VwGH vom 23.04.2013, 2010/09/0020

VwGH vom 23.04.2013, 2010/09/0020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des Ing. H in I, vertreten durch Dr. Peter Sellemond, Dr. Walter Platzgummer und Mag. Robert Sellemond, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Speckbacherstraße 25, gegen den Bescheid der Verwaltungsoberkommission der Kranken- und Unfallfürsorge der Tiroler Landeslehrer beim Amt der Tiroler Landesregierung vom , Zl. KUF-28020/VOKL-18/08, betreffend Versehrtenrente nach dem BLKUFG 1998, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Behörde erster Instanz vom , Zl. KUF - 903/UL-4/92, wurde

I. festgestellt, dass die Krankheit des Beschwerdeführers (in der Begründung als "kontaktallergisches Handekzem" bezeichnet) ab eine Berufskrankheit im Sinne des § 27 des Beamten- und Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorgegesetzes (in der Folge: BLKUFG) sei;

II. durch diese Berufskrankheit die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers vom für dauernd um 10 v. H. vermindert sei;

und III. vom Beschwerdeführer gemäß § 43 Abs. 1 BLKUFG keine Kosten, die im Zusammenhang mit der Krankheit entstanden seien, geltend gemacht worden seien.

Mit Bescheid der Behörde erster Instanz vom wurde festgestellt, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund dieser Berufskrankheit vom bis 20 v. H. betrage. Über den Zeitraum ab dem werde nach Einholen eines weiteren ärztlichen Gutachtens entschieden werden.

In der Begründung dieses Bescheides führte die Behörde erster Instanz aus, es bestehe gemäß § 47 BLKUFG wegen einer Berufskrankheit im Sinne des § 27 Abs. 2 BLKUFG nur dann Anspruch auf Versehrtenrente, wenn die Erwerbsfähigkeit des Anspruchsberechtigten durch die Folgen der Berufskrankheit mehr als drei Monate hindurch um mindestens 50 v. H. vermindert sei.

Mit Bescheid der Behörde erster Instanz vom wurde festgestellt, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund dieser Berufskrankheit vom bis 20 v. H. betrage. Über den Zeitraum ab dem werde nach Einholen eines weiteren ärztlichen Gutachtens entschieden werden.

Aufgrund des Ansuchens des (Beschwerdeführers) vom sei dieser am vom Gutachter Herrn Univ.Prof.Dr. BZ untersucht worden, der den Momentanbefund als einen weitgehenden Residualzustand bei vermutlich beruflich akquirierten Handekzemen größtenteils toxischen Charakters, teilweise mit allergischen Komponenten (Dibromdicyanobutan), gewertet habe. Eine eindeutige Chromatallergie habe zum Untersuchungszeitpunkt nicht bestätigt werden können. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit retrospektiv einzuschätzen sei ihm nicht möglich gewesen, das Ausmaß der Veränderungen im Untersuchungszeitpunkt sei vergleichsweise geringfügig und würde, falls der Patient noch im Berufsleben stünde, einen Umfang von maximal 10 v. H. für dauernd nicht überschreiten.

Dem folgend entschied die (Behörde erster Instanz) mit Bescheid vom , Zahl KUF - 903/UL-15/2004, dass durch die anerkannte Berufskrankheit die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers vom bis um 20 v. H. und ab um 10 v. H. dauernd vermindert sei (Spruchpunkt I.) und eine Versehrtenrente nach § 47 Absatz 2 BLKUFG 1998 nicht gebühre (Spruchpunkt II.).

Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Verwaltungsoberkommission vom , Zahl KUF - 28020/VOKL- 8/05, teilweise Folge gegeben und festgestellt, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit des (Beschwerdeführers) am weiterhin 20 v. H. für dauernd betrage. Im Übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Die belangte Behörde begründete die Nichtzuerkennung einer Versehrtenrente folgendermaßen:

"Was Spruchpunkt II anlangt, ist auf § 47 BLKUFG 1998 zu

verweisen.

