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VwGH vom 22.11.2017, Ra 2017/19/0421

VwGH vom 22.11.2017, Ra 2017/19/0421

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Rossmeisel, den Hofrat Mag. Stickler und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des T K E A (alias T A O) in H, vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , L513 2165561-1/2E, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde wegen behaupteter Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, brachte mit Schriftsatz vom beim Bundesverwaltungsgericht eine "Maßnahmenbeschwerde (...) gegen die Unterlassung der Vorlage der Beschwerde gegen den Bescheid (...) vom (...) zwischen und (...) , wobei der Beschwerdeschrift(satz) samt Verfahrensakt erst am beim BVwG" eingelangt sei.

2 Der Revisionswerber brachte vor, am einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt zu haben. Dieser Antrag sei vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom , der am zugestellt worden sei, abgewiesen und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen worden. Am habe der Revisionswerber die dagegen gerichtete Beschwerde per E-Mail (beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) eingebracht. Erst am sei ihm zur Kenntnis gelangt, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Beschwerde bis dahin dem Bundesverwaltungsgericht nicht vorgelegt habe. Die Behörde habe die Beschwerde mit dem Verwaltungsakt an diesem Tag an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet, sodass die als Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizierende Unterlassung bis angedauert habe. Am sei die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt. Es stehe kein anderer Rechtsbehelf als die Maßnahmenbeschwerde zur Verfügung, um gegen die behördliche Untätigkeit Abhilfe zu schaffen. Der Revisionswerber sei über einen Zeitraum von zehn Monaten gezwungen gewesen, die von der belangten Behörde betriebene Verweigerung des Rechtsschutzes zu dulden. Bezogen auf die Rechtzeitigkeit der Beschwerde verwies der Revisionswerber darauf, dass seit dem - an diesem Tag habe er erstmals von der behördlichen Untätigkeit Kenntnis erlangt - bis zur Einbringung der gegenständlichen Maßnahmenbeschwerde - diese wurde nach der Aktenlage am zur Post gegeben und langte am beim Bundesverwaltungsgericht ein - nicht mehr als sechs Wochen vergangen seien.

3 Daraufhin tätigte das Bundesverwaltungsgericht Erhebungen zur Frage, ob und gegebenenfalls wann eine Rückkehrberatung des Revisionswerbers erfolgt sei. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab dazu bekannt, "das Rückkehrberatungsgespräch" habe am "bei der Caritas stattgefunden".

4 Das Bundesverwaltungsgericht wies daraufhin mit dem nunmehr in Revision gezogenen Beschluss die Maßnahmenbeschwerde gemäß § 7 Abs. 4 und § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) zurück, ohne weitere Verfahrensschritte zu setzen. Weiters sprach es aus, dass die Revision nicht im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

5 Das Verwaltungsgericht führte dazu - soweit entscheidungswesentlich - aus, der Revisionswerber habe fristgerecht gegen den Bescheid vom Beschwerde erhoben. Diese Beschwerde sei am beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt und "der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen" worden. Bereits am habe ein Rückkehrberatungsgespräch bei der Caritas stattgefunden. Die Maßnahmenbeschwerde sei am beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

6 In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Verwaltungsgericht darauf, dass die sechswöchige Beschwerdefrist des § 7 Abs. 4 zweiter Satz VwGVG gemäß § 7 Abs. 4 Z 3 VwGVG mit dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, beginne, wenn er aber durch diese behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, mit dem Wegfall dieser Behinderung.

7 Selbst wenn man im Sinn des Vorbringens die unterbliebene Vorlage der Beschwerde als Akt der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt ansehen würde, habe die Frist für die Einbringung der Beschwerde mit der Kenntnis von der Untätigkeit der Behörde zu laufen begonnen.

