VwGH vom 18.11.2009, 2008/08/0002

VwGH vom 18.11.2009, 2008/08/0002

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der N GmbH in K, vertreten durch Dr. Franz Müller-Strobl, Dr. Robert Kugler und Mag. Florian Mitterbacher, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 4/II, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom , Zl. 14-SV-3109/3/07, betreffend Beitrag nach § 5b AMPFG (mitbeteiligte Partei: Kärntner Gebietskrankenkasse, 9021 Klagenfurt, Kempfstraße 8), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom hat die Kärntner Gebietskrankenkasse die beschwerdeführende Partei als ehemalige Dienstgeberin des Dienstnehmers W zur Zahlung eines Beitrages gemäß § 5b Arbeitsmarktpolitikfinanzierungsgesetz (AMPFG) von EUR 4.074,91 verpflichtet.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Einspruch. Darin brachte sie im Wesentlichen vor, dass W Betriebsratsvorsitzender gewesen sei. Er habe seine Arbeit aber aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können. Im Jahr 2005 sei er wiederholt, und beginnend mit sei er bis laufend im Krankenstand (gewesen). Eine Genesung sei nicht absehbar. W sei nicht ausgetreten, da er sonst seinen Abfertigungsanspruch verloren hätte. Er sei als Arbeiter beschäftigt gewesen. Wäre er nicht Betriebsratsmitglied gewesen, wäre nach § 82 GewO 1859 eine Entlassung gerechtfertigt gewesen. Da er aber Betriebsratsmitglied gewesen sei, sei lediglich nach den Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes eine Kündigung mit Zustimmung des Gerichtes möglich gewesen. Diese sei letzen Endes (im Wege eines Anerkenntnisurteiles) auch erfolgt. Eine derartige Kündigung sei einer Entlassung aus gesundheitlichen Gründen gleichzuhalten. Im Übrigen sei ein Anspruch auf Invaliditätspension vorgelegen. W habe allerdings keinen Antrag auf Invaliditätspension gestellt, da er Pensionseinbußen befürchtet habe.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde dem Einspruch der beschwerdeführenden Partei keine Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, es komme lediglich auf den formalen Akt der Beendigung des Dienstverhältnisses und nicht auf allfällige Motive dafür an. Eine Kündigung falle nicht unter die Ausnahmetatbestände des § 5b Abs. 2 AMPFG. Es komme nicht darauf an, ob der Dienstnehmer im Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses wegen seiner Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension gehabt hätte oder ob er einen diesbezüglichen Antrag gestellt habe oder nicht, sondern ausschließlich darauf, ob er zu diesem Zeitpunkt schon einen Anspruch auf diese Pension gehabt hat. Das Dienstverhältnis sei am (mit dem Beschäftigungsende und dem Entgeltende ) beendet worden. Zu diesem Zeitpunkt habe W keinen Anspruch auf eine Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension gehabt, sondern dieser Anspruch habe erst, wie die beschwerdeführende Partei selbst (in einem Schreiben vom ) angegeben habe, seit bestanden.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , Zl. B 2140/07-3 ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht verletzt, mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zur Zahlung eines Beitrages gemäß § 5b AMPFG verpflichtet zu werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 5b AMPFG Abs. 1 und Abs. 2 (vor der Aufhebung durch die Novelle BGBl. I Nr. 90/2009) hatte folgenden Wortlaut:

"Arbeitslosenversicherungsbeitrag bei Freisetzung Älterer

§ 5b. (1) Wird das Dienstverhältnis einer Person, die zum Beendigungszeitpunkt das 50. Lebensjahr vollendet oder überschritten hat, aufgelöst, so hat der Dienstgeber einen Beitrag zu entrichten, wenn das Dienstverhältnis mindestens zehn Jahre gedauert hat. Bei der Berechnung der Dauer des Dienstverhältnisses werden Unterbrechungen der Beschäftigung bis zu einem Jahr sowie die Zeit der Beschäftigung in einem anderen Unternehmen innerhalb eines Konzerns oder innerhalb einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht (zB ARGE) eingerechnet.

