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VwGH vom 23.04.2013, 2010/09/0005

VwGH vom 23.04.2013, 2010/09/0005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des Dipl. Ing. HK in Wien, vertreten durch Dr. Susi Pariasek, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Gonzagagasse 15, gegen den Bescheid des Dienstrechtssenates der Stadt Wien vom , Zl. DS-D - 452/2009, betreffend Verletzung von Dienstpflichten nach der Dienstordnung 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang des Spruchpunktes A) lit. a) und seinem Strafausspruch wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe

"es als Leiter der MA X unterlassen, darauf zu achten, dass seine Mitarbeiter ihre dienstlichen Aufgaben in gesetzmäßiger, zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise besorgen und ihnen erforderlichenfalls Weisungen zu erteilen, aufgetretene Fehler und Missstände - allenfalls unter Erteilung von Belehrungen oder Ermahnungen - abzustellen, indem er

a) nicht dafür Sorge getragen hat, dass der Empfehlung

der MD-PR-GIR, Revisionsbericht von September 2002, Y/2002, wonach bei Instandsetzungsarbeiten, welche örtlich in unmittelbarem Zusammenhang stehen, eine Ausschreibung im offenen Verfahren durchzuführen ist, entsprochen wird, sodass zwischen Jänner und Dezember 2004 die Kontrahentenfirma E-Bau Ges.m.b.H. mit den Instandhaltungsarbeiten der folgenden örtlich in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Abschnitte des Hauptsammelkanals I (238/2002 - Baustelle H) beauftragt worden ist, obwohl die Rahmenverträge der Kontrahenten zur Vornahme kleinerer Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten und zur Behebung plötzlich und unvermutet auftretender Schäden geschlossen werden:

HSK I - 238/02:


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Ausführungsmonat
Abschnitt
Meldungsdatum
Bestelldatum
Fläche m2
Jänner
N Gasse
660
Februar
M Straße
621
März
H 338
622
Juli
H 342
632
August
H 392
660
September
H
650
November
H
660
Dezember
H
629

b) nicht dafür Sorge getragen hat, dass der Empfehlung

der MD-PR-GIR, Revisionsbericht von September 2002, Y/2002, wonach bei Vergabeverfahren bei Fehlen der Abrechnungsposition 'zementgebundenen Verschleißschicht bis max. 1 cm Stärke' Nachtragsangebote einzuholen sind, entsprochen wird, da

ba) in der Zeit zwischen Jänner 2004 und Februar 2005 von der E-Bau Ges.m.b.H. bezüglich der Ausschreibung Hauptsammelkanal I - 238/2002, und

bb) in der Zeit zwischen Jänner 2004 und Dezember 2004 von der E-Bau Ges.m.b.H bezüglich der Ausschreibung Hauptsammelkanal II - 239/2002

keine entsprechenden Nachtragsangebote eingeholt worden sind, wodurch die Abrechnung der teureren Position 270105A 'Verputz bis 3 cm Tiefe' bis ins Jahr 2005 auch für die Durchführung einer bloß 'zementgebundenen Verschleißschicht bis max. 1 cm Stärke' erfolgt ist,"

Der Beschwerdeführer habe dadurch die in § 34 Abs. 1 erster und zweiter Satz des Gesetzes über das Dienstrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien (Dienstordnung 1994 - DO 1994) normierten Dienstpflichten verletzt. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe des Dreifachen des Monatsbezuges unter Ausschluss der Kinderzulage verhängt.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Ad A)a)

Im Revisionsbericht der MD-PRGIR von September 2002, Zl. Y/2002, wurde ua. die Empfehlung ausgesprochen, Instandsetzungsarbeiten, die örtlich in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen, im offenen Verfahren auszuschreiben.

Mit Schreiben vom teilte der (Beschwerdeführer) der MD-PRGIR mit, dass die im Revisionsbericht enthaltenen Empfehlungen der MD-PRGIR bereits zum Großteil umgesetzt worden seien. Die noch ausstehenden Ergänzungen würden zum gegebenen Zeitpunkt (im Anlassfall) umgesetzt werden.