Die Verwaltungsoberkommission bezweifelt nicht, dass der (Beschwerdeführer) vielfach kundgetan hat, er werde seine berufliche Tätigkeit in Folge der Kontaktallergie vorzeitig beenden müssen. Tatsache ist aber, dass er nicht aus diesem Grund seine Versetzung in den Ruhestand beantragt hat, sondern, weil er von dem Vorruhestandsmodell Gebrauch machen wollte, durch das der Gesetzgeber einer Reihe von LehrerInnen eine günstige Möglichkeit des Übertritts in den (Vor )Ruhestand bot. Dies ergibt sich eindeutig aus den von der Abteilung Bildung mit Schreiben vom dargestellten (im Übrigen unstrittigen) Anträgen des (Beschwerdeführers), ursprünglich auf Gewährung eines Sonderurlaubs mit anschließender Versetzung in den Ruhestand, die er in der Folge jedoch dahingehend modifizierte, dass er auf den Sonderurlaub zu Gunsten einer früheren Versetzung in den (Vor )Ruhestand verzichtete. Welche Motive ihn dazu bewogen haben mögen, ist für die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht erheblich, so dass sich die Aufnahme der angebotenen Beweise, insbesondere die Vernehmung von KollegInnen, Familienangehörigen und familienfremden Bekannten, erübrigte. Die Verwaltungsoberkommission hat es als durchaus glaubwürdig angesehen, dass die Entscheidung, das (Vor )Ruhestandsmodell in Anspruch zu nehmen, durch die in Schüben immer wieder auftretende Hauterkrankung des (Beschwerdeführers) mitbestimmend war. Dies kann aber nicht gleichgesetzt werden mit dem vom Gesetzgeber für die Anerkennung als Berufskrankheit normierten Erfordernis, dass die Hautkrankheit (allein) die Aufgabe der schädigenden Tätigkeit erzwinge. Wie der (Beschwerdeführer) selbst ausführt, hat er wiederholt trotz eines erheblichen Leidensdruckes seine Unterrichtstätigkeit im Interesse seiner Schüler nicht unterbrochen; offenbar aus diesem Grund war er ja auch zum Zeitpunkt seines Antrages auf Versetzung in den (Vor )Ruhestand nicht im Krankenstand. So kann auch jetzt im Nachhinein sein eindeutiger Antrag auf Versetzung in den (Vor )Ruhestand, eine gesetzliche Möglichkeit, von der wie er eine Vielzahl von LehrerInnen wegen der günstigen Bedingungen Gebrauch gemacht hat, nicht in der Weise umgedeutet werden, dass die Berufskrankheit, die der (Beschwerdeführer) bislang immer unterdrückt hat, der Grund für seine Pensionierung gewesen sein solle."

Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom , B 3256/05-3, wegen Versäumung der Beschwerdefrist zurück- und der Antrag auf Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof abgewiesen.

Mit Schreiben vom teilte der Beschwerdeführer mit, dass sich sein Gesundheitszustand infolge der dienstlich akquirierten Berufskrankheit wieder verschlechtert habe und er erneut ein Ansuchen um Zuerkennung einer Versehrtenrente "nach BLKUFG 98" stelle. Zur Art der Berufskrankheit weise er darauf hin, dass es sich "um eine Berufskrankheit gemäß der lfd. Nr. 19 der Anlage 1 zum ASVG" handle und dass er wegen dieser Berufskrankheit im Jahre 2003 zur Aufgabe der schädigenden beruflichen Tätigkeiten gezwungen gewesen sei. Dazu biete er Zeugen an.

Vor der "Novellierung des BLKUFG 98 (§ 27) mit LGBl. Nr. 98/2006" sei der "Zwang zur Aufgabe der schädigenden Tätigkeiten als anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal noch nicht normiert gewesen; die bisherige Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v. H. gehe auf das Jahr 1991 zurück.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde unter Spruchpunkt I. festgestellt, dass durch die mit Bescheid der Verwaltungskommission vom , Zahl KUF - 903/UL-4/92, anerkannte Berufskrankheit die Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers weiterhin um 20 v. H. für dauernd vermindert sei. Mit Spruchpunkt II. wurde das Ansuchen auf Zuerkennung einer Versehrtenrente nach § 47 Abs. 2 BLKUFG 1998 abgewiesen.

