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VwGH vom 20.06.2012, 2012/17/0061

VwGH vom 20.06.2012, 2012/17/0061

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde der E in B, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom , Zl. IIIa-241.106, betreffend Kriegsopferabgabe für den Zeitraum Mai bis August 2010, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Feldkirch als Abgabenbehörde erster Instanz vom wurde der beschwerdeführenden Partei für den Zeitraum Mai bis einschließlich August 2010 eine - näher aufgeschlüsselte - Kriegsopferabgabe von insgesamt EUR 5.767,54 (zuzüglich EUR 61,54 Säumniszuschlag) vorgeschrieben.

Von der beschwerdeführenden, abgabepflichtigen Partei - so die Abgabenbehörde in der Begründung ihres Bescheides - seien bisher nur die Eintrittserlöse aus den Roulette- und Kartenspielen bekannt gegeben worden. Die Einspielerlöse aus dem Betrieb der Video-Lotterie-Terminals hätten im Schätzungswege gemäß § 184 BAO ermittelt werden müssen.

Die abgabepflichtige beschwerdeführende Partei habe von Mai 2010 bis Oktober 2010 ein Casino in Feldkirch betrieben. Für die dort dargebotenen Roulette- und Kartenspiele habe die beschwerdeführende Partei die Kriegsopferabgabe rechtzeitig berechnet und an die Gemeinde abgeführt; die im Lokal aufgestellten Video-Lotterie-Terminals seien allerdings dabei unberücksichtigt geblieben. Trotz mehrmaliger Aufforderung seien die Einspielerlöse aus diesen elf Glücksspielapparaten der Abgabenbehörde nicht bekannt gegeben worden. Die Terminals seien Anfang September 2010 beschlagnahmt worden. Für den Zeitraum Mai 2010 bis August 2010 gehe die Abgabenbehörde von monatlich 250 "Besuchern" an den Video-Lotterie-Terminals aus, von denen jeder Spieler EUR 40,-- für die Teilnahme am Spiel eingesetzt habe. Unter Hinzurechnung der aus den Karten- und Roulettespielen erzielten Spieleinsätze hätten sich die im Spruch angeführten monatlichen Abgaben ergeben. Der Säumniszuschlag beruhe auf den §§ 217 und 217a BAO.

1.2. In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte die beschwerdeführende Partei aus, dass die gegenständlichen Geräte keine Video-Lotterie-Terminals seien; Video-Lotterie-Terminals seien Geräte, bei denen die Spielentscheidung zentralseitig erfolge und der Spieler unmittelbar nach Spielteilnahme vom Ergebnis der Entscheidung Kenntnis erlange. Dies sei bei den gegenständlichen Geräten nicht der Fall. Die hier gegenständlichen Geräte seien daher nicht der Kriegsopferabgabe zu unterziehen, wobei die Einspielerlöse darüber hinaus mit der Berechnung der Kriegsopferabgabe nichts zu tun hätten.

1.3. Mit ihrem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass der Berufung der beschwerdeführenden Partei keine Folge gegeben und der angefochtene (erstinstanzliche) Bescheid bestätigt werde.

Nach Darstellung des Verfahrensganges sowie des Parteienvorbringens und Wiedergabe der nach Ansicht der belangten Behörde heranzuziehenden Normen führte die belangte Behörde aus, der Verfassungsgerichtshof habe ausgesprochen, dass die im Finanzausgleichsgesetz vorgesehenen Lustbarkeitsabgaben nicht auf "veranstaltete Vergnügungen" beschränkt seien; er habe wiederholt auch das Aufstellen oder Betreiben von Spielapparaten als Lustbarkeiten betrachtet. Dies gelte auch für die von der beschwerdeführenden Partei aufgestellten oder betriebenen Spielapparate. Das bloße Aufstellen und der Betrieb eines Spielapparates sei eine gesellschaftliche Veranstaltung und unterliege der Kriegsopferabgabe.

Die beschwerdeführende Partei bestreite nicht, dass sie im Abgabenzeitraum elf Spielapparate aufgestellt und betrieben habe. Dem Umstand, dass die Spielentscheidung nicht zentralseitig erfolgt und der Spieler nicht unmittelbar nach der Spielteilnahme vom Ergebnis der Entscheidung Kenntnis erlange, komme im vorliegenden Zusammenhang keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Maßgebend sei, dass die von der beschwerdeführenden Partei aufgestellten Video-Terminals grundsätzlich der Durchführung von "Spielen" dienten (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/17/0061).