Aus den im Akt erliegenden Schadensmeldungen und Rechnungen geht hervor, dass im Fall des Hauptsammelkanals I - 238/02 im Zeitraum Jänner bis Dezember 2004 Kanalinnenflächen von rund

5.134 m2 instandgesetzt wurden. Dies entspricht einer Kanallänge von rund 1.450 m, wobei die Instandsetzungsarbeiten von der MA X auf acht Teilbereiche zu je 621 m2 bis 660 m2 aufgesplittet und zu den Bedingungen des Kontrahententarifes an die E-Bau Gesellschaft m.b.H. vergeben wurden. Weiters ist unbestritten, dass das Schadensbild nicht, wie ursprünglich von der MD-PRGIR angenommen, anlässlich von zwei Begehungen festgestellt wurde, sondern dass beim H sieben unterschiedliche Meldungsdaten aufgrund von sieben Begehungen vorliegen.

Gemäß dem Erlass der Magistratsdirektion vom , Zl. MDA-1158-2/03, sind Rahmenverträge mit Unternehmen für wiederkehrende Leistungen abzuschließen, deren Erfüllungszeitpunkt sowie konkreter Umfang nicht von vornherein festlegbar sind.

Nach dem Erlass der Magistratsdirektion betreffend den Abschluss von Kontrahentenverträgen (Rahmenverträge) vom , Zl. MD-BD-3741-1/03, in Verbindung mit dem Arbeitsbehelf für die Vorgangsweise bei der Vergabe ist der Kontrahentenvertrag über Bauleistungen ein Rahmenvertrag mit einem Unternehmer über bestimmte unregelmäßig wiederkehrende kleinere Adaptierungs- und Erhaltungsarbeiten, die innerhalb einer festgelegten Vertragslaufzeit über Abruf des Auftraggebers vom Auftragnehmer erbracht werden. Der Kontrahentenvertrag dient der raschen Abwicklung laufend erforderlicher kleinerer Baumaßnahmen und nicht zur Vermeidung von Projektausschreibungen. Inhalt des Kontrahentenvertrages ist in der Regel eine weitreichende Palette standardisierter einfacher Bauleistungen einer Leistungsart (Gewerk).

Auch dem Schreiben der MD-BD vom ist zu entnehmen, dass an Kontrahenten Rahmenverträge vergeben werden, um kleinere Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen sowie um plötzlich und unvermutet auftretende Schäden rasch beheben zu können.

Eine Aussage dahingehend, wann bei Instandsetzungsarbeiten ein 'unmittelbarer örtlicher Zusammenhang' anzunehmen ist, enthält weder der Revisionsbericht der MD-PRGIR von September 2002 noch jener der MD-PRGIR von Februar 2006.

Der (Beschwerdeführer) führte dazu in seiner Stellungnahme vom aus, dass es fraglich sei, wie ein 'örtlich unmittelbarer Zusammenhang' in einem so begrenzten Raum wie dem Wiener Stadtgebiet von einem 'örtlich nicht unmittelbaren Zusammenhang' unterschieden werden könne und welche Kriterien bei der offensichtlich durchgeführten Unterscheidung angewandt worden seien, weiters, ob diese Kriterien auch dem (Beschwerdeführer) hätten bekannt sein müssen.

Aus dem Aktenvermerk der MD-PRGIR vom geht hervor, dass die Festlegung von Kriterien über die Abrechnungsmodalitäten sowie Flächen- und Massenkategorien der Dienststelle obliegen.

Die MD-BD führte mit Schreiben vom dazu aus, dass die Umsetzung einer geplanten Kanalinstandhaltung, einhergehend mit der Durchführung von offenen Verfahren zu einem früheren Zeitpunkt 'wahrscheinlich' in einigen der angeführten Fälle möglich gewesen sei, räumte aber gleichzeitig ein, dass es hier eine 'Grauzone' gebe, die eine Entscheidung zwischen Kontrahentenvertrag und öffentlicher Ausschreibung nicht immer leicht mache.

In der fortgesetzten Verhandlung der Disziplinarkommission vom führte der Zeuge Herr AR CR, MD-PRGIR, aus, dass es bezüglich der gemeinsamen Ausschreibungen verschiedene Größenordnungen gebe. Man könne auf die örtliche Länge, aber auch auch auf die zeitlichen Zusammenhänge abstellen. Die Definition 'örtlicher Zusammenhang' beruhe auf Festlegungen, die die Dienststelle unter dem Aspekt der Vergaberichtlinie treffen solle. Kontrahentenverträge seien nicht dazu geeignet, weil sie nur für kurzfristige Sanierungsarbeiten gedacht seien, welche zeitlich nicht vorhersehbar seien. Allerdings räumte der Zeuge ein, dass die meisten Arbeiten zum Teil in Bereichen erfolgt sind, die aufgrund der Unterlagen als dringend zu sanieren eingestuft worden sind, und die Schäden nicht vorhersehbar gewesen sind.

