VwGH vom 18.12.2013, 2012/17/0032

VwGH vom 18.12.2013, 2012/17/0032

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrat Dr. Köhler, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde des ML in D, vertreten durch Neudorfer Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Esslinggasse 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom , Zl. BMLFUW-LE.4.1110/1307-I/7/2011, betreffend Einheitliche Betriebsprämie 2010, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom wies der Vorstand für den Geschäftsbereich II der Agrarmarkt Austria (AMA) den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung der einheitlichen Betriebsprämie für 2010 ab. Zum Antrag des Beschwerdeführers "Sonderfall - Neubeginner 2010" führte die Behörde aus, dass dieser derzeit auf "Vollständigkeit und Richtigkeit" geprüft werde.

1.2. Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom änderte der Vorstand für den Geschäftsbereich II der AMA seinen Bescheid vom , bezüglich des Antrags des Beschwerdeführers "Sonderfall - Neubeginner 2010", dahingehend ab, dass die Beurteilung wegen "Schaffung künstlicher Voraussetzungen" negativ ausgefallen sei. Die Abweisung des Antrags auf Gewährung einer einheitlichen Betriebsprämie für 2010 hielt die erstinstanzliche Behörde aufrecht.

1.3. Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der ihrer Ansicht nach heranzuziehenden Rechtsvorschriften führte die belangte Behörde entscheidungswesentlich in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, dass zwar die in § 8 Abs. 3 Z 5 MOG genannten Voraussetzungen für die Anerkennung als Sonderfall Neubeginner gegeben seien, dass jedoch unabhängig davon gemäß Art. 30 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 zu prüfen sei, ob die Voraussetzungen für den Erhalt der Zahlungen künstlich geschaffen worden seien. Die Feststellung eines Missbrauchs setze voraus, dass eine Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergebe, dass trotz formaler Einhaltung der unionsrechtlichen Bedingungen das Ziel der Regelung nicht erreicht worden sei.

Unter dem Gesichtspunkt "Flächen des neuangelegten Betriebs" führte die belangte Behörde aus, der Betrieb BNR X sei vom Beschwerdeführer mit Wirksamkeitsbeginn als Neuanlage gemeldet worden. Eine Überprüfung der vom Beschwerdeführer für seinen Betrieb im Mehrfachantrag Flächen (MFA) 2010 beantragten Grundstücke im Gesamtausmaß von 21,70 ha habe ergeben, dass diese zu 70 % in den Anträgen (MFA) 2009 der Betriebe der Eltern des Beschwerdeführers, E L und K L, BNR Y, sowie des Bruders des Beschwerdeführers, J L, BNR Z, beantragt worden seien. Lediglich 6,51 ha (somit nur 30 % der beantragten Fläche) dürften nicht im Familienkreis weitergegeben worden sein. Die belangte Behörde stellte zu den einzelnen Feldstücken fest, welche Grundstücke der Beschwerdeführer im MFA 2010 beantragt und welche Nachweise für seine Verfügungsmacht er vorgelegt habe. Dabei wurde für eine Vielzahl von Grundstücken festgestellt, dass sowohl ein Pachtvertrag mit dem Bruder des Beschwerdeführers oder mit seinem Vater vorgelegt worden sei, gleichzeitig aber "diese Grundstücke von Ihrem Bruder ebenfalls gepachtet" gewesen seien, ohne dass die Zustimmung der Eigentümer zur Weiterverpachtung vorgelegt worden sei.

Zu beachten sei, dass es sich bei den von den Eltern bzw. vom Bruder des Beschwerdeführers übernommenen Flächen größtenteils um Pachtflächen handle, die von diesen selbst gepachtet und an den Beschwerdeführer weiterverpachtet worden seien. Im Zuge des Berufungsverfahrens habe der Beschwerdeführer eine Reihe von Pachtverträgen vorgelegt, anhand derer eine Überprüfung durchgeführt worden sei, inwieweit die Weiterverpachtungen mit schriftlicher Erlaubnis der Verpächter erfolgt seien.

Im angefochtenen Bescheid folgt eine detaillierte Aufschlüsselung der Eigentumsverhältnisse und vorgelegten Pachtverträge bezüglich der vom Beschwerdeführer in seinem MFA 2010 beantragten Flächen.

