VwGH vom 16.03.2011, 2008/08/0040
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der E GmbH in S, vertreten durch Dr. Elisabeth Zonsics-Kral, Rechtsanwältin in 2100 Korneuburg, Hovengasse 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-06/46/10031/2007, betreffend Nichtzulassung als berufsmäßiger Vertreter (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde die beschwerdeführende Partei gemäß § 10 Abs. 3 AVG iVm § 24 VStG als Vertreterin des Beschuldigten H.B. in einem bei der belangten Behörde anhängigen Verwaltungsstrafverfahren nicht zugelassen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom sei H.B. wegen Übertretungen des § 33 Abs. 1 ASVG mit drei Geldstrafen zu je EUR 770,-- belegt worden. Dagegen sei im Namen des H.B. von der beschwerdeführenden Partei unter Hinweis auf die gemäß § 88 Abs. 9 WTBG erteilte Vollmacht Berufung erhoben worden, nachdem die beschwerdeführende Partei ihr Einschreiten telefonisch bei der Behörde angekündigt hatte.
Gemäß § 10 Abs. 3 AVG, der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden sei, seien solche Personen als Bevollmächtigte nicht zuzulassen, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreiben würden. Bei der Beschwerdeführerin handle es sich um eine Wirtschaftstreuhand- und Steuerberatungsgesellschaft, die unter die Vorschriften des WTBG falle. Bei der von ihr ausgeübten Vertretungstätigkeit könne ein bloßer Freundschaftsdienst ausgeschlossen werden und es sei hinreichend klar, dass die Vertretungstätigkeit zu Erwerbszwecken erfolge.
Bei dem vor der belangten Behörde anhängigen Verfahren handle es sich um ein Verwaltungsstrafverfahren wegen sozialversicherungsrechtlicher Meldepflichtverletzungen und somit nicht um ein abgabenrechtliches Strafverfahren. Damit falle es nicht in den Kreis jener Angelegenheiten, in denen Steuerberater gemäß WTBG zur berufsmäßigen Vertretung vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten befugt seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Gemäß § 10 Abs. 3 AVG sind als Bevollmächtigte solche Personen nicht zuzulassen, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreiben.
Gemäß § 24 VStG gilt diese Bestimmung auch im Verwaltungsstrafverfahren.
§ 3 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz (WTBG) in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 161/2006 lautet (auszugsweise):
"(1) Den zur selbständigen Ausübung des Wirtschaftstreuhandberufes Steuerberater Berechtigten ist es vorbehalten, folgende Tätigkeiten auszuüben:
(…)
3. die Vertretung in Abgabe- und Abgabestrafverfahren für Bundes-, Landes- und Gemeindeabgaben und in Beihilfenangelegenheiten vor den Finanzbehörden, den übrigen Gebietskörperschaften und den Unabhängigen Verwaltungssenaten, hierbei ersetzt die Berufung auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis,
(…)
(2) Die zur selbständigen Ausübung des Wirtschaftstreuhandberufes Steuerberater Berechtigten sind weiters berechtigt, folgende Tätigkeiten auszuüben:
(…)
3. die Beratung in Beitrags-, Versicherungs- und Leistungsangelegenheiten der Sozialversicherungen und die Vertretung in erster und zweiter Instanz der betreffenden Verwaltungsverfahren,
(…)
7. die Vertretung bei den Einrichtungen des Arbeitsmarktservice, der Berufsorganisationen, der Landesfremdenverkehrsverbände und bei anderen in Wirtschaftsangelegenheiten zuständigen Behörden und Ämtern, soweit diese mit den für den gleichen Auftraggeber durchzuführenden wirtschaftstreuhänderischen Arbeiten unmittelbar zusammenhängen,
(…)"
2. Die Beschwerde bringt vor, die belangte Behörde verneine die Zulässigkeit der berufsmäßigen Vertretung im gegenständlichen Verfahren mit dem Hinweis, es handle sich um ein Verwaltungsstrafverfahren wegen sozialversicherungsrechtlicher Meldepflichtverletzungen und nicht um ein Abgabenstrafverfahren, wobei Steuerberater nur in einem solchen vertretungsbefugt seien. Damit übersehe die belangte Behörde, dass das WTBG neben § 3 Abs. 1 Z 3 noch weitere Vertretungsrechte für Steuerberater vorsehe. Gemäß § 3 Abs. 2 Z 3 WTBG seien Angehörige des Wirtschaftstreuhandberufs Steuerberater berechtigt, in Beitrags-, Versicherungs- und Leistungsangelegenheiten (der Sozialversicherungen) zu beraten und in erster und zweiter Instanz der betreffenden Verwaltungsverfahren zu vertreten.
