieder ). Solange eine solche Entscheidung nicht vorliegt, kann die Behörde eine solche Vorfrage nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen (§ 116 Abs 1 und § 303 Abs 1 lit c BAO sowie § 38 und § 69 Abs 1 Z 3 AVG).

Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die belangte Behörde nicht berechtigt war, die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwendungen ohne deren Prüfung zurückzuweisen. Indem die belangte Behörde aufgrund einer unrichtigen Rechtsansicht die Zurückweisung der "Einwendungen" der Beschwerdeführerin ohne eine ausreichende Prüfung der Wirksamkeit der Zustellung des Gerichtsbeschlusses ausgesprochen hat, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs 2 lit a VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG aF iVm § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013, in der Fassung BGBl II Nr 8/2014.

Wien, am