Da am mit dem Revisionswerber ein Rückkehrberatungsgespräch geführt worden sei und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl danach versucht habe, für den Revisionswerber ein Heimreisezertifikat zu erlangen, habe dem Revisionswerber "bzw. seiner Vertretung" bewusst sein müssen, dass die gegen den Bescheid erhobene Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht nicht vorgelegt worden sei. Im Fall der Vorlage der Beschwerde hätte der Bescheid nämlich nicht in Rechtskraft erwachsen können und weitere Verfahrensschritte (um die Ausreise des Revisionswerbers zu bewerkstelligen) hätten dann nicht gesetzt werden dürfen. Auch gebe es keine Hinweise dafür, dass der Revisionswerber gehindert gewesen wäre, die Beschwerde schon früher zu erheben. Die "fortgesetzte Unterlassung der (Nicht-)Vorlage" (der Bescheidbeschwerde) stelle keine "ausreichende Behinderung" im Sinn des § 7 Abs. 4 Z 3 VwGVG dar.

Da demnach im Zeitpunkt der Einbringung die Frist für die Erhebung der Maßnahmenbeschwerde verstrichen gewesen sei, sei sie wegen Verspätung zurückzuweisen.

8 Die Revision sei nicht zulässig, weil die Sach- und Rechtslage klar sei.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Beschluss erhobene Revision nach Vorlage derselben und der Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht erwogen:

Zur Begründung der Zulässigkeit der Revision macht der Revisionswerber - in Bezug auf ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe durch einen nach seiner Geschäftsverteilung nicht zuständigen Richter entschieden. Der Richter, der den angefochtenen Beschluss gefasst habe, sei der Leiter der Gerichtsabteilung L513, die wiederum der Kammer L (Außenstelle Linz) angehöre. § 22 Abs. 4 der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichts für das Geschäftsverteilungsjahr vom bis (im Weiteren: GV BVwG 2017) sehe vor, dass (unter anderem) Maßnahmenbeschwerden bezüglich der hier maßgeblichen Rechtsmaterien zur Zuweisungsgruppe "SCH" gehören. Die Zuweisung richte sich nach dem Ort, an dem die betreffende Maßnahme gesetzt oder begonnen worden sei. Die mit der Angelegenheit des Revisionswerbers befassten Organwalter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl seien in der Regionaldirektion Vorarlberg, die ihren Sitz in Feldkirch habe, tätig. Sie hätten daher ihr Verhalten - das Nichtvorlegen der Bescheidbeschwerde - dort begonnen. Somit wäre die Behandlung der gegenständlichen Beschwerde der Zuweisungsgruppe "SCH-I" unterfallen und von einem Richter einer Gerichtsabteilung der Kammer I der Außenstelle Innsbruck zu behandeln gewesen.

10 Weiters habe das Bundesverwaltungsgericht gegen das Überraschungsverbot verstoßen. Es gehe davon aus, dass der Revisionswerber bereits am aufgrund des Rückkehrberatungsgespräches von der Nichtvorlage der Bescheidbeschwerde Kenntnis erlangt habe. Hätte das Bundesverwaltungsgericht dem Revisionswerber dazu Parteiengehör eingeräumt, hätte er vorbringen können, dass er dort dargelegt habe, nicht freiwillig in seinen Herkunftsstaat zurückkehren zu wollen, weil er das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht abwarten wolle. Er hätte diesfalls auch ausführen können, dass die Frage der Vorlage seiner Beschwerde nie Thema dieses Gespräches gewesen sei. Auch hätte er darauf hinweisen können, dass es der Behörde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG freistehe, innerhalb von zwei Monaten eine Beschwerdevorentscheidung zu treffen, und die Frist zur Vorlage der Beschwerde demnach frühestens am abgelaufen gewesen sei. Es stelle sich im Zusammenhang mit der Beschwerdefrist auch die Frage, ob diese schon zu laufen beginnen könne, wenn die Untätigkeit der Behörde andauere und noch nicht "abgeschlossen" sei.

11 Zudem fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob das Unterlassen der Vorlage einer Beschwerde durch die Behörde als eine "qualifizierte Untätigkeit" anzusehen sei, das dazu führe, dass ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, der mit Maßnahmenbeschwerde bekämpft werden könne, vorliege. Dies sei nach Ansicht des Revisionswerbers zu bejahen, weil damit der Zugang zum für die Behandlung der Bescheidbeschwerde zuständigen Verwaltungsgericht verunmöglicht werde und somit der Eingriff in seine Rechtssphäre evident sei. Diesen Eingriff habe er dulden müssen, ohne dass ihm dagegen ein anderer Rechtsbehelf als die Maßnahmenbeschwerde zur Verfügung gestanden wäre.