Dieser Begriff der "betreffenden Verwaltungsverfahren" beinhalte auch damit zusammenhängende Verwaltungsstrafverfahren. Allgemein würden unter dem Begriff Verwaltungsverfahren nämlich "sämtliche für diesen Bereich kodifizierte Verfahrensgesetze" verstanden. Auch Art. II Abs. 2 EGVG 1991 subsumiere für den Bereich des Verwaltungsrechts unter den anwendbaren Verwaltungsverfahrensgesetzen gleichgestellt nebeneinander das AVG als auch das VStG. Dies lasse nur den Schluss zu, dass der Terminus Verwaltungsverfahren sehr weit zu verstehen sei.
Der Gesetzgeber habe im WTBG den weiten Begriff "betreffende Verwaltungsverfahren" gewählt, um sowohl den Bereich des "allgemeinen Verfahrens" als auch den des Verwaltungsstrafverfahrens abzudecken. Im Bereich des Sozialversicherungsrechts existiere kein eigenes "kodifiziertes Sozialstrafrecht", sondern es gebe nur vereinzelte Strafbestimmungen verstreut in den jeweiligen Sozialversicherungsgesetzen. Dabei handle es sich um "Adhäsionsbestimmungen" zu den einzelnen Bereichen des Sozialversicherungsrechts. Eine Einschränkung der Vertretungsberechtigung auf das "allgemeine" Verfahren hätte der Gesetzgeber im Hinblick auf die eindeutige Diktion des EGVG wohl ausdrücklich geregelt.
Weiters seien Angehörige des Wirtschaftstreuhandberufs Steuerberater gemäß § 3 Abs. 2 Z 7 WTBG berechtigt, bei den zuständigen Behörden und Ämtern, "soweit diese mit den für den gleichen Auftraggeber durchzuführenden wirtschaftstreuhänderischen Arbeiten unmittelbar zusammenhängen", zu vertreten. Dabei fehle jegliche Einschränkung auf bestimmte Verfahren, sodass davon auszugehen sei, dass auch jeweils verwaltungsstrafrechtliche Verfahren mit umfasst seien.
Dem Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde liege eine mögliche Meldepflichtverletzung nach § 33 Abs. 1 ASVG zugrunde. In diesem Bereich wäre jedoch der Steuerberater berechtigt, zu beraten und zu vertreten. Ein Feststellungsbescheid gemäß § 410 ASVG, mit dem die fragliche Versicherungspflicht bindend festgestellt würde, sei bislang nicht ergangen. Deshalb seien diese Feststellungen erst im Rahmen des Verwaltungsstrafverfahrens zu treffen, sodass sich allgemeines Verfahren und Strafverfahren im Rahmen der Vorfragenbeurteilung vermischen würden.
Die beschwerdeführende Partei führe für H.B.
Lohnverrechnungsarbeiten durch und berate ihn in allen sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten. Ihre Berechtigung, berufsmäßig im "bezughabenden Verfahren" zu vertreten, leite sich daher sowohl aus § 3 Abs. 2 Z 3 als auch aus § 3 Abs. 2 Z 7 WTBG ab, da sowohl ein Verwaltungsverfahren im Bereich der Versicherungsangelegenheiten als auch eine Vertretung im Bereich für den gleichen Auftraggeber unmittelbar zusammenhängender durchzuführender wirtschaftstreuhänderischer Arbeiten vorliege.
3. Damit ist die beschwerdeführende Partei nicht im Recht:
Aus § 3 Abs. 2 Z 3 WTBG kann die beschwerdeführende Partei keine Vertretungsbefugnis in Verwaltungsstrafverfahren ableiten. Diese Bestimmung nimmt nämlich hinsichtlich der "Vertretungsbefugnis in erster und zweiter Instanz" ausdrücklich (nur) auf die Beitrags-, Versicherungs- und Leistungsangelegenheiten der Sozialversicherungen Bezug. In einem Verwaltungsstrafverfahren wegen Verletzung des § 33 Abs. 1 ASVG ist jedoch keine Beitrags-, Versicherungs- oder Leistungsangelegenheit Gegenstand des Verfahrens, sondern einzelne Fragen aus diesen Bereichen könnten in Verwaltungsstrafverfahren (allenfalls) als Vorfrage zu beurteilen sein. Insofern kann der beschwerdeführenden Partei auch nicht darin gefolgt werden, dass es im Verwaltungsstrafverfahren zu einer Feststellung nach § 410 ASVG und zu einer Vermischung von "allgemeinem" Verfahren und Strafverfahren komme. Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens ist nämlich ausschließlich die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung des H.B. und nicht eine Feststellung der Pflichtversicherung, zu der die belangte Behörde auch nicht zuständig wäre.
