VwGH vom 24.11.2010, 2008/08/0001

VwGH vom 24.11.2010, 2008/08/0001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der J P in Wien, vertreten durch Mag. Thomas M. Egerth, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Fasangartengasse 6-8/1/2, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Leistungsausschusses ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. LGSW/Abt. 3- AlV/05661/2007-1192, betreffend Anspruch auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien R vom wurde die Notstandshilfe der Beschwerdeführerin mangels Arbeitsfähigkeit gemäß § 33 Abs. 2 iVm §§ 38, 7, 24 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AlVG ab eingestellt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Sie führte unter anderem aus, dass die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit offensichtlich auf "arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachten vom B" basiere. Sie sei von einer Ärztin untersucht worden, habe aber, da sie der deutschen Sprache nicht mächtig sei und kein Dolmetsch anwesend gewesen sei, nicht alles verstanden und sich auch nicht gut artikulieren können. Sie habe sich zudem durch den Tod ihres Lebensgefährten in einer schweren seelischen Krise befunden. Sie fühle sich jedoch im Stande, leichtere Tätigkeiten zu verrichten und sei der Meinung "arbeits- und kursfähig" zu sein.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin ab. Sie stellte fest, dass die Beschwerdeführerin am einen Antrag auf Notstandshilfe als Pensionsvorschuss eingebracht habe. Am habe die Beschwerdeführerin angegeben, die Klage am zurückgezogen zu haben; anlässlich einer Vorsprache am habe sie angegeben, am (neuerlich) einen Antrag auf Invaliditätspension gestellt zu haben. Das Gutachten des beruflichen Diagnosezentrums vom sei der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht worden. Demnach sei die Beschwerdeführerin aus arbeitsmedizinischer Sicht unbefristet arbeits- und kursunfähig. Die Beschwerdeführerin sei darüber informiert worden, dass sie bis zur Entscheidung über den Antrag auf Invaliditätspension Pensionsvorschuss erhalte. Sollte dieser Antrag abgelehnt werden, würde sie keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung mehr erhalten. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Invaliditätspension sei mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom abgelehnt worden, da die Wartezeit nicht erfüllt sei.

Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung hätten nach § 77 AlVG nur Personen, die arbeitsfähig seien. Aufgrund des ärztlichen Gutachtens des B sei dies nicht der Fall.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 AlVG ist eine Voraussetzung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld die Arbeitsfähigkeit. Gemäß § 8 Abs. 1 AlVG ist arbeitsfähig, wer nicht invalid bzw. nicht berufsunfähig im Sinne der für ihn in Betracht kommenden Vorschriften der §§ 255, 273 bzw. 280 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 AlVG ist das Arbeitslosengeld einzustellen, wenn eine der Anspruchsvoraussetzungen wegfällt.

Gemäß § 38 AlVG sind die genannten Bestimmungen auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

2. Die belangte Behörde stützt die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit der Beschwerdeführerin auf ein arbeitsmedizinisches Gutachten, wonach die Beschwerdeführerin unbefristet arbeits- und kursunfähig sei.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Diagnose der unbefristeten Arbeits- und Kursunfähigkeit im arbeitsmedizinischen Gutachten rühre wesentlich daher, dass sie sich im Zeitpunkt der Untersuchung in einer seelischen Krise aufgrund des Todes ihres langjährigen Lebenspartners befunden habe und zudem der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig gewesen sei, um sich entsprechend zu artikulieren und dem Anamnesegespräch vollständig zu folgen. Den in ihrer Berufung vorgebrachten Einwänden gegen die Feststellung der unbefristeten Arbeits- und Kursunfähigkeit sei im Berufungsverfahren nicht näher nachgegangen worden, insbesondere sei weder der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin einer neuerlichen Überprüfung unterzogen noch die Stichhaltigkeit des Gutachtens überprüft worden, weshalb die belangte Behörde ihre Pflicht zur materiellen Wahrheitsfindung gemäß § 37 iVm § 39 Abs. 2 AVG verletzt habe.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die bloße Behauptung der Beschwerdeführerin, arbeitsfähig zu sein, nicht ausreicht, um ein die Arbeitsfähigkeit verneinendes medizinisches Gutachten in Frage zu stellen, zumal die Beschwerdeführerin damit dem Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/08/0113). Insbesondere ist festzuhalten, dass nach den Gutachtensergebnissen die Arbeitsunfähigkeit auf der "führenden Diagnose" einer posttraumatischen Sekundärarthrose und Oberarmkopfnekrose nach Trümmerbruch des rechten Schultergelenks gestützt wird.

Der Beschwerdeführerin ist zwar einzuräumen, dass sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit dem Berufungsvorbringen betreffend die sprachlichen Verständigungsprobleme anlässlich der ärztlichen Untersuchung nicht auseinandergesetzt hat. Sie vermag jedoch auch in der Beschwerde nicht aufzuzeigen, welche Umstände sie im Fall der Beiziehung eines Dolmetschers hätte vorbringen können, die zu einer anderen Beurteilung der Arbeitsfähigkeit hätten führen können; dem geltend gemachten Verfahrensmangel kommt daher keine Relevanz zu. Die Beschwerdeführerin legt auch nicht dar, dass sich ihr Gesundheitszustand zwischen dem Zeitpunkt der ärztlichen Untersuchung und der Erlassung des angefochtenen Bescheides verbessert habe, sodass auch die Rüge, die belangte Behörde hätte eine weitere ärztliche Befundaufnahme und Begutachtung anzuordnen gehabt, ins Leere geht.

3. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am