Zu Spruchpunkt II. begründet die belangte Behörde:

"Hinsichtlich des übrigen umfangreichen Vorbringens des (Beschwerdeführers) wird, auch um Wiederholungen zu vermeiden, auf den rechtskräftigen Bescheid der Verwaltungsoberkommission der Kranken- und Unfallfürsorge der Tiroler Landeslehrer vom , Zahl KUF - 28020/VOKL-8/05, verwiesen, in dem bereits ausführlich in der Begründung zu Spruchpunkt II dargelegt worden ist, warum die Hauterkrankung des (Beschwerdeführers) schon ursprünglich zu Recht nach § 27 Abs. 2 BLKUFG 1998 als Berufskrankheit anerkannt und dem entsprechend auch bei ihren Überlegungen bezüglich des Anspruchs auf eine Versehrtenrente das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 47 Abs. 2 BLKUFG 1998 geprüft worden ist. Daran ändert auch die durch die Novelle zum BLKUFG 1998 LGBl. Nr. 98/2006 erfolgte Änderung des § 27 Abs. 1 und 2 leg. cit. nichts, durch die lediglich die Bestimmung des § 177 Abs. 1 zweiter und dritter Satz ASVG in der damals geltenden Fassung direkt in den § 27 Abs. 1 BLKUFG 1998 mit entsprechender legistischer Anpassung des Abs. 2 übernommen wurde. Inhaltlich ist dadurch jedoch gegenüber der zum Zeitpunkt der Erlassung der zuvor zitierten Entscheidung der Verwaltungsoberkommission vom keine Änderung eingetreten. Die Verwaltungskommission hat daher zu Recht das Ansuchen auf Zuerkennung einer Versehrtenrente nach § 47 Abs. 2 BLKUFG 1998 abgewiesen."

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom , B 1574/08-7, ihre Behandlung ab und trat sie über nachträglichen Antrag im Sinne des § 87 Abs. 3 VfGG gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die Beschwerde richtet sich formell gegen den gesamten angefochtenen Bescheid, inhaltlich finden sich jedoch nur Ausführungen zu Spruchpunkt II. Der Beschwerdeführer stellt in seinem Beschwerdepunkt auch klar, dass er sich nur im Recht "auf Bezug einer Versehrtenrente gemäß § 27 Abs. 1 BLKUFG, sowie auf Nachzahlung derselben" verletzt erachtet. Die Höhe der in Spruchpunkt I enthaltenen Minderung der Erwerbsfähigkeit ist demnach nicht Beschwerdeinhalt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Erst mit der Novelle LGBl. Nr. 98/2006 wurde dem § 27 Abs. 1 BLKUFG der Hautkrankheiten betreffende zweite Satz angefügt, § 27 BLKUFG lautet:

"§ 27

Berufskrankheiten

(1) Als Berufskrankheiten gelten die in der Anlage 1 des ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. I Nr. 106/2004, bezeichneten Krankheiten unter den dort angeführten Voraussetzungen, wenn sie durch Dienstleistungen im Rahmen des Dienstverhältnisses verursacht sind; hiebei ist unter dem in dieser Anlage verwendeten Begriff 'Unternehmen' sinngemäß die Dienststätte zu verstehen. Hautkrankheiten gelten nur dann als Berufskrankheiten, wenn und solange sie zur Aufgabe schädigender Tätigkeiten zwingen. Dies gilt nicht, wenn die Hautkrankheit eine Erscheinungsform einer Allgemeinerkrankung ist, die durch Aufnahme eines oder mehrerer der in der Anlage 1 des ASVG angeführten schädigenden Stoffe in den Körper verursacht wurde.