12 Die Revision ist zur Klärung der Rechtslage betreffend die Frage der Zulässigkeit einer Maßnahmenbeschwerde im Fall des Unterbleibens der Vorlage einer Bescheidbeschwerde durch die Verwaltungsbehörde zulässig. Ihr ist aber kein Erfolg beschieden.

13 Zur Zuständigkeit des entscheidenden Richters:

Gemäß dem in der Revision angesprochenen § 22 Abs. 4 Z 1 GV BVwG 2017 richtet sich die Zuweisung von Rechtssachen der "Zuweisungsgruppe SCH" bei Maßnahmenbeschwerden (einschließlich solcher nach § 22a Abs. 1 Z 1 und 2 BFA-VG) nach dem Ort, an dem die betreffende Maßnahme (Festnahme, Anhaltung, Abschiebung usw.) gesetzt oder begonnen wurde, wenn aber mehrere derartiger Maßnahmen gemeinsam in Beschwerde gezogen werden, nach dem Ort, an dem die zeitlich erste dieser in Beschwerde gezogenen Maßnahmen gesetzt oder begonnen wurde.

14 Der Revisionswerber bezieht in seine Überlegungen aber nicht mit ein, dass gemäß § 22 Abs. 5 GV BVwG 2017 Annexsachen und Rechtssachen, die vorweg zuzuweisen sind, ohne Bedachtnahme auf die allgemeine Zuweisung gesondert nach den Bestimmungen der §§ 24 und 32 GV BVwG 2017 zugewiesen werden. Nach § 24 Abs. 1 GV BVwG 2017 werden Annexsachen ohne Bedachtnahme auf die allgemeine Zuweisung einzeln den dafür jeweils zuständigen Gerichtsabteilungen zugewiesen. § 24 Abs. 2 GV BVwG 2017 sieht vor, dass Annexsachen Rechtssachen derselben Zuweisungsgruppe sind, die nach Maßgabe der Bestimmungen der folgenden Absätze zu einer oder mehreren anderen, früher zugewiesenen Rechtssachen im Verhältnis der Annexität stehen. Annexität wiederum liegt (ua.) gemäß § 24 Abs. 3 Z 1 GV BVwG 2017 vor, wenn sich eine Rechtssache nach dem AsylG 2005, dem BFA-VG, dem FPG oder dem GVG-B 2005 (Zuweisungsgruppen AFR, VIS, DUB oder SCH) auf dieselbe Person wie ein anhängiges Verfahren derselben Zuweisungsgruppe (Zuweisungsgruppen AFR, VIS, DUB oder SCH bzw. ASY oder FRE idF GV 2014) bezieht.

15 Ausgehend davon, dass nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts das Verfahren über die vom Revisionswerber - in Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG - erhobene Bescheidbeschwerde bereits vor Einlangen der Maßnahmenbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (noch) anhängig und der Gerichtsabteilung zugewiesen worden war, der jener Richter vorsteht, der auch im gegenständlichen Fall entschieden hat, ist (unter Bedachtnahme auf § 40 GV BVwG 2017) ein Verstoß gegen die Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu sehen. Hinsichtlich der - an sich der Zuweisungsgruppe SCH unterfallenden - Maßnahmenbeschwerde lag fallbezogen nämlich Annexität gemäß § 24 Abs. 3 Z 1 GV BVwG 2017 zur bereits anhängigen Rechtssache betreffend die Bescheidbeschwerde (zugehörig zur Zuweisungsgruppe AFR, vgl. die Anlage 1 "Rechtsbereiche und Zuweisungsgruppen" der GV BVwG 2017) vor, zumal der Fall der Annexität alle die § 24 Abs. 3 Z 1 GV BVwG 2017 genannten Zuweisungsgruppen erfasst (andernfalls wäre nämlich das Anführen jeweils unterschiedlicher sowie bereits nicht mehr bestehender Zuweisungsgruppen in den beiden Klammerausdrücken nicht erklärbar). Dass aber schon die Zuteilung der Bescheidbeschwerde entgegen der GV BVwG 2017 erfolgt wäre, macht der Revisionswerber nicht geltend.