Der Zeuge Herr MM, MD-PRGIR, führte in der Verhandlung vor der Disziplinarkommission aus, dass beim örtlichen Zusammenhang auch ein zeitliches Element maßgebend sei. Auch konnte der Zeuge nicht ausschließen, dass Mitarbeiter außerhalb der ein bis zweimaligen Begehungen Schäden gemeldet hätten. Diese Möglichkeit besteht jedenfalls. Sollten die Schäden bei weiteren Aufenthalten entdeckt und gemeldet worden sein, könne er nicht beurteilen, ob diese tatsächlich in einer Ausschreibung zusammengefasst hätten werden können.

In der Verhandlung vor der Disziplinarkommission brachte der (Beschwerdeführer) vor, dass ein örtlicher Zusammenhang dann gegeben sei, wenn ein oder zwei getrennte Baulose mit einer Baustelleneinrichtung wirtschaftlich sinnvoll versorgt werden können. Aus seiner Berufung vom geht ergänzend hervor, dass eine gemeinsame Baustelleneinrichtung aufgrund der notwendigen Stromversorgung und der erforderlichen Geräte nur genutzt werden könne, wenn die Entfernung weniger als 100 m betrage und die Schäden gleichzeitig aufgetreten bzw. bemerkt worden seien. Zu diesem Vorbringen führte auch der Zeuge MM aus, dass das Abstellen auf eine gemeinsame Baustelleneinrichtung ein guter Ansatz für die Bestimmung sei, ob ein örtlicher Zusammenhang gegeben ist. Auch der Zeuge Herr TOAR Ing. HL, welcher allerdings erst seit 2006 in der MA X tätig ist, stellt nunmehr bei Vergabeverfahren auf die Baustelleneinrichtung und die Überschaubarkeit für den Auftragnehmer ab.

Fest steht somit, dass im erstinstanzlichen Verfahren die Frage der Definition eines örtlichen Zusammenhanges von Instandsetzungsarbeiten höchst unterschiedlich beantwortet wurde. Übereinstimmung gab es nur hinsichtlich des Umstandes, dass es Aufgabe der Dienststelle sei, diesbezügliche Kriterien zu erarbeiten und festzulegen. Die Vorgangsweise des (Beschwerdeführers), wonach auf eine gemeinsame Baustelleneinrichtung abzustellen sei, wurde auch von den Zeugen der MD-PRGIR als sinnvoll erachtet.

Aus den im Akt erliegenden Rechnungen Nr. 210/04 vom betreffend Wien, H ONr. 338 bis ONr. 342, und Nr. 364/2004 vom betreffend Wien, H ONr. 342, geht hervor, dass hier bei Kanalabschnitten, welche unmittelbar benachbart sind, Instandsetzungsarbeiten im Ausmaß von rund 622 m2 sowie 632 m2 durchgeführt wurden. Ein Vergleich der beiden Rechnungen zeigt, dass diesen dieselben Arbeitsleistungen (Reinigung mittels Hochdruck, Vorstreichen von Mauerwerk, Verputz bis 3 cm Tiefe) zu Grunde liegen. Die Schadensmeldungen erfolgten am sowie am , sodass diese auch in einem zeitlichen Zusammenhang stehen, weshalb diese Arbeiten nach den Empfehlungen der MD-PRGIR im Revisionsbericht von September 2002 im offenen Verfahren auszuschreiben gewesen wären.

Die Entfernung zwischen den sanierten Kanalabschnitten H ONr. 342 und H von I-Gasse bis S-Tangente beträgt rund 90 lfm., sodass diese Abschnitte selbst nach der in der Berufung vorgenommenen Definition des (Beschwerdeführers) jedenfalls im örtlichen Zusammenhang stehen. Auch wurden in beiden Fällen von der E-Bau Gesellschaft m.b.H. dieselben Arbeitsleistungen (Reinigung mittels Hochdruck, Vorstreichen von Mauerwerk, Verputz bis 3 cm Tiefe) erbracht, sodass auch diese Instandsetzungsarbeiten im offenen Verfahren auszuschreiben gewesen wären.