Insgesamt, so die belangte Behörde, sei festzustellen, dass die vorgelegten Verträge und die dazu abgegebenen Informationen objektiv nicht geeignet seien, ein klares, zweifelsfreies Bild über die Pachtsituation des Großteils der vom Beschwerdeführer im MFA 2010 beantragten Flächen zu liefern. Auch könne die Branchenüblichkeit des Pachtzinses mangels vollständiger Informationen nicht beurteilt werden.

Zur Frage der Zahlungsansprüche führte die belangte Behörde begründend aus, dass mit der im Familienkreis erfolgten Flächenweitergabe keine Zahlungsansprüche mitübertragen worden seien. Dabei falle auf, dass der Betrieb der Eltern des Beschwerdeführers im Antragsjahr 2009 über 11,47 ha mehr Fläche als Zahlungsansprüche (freie Fläche) verfügt habe. Die an den Beschwerdeführer erfolgte Flächenweitergabe sei in etwa im Rahmen dieser freien Fläche erfolgt. Der Betrieb des Bruders des Beschwerdeführers habe im Antragsjahr 2009 über 6,09 ha Fläche ohne Zahlungsansprüche verfügt. Auch hier sei die Flächenweitergabe an den Beschwerdeführer in etwa im Rahmen dieser freien Fläche erfolgt.

Die Flächenübernahme ohne gleichzeitige Weitergabe der Zahlungsansprüche habe somit zur Folge gehabt, dass bei den genannten Betrieben die Differenz zwischen beantragter Fläche und Anzahl der Zahlungsansprüche verringert bzw. umgekehrt worden sei. Habe der Betrieb der Eltern im Jahr 2009 noch über 11,47 ha mehr Fläche als Zahlungsansprüche verfügt, so hätten diesem Betrieb im Jahr 2010 mehr Zahlungsansprüche (0,97) als Fläche zur Verfügung gestanden. Der Betrieb des Bruders des Beschwerdeführers habe im Jahr 2009 noch über 6,09 ha mehr Fläche als Zahlungsansprüche verfügt, im Jahr 2010 habe hingegen die beantragte Fläche exakt der Anzahl der Zahlungsansprüche entsprochen.

Zur "Bewirtschaftungsart" führte die belangte Behörde aus, es falle auf, dass mit der Übernahme der Bewirtschaftung der genannten Flächen keine Änderung der Bewirtschaftungsart erfolgt sei. Alle drei Betriebe (der Betrieb des Beschwerdeführers, jener seiner Eltern und jener seines Bruders) seien Biobetriebe und nähmen an den Maßnahmen "Begrünung von Ackerflächen", "Mulch- und Direktsaat" sowie "Seltene landwirtschaftliche Kulturpflanzen (SLK)" teil. Alle drei Betriebe seien weiters Geflügelhalter, wobei das Wirtschaftsgebäude des Beschwerdeführers von seinem Vater gepachtet worden sei. Dies werde von Seiten des Beschwerdeführers auch nicht bestritten, dieser argumentiere vielmehr mit der "fünfjährigen Verpflichtung bei ÖPUL" und damit, dass er im Betrieb der Eltern aufgewachsen sei und seine Einstellung zur biologischen Wirtschaftsweise auch nicht ändern wolle. Damit werde bestätigt, dass der in wesentlichen Teilen erfolgten Abspaltung eines weiteren Betriebes keinerlei Änderung der Bewirtschaftungsart zugrunde gelegen sei, sondern vielmehr die Bewirtschaftung weitgehend unverändert von davor zwei Betrieben (dem der Eltern und dem des Bruders) nunmehr von drei Betrieben (dem der Eltern, dem des Bruders und dem Betrieb des Beschwerdeführers) habe erfolgen sollen.