16 Zur Frage der Zulässigkeit der Maßnahmenbeschwerde:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Überraschungsverbot auch im Verwaltungsverfahren zu beachten. Unter dem Überraschungsverbot ist das Verbot zu verstehen, dass die Behörde in ihre rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren. Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt festgehalten, dass sich das zum Überraschungsverbot in Beziehung gesetzte Parteiengehör nur auf die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts, nicht aber auf die von der Behörde vorzunehmende rechtliche Beurteilung erstreckt. Auch führt ein Verstoß gegen das Überraschungsverbot nur dann zu einer Aufhebung der beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erledigung, wenn diesem Verfahrensmangel Relevanz zukommt, was im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof darzulegen ist. Diese Grundsätze sind auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten maßgeblich, zumal von den Verwaltungsgerichten auf dem Boden des § 17 VwGVG sowohl das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs. 2 AVG als auch der Grundsatz der Einräumung von Parteiengehör im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG zu beachten sind (vgl. , mwN).

17 Der vom Revisionswerber geltende gemachte (und tatsächlich vorliegende) Verstoß gegen das Überraschungsverbot erweist sich aber nicht als für den Verfahrensausgang von Relevanz.

18 § 14 VwGVG lautet auszugsweise:

"Beschwerdevorentscheidung

§ 14. (1) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.

(2) Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

(3) ..."

§ 34 Abs. 1 VwGVG sieht vor:

"Entscheidungspflicht

§ 34. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, über verfahrenseinleitende Anträge von Parteien und Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden. Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG beginnt die Entscheidungsfrist mit der Vorlage der Beschwerde und in den Fällen des § 28 Abs. 7 mit Ablauf der vom Verwaltungsgericht gesetzten Frist. Soweit sich in verbundenen Verfahren (§ 39 Abs. 2a AVG) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.

(2) ..."

19 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann sich auch eine qualifizierte Untätigkeit von behördlichen Organen als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellen. Für die Bewertung von solchen Vorgangsweisen als Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ist aber auch hier von Bedeutung, ob dadurch ein Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen bewirkt wird und ob die Unterlassung in objektiver Hinsicht darauf abzielt, eine diesbezügliche Duldungspflicht des Betroffenen zu bewirken (vgl. ).

20 Es kann hier dahingestellt bleiben, ob fallbezogen das - aber vom Bundesverwaltungsgericht nicht näher festgestellte - Handeln der Behörde, das zum Unterbleiben der Vorlage der Bescheidbeschwerde geführt hat, bereits als qualifizierte Untätigkeit im oben genannten Sinn anzusehen wäre.

21 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass der Rechtsbehelf der Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dem Zweck dient, eine Lücke im Rechtsschutzsystem zu schließen. Es sollten mit dieser Beschwerde aber nicht Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein und desselben Rechtes geschaffen werden. Was in einem Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, kann daher nicht Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde sein, wobei die Zulässigkeit dieser Beschwerde insbesondere auch nicht von der (allenfalls längeren) Dauer des sonst zur Rechtsdurchsetzung zur Verfügung stehenden Verwaltungsverfahrens abhängt (vgl. , in diesem Erkenntnis wurde darauf hingewiesen, dass auch dann, wenn die Möglichkeit einer Klage nach Art. 137 B-VG besteht, nicht davon ausgehen ist, dass eine Lücke im Rechtsschutzsystem bestünde, die durch die Zulässigkeit einer Maßnahmenbeschwerde zu schließen wäre; vgl. in diesem Sinn auch , ferner zu einem nach dem UbG vorgesehenen Rechtsmittel an das ordentliche Gericht , und zu einer nach der AbgEO vorgesehenen Vollzugsbeschwerde , alle mwN)

22 Der Revisionswerber macht geltend, dass im Fall des Unterbleibens der Vorlage einer Beschwerde ein Rechtsschutzdefizit im Sinn dieser Rechtsprechung bestehe. Die Entscheidungsfrist des Verwaltungsgerichtes beginne gemäß § 34 Abs. 1 VwGVG erst mit der Vorlage der Beschwerde durch die Behörde. Die Nichtvorlage der Beschwerde durch die Behörde könne weder als Säumnis des Verwaltungsgerichtes mit Fristsetzungsantrag beim Verwaltungsgerichtshof noch als Säumnis der Behörde mit Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgericht bekämpft werden. Dem Revisionswerber stehe kein anderer Rechtsschutzweg als die Maßnahmenbeschwerde offen.