Die Abgabenbehörde erster Instanz sei daher zu Recht davon ausgegangen, dass die von der beschwerdeführenden Partei aufgestellten Spielapparate abgabepflichtig seien. Unter Eintrittsgeld im Sinne des Kriegsopferabgabengesetzes sei der Einsatz des Spielers zu verstehen; dies habe der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom , Zl. 2005/15/0128, klargestellt.

Die Einspielerlöse (Spieleinsätze) hätten daher entgegen den Ausführungen der beschwerdeführenden Partei sehr wohl mit der Berechnung der Kriegsopferabgabe zu tun, sie seien nämlich als Bemessungsgrundlage heranzuziehen.

Des Weiteren legte die belangte Behörde unter Hinweis auf die Bestimmung des § 184 BAO näher dar, warum ihrer Ansicht nach die Voraussetzungen für eine Schätzung hinsichtlich der Einspielerlöse der Video-Lotterie-Terminals (Spielapparate) gegeben gewesen seien und warum diese Schätzung nachvollziehbar und schlüssig sei.

1.4. Die beschwerdeführende Partei bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet kostenpflichtig abzuweisen.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Das Gesetz über die Einhebung einer Kriegsopferabgabe im Land Vorarlberg (in der Folge: KriegsopferabgabeG), LGBl. Nr. 40/1989 in der hier anzuwendenden Fassung durch die Novelle LGBl. Nr. 58/2001 lautet wie folgt (auszugsweise):

"§ 1

Gegenstand der Abgabe

(1) Für die in Vorarlberg stattfindenden gesellschaftlichen Veranstaltungen und für das nichtöffentliche Abspielen von Laufbildern, die auf Bildträgern aufgezeichnet sind, ist eine Abgabe zu entrichten, sofern nicht gemäß Abs. 2 eine Befreiung gewährt ist.

(2) Der Abgabe unterliegen nicht:

a) Veranstaltungen mit überwiegend kulturellem oder künstlerischem Gehalt,


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b)
Sportveranstaltungen,
c)
Zirkusveranstaltungen,
d)
die öffentliche Veranstaltung von Lichtspielen,
e)
Tanzveranstaltungen mit lebender Musik,
f)
Rundfunkübertragungen in öffentlichen Lokalen,
g)
Veranstaltungen von Vereinen für ihre eigenen ausübenden Mitglieder.
§ 2
Abgabepflichtige und einhebepflichtige Personen

(1) Zur Entrichtung der Abgabe ist verpflichtet, wer die von der Abgabe betroffenen Veranstaltungen gegen Entrichtung eines Eintrittsgeldes besucht. Hiebei ist es gleichgültig, ob das Eintrittsgeld in der gewöhnlichen Form des Entgeltes für eine Eintrittskarte oder in anderer Form entrichtet wird. Als Eintrittsgeld sind insbesondere auch Beiträge für irgendwelche Zwecke anzusehen, wenn mit ihnen das Recht zum Besuch der Veranstaltung miterworben wird, ferner Beiträge, die zur Deckung der Veranstaltungskosten von den Besuchern eingesammelt oder in Form eines Zuschlages auf den Preis der bei der Veranstaltung verabreichten Speisen und Getränke oder in Form einer die gewöhnliche Höhe übersteigenden Garderobengebühr oder als Preis für Tanzkarten, Maskenzeichen und dergleichen eingehoben werden. …

(2) Der Veranstalter ist verpflichtet, die Abgabe vom Abgabepflichtigen in Form eines Zuschlages zum Eintrittsgeld einzuheben und nach den Bestimmungen dieses Gesetzes abzuführen. Er haftet für die richtige Abfuhr aller Beträge, zu deren Einhebung er verpflichtet ist. …

(3) Als Veranstalter gilt, wer sich als Veranstalter öffentlich ankündigt oder der Behörde gegenüber ausgibt, im Zweifel derjenige, auf dessen Rechnung die Einnahmen der Veranstaltung gehen.

§ 3

Höhe der Abgabe

(1) Die Abgabe für Veranstaltungen beträgt, soweit sich aus dem Abs. 2 nichts anderes ergibt, 10 v.H. des Eintrittsgeldes.

(4) Als Eintrittsgeld im Sinne der vorstehenden Abs. 1 und 2 gelten alle im § 2 Abs. 1 bezeichneten Leistungen der Veranstaltungsbesucher abzüglich in ihnen etwa enthaltener öffentlicher Zuschlagsabgaben.