(2) Die Beitragspflicht besteht nicht, wenn

1. die Dienstnehmerin oder der Dienstnehmer


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a)
gekündigt hat oder
b)
ohne wichtigen Grund vorzeitig ausgetreten ist oder
c)
aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig ausgetreten ist oder
d)
im Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses einen Anspruch auf eine Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension hat oder
e) zum Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses die Anspruchsvoraussetzungen für eine andere (vorzeitige) Alterspension als die Korridorpension gemäß § 4 Abs. 2 des Allgemeinen Pensionsgesetzes (APG), BGBl. I Nr. 142/2004, erfüllt oder
f) im Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines Sonderruhegeldes nach Art. X des Nachtschwerarbeitsgesetzes (NSchG), BGBl. Nr. 354/1981, erfüllt oder
2.
die Entlassung gerechtfertigt ist oder
3.
innerhalb eines Konzerns oder innerhalb einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht (zB ARGE) im unmittelbaren Anschluss an das beendete Dienstverhältnis ein neues Dienstverhältnis begründet wird oder
4. ein Wiedereinstellungsvertrag oder eine Wiedereinstellungszusage (§ 9 Abs. 7 AlVG) vorliegt oder
5.
der Betrieb stillgelegt wird oder
6.
ein Teilbetrieb stillgelegt wird und keine Beschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Teilbetrieb besteht."
§ 223 ASVG idF BGBl. I Nr. 138/1998 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"§ 223. (1) Der Versicherungsfall gilt als eingetreten:

...

2. bei Leistungen aus den Versicherungsfällen geminderter Arbeitsfähigkeit, und zwar

a) im Falle der Invalidität, Berufsunfähigkeit oder Dienstunfähigkeit mit deren Eintritt, wenn aber dieser Zeitpunkt nicht feststellbar ist, mit der Antragstellung;

...

(2) Der Stichtag für die Feststellung, ob der Versicherungsfall eingetreten ist und auch die anderen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, sowie in welchem Zweig der Pensionsversicherung und in welchem Ausmaß eine Leistung gebührt, ist bei Anträgen auf eine Leistung nach Abs. 1 Z 1 oder 2 der Tag der Antragstellung, wenn dieser auf einen Monatsersten fällt,

sonst der dem Tag der Antragstellung folgende Monatserste. ... "

§ 254 Abs. 1 ASVG idF BGBl. II Nr. 446/2005 lautet:

"§ 254. (1) Anspruch auf Invaliditätspension hat der (die) Versicherte, wenn

1. die Invalidität (§ 255) voraussichtlich sechs Monate andauert oder andauern würde,