23 Gemäß § 38 Abs. 1 VwGG kann ein Fristsetzungsantrag erst gestellt werden, wenn das Verwaltungsgericht die Rechtssache - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - nicht binnen sechs Monaten entschieden hat. Damit korrespondiert der die Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normierende § 34 VwGVG. Nach dessen ersten Satz ist das Verwaltungsgericht nämlich verpflichtet, (ua.) über Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden. Nach dem zweiten Satz des § 34 Abs. 1 VwGVG beginnt die Entscheidungsfrist im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG mit der Vorlage der Beschwerde. Die Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichtes wird in diesem Fall daher (erst) mit dem Einlangen der Beschwerde ausgelöst. Die Frist für die Entscheidung beginnt somit in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem die Beschwerde beim Verwaltungsgericht einlangt. Erst das tatsächliche Einlangen beim Verwaltungsgericht ist maßgeblich (vgl. etwa , mwN).

24 Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich in seiner bisherigen Rechtsprechung aufgrund von Fristsetzungsanträgen bereits mit Fällen zu befassen, in denen die Behörde eine Bescheidbeschwerde dem Verwaltungsgericht (zum Teil deutlich) nach Ablauf der Frist für eine Beschwerdevorentscheidung vorgelegt hatte. Auch in diesen Fällen wurde darauf hingewiesen, dass die Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichtes (erst) mit dem Einlangen der Beschwerde ausgelöst werde und die Frist für die Entscheidung in dem Zeitpunkt zu laufen beginne, in dem die Beschwerde beim Verwaltungsgericht tatsächlich einlange (vgl. etwa den , zugrundeliegenden Fall, in dem die Beschwerde vom erst am dem Verwaltungsgericht vorgelegt wurde).

25 Soweit überblickbar handelte es sich bei den bisherigen Verfahren erkennbar immer um solche Fälle, in denen im Zeitpunkt der Einbringung des Fristsetzungsantrages entweder die Beschwerde dem Verwaltungsgericht überhaupt nicht vorgelegt oder von der Behörde mit zeitlicher Verzögerung vorgelegt worden war.

26 § 34 Abs. 1 VwGVG stellt (sowohl in der Stammfassung als auch in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 24/2017, weshalb auf die damit erfolgte Änderung nicht weiter Bedacht genommen werden muss) - hinsichtlich der hier interessierenden Bescheidbeschwerde -

darauf ab, dass "die Entscheidungsfrist mit der Vorlage der Beschwerde" beginnt. Unzweifelhaft steht diese Bestimmung im Zusammenhang (insbesondere) mit § 13 Abs. 5 und § 14 Abs. 2 VwGVG (sowie sämtlichen weiteren Bestimmungen, wie etwa § 14 Abs. 3 und § 16 Abs. 2 VwGVG), die eine Pflicht der Verwaltungsbehörde - bei der die Beschwerde einzubringen war - zur Vorlage der Beschwerde (in der Regel unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens) an das Verwaltungsgericht festlegen.

Demgemäß ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber - gleichwohl er in § 34 Abs. 1 VwGVG nicht ausdrücklich festgelegt hat, durch wen die Vorlage erfolgt sein muss, um die Entscheidungsfrist auszulösen - vor Augen hatte, dass die Entscheidungsfrist für das Verwaltungsgericht in jenem Zeitpunkt beginnen soll, zu dem die Verwaltungsbehörde, bei der die Beschwerde einzubringen war, die Beschwerde dem Verwaltungsgericht vorgelegt hat. Dies ergibt sich zunächst schon daraus, dass sich die Beschwerde in jenem Fall, in dem sie bei der Behörde einzubringen ist, in den Händen der Behörde befindet und dieser an sich die Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht obliegt. Eine andere Sichtweise stünde zudem (bezogen auf die hier maßgebliche Bescheidbeschwerde) im Spannungsverhältnis zu der der Behörde offenstehenden Frist für die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung. Würde sich doch bei jener anderen Sichtweise, wonach die Vorlage der Beschwerde mit Rechtsfolgen bewehrt durch wen auch immer erfolgen könnte, eben diese Zuständigkeit als fraglich darstellen.