Aus den Rechnungen Nr. 638/2004 vom betreffend Wien, H nach O-Brücke b. A Allee, und Nr. 548/2004 betreffend Wien, H, von W-Straße bis O-Brücke, geht hervor, dass hier Sanierungsarbeiten im Ausmaß von rund 629 m2 bzw. 660 m2 durchgeführt wurden. Dem im Akt erliegenden Plan ist zu entnehmen, dass die sanierten Kanalabschnitte rund 176 m voneinander entfernt liegen. Die Schadensmeldungen erfolgten jeweils am . Die Bestelldaten und sprechen gegen die Annahme, dass es sich hier um plötzlich und unvermutet auftretende Schäden handelte, welche rasch behoben werden mussten. Es steht somit fest, dass diese vollflächigen Sanierungsarbeiten im offenen Verfahren hätten ausgeschrieben werden müssen.

Insgesamt sprechen sämtliche im Akt befindliche Rechnungen und Regiescheine betreffend die im Rahmen des Kontrahentenvertrages HSK I - 238/02 vergebenen Aufträge dafür, dass die MA X unter Umgehung der im Revisionsbericht vom September 2002 angeführten Empfehlungen der MD-PRGIR diese Arbeiten trotz Vorliegens eines örtlich unmittelbaren Zusammenhanges nicht im offenen Verfahren ausgeschrieben, sondern direkt an den Kontrahenten E-Bau Gesellschaft m.b.H. vergeben hat. Die Verantwortlichkeit des (Beschwerdeführers) ergibt sich aus seiner Funktion als Abteilungsleiter.

Die Tatsache, dass die Beauftragungen der E-Bau Gesellschaft m.b.H., abgesehen von zwei Fällen, nicht unmittelbar, sondern erst ein bis vier Monate nach Einlangen der Schadensmeldung erfolgt sind, spricht jedenfalls gegen die Annahme von plötzlich und unvermutet auftretenden Schäden, welche zur Abwendung einer größeren Gefahr rasch zu beheben waren. Weiters folgt aus der schlüssigen Aussage des Zeugen Ing. HL, dass plötzlich und unvermutet auftretende Schäden ad hoc erkannt werden und kurzfristig zu beheben sind, wie zB defekte Kanaldeckel, Einbrüche, etc., auch dass die Sanierung derartiger Schäden innerhalb einer Stunde bis zu einer Woche erfolgt. Auch wenn der Zeuge Ing. HL keine persönlichen Wahrnehmungen zum gegenständlichen Tatvorwurf hat, ist darauf hinzuweisen, dass er seit dem Jahr 2006 in der MA X tätig und aufgrund seiner beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen in dieser Abteilung in der Lage ist, grundsätzliche Aussagen darüber zu treffen, in welchen Fällen ein Schaden kurzfristig zu beheben oder eine Ausschreibung im offenen Verfahren durchzuführen ist. Das diesbezügliche Berufungsvorbringen des (Beschwerdeführers) geht daher ins Leere.

Das Vorbringen, wonach eine Ausschreibung mit zusammengefassten Sanierungsbaulosen einen um 14% höheren Preis als die Kontrahentenpreise ergeben hätte, ist einerseits nicht verfahrensgegenständlich und ändert andererseits nichts an der Tatsache, dass er seiner Verpflichtung, alles im Interesse eines wirtschaftlichen Umgangs mit Budgetmitteln Erforderliche zu veranlassen, nicht nachgekommen ist.

Zu dem Berufungsvorbringen, wonach die Empfehlung der MD-PRGIR nur allgemein auf 'örtlich im Zusammenhang stehende Abschnitte' und damit auf einen unbestimmten Begriff abstelle, ist festzuhalten, dass aufgrund der Aussagen des (Beschwerdeführers) sowie des Zeugen AR CR die Definition des jeweiligen örtlichen Zusammenhanges eine Aufgabe der jeweiligen Abteilung ist. Nach dem Akteninhalt hat der (Beschwerdeführer) erstmals in der mündlichen Verhandlung vom bei Sanierungsarbeiten einen örtlichen Zusammenhang dahingehend definiert, dass dieser vorliegt, wenn ein oder zwei getrennte Baulose mit einer Baustelleneinrichtung wirtschaftlich sinnvoll versorgt werden können. Allerdings wollte er sich nicht auf eine Meteranzahl festlegen. Erst in seiner Berufung brachte er vor, dass eine Baustelleneinrichtung (bedingt durch die notwendige Stromversorgung und Geräte) nur bei einer Entfernung von 100 m gemeinsam genutzt werden könnte. Nachdem es dem (Beschwerdeführer) auch nach seiner eigenen Aussage in der Verhandlung vom oblegen hätte, den örtlichen Zusammenhang bei sanierungsbedürftigen Kanalabschnitten zu definieren, er diese Festlegung jedoch unterlassen hat, kann er sich nicht darauf berufen, dass die Empfehlung des Revisionsberichtes von September 2002 auf einen unbestimmten Begriff abstelle, für den keine genaue Definition existiere. Der (Beschwerdeführer) hat die technisch zu lösende Frage des örtlichen Zusammenhanges nicht innerhalb des ihm zukommenden Ermessensspielraumes entschieden, sondern die diesbezügliche Empfehlung der MD-PRGIR ignoriert.

