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VwGH vom 26.01.2012, 2010/09/0043

VwGH vom 26.01.2012, 2010/09/0043

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des BW in J, vertreten durch Mag. Werner Seifried, Rechtsanwalt in 8750 Judenburg, Burggasse 40, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 333.15-3/2009-36, betreffend Bestrafung nach dem AuslBG (weitere Parteien: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Bundesministerin für Finanzen), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Strafantrag vom teilte das Finanzamt Spittal/Villach der Bezirkshauptmannschaft Judenburg (der Erstbehörde) mit, der Beschwerdeführer habe als Geschäftsführer der T. GmbH (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof) entgegen § 18 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) Arbeitsleistungen von Ausländern in Anspruch genommen, die von der Firma A., einem polnischen Arbeitgeber ohne Betriebssitz im Inland, beschäftigt worden seien. Die Ausländer hätten Versicherungsformulare E 101, ausgestellt von der ZUS Polen, vorgelegt. Es handle sich um eine Entsendung von Arbeitnehmern eines Arbeitgebers mit Sitz in einem "neuen" EU-Staat. Für die Dienstleistung in einem beschränkten (nicht liberalisierten) Sektor sei eine Entsendebewilligung nicht möglich, sondern stets eine Beschäftigungsbewilligung nötig (§ 32a Abs. 6 AuslBG). Der Beschwerdeführer habe es zu verantworten, dass die T. GmbH die Arbeitsleistungen der in Rede stehenden polnischen Staatsangehörigen entgegen dem § 18 AuslBG in Anspruch genommen habe, ohne dass für die Ausländer eine Beschäftigungsbewilligung erteilt worden sei. Er habe gegen § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. b iVm § 18 AuslBG verstoßen.

In der Aufforderung zur Rechtfertigung der Erstbehörde an den Beschwerdeführer vom wird diesem vorgeworfen, er sei dafür verantwortlich, dass durch die T. GmbH acht näher genannte polnische Staatsangehörige beschäftigt worden seien, ohne dass für diese

"bei Inanspruchnahme der Arbeitsleistung von Ausländern, die von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt werden, eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung erteilt wurde".

In der Stellungnahme vom brachte der Beschwerdeführer vor, er habe nur mit der Firma W. mit Sitz in Deutschland Kontakt gehabt, die ihm Leiharbeiter angeboten habe. Mit der (polnischen) Firma A. habe nie ein Gespräch stattgefunden.

Mit Straferkenntnis vom hat die Erstbehörde den Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er sei als handelsrechtlicher Geschäftsführer der T. GmbH dafür verantwortlich, dass durch diese vom bis zumindest acht namentlich genannte polnische Staatsangehörige beschäftigt worden seien, ohne dass für diese

"bei Inanspruchnahme der Arbeitsleistung von Ausländern, die von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt werden, eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung erteilt wurde".

Der Beschwerdeführer habe § 9 Abs. 7 iVm § 18 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. b AuslBG verletzt und werde dafür (jeweils) mit einer Geldstrafe von EUR 4.000,-- (im Fall der Uneinbringlichkeit je mit 12 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe) bestraft. Begründend führte die Erstbehörde aus, der Beschwerdeführer habe wissen müssen,

"dass es sich bei den Arbeitskräften um polnische StA gehandelt hatte, zumal sowohl die Formulare E 101 in Polen ausgestellt wurden und die Angebote (Verträge) von der polnischen Firma A. verfasst und an die T. GmbH versandt wurden".

Eine Entsendung aus Deutschland habe de facto nicht stattgefunden. Es werde den Ausführungen des Finanzamtes Spittal/Villach gefolgt, dass es sich um aus Polen entsandte polnische Staatsangehörige und nicht aus einem Nachbarstaat entsandte Personen gehandelt habe.

