VwGH vom 26.01.2012, 2010/09/0004
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2011/09/0025 E
2010/09/0047 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des Disziplinaranwaltes beim Bundesministerium für Inneres bei der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt in 1014 Wien, Herrengasse 7, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom , Zl. 63/8-DOK/09, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe nach dem BDG 1979 (mitbeteiligte Partei: R R in W, vertreten durch Dr. Monika Gillhofer, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Herrengasse 6-8/3/5; weitere Parteien: Bundeskanzler, Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung (Verhängung einer Disziplinarstrafe) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom wurde der Mitbeteiligte, der als Revierinspektor in einer Polizeiinspektion tätig war, näher angeführter Dienstpflichtverletzungen (in Spruchpunkt I. 1. bis I.7.) für schuldig erkannt und über ihn gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.
Der dagegen erhobenen Berufung des Mitbeteiligten wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde insofern Folge gegeben, als er vom Vorwurf zu Spruchpunkt I.2. des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses gemäß § 126 Abs. 2 BDG 1979 freigesprochen und über ihn (in Bestätigung des übrigen erstinstanzlichen Schuldspruches) gemäß § 92 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in Höhe von vier Monatsbezügen verhängt wurde.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde - wie auch durch den Mitbeteiligten - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Mit Erkenntnis vom , V 1/11, hat der Verfassungsgerichtshof erkannt, dass die Verordnung "Zusammensetzung der Senate und Geschäftsverteilung, gültig für das Jahr 2008 ab " der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres gesetzwidrig war. Mit weiterem Erkenntnis vom , V 75/11, hat der Verfassungsgerichtshof erkannt, dass die Verordnung "Zusammensetzung der Senate und Geschäftsverteilung, gültig für das Jahr 2009 ab " der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres gesetzwidrig war.
Diese Entscheidungen beruhen auf der darin näher dargelegten Auffassung, dass diese Verordnungen keinen Hinweis darauf enthielten, dass sie vom Vorsitzenden der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres erlassen worden seien. Die Verordnungen seien damit auf gesetzwidrige Weise kundgemacht. Dieser während des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof hervorgekommene Umstand wurde den Parteien im Hinblick auf § 41 Abs. 1 zweiter Satz VwGG zur Kenntnis gebracht und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.
Gemäß Art. 89 Abs. 1 B-VG sind Gerichte, einschließlich des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Art. 135 Abs. 4 B-VG) an nicht gehörig kundgemachte Verordnungen nicht gebunden und zwar unabhängig davon, ob diese vom Verfassungsgerichtshof aus diesem Grund aufgehoben wurden oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/12/0076).
§ 101 Abs. 4 BDG 1979, BGBl. Nr. 333 idF BGBl. Nr. 287/1988, lautet:
"(4) Der Vorsitzende jeder Kommission hat jeweils bis zum Jahresschluß für das folgende Kalenderjahr die Senate zu bilden und die Geschäfte unter diese zu verteilen. Gleichzeitig ist die Reihenfolge zu bestimmen, in der die weiteren Kommissionsmitglieder bei der Verhinderung eines Senatsmitgliedes als Ersatzmitglieder in die Senate eintreten. Die Zusammensetzung der Senate darf nur im Falle unbedingten Bedarfes abgeändert werden."
Kein Zweifel kann daran bestehen, dass die Geschäftseinteilung gemäß § 101 Abs. 4 BDG 1979 als Verordnung gehörig kundzumachen ist (Art. 89 Abs. 1 B-VG). Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes an, dass die angeführten Geschäftseinteilungen nicht gehörig kundgemacht wurden. Die Verordnungen sind daher vom Verwaltungsgerichtshof nicht anzuwenden. Es wurde auch von den Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorgebracht und ist nicht zu ersehen, dass zum Zeitpunkt des Anfalles (im Jahr 2008) der Rechtssache und der Erlassung des Bescheides für die Behörde erster Instanz eine gültige Geschäftseinteilung bestanden hätte.
Das Fehlen einer wirksamen, die Zusammensetzung und die Zuständigkeit eines Kollegialorgans regelnden - vom Gesetz, hier von § 101 Abs. 4 BDG 1979 verlangten - Norm im Zeitpunkt der Beschlussfassung hat dessen Unzuständigkeit zur Folge (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 92/12/0104, und vom , Zl. 2005/09/0009, mwN). Die Berufungsbehörde hat eine solche Unzuständigkeit durch Aufhebung des unterinstanzlichen Bescheides aufzugreifen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 89/17/0031, 0032, vom , Zl. 94/09/0305, und vom , Zl. 2005/09/0009, mwN).
Indem die belangte Behörde dies unterließ, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb dieser - zumal sich die Beschwerde nur gegen dessen Strafausspruch richtet - in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am