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer benutzten Wirtschaftsgebäude (Hühnerstall und Maschinenhalle/Lagerhalle) führte die belangte Behörde aus, dass diese aufgrund von Pachtverträgen (Nutzungsvereinbarungen) mit dem Vater des Beschwerdeführers genützt würden. Diesen Verträgen sei zu entnehmen, dass für die Nutzung eines Hühnerstalls mit ca 850 m2 für 3.000 Legehühner ein jährlicher Pachtzins von EUR 1.500,-- vereinbart worden sei. Dem Vertrag betreffend die Maschinenhalle/Lagerhalle sei zu entnehmen, dass dafür ein jährlicher Pachtzins von EUR 500,-- vereinbart worden sei. Es sei offensichtlich, dass eine solche Preisgestaltung nicht der unter Fremden üblichen entspreche. Laut Information durch die LBG Österreich GmbH liege der durchschnittliche Mietpreis für Lagerhallen bei rund EUR 10,-- pro m2 und Jahr, für Hühnerställe könne dieser Wert ebenfalls herangezogen werden. Der in den vom Beschwerdeführer vorgelegten Pachtverträgen (Nutzungsvereinbarungen) enthaltene Pachtzins liege jedenfalls deutlich unter den genannten Durchschnittswerten. Weiters falle auf, dass auch auf diesen Verträgen kein Hinweis auf eine Gebührenselbstberechnung für das Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern zu finden sei.

Unter dem Gesichtspunkt "Maschinenausstattung" führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe dazu angegeben, dass die Verwendung des elterlichen Traktors aufgrund eines Mietvertrags erfolgt sei. Dem vorgelegten Mietvertrag vom sei zu entnehmen, dass die Vermietung an den Beschwerdeführer unentgeltlich auf Selbstkostenbasis erfolgt sei. Eine derartige Gebarung sei unter Fremden nicht üblich. Erst mit , somit mehr als ein Jahr nach der Betriebsgründung des Beschwerdeführers, sei ein Traktor auf seinen Namen zugelassen worden.

Die Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergebe somit, dass trotz formaler Einhaltung der unionsrechtlichen Bestimmungen, das Ziel der Regelung nicht eingehalten worden sei.

Die Feststellung, ob ein Missbrauch vorliege, setze weiters ein subjektives Element voraus, nämlich die Absicht, sich einen unionsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden.

Die Betriebsabspaltung (ohne Weitergabe der Zahlungsansprüche) habe zu einem überwiegenden Teil im Familienkreis stattgefunden. Auch wenn der bisherige Bewirtschafter der Flächen nicht verpflichtet sei, Zahlungsansprüche weiterzugeben, liege unter den gegenständlichen Umständen eine bewusste, akkordierte Vorgangsweise nahe. Insbesondere die zweifelhafte Rechtsposition des Beschwerdeführers an den in seinem MFA 2010 angegebenen Flächen, die Widersprüchlichkeit der vorgelegten Verträge, die weitgehende Unüberprüfbarkeit der Branchenüblichkeit des Pachtzinses, der offensichtlich nicht branchenübliche Mietzins der Wirtschaftsgebäude, der nicht wie unter Fremden übliche Mietvertrag betreffend den elterlichen Traktor sowie die unveränderte Bewirtschaftungsweise im Vergleich zu den Betrieben der Eltern und des Bruders machten deutlich, dass die Betriebsgründung vordergründig zur Lukrierung zusätzlicher Zahlungsansprüche habe dienen sollen. Dies werde durch den Beschwerdeführer auch im Schreiben vom bestätigt, wenn dieser selbst angebe: "Die Möglichkeit der beruflichen Veränderung, nämlich der Gründung eines eigenen landw. Betriebs, wurde mir durch die Neubeginnerregelung schmackhaft gemacht".

Bei der vorliegenden Neugründung des Betriebs handle es sich daher um eine wirtschaftlich ungewöhnliche und unangemessene Sachverhaltskonstellation, die künstlich geschaffen worden sei und vorwiegend, wenn nicht gar ausschließlich durch die Möglichkeit der Zuteilung von Zahlungsansprüchen aus der nationalen Reserve zu erklären sei. Die Schaffung eines derartigen Betriebes widerspreche den Zielen der gemeinsamen Agrarmarktordnung, wenn durch das Entstehen des neuen Betriebs (vorwiegend oder ausschließlich) Prämienzahlungen zusätzlich in Anspruch genommen werden sollen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/17/0009).