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2.
die Wartezeit erfüllt ist (§ 236) und
3.
er (sie) am Stichtag (§ 223 Abs. 2) noch nicht die Voraussetzungen für eine Alterspension nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz, mit Ausnahme der Alterspension nach § 4 Abs. 2 APG, erfüllt hat."
Gemäß § 256 Abs. 1 1. Satz ASVG gebührt die Invaliditätspension nach § 254 Abs. 1 ASVG längstens für die Dauer von 24 Monaten ab dem Stichtag.
Hinsichtlich der Invaliditätspension des W geht aus einer im Akt befindlichen Stellungnahme der Kärntner Gebietskrankenkasse vom hervor, dass im Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses kein Anspruch auf Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension bestanden habe. Tatsächlich sei der Pensionsantrag am bei der Pensionsversicherungsanstalt eingebracht worden und bestehe ein Anspruch auf Invaliditätspension ab .
In einem im Akt befindlichen Schriftsatz der beschwerdeführenden Partei vom wird vorgebracht, dass W sich seit "in Invaliditätspension befinde". Er habe den Antrag unmittelbar nach Beendigung des Dienstverhältnisses gestellt. Es liege daher insofern ein Ausnahmetatbestand vor, als im Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses ein Anspruch auf Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension bereits bestanden habe.
Wie sich aus § 223 Abs. 2 ASVG ergibt, müssen alle Anspruchsvoraussetzungen (erst) am Stichtag, das ist frühestens der Tag der Antragstellung, erfüllt sein und sind auch im Hinblick auf diesen Tag zu prüfen. Es ist daher zutreffend, dass, wie die belangte Behörde angenommen hat, vor der Antragstellung jedenfalls noch kein Anspruch auf Invaliditätspension im Sinne des § 5b Abs. 2 Z 1 lit. d AMPFG bestehen kann.
Die Beschwerde ist dennoch begründet:
Es trifft zwar zu, wie die belangte Behörde bemerkt, dass es bei der Frage, ob eine Ausnahme nach § 5b Abs. 2 AMPFG vorliegt, nicht auf allfällige Motive des Dienstgebers betreffend die Wahl der Form der Auflösung des Dienstverhältnisses ankommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/08/0207). Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um Motive des Dienstgebers, zumal ihm keine Wahl zwischen Entlassung und Kündigung zukam (vgl. § 121 Z 2 ArbVG).
Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Bestimmung des § 5b Abs. 2 Z 2 AMPFG stellt seit der Novelle BGBl. I Nr. 101/2000, nur mehr darauf ab, ob die Entlassung gerechtfertigt ist. Dazu ist festzuhalten, dass eine auch durch unverschuldete Krankheit oder Unglücksfall bedingte Arbeitsunfähigkeit zur Berechtigung der Entlassung führt, wenn die Krankheit eine dauernde Dienstunfähigkeit zur Folge hat (vgl. die bei Dittrich/Tades, Arbeitsrecht V, Loseblattsammlung, 1639, 96. Erg.-Lfg., unter E 36 zu § 82 lit. b GewO 1859 wiedergegebene Judikatur des OGH).
§ 5b AMPFG geht von dem Prinzip aus, dass ein Dienstgeber, der einen älteren Dienstnehmer auf dem Arbeitsmarkt freisetzt, einen Beitrag zu den dadurch entstehenden Kosten zu leisten hat (vgl. die Nachweise zu den Gesetzesmaterialien im zitierten hg. Erkenntnis vom ). Dies soll aber dann nicht gelten, wenn eine Ausnahme nach § 5b Abs. 2 AMPFG vorliegt, also u. a. dann, wenn die Entlassung wegen der dauernden Unfähigkeit die vereinbarten Dienste zu leisten, ausgesprochen wurde.
Die Regelungen, nach denen bei Mitgliedern des Betriebsrates ein besonderer Kündigungs- und Entlassungsschutz besteht (§§ 120 ff ArbVG), dienen dem Bestandsschutz des Betriebsrates. Die damit verfolgten Zwecke stellen aber keinen sachlichen Grund dafür dar, auch bei der Beitragspflicht nach § 5b AMPFG zwischen dauernd arbeitsunfähigen Betriebsräten und anderen arbeitsunfähigen Dienstnehmern zu differenzieren.
Vor diesem Hintergrund kann § 5b Abs. 2 Z 2 AMPFG nicht so verstanden werden, dass dann, wenn aus den hier gegebenen besonderen rechtlichen Gründen eine Entlassung nicht zulässig ist, eine solche aber ansonsten gleichwohl gerechtfertigt wäre, ein Beitrag gemäß § 5b AMPFG zu leisten ist. Ist eine Entlassung dem Dienstgeber wie im vorliegenden Fall verwehrt, reicht es somit für eine Ausnahme im Sinne des § 5b Abs. 2 AMPFG aus, wenn die Entlassung ohne ein derartiges spezielles Verbot möglich und gerechtfertigt wäre und das Gericht einer Kündigung aus diesem Grund zugestimmt hat. Eine Auslegung in diesem verfassungskonformen Sinn findet auch insofern im Wortlaut des § 5b Abs. 2 Z 2 AMPFG Deckung, als diese Norm darauf abstellt, dass die Entlassung gerechtfertigt ist, nicht aber, dass auch im Fall des Bestehens eines besonderen Entlassungs- und Kündigungsschutzes eine Entlassung zur Beendigung des Dienstverhältnisses geführt haben muss.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da die Umsatzsteuer in den Pauschalbeträgen der genannten Verordnung bereits berücksichtigt ist.
Wien, am