Ad A)b)

Im Revisionsbericht der MD-PRGIR von September 2002, Zl. Y/2002, wurde ua. die Empfehlung ausgesprochen bei Fehlen entsprechender Abrechnungspositionen Nachtragsangebote einzuholen, da bei einer Begehung des Kanals 'H' festgestellt wurde, dass eine Sanierungsmaßnahme durch das Aufbringen einer 'Verschleißschicht' an der Kanalinnenwand erfolgt war, jedoch aus Sicht der MD-PRGIR nicht der zur Verrechnung gelangten Position 'Verputz bis 3 cm' entsprach. Auf Grund des eindeutigen Wortlautes dieser Empfehlung ist jedenfalls das Vorbringen des (Beschwerdeführers) in seiner Stellungnahme vom , wonach ihm in keinem einzigen Punkt ein konkreter Verstoß gegen eine Empfehlung vorgehalten werden könne, nicht nachvollziehbar.

Aus dem Schreiben der MA X zum Revisionsbericht der MD-PRGIR geht hervor, dass die Position A 'Verputz bis 3 cm Tiefe' seitens der MA X seit vielen Jahrzehnten so interpretiert werde, dass 0 bis 3 cm nicht als einheitliche Auftragsstärke angesehen werden könnten, sondern das Ausgleichen von Schäden bis 3 cm beinhalte. Den Empfehlungen der MD-PRGIR werde entsprochen und diese sofort bzw. zum gegebenen Zeitpunkt umgesetzt.

Mit Schreiben vom , Zl. MA X - K/Pa/44/02, teilte der (Beschwerdeführer) der MD-PRGIR mit, dass anstelle der bisherigen Verputzposition A bzw. B eine neue Position ' AZ - Zementgebundene Verschleißschicht bis maximal ein Zentimeter Stärke' definiert worden sei, welche in Zukunft in alle weiteren Ausschreibungen aufgenommen werde, weiters, dass die im Revisionsbericht enthaltenen Empfehlungen der MD-PRGIR bereits zum Großteil umgesetzt worden seien. Die noch ausstehenden Ergänzungen würden zum gegebenen Zeitpunkt (im Anlassfall) umgesetzt werden.

Unbestritten ist, das der (Beschwerdeführer) diesen Empfehlungen zur Einholung von Nachtragsangeboten nicht gefolgt ist und auch nicht dafür Sorge getragen hat, dass seine Mitarbeiter Nachtragsangebote einholen, sodass in den Kontrahentenverträgen HSK I - 238/02 und HSK II - 239/02 anstelle der neuen Abrechnungsposition '270108A zementgebundene Verschleißschicht bis max. 1 cm Stärke' weiterhin die Position '270105A Verputz bis 3 cm Tiefe' bis in Jahr 2005 verrechnet wurde.

Aus den Beilagen sämtlicher im Akt befindlicher Rechnungen betreffend die verfahrensgegenständlichen Kontrahentenverträge HSK I - 238/02 und HSK II - 239/02 ist ersichtlich, dass darin jeweils die Position '27.0105A Verputz bis 3 cm Tiefe' verrechnet wurde.