§ 6

Abgabenerklärung, Abgabenentrichtung

(1) Binnen drei Tagen nach Durchführung der Veranstaltung hat der Veranstalter der Gemeinde eine nach den verschiedenen Eintrittsgeldern geordnete Zusammenstellung über den der Abgabenbemessung zugrunde zu legenden Gesamtbetrag der erzielten Eintrittsgelder und die demnach zu entrichtende Abgabe vorzulegen.

(2) Bei mehreren regelmäßig wiederkehrenden Veranstaltungen innerhalb eines Monats hat der Veranstalter über alle in diesem Kalendermonat stattgefundenen Veranstaltungen eine Abgabenerklärung zu erstatten und diese innerhalb eines Monats und 15 Tagen nach Ablauf des betreffenden Kalendermonats beim Gemeindeamt einzureichen.

(5) Gleichzeitig mit der Vorlage der Abgabenerklärung hat die einhebepflichtige Person (§ 2 Abs. 2) die ausgewiesene Abgabe an die Gemeinde abzuführen.

…"

2.2. Strittig ist im vorliegenden Beschwerdefall allein die Frage der Abgabepflicht der beschwerdeführenden Partei hinsichtlich der Video-Lotterie-Terminals (vgl. zu diesen § 12a GSpG, BGBl. Nr. 620/1999 in der Fassung BGBl. I Nr. 67/2011) oder Spielapparate.

Die belangte Behörde hat ihre Ansicht, die gegenständlichen Apparate unterlägen der Kriegsopferabgabe, auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gestützt. Anders als in den hier zitierten Fällen, die der Verfassungsgerichtshof zu entscheiden hatte, enthält die hier anzuwendende Norm keine ausdrückliche Regelung hinsichtlich Glücksspielautomaten (vgl. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , B 552/87 = VfSlg. 11.615 zum Oberösterreichischen Lustbarkeitsabgabegesetz und vom , Zlen. V 3/94 und andere = VfSlg. 13.927 zum Steiermärkischen Lustbarkeitsabgabegesetz bzw. zur Lustbarkeitsabgabeordnung der Stadt Graz vom ). Da sich die Abgabenbehörden erkennbar nicht auf den Tatbestand des "nichtöffentlichen Abspielens von Laufbildern, die auf Bildträgern aufgezeichnet sind", gestützt und hiezu auch keine Feststellungen getroffen haben, ist daher nur zu prüfen, ob eine "gesellschaftliche Veranstaltung" im Sinne des § 1 Abs. 1 KriegsopferabgabeG vorliegt.

Die belangte Behörde hat hiezu die Ansicht vertreten, dass das bloße Aufstellen und der Betrieb eines Spielapparates eine gesellschaftliche Veranstaltung sei, die zur Entrichtung der Kriegsopferabgabe verpflichte. Dem vermag der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht zu folgen. Wenn auch der Begriff der "gesellschaftlichen Veranstaltung" durchaus weit interpretiert werden kann, bildet doch jedenfalls der äußerste mögliche Wortsinn die Grenze der Interpretation. Der Begriff der "gesellschaftlichen Veranstaltung" setzt aber nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ein gewisses Mindestmaß an zwischenmenschlicher Interaktion voraus, sei es, dass mehrere Menschen miteinander etwas "veranstalten" oder dass Menschen etwa Darbietungen anderer Menschen bewusst und gewollt wahrnehmen. Bei den hier zu beurteilenden Spielapparaten kommt es aber in der Regel - gegenteilige Feststellungen wurden nicht getroffen - nicht zu einer zwischenmenschlichen Interaktion. Für diese Interpretation spricht auch, dass der Gesetzgeber offenbar das "nichtöffentliche Abspielen von Laufbildern, die auf Bildträgern aufgezeichnet sind" nicht als eine "gesellschaftliche Veranstaltung" gewertet und somit einen eigenen Tatbestand eingeführt hat. Anders als bei einem Wettterminal (vgl. hiezu die Änderungen des KriegsopferabgabeG durch die Novelle LGBl. 9/2011 und dazu etwa den Prüfungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , B 845/11-6) ist auch nicht aus der Systematik des Gesetzes erschließbar, dass der Gesetzgeber Apparate der hier zu beurteilenden Art unter den Begriff der "gesellschaftlichen Veranstaltung" subsumiert wissen wollte. Sollte gegebenenfalls den Materialien ein diesbezüglicher Hinweis zu entnehmen sein, hat dies der Gesetzgeber weder nach dem Wortlaut noch aus der Systematik des Gesetzes erschließbar zum Ausdruck gebracht.

2.3. Da die belangte Behörde sohin von einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht ausgegangen ist, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

2.4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am