Die belangte Behörde hatte nach § 38 AVG die Vorfrage, ob die von H.B. nicht zur Sozialversicherung gemeldeten Personen in der konkreten Tätigkeit der Pflichtversicherung unterlagen, selbst zu beurteilen oder hätte - sofern das Feststellungsverfahren bereits anhängig gewesen wäre oder gleichzeitig anhängig gemacht worden wäre - das Strafverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage auch aussetzen können. Durch die Beurteilung der Vorfrage der Pflichtversicherung in einem Verwaltungsstrafverfahren wird diese Frage zwar für die konkrete Sache beantwortet, nicht aber mit Bindungswirkung für das Hauptfrageverfahren - Feststellung der Pflichtversicherung - entschieden.
Da in einem Verwaltungsstrafverfahren wegen Verletzung des § 33 Abs. 1 ASVG somit nicht über eine Beitrags-, Versicherungs- oder Leistungsangelegenheit der Sozialversicherungen verbindlich abgesprochen wird, liegt kein diese Angelegenheiten "betreffendes Verwaltungsverfahren" im Sinne des § 3 Abs. 2 Z 3 WTBG vor, in dem die beschwerdeführende Partei zur Vertretung berechtigt wäre.
Dieses Begriffsverständnis steht - worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend hinweist - zudem in Einklang mit § 3 Abs. 1 Z 3 WTBG, wonach es den zur Ausübung des Wirtschaftstreuhandberufs Steuerberater Berechtigten vorbehalten ist, die Vertretung in Abgabe- und Abgabestrafverfahren für Bundes- , Landes- und Gemeindeabgaben auszuüben. Hätte der Gesetzgeber den Begriff des Abgabestrafverfahrens bereits vom Begriff des Abgabeverfahrens erfasst gesehen, wäre die Nennung auch des Abgabestrafverfahrens nicht erforderlich gewesen. Die Vertretung in Abgabestrafverfahren zählt daher nur deshalb zu den vorbehaltenen Tätigkeiten im Sinne des § 3 Abs. 1 WTBG, weil diese neben den Abgabeverfahren ausdrücklich im Gesetz erwähnt werden. Auch bei systematischer Auslegung des § 3 WTBG ist daher auch davon auszugehen, dass der Gesetzgeber Verwaltungsstrafverfahren in § 3 Abs. 2 Z 3 WTBG ausdrücklich genannt hätte, wenn sie vom Umfang der dort geregelten Vertretungsbefugnis in Verwaltungsverfahren betreffend Beitrags-, Versicherungs- und Leistungsangelegenheiten der Sozialversicherungen hätten umfasst sein sollen.
4. Auch soweit die beschwerdeführende Partei ihre Vertretungsbefugnis aus § 3 Abs. 2 Z 7 WTBG ableitet, kann ihr nicht gefolgt werden:
Gemäß § 3 Abs. 2 Z 7 WTBG sind Steuerberater zur Vertretung bei anderen in Wirtschaftsangelegenheiten zuständigen Behörden und Ämtern berechtigt, soweit mit den für den gleichen Auftraggeber durchzuführenden wirtschaftstreuhänderischen Arbeiten ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Diese Bestimmung setzt konkrete wirtschaftstreuhänderische Arbeiten für den gleichen Auftraggeber voraus, die ein Tätigwerden auch vor einer anderen in Wirtschaftsangelegenheiten zuständigen Behörde erfordern oder zumindest nahelegen. Die Verteidigung eines Beschuldigten in einem Verwaltungsstrafverfahren wegen Verletzung einer Meldepflicht nach § 33 ASVG weist keinen derartigen unmittelbaren Zusammenhang mit einer für diesen durchzuführenden wirtschaftstreuhänderischen Arbeit auf.
Zudem ist festzuhalten, dass bereits § 3 Abs. 2 Z 3 WTBG die Befugnisse der Steuerberater im Rahmen der Angelegenheiten der Sozialversicherung regelt und nicht erkennbar ist, dass die in dieser spezielleren Bestimmung geregelten Befugnisse durch § 3 Abs. 2 Z 7 WTBG erweitert werden sollten.
5. Aus dem Verweis der beschwerdeführenden Partei auf Art. II Abs. 2 EGVG kann schließlich für den Beschwerdefall nichts gewonnen werden, da dort nur die Anwendung von AVG und VStG auf bestimmte behördliche Verfahren angeordnet wird, aber keine darüber hinausgehende allgemeine Abgrenzung der Begriffe Verwaltungsverfahren und Verwaltungsstrafverfahren erfolgt.
6. Dass die beschwerdeführende Partei die Vertretung zu Erwerbszwecken betreibt, ist nicht strittig. Es kann der belangten Behörde daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie die beschwerdeführende Partei mangels Vertretungsbefugnis nach dem WTBG in dem bei ihr anhängigen Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretungen des § 33 ASVG gemäß § 10 Abs. 3 AVG nicht als Bevollmächtigte zugelassen hat. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am