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VwGH vom 23.01.2007, 2005/11/0049

VwGH vom 23.01.2007, 2005/11/0049

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der I in L, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. VerkR-590352-2004-J/Hm, betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Akteneinsicht in einer kraftfahrrechtlichen Angelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom forderte die Bezirkshauptmannschaft Braunau die Beschwerdeführerin als Zulassungsbesitzerin eines nach dem Kennzeichen bestimmten Kraftfahrzeuges gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 auf, der Behörde binnen zwei Wochen nach Zustellung des Schreibens darüber Auskunft zu erteilen, wer das Kraftfahrzeug am zu einem näher bestimmten Zeitpunkt an einem näher bestimmten Ort in L gelenkt habe.

Mit Schriftsatz vom stellte die Beschwerdeführerin an die Erstbehörde den Antrag auf Akteneinsicht und darüber "bescheidmäßig" abzusprechen, weil ihrem Rechtsvertreter am selben Tag durch den Sachbearbeiter der Erstbehörde die Akteneinsicht und Abschriftnahme mit der Begründung verwehrt worden sei, dass vor Vorliegen der Lenkerauskunft keine Akteneinsicht gewährt und eine Abschriftnahme nicht ermöglicht werde.

Mit Bescheid vom wies die Erstbehörde den Antrag auf Akteneinsicht mit der wesentlichen Begründung ab, dass der Beschwerdeführerin eine Parteistellung bzw. ein Recht auf Akteneinsicht nicht zukomme.

Der Landeshauptmann von Oberösterreich gab mit Bescheid vom der dagegen erhobenen Berufung keine Folge.

Die belangte Behörde führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass im Verfahren zur Erteilung der Lenkerauskunft (als Administrativverfahren gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967) der Auskunftspflichtige Parteistellung besitze und dieser hier auch Antragsrechte, das Recht auf Akteneinsicht sowie das Recht auf Erhebung eines Rechtsmittels geltend machen könne. Dasselbe gelte für das gegen den Auskunftspflichtigen durchgeführte Verwaltungsstrafverfahren bei Verweigerung der Lenkerauskunft, das hier mit der Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Braunau auf der Grundlage des § 134 Abs. 1 in Verbindung mit § 103 Abs. 2 KFG 1967 eingeleitet worden sei.

Hinsichtlich der vom Gendarmerieposten Mattighofen wahrgenommenen und angezeigten Übertretung der Straßenverkehrsordnung gegen einen unbekannten Lenker und des mit diesem durchzuführenden Verwaltungsverfahrens könne eine Parteistellung der Beschwerdeführerin jedoch nicht "von vornherein" abgeleitet werden. Ausdrücklich werde nämlich im § 17 Abs. 1 AVG normiert, dass das Recht auf Akteneinsicht nur der Partei und nur "in die ihre Sache betreffenden Akten" eingeräumt wird. Gleichzeitig werde im § 8 AVG festgelegt, dass Parteistellung nur insoweit gegeben ist, als sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt ist. Unter Rechtsanspruch sei dabei der Anspruch auf ein bestimmtes Verhalten der Behörde in materieller Hinsicht (z.B. auf Erteilung einer Bewilligung oder einer Konzession), unter rechtlichem Interesse der Anspruch auf ein bestimmtes verfahrensrechtliches Verhalten der Behörde zu verstehen. Ein rechtliches Interesse wäre nur dann gegeben, wenn dieses vom positiven Recht als schutzwürdig anerkannt würde.

Das Vorliegen eines "konkretisierten Rechtsanspruches" oder eines rechtlichen Interesses in Bezug auf das mit dem Lenker durchzuführende Verwaltungsverfahren sei aber von der Beschwerdeführerin in ihren Schriftsätzen nicht nachgewiesen, ja nicht einmal behauptet worden. Diesbezüglich könne auch ein allgemeiner Verweis auf ein Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg - die Beschwerdeführerin hatte sich unter anderem auf einen näher bezeichneten Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom bezogen, in welchem ausgesprochen worden war, dass im Verfahren nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 dem Zulassungsbesitzer Akteneinsicht zustehe - oder auf die in der Berufungsschrift angeführten anderen behördlichen Schreiben nicht dienlich sein. Eine Parteistellung der Beschwerdeführerin, bezogen auf das mit dem Lenker durchzuführende Verwaltungsverfahren, habe daher nicht abgeleitet werden können. So müsse die Behörde davon ausgehen, dass es sich bei dem Verfahren mit dem Lenker grundsätzlich nicht um "die ihre Sache betreffenden Akten" handle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Dagegen hat die Beschwerdeführerin repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

§ 17 AVG lautet (auszugsweise):

"Akteneinsicht

§ 17. (1) Die Behörde hat, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, den Parteien Einsicht in die ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestatten; ... .