Dem Revisionsbericht der MD-PRGIR von Februar 2006 ist zu entnehmen, dass bei Ausschreibung der Position 'Verschleißschicht bis 1 cm' der gemittelte Angebotspreis 33,58 Euro und bei Ausschreibung der Position 'Verputz bis 3 cm' der gemittelte Angebotspreis 32,28 Euro beträgt, zwischen beiden Ausschreibungspositionen also ein Preisunterschied von ca. 1,30 Euro/m2 besteht. Bei den vollflächigen Sanierungen, welche im Rahmen der Kontrahentenverträge HSK I - 238/02 (30.969 m2) und HSK II - 239/02 (41.327 m2) durchgeführt wurden, bedeutet dies einen Preisunterschied von insgesamt ca. 93.982,80 Euro.

Die MD-BD, Gruppe Tiefbau, geht in ihrer Stellungnahme vom von einem wesentlich höheren Differenzbetrag als 1,30 Euro/m2 aus, ebenso die MA X in ihrer Stellungnahme vom , wobei es sich hier um reine Schätzungen handelt, welche im Verfahren vor der Disziplinarkommission - Senat 1 nicht untermauert wurden.

Die Magistratsabteilung X führt in ihrer Stellungnahme zum Revisionsbericht der MD-PRGIR von Februar 2006 aus, dass 'der Anteil der Materialkosten bei der dieser Position (Anm. Verschleißschicht bis 1 cm) von marginaler Bedeutung ist, wodurch sich aus der Kalkulation keine allzu große Differenz ergibt'. Auch geht hervor, dass bei dem Differenzbetrag von 1,30 Euro das Anarbeiten an die Kabelkanäle nicht mitberücksichtigt wurde. Ferner wird in dieser Stellungnahme dargelegt, dass Nachtragsangebote über Hauptpositionen bestehender Verträge sicherlich problematischer anzusehen seien und bei der Preisfindung auch des Konsenses mit dem Auftragnehmer bedürfen. Jedoch hat auch die MA X eine Preisdifferenz jedenfalls nicht entschieden in Abrede gestellt.

Auch eine geringfügige Preisdifferenz pro m2 zwischen den beiden Positionen 'Verputz bis 3 cm' und 'Verschleißschicht bis 1 cm' kann bei einer sanierungsbedürftigen Fläche von 72.296 m2 einen erheblichen finanziellen Nachteil für die Stadt Wien bedeuten.

Das dienstpflichtwidrige Verhalten des (Beschwerdeführers) liegt nach Ansicht des Dienstrechtssenates darin begründet, dass er den Empfehlungen der MD-PRGIR insofern zuwidergehandelt hat, als er bzw. seine Mitarbeiter, welche von ihm nicht entsprechend angewiesen wurden, es unterlassen haben, Nachtragsangebote einzuholen. Unabhängig von der generellen Problematik von Nachverhandlungen bei bereits abgeschlossenen Verträgen und der Höhe der Preisdifferenz zwischen alter und neuer Position wäre der (Beschwerdeführer) bzw. seine Mitarbeiter, deren Unterlassungen mangels Erteilung von entsprechenden Weisungen ihm zurechenbar sind, im Sinne größtmöglicher Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Kostensersparnis zur Einholung von Nachtragsangeboten verpflichtet gewesen. Dem (Beschwerdeführer) ist jedenfalls vorwerfbar, dass er nach Kenntnis des Revisionsberichtes 2002 nicht einmal den Versuch unternommen hat, durch Einholung von Nachtragsangeboten Kosten einzusparen. Nachdem er weder die Empfehlungen der MD-PRGIR umgesetzt hat, noch einen Versuch zu deren Umsetzung unternommen hat, konnte er nicht feststellen, ob die Einholung von Nachtragsangeboten sinnvoll oder praktikabel ist. Die beantragte Hinzuziehung eines Bausachverständigen war insofern entbehrlich, als es nicht auf die Höhe der Preisdifferenz zwischen alter und neuer Position und auch nicht darauf ankommt, ob und inwiefern es zu einer inhaltlichen Änderung gekommen wäre, wenn Nachtragsangebote eingeholt worden wären. Entscheidend ist vielmehr, dass der (Beschwerdeführer) - entgegen den erteilten Empfehlungen - keinen Versuch unternommen hat, auch bei bestehenden Verträgen durch die Anordnung der Einholung von Nachtragsangeboten einen günstigeren Preis und damit einen wirtschaftlichen Vorteil für die Stadt Wien zu erzielen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1) Der Beschwerdeführer rügt mangelnde Konkretisierung der ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen.