Die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Berufung hat die belangte Behörde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid dem Grunde nach mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Spruch dahin gehend neu gefasst wurde, der Beschwerdeführer sei dafür verantwortlich, dass die T. GmbH vom 23. Juli bis zum acht namentlich angeführte polnische Staatsangehörige beschäftigt habe, ohne dass für diese eine der näher angeführten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen vorgelegen seien. Dadurch sei jeweils "§ 9 VStG iVm § 3 Abs. 1 AuslBG iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG" verletzt worden.

Hinsichtlich der verhängten Strafe wurde der Berufung Folge gegeben und die Strafe auf EUR 2.200,-- je unerlaubt beschäftigten Ausländer (Ersatzfreiheitsstrafe je zwei Tage) herabgesetzt.

Die belangte Behörde stellte fest, dass die T. GmbH im Sommer 2007 zwei Aufträge für die Durchführung von Trockenbauarbeiten in Kärnten übernommen habe. Infolge Personalmangels habe der Beschwerdeführer die Firma W. (mit Sitz in Deutschland) kontaktiert und habe sich von dieser per Trockenbauer bzw. Bodenleger mit einem Stundensatz von EUR 21,-- bzw. Helfer mit einem Stundensatz von EUR 18,-- anbieten lassen. Auf dem Briefpapier der Firma W. sei eine Niederlassung in Cottbus sowie ein Hauptsitz in Opole (Polen) genannt. In der Folge hätten die acht polnischen Staatsangehörigen ihre Arbeit auf den Baustellen der T. GmbH aufgenommen. Am sei bei der T. GmbH ein Fax der Firma W. eingelangt, in welchem zum einen darauf hingewiesen worden sei, dass dieses Unternehmen mit der A. GmbH als "Nachunternehmer" zusammenarbeite. Angeschlossen seien mehrere Unterlagen der A. GmbH gewesen sowie durch dieses Unternehmen jeweils in polnischer Sprache ausgestellte E 101-Formulare. Am seien die Baustellen von Beamten des Finanzamtes Spittal/Villach überprüft worden. Sofort nach der Kontrolle habe der Beschwerdeführer die polnischen Staatsangehörigen von den Baustellen abgezogen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, es sei zunächst zu prüfen, ob es sich beim Arbeitseinsatz der Polen um eine grenzüberschreitende Entsendung oder um eine grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung gehandelt habe. Nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt (§ 4 Abs. 2 AÜG) seien alle acht polnischen Staatsangehörigen im Betrieb der T. GmbH als überlassene Arbeitskräfte tätig gewesen. Sie hätten das von der T. GmbH bereit gestellte Material verwendet und seien der Dienst- und Fachaufsicht des jeweils zuständigen Vorarbeiters unterstanden. Sie seien in den Betrieb der T. GmbH organisatorisch eingegliedert gewesen. Die Überlasserfirma habe kein selbständiges Werk erbracht und habe nicht für den Erfolg der Werkleistung gehaftet. § 18 AuslBG gelte nur für betriebsentsandte Ausländer, nicht aber für überlassene Arbeitskräfte. Der Beschwerdeführer habe somit acht Mal gegen § 3 Abs. 1 AuslBG iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG verstoßen.

Die Korrektur der rechtlichen Subsumtion sei auch außerhalb der Frist für die Verfolgungsverjährung zulässig. Im vorliegenden Fall sei keine Auswechslung der Tat erforderlich gewesen. Es habe sich lediglich um eine "Einschränkung und gleichzeitige Konkretisierung des Spruches" gehandelt. "Der im ersten Absatz der Begründung (des erstinstanzlichen Straferkenntnisses) wiedergegebene Tatvorwurf sei nämlich mehrdeutig ..., weil er sowohl Elemente des 'Beschäftigens', als auch des 'Inanspruchnehmens' beinhaltet." Im Zuge der Neufassung des Spruches sei dieser Tatvorwurf lediglich konkretisiert und gleichzeitig eingeschränkt worden, worin kein Verstoß gegen das im Berufungsverfahren geltende Verbot der reformatio in peius gelegen sei. Hinzu komme, dass eine Abänderung des Spruches dann zulässig sei, wenn aus dem gesamten Akteninhalt in Verbindung mit der Begründung ersichtlich sei, dass die Behörde in sachverhaltsmäßiger Hinsicht von der "richtigen Tat" ausgegangen sei. Dies treffe im vorliegenden Fall zu. "Aus dem Akteninhalt ergibt sich nämlich zweifelsfrei, dass sowohl die belangte Behörde, als auch die mitbeteiligte Partei und auch der Berufungswerber selbst von Anbeginn an immer davon ausgegangen sind, dass es sich hiebei um Leiharbeiter und somit um überlassene Arbeitskräfte handelt."