27 Eine solche Situation kann aber dann nicht mehr eintreten, wenn die der Behörde für die Behandlung der Beschwerde zur Verfügung stehende - sei es im VwGVG oder in Sonderbestimmungen festgesetzte - Frist abgelaufen ist.

28 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Ro 2017/20/0001, in Bezug auf Säumnisbeschwerden festgehalten, dass die Möglichkeit der Nachholung des Bescheides durch die Behörde darauf aufbaut, dass die Säumnisbeschwerde gemäß § 12 VwGVG bei der säumigen Verwaltungsbehörde einzubringen ist, und auch voraussetzt, dass die Zuständigkeit für die Entscheidung in der zu erledigenden Verwaltungsangelegenheit nicht schon allein aufgrund der Einbringung einer - zulässigen und berechtigten - Säumnisbeschwerde auf das angerufene Verwaltungsgericht übergeht. Demnach bleibt im Fall der Einbringung einer Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG die Zuständigkeit der säumigen Behörde zur Entscheidung in der Verwaltungsangelegenheit bis zum Ablauf der dreimonatigen Nachholfrist gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG bestehen. Dies gilt mit Ausnahme des Falles, dass die Behörde bereits vor Ablauf dieser Frist die Säumnisbeschwerde samt Verwaltungsakten dem Verwaltungsgericht vorlegt (§ 16 Abs. 2 VwGVG).

Demnach geht infolge einer zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde nach Vorlage derselben oder ungenütztem Ablauf der Nachfrist des § 16 Abs. 1 VwGVG die Zuständigkeit, über die betriebene Verwaltungsangelegenheit zu entscheiden, auf das Verwaltungsgericht über. Gleichzeitig erlischt die Zuständigkeit der Behörde spätestens mit Ablauf der dreimonatigen Nachfrist, die mit dem Einbringungszeitpunkt der - zulässigen und berechtigten - Säumnisbeschwerde zu laufen begonnen hat.

29 Nichts anderes hat in Bezug auf eine Bescheidbeschwerde im Verhältnis zur Befugnis der Behörde, eine Beschwerdevorentscheidung treffen zu dürfen, zu gelten. Der Behörde steht es gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie nach § 14 Abs. 2 VwGVG dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

30 Der ungenützte Ablauf der Frist für eine Beschwerdevorentscheidung bewirkt - ebenso wie die (fallbezogen nicht gegebene) Vorlage der Bescheidbeschwerde vor Ablauf der Frist für eine Beschwerdevorentscheidung - im Sinn des zu Säumnisbeschwerden Gesagten, dass der Behörde die Zuständigkeit zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung verlustig geht und die Zuständigkeit, über die Beschwerde zu entscheiden, auf das Verwaltungsgericht übergeht.

31 Damit allein ist allerdings noch nichts darüber ausgesagt, ob und wann die Frist für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu laufen beginnt und wie die Einhaltung derselben durchgesetzt werden kann, wenn die von der Behörde vorzunehmende Vorlage der Beschwerde unterbleibt.

32 Wie auch vom Revisionswerber vertreten, wird auch in der Literatur zum Teil davon ausgegangen, dass in jenem Fall, in dem die Behörde, obgleich sie dazu verpflichtet ist, die Beschwerde dem Verwaltungsgericht nicht vorlegt, eine Rechtsschutzlücke vorliege (vgl. etwa Schulev-Steindl, Säumnisschutz und Verwaltungsgerichtsbarkeit, ÖJZ 2014, 437ff.; Schulev-Steindl, Die Säumnisbeschwerde an die Verwaltungsgerichte und Säumnisschutz im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, in Holoubek/Lang (Hrsg.), Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesfinanzgericht, 61ff.; Pabel, Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, in Fischer/Pabel/Raschauer (Hrsg.), Handbuch der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 379ff.; Schmied/Schweiger, Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz, 62 und 66; Martschin in Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahren der Verwaltungsgerichte2, § 16 VwGVG K 14; Winkler in Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 188; vgl. zum Stand der Literatur auch die Zusammenfassung in Cede, Rechtsschutz bei unterbliebener Beschwerdevorlage, AnwBl 2017, 16ff.). Zwecks Durchsetzung der Beschwerdevorlage durch die Behörde - also zur Vornahme einer faktischen Handlung im Rahmen des Verfahrens - könne weder eine Säumnisbeschwerde nach dem VwGVG oder ein Fristsetzungsantrag nach dem VwGG eingebracht werden noch stehe sonst ein Rechtsbehelf zur Verfügung, um die rechtswidrig unterbliebene Vorlage der Beschwerde zu erzwingen.