Der Spruch eines Disziplinarerkenntnisses stellt die letzte im Disziplinarverfahren erfolgende Konkretisierung der gegen den Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe dar. Die Disziplinarbehörden haben daher im Rahmen ihrer gesetzlichen Entscheidungszuständigkeit unter Zugrundelegung der im Anschuldigungspunkt enthaltenen, die Tat bestimmenden Sachverhaltselemente bei einem Schuldspruch - im Ergebnis nicht anders als dies § 44a Z. 1 VStG für den Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens anordnet - die vom Beschwerdeführer begangene Tat bestimmt zu umschreiben, wobei - mangels eines Typenstrafrechtes - im Einzelnen die Darstellung des konkreten Verhaltens und der dadurch bewirkten Folgen sowie die Anführung des die Pflichtverletzung darstellenden Disziplinar(Straf)tatbestandes erforderlich ist. Nach der Rechtsprechung zu dem - insoweit vergleichbaren - § 44a Z. 1 VStG muss der Spruch eines Straferkenntnisses so gefasst sein, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der bestimmten Übertretung geschlossen werden kann. Nach der ausdrücklichen Vorschrift des im vorliegenden Fall anzuwendenden § 103 Abs. 3 DO 1994 hat der Spruch des Disziplinarerkenntnisses im Falle eines Schuldspruches u.a. "die als erwiesen angenommene Tat" (Z. 1) und "die Dienstpflicht, die dadurch verletzt worden ist" (Z. 2) zu enthalten. Dies entspricht nahezu wörtlich dem Inhalt des § 44a Z. 1 und 2 VStG. Der Beschwerdeführer hat ein subjektives Recht darauf, dass ihm die als erwiesen angenommene Tat, die verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/09/0126, mit weiteren Nachweisen).

Im gegenständlichen Fall, in dem es um die Umsetzung von Empfehlungen der MD-PRGIR geht, wobei die dem Punkt A.a) zu Grunde liegende Empfehlung einen unbestimmten Begriff enthält, ist es beim Tatvorwurf "nicht Sorge getragen zu haben", notwendig anzuführen, welche konkreten Handlungen der Beschwerdeführer hätte vornehmen sollen. Dies ist beim Tatvorwurf A.a) unterblieben.

Die belangte Behörde ist (vgl. die obige Wiedergabe der Begründung) davon ausgegangen, dass zu dem in der Empfehlung im Revisionsbericht September 2002 enthaltenen Begriff "Instandsetzungsarbeiten, welche örtlich in unmittelbarem Zusammenhang stehen", keine "Aussage" der MD-PRGIR vorliege. Es stehe fest, dass die Frage der Definition eines örtlichen Zusammenhanges im Verfahren "höchst unterschiedlich beantwortet" worden sei. Übereinstimmung habe es nur dahingehend gegeben, dass es Aufgabe der Dienststelle sei, "diesbezügliche Kriterien zu erarbeiten und festzulegen". Der Beschwerdeführer habe die "technisch zu lösende Frage des örtlichen Zusammenhanges nicht innerhalb des ihm zukommenden Ermessensspielraues entschieden, sondern die diesbezügliche Empfehlung der MD-PRGIR ignoriert".

Da sohin nach diesen Ausführungen von der belangten Behörde nicht festgestellt wurde, was unter "Instandsetzungsarbeiten, welche örtlich in unmittelbarem Zusammenhang stehen" zu verstehen ist, lautet der in der Begründung zu erkennende eigentliche Tatvorwurf entgegen der wörtlichen Tatumschreibung im Spruch aber dahin, dass der Beschwerdeführer den unbestimmten Begriff des Revisionsberichtes September 2002 nicht näher definiert habe, und dadurch nicht für die Umsetzung der Empfehlung der MD-PRGIR gesorgt habe.

Überdies ist auch die Begründung mangelhaft:

Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, die Bedeutung des Begriffes "… örtlich … Zusammenhang stehen" des Revisionsberichtes September 2002 in einer keinen Zweifel offen lassenden Weise (allenfalls durch Beiziehung eines technischen Sachverständigen) festzustellen. Nur dann wäre nachprüfbar, ob der Beschwerdeführer der Empfehlung des Revisionsberichtes entgegen gehandelt habe. Diesbezüglich enthält der angefochtene Bescheid zwar vereinzelte Kriterien, jedoch keine gesamte und nachvollziehbare Feststellung. Die belangte Behörde hätte sodann anhand der von ihr festgestellten Bedeutung hinsichtlich jeder der in der Liste zu HSK I - 238/02 genannten Instandhaltungsarbeiten darzulegen gehabt, aus welchen Gründen welche dieser Arbeiten nicht der Empfehlung des Revisionsberichtes September 2002 entsprochen habe.