(2) Eine Krankheit, die ihrer Art nach nicht in der Anlage 1 des ASVG im Sinn des Abs. 1 enthalten ist, gilt im Einzelfall als Berufskrankheit, wenn die Verwaltungskommission (§ 61) auf Grund gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse feststellt, dass diese Krankheit ausschließlich oder überwiegend durch die Verwendung schädigender Stoffe oder Strahlen bei einer vom Beamten im Rahmen des Dienstverhältnisses ausgeführten Dienstleistung entstanden ist."

Auf Grund dieser Änderung der Rechtslage konnte keine entschiedene Sache vorliegen, die belangte Behörde hat den gegenständlichen Antrag zu Recht inhaltlich behandelt.

Der Oberste Gerichtshof hat sich in seinem Beschluss vom , 10 ObS 239/03z mit der zu § 27 Abs. 1 BLKUFG 1998 inhaltsgleichen Bestimmung des § 177 ASVG "Hautkrankheiten gelten nur dann als Berufskrankheiten, wenn und solange sie zur Aufgabe schädigender Tätigkeiten zwingen" befasst.

Auch zur Wortfolge, "wenn und solange sie zur Aufgabe schädigender Tätigkeiten zwingen", die auch bei der Definition zur Berufskrankheit Nr. 30 der Anlage 1 zu § 177 ASVG ("durch allergisierende Stoffe verursachte Erkrankungen an Asthma bronchiale") enthalten ist, hat sich der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom , 10 ObS 102/02a, auseinandergesetzt.

Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Rechtsprechung auf Grund der inhaltsgleichen Regelung zu der hier anzuwendenden Norm an.

Der angefochtene Bescheid beruht demnach auf einer unvollständigen Sachverhaltsermittlung infolge Verkennung der Rechtslage.

Denn die belangte Behörde hat sich im Bescheid vom nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob und welche "Tätigkeiten" im Zuge seiner zuletzt geleisteten Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführer aus medizinisch begründeter (objektiver) Notwendigkeit hätte aufgeben müssen. Nur am Rande hat sie erwähnt, dass "die in Schüben immer wieder auftretende Hautkrankheit des (Beschwerdeführers) mitbestimmend" gewesen sei.

Im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes kommt es nicht darauf an, welche Maßnahmen nach dem Auftreten einer Gesundheitsschädigung (seien es Schutzmaßnahmen seitens des Dienstgebers oder seitens des Dienstnehmers) ergriffen werden, um die Ursache für diese Gesundheitsschäden oder deren Verschlechterung auszuschließen oder ob die Aufgabe der Tätigkeit auch aufgrund nicht krankheitsspezifischer Motive erfolgte, sondern ausschließlich auf die medizinisch begründete (objektive) Notwendigkeit zur Aufgabe der zuletzt geleisteten schädigenden Tätigkeiten in Verbindung mit der tatsächlichen Einstellung dieser Tätigkeiten.

Die belangte Behörde hat nicht festgestellt, welche konkreten Tätigkeiten der Beschwerdeführer bei seiner Lehrtätigkeit auszuüben hatte und diese keiner medizinischen Begutachtung im obigen Sinne unterzogen (also welche davon objektiv geeignet waren, die Hautkrankheit in welcher Weise zu beeinflussen, und ob deren Aufgabe medizinisch notwendig gewesen wäre), sondern sich vorwiegend mit dem subjektiven Verhalten des Beschwerdeführers zwecks (vollständiger) Aufgabe seiner Erwerbstätigkeit (erst Sonderurlaub, dann (Vor )Ruhestand) befasst, sohin nur mit der tatsächlichen Einstellung der schädigenden Tätigkeit durch Aufgabe der Erwerbstätigkeit in ihrer Gesamtheit.

Durch den bloßen Verweis im angefochtenen Bescheid auf die Begründung des Bescheides vom hat die belangte Behörde die Rechtslage weiterhin verkannt.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher in seinem Spruchpunkt II. mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am