Für die belangte Behörde bestünden aufgrund der vorliegenden Unterlagen sowie unter Berücksichtigung der Gesamtumstände keine Zweifel am Vorliegen eines Falls nach Art. 30 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009.

1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet kostenpflichtig abzuweisen.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Nach Art. 41 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates vom mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1290/2005, (EG) Nr. 247/2006, (EG) Nr. 378/2007 sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003, ABl. Nr. L 030 vom , Seite 16, können die Mitgliedstaaten die nationale Reserve verwenden, um nach objektiven Kriterien unter Gewährleistung der Gleichbehandlung der Betriebsinhaber und unter Vermeidung von Markt- und Wettbewerbsverzerrungen vorrangig Zahlungsansprüche an Betriebsinhaber zuzuteilen, die eine landwirtschaftliche Tätigkeit aufnehmen.

Art. 30 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009, der die Überschrift "Anti-Umgehungsklausel" erhielt (eine inhaltlich idente Regelung findet sich bereits in Art. 29 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003), lautet:

"Unbeschadet besonderer Bestimmungen in einzelnen Stützungsregelungen erhalten Betriebsinhaber keine Zahlungen, wenn feststeht, dass sie die Voraussetzungen für den Erhalt solcher Zahlungen künstlich geschaffen haben, um einen den Zielen der betreffenden Stützungsregelung zuwiderlaufenden Vorteil zu erwirken."

Erwägungsgrund 23 und 25 zur Verordnung (EG) Nr. 73/2009 lauten:

"(23) Die Erfahrung bei der Anwendung der Betriebsprämienregelung hat gezeigt, dass eine entkoppelte Einkommensstützung in mehreren Fällen Begünstigten gewährt wurde, deren landwirtschaftliche Tätigkeit nur einen unwesentlichen Teil ihrer gesamten wirtschaftlichen Tätigkeiten ausmachten oder deren Geschäftszweck nicht oder nur marginal darin bestand, eine landwirtschaftliche Tätigkeit auszuüben. Um zu vermeiden, dass solche Empfänger eine landwirtschaftliche Unterstützung erhalten, und um zu gewährleisten, dass die Gemeinschaftsstützung ausschließlich dazu verwendet wird, der landwirtschaftlichen Bevölkerung eine angemessene Lebenshaltung zu sichern, sollten die Mitgliedstaaten, in denen solche Beihilfen gezahlt werden, ermächtigt werden, solchen natürlichen und juristischen Personen keine Direktzahlungen im Rahmen dieser Verordnung zu gewähren.

(25) Die Stützungsregelungen im Rahmen der GAP sehen direkte Einkommensbeihilfen vor allem vor, um der landwirtschaftlichen Bevölkerung eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten. Dieses Ziel ist eng verknüpft mit der Erhaltung der ländlichen Gebiete. Um eine Fehlleitung von Gemeinschaftsmitteln zu verhindern, sollten Betriebsinhaber, die die Voraussetzungen für den Bezug dieser Zahlungen künstlich geschaffen haben, keine Stützungszahlungen erhalten."

Art. 2 lit. l der Verordnung (die Nachfolgeregelung zu Art. 2 lit. k der Verordnung (EG) Nr. 795/2004) lautet wie folgt:

"l) für die Anwendung von Artikel 41 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 gelten als 'Betriebsinhaber, die eine landwirtschaftliche Tätigkeit aufgenommen haben' natürliche oder juristische Personen, die in den fünf Jahren vor Aufnahme der neuen landwirtschaftlichen Tätigkeit in eigenem Namen und auf eigene Rechnung weder eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt haben noch die Kontrolle einer juristischen Person innehatten, die eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausübte.

