VwGH vom 29.04.2011, 2010/09/0040
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde
1. des CS in G, 2. des NG in W, beide vertreten durch Mag. Johannes Schmidt, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Nibelungengasse 8/1/1-3, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom , Zl. 22, 23, 24/72 - DOK/07, betreffend Disziplinarstrafen nach dem BDG (weitere Parteien: Bundeskanzler, Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Beschwerdeführer betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom wurden u.a. über die Beschwerdeführer Disziplinarstrafen nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) verhängt.
Auf Grund erhobener Berufungen erging das Disziplinarerkenntnis der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom , das im Umfang des Strafausspruches mit dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/09/0320, aufgehoben wurde.
Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz )Bescheid der belangten Behörde vom wurde über die Beschwerdeführer die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.
Über die gegen den sie betreffenden Teil dieses Bescheides gerichtete Beschwerde der Beschwerdeführer hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Mit Erkenntnis vom , V 87/10-9, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Verordnung "Zusammensetzung der Senate und Geschäftsverteilung, gültig für das Jahr 2007" der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres gesetzwidrig war. Diese Entscheidung beruht auf der darin näher dargelegten Auffassung, dass diese Verordnung keinen Hinweis darauf enthält, dass sie vom Vorsitzenden der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres erlassen worden sei. Die Verordnung sei damit auf gesetzwidrige Weise kundgemacht gewesen.
Dieser während des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof hervorgekommene Umstand wurde den Parteien im Hinblick auf § 41 Abs. 1 zweiter Satz VwGG zur Kenntnis gebracht und Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Die belangte Behörde erstattete keine Stellungnahme, die Beschwerdeführer schlossen sich der Ansicht des Verfassungsgerichtshofes an.
Gemäß Art. 89 Abs. 1 B-VG sind Gerichte, einschließlich des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Art. 135 Abs. 4 B-VG), an nicht gehörig kundgemachte Verordnungen nicht gebunden und zwar unabhängig davon, ob diese vom Verfassungsgerichtshof aus diesem Grunde bereits aufgehoben wurden oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/12/0076).
§ 101 Abs. 4 BDG 1979, BGBl. Nr. 333 idF BGBl. Nr. 287/1988, lautet:
"(4) Der Vorsitzende jeder Kommission hat jeweils bis zum Jahresschluß für das folgende Kalenderjahr die Senate zu bilden und die Geschäfte unter diese zu verteilen. Gleichzeitig ist die Reihenfolge zu bestimmen, in der die weiteren Kommissionsmitglieder bei der Verhinderung eines Senatsmitgliedes als Ersatzmitglieder in die Senate eintreten. Die Zusammensetzung der Senate darf nur im Falle unbedingten Bedarfes abgeändert werden."
Kein Zweifel kann daran bestehen, dass die Geschäftseinteilung gemäß § 101 Abs. 4 BDG 1979 als Verordnung gehörig kundzumachen ist (Art. 89 Abs. 1 B-VG). Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes an, dass diese Geschäftseinteilung nicht gehörig kundgemacht wurde. Die Verordnung ist daher vom Verwaltungsgerichtshof nicht anzuwenden. Es wurde auch von den Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorgebracht und ist nicht zu ersehen, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der Behörde erster Instanz eine gültige Geschäftseinteilung bestanden hätte.
Das Fehlen einer wirksamen, die Zusammensetzung und die Zuständigkeit eines Kollegialorgans regelnden - vom Gesetz, hier von § 101 Abs. 4 BDG 1979 verlangten - Norm im Zeitpunkt der Beschlussfassung hat dessen Unzuständigkeit zur Folge. Die Berufungsbehörde hat eine solche Unzuständigkeit durch Aufhebung des unterinstanzlichen Bescheides aufzugreifen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/09/0009, mwN). Indem die belangte Behörde dies unterließ, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Von der von den Beschwerdeführern beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren betreffend den Kostenersatz für die Stellungnahme vom wird abgewiesen, weil es sich hiebei - entgegen der Bezeichnung als "aufgetragene Stellungnahme" - nicht um einen aufgetragenen Schriftsatz handelt, und die Erstattung einer solchen Stellungnahme nicht unter die gemäß § 48 Abs. 1 VwGG zu ersetzenden Aufwendungen fällt.
Wien, am
Fundstelle(n):
SAAAE-75547