...

(4) Gegen die Verweigerung der Akteneinsicht ist kein Rechtsmittel zulässig."

Aus § 17 Abs. 4 AVG ergibt sich, dass die Verweigerung der Akteneinsicht gegenüber der Partei in einem anhängigen Verfahren nur eine Verfahrensanordnung im Sinne des § 63 Abs. 2 AVG darstellt, deren Rechtswidrigkeit erst und nur mit dem Rechtsmittel gegen den das Verfahren abschließenden Bescheid geltend gemacht werden kann. Ist hingegen über das Akteneinsichtsbegehren einer Person abzusprechen, der im laufenden Verwaltungsverfahren Parteistellung nicht zukommt oder deren Parteistellung sich auf ein bereits abgeschlossenes Verfahren bezogen hat, hat dies durch einen (verfahrensrechtlichen) Bescheid zu geschehen, der im Instanzenzug bekämpft werden kann (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. 2000/11/0100, mwN.).

Der oben dargestellte Grundsatz, dass die Verweigerung der Akteneinsicht gegenüber der Partei in einem anhängigen Verfahren nur eine Verfahrensanordnung darstellt, deren Rechtswidrigkeit erst bei der Anfechtung des in der Sache ergehenden Bescheides als Verfahrensmangel geltend gemacht werden kann, kommt ferner in solchen Verfahren nicht zum Tragen, in denen ein die Angelegenheit abschließend erledigender Bescheid im Sinne des § 63 Abs. 2 AVG nicht in Betracht kommt. In solchen Verfahren hat über die Verweigerung der Akteneinsicht ein im Instanzenzug anfechtbarer Bescheid zu ergehen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/11/0259).

Eine solche Konstellation war, wie die belangte Behörde grundsätzlich zutreffend erkannte, im vorliegenden Fall gegeben, weil das Verfahren, in dem die Aufforderung zur Auskunftserteilung gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 ergeht, ein Administrativverfahren ist, in dem der Zulassungsbesitzer - im vorliegenden Fall die Beschwerdeführerin - Partei ist und kein die Angelegenheit abschließender Bescheid ergeht. Der Aufforderung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Bescheidqualität zu (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom , Zl. 91/11/0073, mwN.).

Die Beschwerdeführerin war demnach im Verwaltungsverfahren (Administrativverfahren) Partei und hatte das Recht auf Einsicht in die diese Sache betreffenden Akten. Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage sowie auf Grund des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag vom ausdrücklich auf das "gegenständliche Administrativverfahren" Bezug genommen hat, konnte es bei verständiger Würdigung keinem Zweifel unterliegen, auf welches Verfahren sich das Akteneinsichtsbegehren der Beschwerdeführerin bezogen hat. Da die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag ihre Sicht des Sachverhaltes voranstellte, nämlich die formlose Verweigerung der Akteneinsicht "vor Vorliegen der Lenkerauskunft" durch einen Sachbearbeiter der Erstbehörde, war der von ihr gestellte Antrag eindeutig als solcher auf Abspruch über die Verweigerung der Akteneinsicht im kraftfahrrechtlichen Administrativverfahren zu werten.

Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Äußerung vom ins Treffen führt, dass die Entscheidung in einer Verkehrsstrafsache, also in Vollziehung der StVO 1960, ergangen sei, sodass die Landesregierung zur Entscheidung zuständig gewesen sei, ist auch diesbezüglich zu entgegnen, dass die Beschwerdeführerin im genannten, mit dem angefochtenen Bescheid erledigten Antrag ausdrücklich auf das "gegenständliche Administrativverfahren" Bezug genommen hat. In der vorliegenden Angelegenheit des Kraftfahrwesens ist jedoch die Landesregierung nicht zuständig.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am