33 Wie oben dargelegt, stellt § 34 Abs. 1 VwGVG für den Beginn der Entscheidungspflicht auf die Vorlage der Beschwerde durch die Behörde, bei der sie einzubringen war, ab. Der Wortlaut dieser Bestimmung steht aber einer Sichtweise dergestalt nicht entgegen, dass - in verfassungskonformer Interpretation zur Vermeidung einer Rechtsschutzlücke - ausnahmsweise auch die Vorlage der Beschwerde durch jemand anderen als die Verwaltungsbehörde die Entscheidungsfrist des Verwaltungsgerichts auslösen kann.

Liegt die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Beschwerde bereits beim Verwaltungsgericht und wird die Beschwerde dennoch von der (belangten) Behörde (die in Bezug auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gemäß § 18 VwGVG Partei dieses Verfahrens ist) trotz der sie treffenden Pflicht, die Beschwerde dem Verwaltungsgericht übermitteln zu müssen, nicht - mit Blick darauf, dass die Vorlage erst mit dem Einlangen beim Verwaltungsgericht bewirkt ist, in einer in Anbetracht der Umstände des Einzelfalles angemessenen Zeit, die die Übermittlung faktisch in Anspruch nimmt - vorgelegt, ist davon auszugehen, dass sowohl dem Beschwerdeführer als auch anderen Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht die Möglichkeit zur Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht mit der Rechtsfolge, dass die Entscheidungsfrist zu laufen beginnt, nicht versagt bleiben kann (vgl. in diesem Sinn auch Cede, aaO; Hauer, Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts3, Rz 254).

Kann aber auf diese Weise der Beginn der Entscheidungsfrist herbeigeführt werden, kann letztlich auch die Pflicht des Verwaltungsgerichts zur Entscheidung über die Beschwerde im Weg des Fristsetzungsverfahrens nach dem VwGG beim Verwaltungsgerichtshof durchgesetzt werden.

34 Am Boden dieser Rechtslage trifft dann aber das Argument des Revisionswerbers, es bestehe eine Rechtsschutzlücke, die nur mittels einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt geschlossen werden könne, nicht zu.

35 Dem Revisionswerber wäre nach dem Gesagten - bis zur letztlich doch noch erfolgten Vorlage an das Verwaltungsgericht - infolge des rechtswidrigen Unterbleibens der Vorlage der Beschwerde durch die Behörde die Möglichkeit offen gestanden, die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichts in Gang zu setzen, indem er selbst - unter Hinweis auf die bislang unterbliebene Beschwerdevorlage - die Beschwerde dem Verwaltungsgericht vorgelegt hätte (wozu - was, um Missverständnisse zu vermeiden, zu ergänzen ist - eine Abschrift oder Kopie (odgl.) ausreicht, zumal sich das Original des Beschwerdeschriftsatzes in den Händen der Behörde befindet).

36 Somit hat das Bundesverwaltungsgericht die gegenständliche Beschwerde wegen behaupteter Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Dass infolge eines Verfahrensfehlers das Bundesverwaltungsgericht in nicht rechtskonformer Weise von einer verspätet erhobenen Beschwerde ausging, verletzte den Revisionswerber im gegenständlichen Fall nicht in subjektiven Rechten (vgl. ).

37 Es lässt sohin schon der Inhalt der Revision erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt. Die Revision war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017190421.L00
Schlagworte:
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3

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