Bei juristischen Personen darf/dürfen die natürliche(n) Person(en), die die Kontrolle der juristischen Person ausübt bzw. ausüben, in den fünf Jahren vor Aufnahme der landwirtschaftlichen Tätigkeit durch die juristische Person in eigenem Namen und auf eigene Rechnung weder eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt noch die Kontrolle einer eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausübenden juristischen Person innegehabt haben;"

§ 8 Abs. 3 Z 5 des Marktordnungsgesetzes 2007, BGBl. I Nr. 55, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 86/2009 lautet:

"Direktzahlungen

§ 8 (1) (…)

(3) Bei der Durchführung der Betriebsprämienregelung gemäß Titel III der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 ist nach folgender Maßgabe vorzugehen:


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1.
(…)
5.
In Anwendung des Art. 41 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 werden Betriebsinhabern, die
a)
seit 15. Mai des der Antragstellung vorangehenden Jahres begonnen haben, einen landwirtschaftlichen Betrieb im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu führen und keine Zahlungsansprüche für diesen Betrieb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übertragen erhalten haben und
b)
die Voraussetzungen für die Niederlassungsbeihilfe gemäß Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums, ABl. Nr. L 277 vom S 1 erfüllen,
Zahlungsansprüche aus der nationalen Reserve zugewiesen. Der Wert der Zahlungsansprüche entspricht dem regionalen Durchschnittswert gemäß Z 9. Die Anzahl der zuzuteilenden Zahlungsansprüche ergibt sich aus dem verfügbaren Ausmaß an beihilfefähigen Flächen, für die bislang keine Zahlungsansprüche zugeteilt wurden, wobei mindestens 4 ha beihilfefähige Flächen vorhanden sein müssen. Flächen, für die Zahlungsansprüche mitübertragen worden sind, sind nicht einzubeziehen.
(…)"
Art. 20 und 22 der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) lauten (auszugsweise):
"Artikel 20
Maßnahmen
Interventionen zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft betreffen
a)
Maßnahmen zur Förderung der Kenntnisse und zur Stärkung des Humanpotenzials:
i)
(…),
ii)
Niederlassung von Junglandwirten,
iii) (…)
Artikel 22
Niederlassung von Junglandwirten

(1) Die Beihilfe nach Artikel 20 Buchstabe a Ziffer ii wird Personen gewährt, die

a) weniger als 40 Jahre alt sind und sich erstmals in einem landwirtschaftlichen Betrieb als Betriebsinhaber niederlassen,


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b)
über eine ausreichende berufliche Qualifikation verfügen,
c)
einen Betriebsverbesserungsplan für die Entwicklung ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeit vorlegen.

(2) Die Unterstützung wird bis zu dem im Anhang I festgesetzten Höchstbetrag gewährt."

2.2. Der angefochtene Bescheid beruht auf der Auffassung, dass zwar die in § 8 Abs. 3 Z 5 MOG 2007 genannten Voraussetzungen für die Anerkennung als "Sonderfall Neubeginner" gegeben, die Voraussetzungen für den Erhalt der Zahlungen jedoch künstlich geschaffen worden seien. Die belangte Behörde hat somit aus den in der Sachverhaltsdarstellung genannten Hinweisen auf "doppelte Pachtverhältnisse" keine Schlussfolgerungen dahin gehend gezogen, dass einzelne der beantragten Grundstücke nicht anzurechnen gewesen seien. Andererseits stellt sie im Rahmen der Begründung fest, die vom Beschwerdeführer erteilten Informationen seien nicht geeignet, ein "klares, zweifelsfreies und widerspruchsfreies Bild über die Pachtsituation des Großteils" der im MFA 2010 beantragten Flächen zu liefern.

Nach den (vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG zugrunde zu legenden) Feststellungen der belangten Behörde betrug jedoch das Gesamtausmaß der vom Beschwerdeführer in seinem MFA 2010 beantragten Flächen 21,70 ha. 70 % dieser Flächen seien in den MFA 2009 der Betriebe der Eltern des Beschwerdeführers, E L und K L, sowie des Bruders des Beschwerdeführers, J L, beantragt worden. Lediglich 6,51 ha (somit 30 % der beantragten Fläche) dürften "nicht im Familienkreis weitergegeben" worden sein.

Bezüglich der "im Familienkreis weitergegebenen" Flächen führt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen aus, dass sich an der Bewirtschaftung dieser Flächen - nachdem der Beschwerdeführer diese von seinen Eltern und seinem Bruder übernommen habe - nichts geändert habe. Alle drei Betriebe (der neu gegründete Betrieb des Beschwerdeführers, jener seiner Eltern und jener seines Bruders) seien Biobetriebe und nähmen an den Maßnahmen "Begrünung von Ackerflächen", "Mulch- und Direktsaat" sowie "Seltene landwirtschaftliche Kulturpflanzen (SLK)" teil. Ebenso seien alle drei Betriebe Geflügelhalter.