Im Übrigen führte die belangte Behörde ihre Strafzumessungsgründe aus.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerde macht geltend, die Erstbehörde habe dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe gegen § 18 Abs. 1 AuslBG (idF BGBl. I Nr. 101/2005) verstoßen. Ihm sei eine Übertretung nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. b AuslBG vorgeworfen worden. Im zweitinstanzlichen Verfahren werde dem Beschwerdeführer plötzlich eine ganz andere Übertretung, nämlich die nach § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG zur Last gelegt. Es handle sich um zwei unterschiedliche Vorwürfe. Die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer eine andere Tat zur Last gelegt, als es die erstinstanzliche Behörde getan habe.

Das Beschwerdevorbringen kommt unter dem Aspekt des § 44a Z. 2 VStG und dem damit in Zusammenhang stehenden Verbot der Auswechslung bzw. Überschreitens der Sache des erstinstanzlichen Verfahrens Berechtigung zu:

Der Anordnung des § 44a Z. 2 VStG wird durch die Anführung derjenigen Norm als verletzte Verwaltungsvorschrift entsprochen, unter die die Tat nach § 44a Z. 2 VStG zu subsumieren ist, ohne dass es der Zitierung der Vorschrift, die einen Verstoß gegen die Gebots- oder Verbotsnorm als Verwaltungsübertretung erklärt, bedürfte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/09/0224). Die Erstbehörde hat das Verhalten des Beschwerdeführers gemäß § 44a Z. 2 VStG unter § 18 AuslBG subsumiert (und zusätzlich § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. b AuslBG zitiert), die Zweitbehörde hat (von der Erstbehörde abweichende Tatsachenfeststellungen getroffen und) das Verhalten des Beschwerdeführers unter § 3 AuslBG subsumiert (und zusätzlich § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG zitiert).

Wie schon die Erwähnung des für die polnischen Arbeiter ausgestellten Formulars E 101 zeigt, ist die Erstbehörde davon ausgegangen, dass die polnischen Staatsangehörigen von der polnischen Firma A. beschäftigt und im Zuge dessen an die T. GmbH entsandt worden sind. In der Anwendung des § 18 AuslBG auf diesen festgestellten Sachverhalt liegt kein Subsumtionsirrtum der Erstbehörde, den die vom Zutreffen der von der Behörde erster Instanz dem Beschuldigten zur Last gelegten Tat (ebenfalls) überzeugte belangte Behörde aus Anlass der vollen Berufung des Beschuldigten hätte korrigieren können, ohne den Gegenstand des Berufungsverfahrens zu überschreiten (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 92/09/0360, vom , Zl. 94/09/0157, und vom , Zl. 2000/09/0088).

Die belangte Behörde hat vielmehr einen anderen Sachverhalt festgestellt, darin eine Verletzung des § 3 AuslBG erblickt und die Verletzung dieser Norm in dem von ihr abgeänderten Spruch gemäß § 44a Z. 1 VStG zum Ausdruck gebracht. Bei der gemäß § 3 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG zu ahndenden Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte und bei der gemäß § 18 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. b AuslBG zu ahndenden Inanspruchnahme betriebsentsandter Ausländer handelt es sich jedoch um zwei verschiedene Taten, die im Rechtsmittelverfahren nicht ausgewechselt werden dürfen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 92/09/0360, vom , Zl. 2000/09/0060, und vom , Zl. 2008/09/0074).

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am