Zudem enthält der angefochtene Bescheid örtlich nachvollziehbare Ausführungen (durch exakte Nennung der zu diesem Abschnitt gelegten Rechnung und der dadurch ermöglichten Rückführbarkeit auf den in der Liste genannten Posten) nur zu den Listenposten "Ausführungsmonat März, Juli, November und Dezember". Zu diesen Listenposten hat die belangte Behörde den "örtlichen Zusammenhang" hinsichtlich Entfernung zwischen den Abschnitten, Zeit der jeweiligen Schadensmeldung und Bestellung der Arbeiten, dargelegt. Dennoch lässt sie auch hier offen, welche Entfernungsgrenze zwischen Baustellenabschnitten sie als dem Begriff "… örtlich … unmittelbar " entsprechend ansieht.

Der in der Begründung genannte Abschnitt "H von I-Gasse bis S-Tangente" lässt sich mangels näherer Bezeichnung nicht in die Liste einordnen. Zu den übrigen Abschnitten der Liste finden sich überhaupt keine Ausführungen.

Die alle Arbeiten betreffende Begründung, die Beauftragungen seien nicht unmittelbar, sondern erst ein bis vier Monate nach Einlangen der Schadensmeldung erfolgt, sind zwar zu Recht als gegen die Annahme von "plötzlich und unvermutet auftretenden Schäden …" herangezogen worden, klären aber nur einen Teilaspekt der (ohnehin unvollständigen) Anlastung des Spruches.

2) Hingegen entspricht die Anlastung in Spruchpunkt A) lit. b) den genannten Kriterien, weil in diesem Punkt konkret die Unterlassung der Umsetzung der in diesem Punkt bestimmten Empfehlung der MD-PRGIR, für deren Durchführung der Beschwerdeführer zu sorgen gehabt hätte, enthalten ist.

3) Der Beschwerdeführer verantwortet sich in diesem Punkt vor allem damit, die Einholung eines Nachtragsangebotes hätte zu keinem sparsameren Ergebnis geführt.

Gemäß § 34 Abs. 1 DO 1994 hat der Vorgesetzte darauf zu achten, dass seine Mitarbeit ihre dienstlichen Aufgaben in gesetzmäßiger, zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise besorgen. Er hat seine Mitarbeiter dabei anzuleiten, ihnen erforderlichenfalls Weisungen zu geben, aufgetretene Fehler und Missstände - allenfalls unter Erteilung von Belehrungen oder Ermahnungen - abzustellen und für die Einhaltung der Arbeitszeit zu sorgen.

Daher ist ein Tatbestandselement dieser Norm die Nichterfüllung der Aufgaben durch einen Mitarbeiter in einer der vier im Gesetz enthaltenen Weisen. Eine Empfehlung der in Wien eingerichteten Kontrollabteilung MD-PRGIR ist grundsätzlich auf die Führung der Verwaltung in gesetzmäßiger, zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise gerichtet. Eine solche Empfehlung ist ohne weiteres jedenfalls so lange u.a. als zweckmäßig anzusehen, als sie nicht offenbar unzweckmäßig ist oder von der davon betroffenen Behörde die Unzweckmäßigkeit nachvollziehbar dargelegt wird. Der belangten Behörde ist zu folgen, dass sie dem vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren in diese Richtung gehenden Vorbringen (Schwierigkeit, bestehende Verträge nachzuverhandeln), nicht die Bedeutung beigemessen hat, die Empfehlung im Revisionsbericht 2002 als nicht zweckmäßig zu beurteilen.

Durfte die belangte Behörde aber von der Zweckmäßigkeit der Empfehlung ausgehen, so ist es irrelevant, ob die empfohlene Maßnahme auch aus Gründen der Gesetzmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit oder Sparsamkeit zu befolgen gewesen wäre, weshalb die Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsargumente des Beschwerdeführers in Leere gehen.

Dass der Beschwerdeführer entgegen der Begründung im angefochtenen Bescheid irgendeine Maßnahme gesetzt habe, seine Mitarbeiter zur Umsetzung dieser Empfehlung des Revisionsberichtes 2002 anzuhalten, wird von ihm nicht behauptet.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher in seinem Spruchpunkt A) lit. a) mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am