Der belangten Behörde ist einzuräumen, dass der Verwaltungsgerichtshof bislang bei Abwicklung von Rechtsgeschäften im familiären Umfeld, die zur Bildung eines neuen Betriebes führten, im Einzelfall der Qualifikation der belangten Behörde als künstliche Schaffung der Voraussetzungen für den Erhalt der Zahlungen nicht entgegen getreten ist, wenn etwa bei zwei Betrieben mit der gleichen Anschrift die Flächen bis zur Schaffung des neuen Betriebs einheitlich bewirtschaftet worden waren (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/17/0260) oder der neue Betrieb von einer Minderjährigen geführt wurde und die Betriebsflächen aus dem Betrieb der Eltern übertragen worden waren, ohne dass ersichtlich gewesen wäre, ob (im Hinblick auf die Minderjährigkeit der Betriebsinhaberin) ein Kollisionskurator eingeschritten wäre, und die Eigenschaft des zugrunde liegenden Vertrags als Pachtvertrag zweifelhaft war (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/17/0013). Der vorliegende Beschwerdefall unterscheidet sich von den bisher vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fällen aber dadurch, dass sich die Feststellungen der belangten Behörde nur auf 70 % der im MFA 2010 des Beschwerdeführers beantragten Flächen beziehen (vgl. etwa auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/17/0009). Hinsichtlich der restlichen 30 % der Flächen hat die belangte Behörde keine Feststellungen über einen vergleichbaren Sachverhalt getroffen. Darüber hinaus hat die belangte Behörde nicht näher begründet, inwiefern die Übernahme von Flächen durch den Beschwerdeführer, die vordem durch Familienangehörige bewirtschaftet worden wären, für die Annahme spricht, dass die Führung des neuen Betriebes den Zielen der Verordnung (EG) 73/2009 widerspräche. Insbesondere wurde kein Sachverhalt wie in dem zuletzt genannten hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/17/0009, festgestellt.

Wenngleich auch dann, wenn ein neu geschaffener Betrieb zu einem Teil aus Flächen, die bis zur Schaffung des Betriebs von nahen Angehörigen bewirtschaftet wurden, und zu einem anderen Teil aus sonstigen Flächen gebildet wird, die Vermutung einer künstlichen Schaffung der Voraussetzungen der Anspruchsgrundlagen als Neubeginner insofern nahe liegen könnte, als Zweifel entstehen könnten, ob und inwieweit tatsächlich ein eigenständiger neuer Betrieb entstanden ist, können die hier als "sonstige Flächen" bezeichneten Flächen und deren Bewirtschaftung (zumal diese wie im Beschwerdefall für sich allein die im Unionsrecht vorgesehene Mindestgröße eines Neubeginner-Betriebs überschreiten) bei der Begründung der Annahme, es seien die Voraussetzungen künstlich geschaffen worden, nicht außer Betracht gelassen werden.

Das Ausmaß der Flächen, die nicht "im Familienkreis weitergegeben" wurden, beträgt nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides 6,51 ha und liegt somit über der Grenze von 4 ha, die für sich alleine - bei Zutreffen der übrigen Voraussetzungen - nach § 8 Abs. 3 Z 5 MOG in Verbindung mit Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 ausreichen würde, um unter die "Sonderfall Neubeginner-Regelung" des § 8 Abs. 3 Z 5 MOG 2007 zu fallen.

Aus der für den Beschwerdeführer ausgesprochen günstigen Gestaltung der Verträge zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Eltern über die Nutzung der Wirtschaftsgebäude und des Traktors allein kann bei dieser Sachlage noch nicht zwingend auf eine künstliche Schaffung der Voraussetzungen für die Zahlungen geschlossen werden. Es müsste auch einem Neubeginner mangels anderer Anhaltspunkte für eine künstliche Schaffung der Voraussetzungen die Förderung durchaus zugestanden werden. Damit ergibt sich jedoch, dass für den Fall der Bildung eines neuen Betriebs aus genau denselben Flächen, die aber bis dahin zum Teil von nahen Angehörigen bewirtschaftet wurden, zusätzliche Sachverhaltselemente (wie etwa, dass die Bewirtschaftung gar nicht vom vorgeblich neuen Betriebsinhaber erfolgt und daher im Ergebnis ein ähnlicher Sachverhalt vorliegt, wie er den beiden oben genannten hg. Erkenntnissen zu Grunde lag) hinzutreten müssten, um von einer künstlichen Schaffung der Voraussetzungen sprechen zu können (in diese Richtung gehen auch offenbar die Überlegungen der belangten Behörde hinsichtlich der "gleich gebliebenen" Bewirtschaftung, welche aber für sich allein ebenfalls noch kein zwingender Nachweis für die künstliche Schaffung wäre; einen mit jenem Sachverhalt, der dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/17/0260, zugrunde lag, vergleichbaren Sachverhalt hat die Behörde nicht festgestellt).

Gemäß dem vierten Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 ist es auch ein Ziel der Regeln für Direktzahlungen, zu verhindern, dass landwirtschaftliche Flächen aufgegeben werden. Gemäß dem oben wiedergegebenen

25. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) 73/2009 ist das Ziel der Stützungsregelungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik, der landwirtschaftlichen Bevölkerung eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten (dieses Ziel der Gemeinsamen Agrarpolitik hebt auch GA Kokott in ihren Schlussanträgen vom in der Rechtssache C-197/10, Unio de Pagesos de Catalunya , Rn 59 und 68, hervor). Dieses Ziel ist ausweislich desselben Erwägungsgrundes eng verknüpft mit der Erhaltung ländlicher Gebiete. Aus dem Zusammenhang mit dem unmittelbar an diese Feststellung folgenden Hinweis auf das Bestreben, eine Fehlleitung von Gemeinschaftsmitteln zu verhindern und daher keine Stützungszahlungen zu leisten, wenn die Voraussetzungen für die Zahlungen künstlich geschaffen werden, ist zu erschließen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber eine künstliche Schaffung der Voraussetzungen im Sinne des Art. 30 der Verordnung (EG) 73/2009 insbesondere dann als gegeben ansieht, wenn die Zahlung nicht dazu dienen würde, der landwirtschaftlichen Bevölkerung eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten bzw. zur Erhaltung ländlicher Gebiete beizutragen.

Gemäß dem 23. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 ist sicherzustellen, dass die Gemeinschaftsstützung ausschließlich dazu verwendet wird, der landwirtschaftlichen Bevölkerung eine angemessene Lebenshaltung zu sichern (und die Förderung nicht Begünstigten gewährt wird, deren landwirtschaftliche Tätigkeiten nur einen unwesentlichen Teil ihrer gesamten wirtschaftlichen Tätigkeiten ausmachen). Auch diese Überlegungen sind bei der Auslegung, ob eine den Zielen der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 widersprechende Gestaltung vorliegt, zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Beschwerdeführer den Betrieb tatsächlich bewirtschaftet und ob er zu dem im 23. Erwägungsgrund genannten Personenkreis zu zählen ist (sofern man nicht die Ausführungen zum Hühnerstall in diese Richtung deuten möchte, wobei diese jedoch nicht eindeutig sind). Der bloße Umstand, dass jemand - wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid unter Zitierung einer Passage aus einer Stellungnahme des Beschwerdeführers - auf Grund der gesetzlichen Regelung "angeregt" wird, eine Tätigkeit aufzunehmen, besagt für sich noch nicht, dass die Voraussetzungen der künstlichen Schaffung der Anspruchsgrundlagen gegeben wären. Ob und inwieweit der Beschwerdeführer auf Grund objektiver Umstände nicht zum Kreis der Adressaten der Stützungsregelungen zu zählen wäre, hat die belangte Behörde nicht näher dargetan.

Auf der Grundlage der von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen lässt sich somit nicht beurteilen, ob die rechtliche Qualifikation der belangten Behörde zutreffend ist.

2.3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am