VwGH vom 30.09.2010, 2008/07/0174
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. Sulzbacher und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde des H H in P, vertreten durch Mag. Ferdinand Kalchschmid, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 2-4, 3. Stock, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom , Zl. LAS - 930/5-08, betreffend Zurückweisung einer Berufung (mitbeteiligte Parteien: 1. M S in S und 2. S M in P), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Parteien wird abgewiesen.
Begründung
Mit Kaufvertrag vom verkaufte die Erstmitbeteiligte ihr persönliches (walzendes) 18/62-Anteilsrecht an der Agrargemeinschaft S-Alpe in EZ 219 Grundbuch F an den Zweitmitbeteiligten zur realrechtlichen Verbindung mit dem im Eigentum des Käufers stehenden geschlossenen Hof in EZ 42 I KG P, Bezirk S.
Mit Eingabe vom stellten die mitbeteiligten Parteien an das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) unter Bezugnahme auf diesen Kaufvertrag den Antrag, der kaufgegenständlichen Übertragung dieses Anteilsrechts an der S-Alpe die agrarbehördliche Bewilligung zu erteilen.
Mit Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer als Eigentümer der ebenfalls an der S-Alpe anteilsberechtigten Stammsitzliegenschaft EZ 54, dem Kaufvertrag die Bewilligung zu versagen. Die Übertragung sei nach den Bestimmungen des (Südtiroler) Landesgesetzes vom , Nr. 2, in der Fassung des Landesgesetzes vom , Nr. 10, deshalb unzulässig, weil dort ein Vorkaufsrecht in der Form vorgesehen sei, dass bei Veräußerung einzelner Miteigentumsanteile die Agrargemeinschaft als solche und nach ihr die einzelnen Teilhaber ein Vorkaufsrecht hätten. Diese gesetzliche Bestimmung komme deshalb zur Anwendung, weil sämtliche Miteigentümer der in Österreich liegenden S-Alpe Bauern in Südtirol seien und die stärkste Beziehung nach § 1 IPRG zum italienischen Recht bestehe, was zur Anwendung italienischen Rechts führen müsse.
Mit Bescheid der AB vom wurde gemäß § 38 Abs. 6 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996 (TFLG) die Absonderung persönlicher (walzender) Anteilsrechte der Erstmitbeteiligten und die Bindung an die Liegenschaft des Zweitmitbeteiligten bewilligt.
Gegen diesen auch ihm zugestellten Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Die belangte Behörde wies mit dem nun angefochtenen Bescheid vom die Berufung als unzulässig zurück. Sachverhaltsmäßig stellte sie fest, dass die Grundstücke der S-Alpe in EZ 219 KG F agrargemeinschaftliche Grundstücke seien. Die Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaften, an deren Eigentum ein Anteilsrecht an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden sei (Stammsitzliegenschaften), einschließlich jener Personen, denen persönliche Anteilsrechte zustünden, bildeten eine - im vorliegenden Fall unregulierte - Agrargemeinschaft. Nach Wiedergabe der Bestimmungen des § 38 Abs. 3 bis 6 TFLG 1996 führte die belangte Behörde aus, es gehe um die Absonderung eines persönlichen (walzenden) Anteilsrechtes und dessen Verbindung mit einer (neuen) Stammsitzliegenschaft. Zur Rechtswirksamkeit dieses Vorganges bedürfe es der agrarbehördlichen Bewilligung nach § 38 Abs. 6 TFLG 1996. Parteistellung im gegenständlichen Verfahren komme nach § 74 Abs. 5 TFLG 1996 den Vertragsparteien zu. Es stelle sich die Frage, ob aus einer anderen gesetzlichen Vorschrift die Parteistellung des Beschwerdeführers abgeleitet werden könne, was Voraussetzung für dessen Berufungslegitimation sei.
Der Verwaltungsgerichtshof habe in einem Erkenntnis vom , 2005/07/0125, die sich aus § 8 AVG ergebende Parteistellung auf Grund eines verbücherten Vorkaufsrechtes anerkannt, weil die behördliche Sachentscheidung (Absonderungsbewilligung) bestimmend und unmittelbar in die Rechtssphäre des Vorkaufsberechtigten eingreife. Bei der Prüfung der Frage der Parteistellung des Beschwerdeführers, die dieser aus einer ausländischen Rechtsvorschrift ableite, sei die Anwendbarkeit des Landesgesetzes der autonomen Provinz Bozen - Südtirol vom , Nr. 2, über die Neuordnung der Agrargemeinschaften in der Fassung des Landesgesetzes vom , Nr. 10, das IPRG, BGBl. Nr. 304/1978 in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2004, und das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, BGBl. III Nr. 66/1998 in der Fassung BGBl. III Nr. 84/2007 (EVÜ), in Betracht zu ziehen. Nach Wiedergabe der diesbezüglich einschlägigen Bestimmungen führte die belangte Behörde weiter aus, die Bedeutung der Frage, ob dem Beschwerdeführer das behauptete Vorkaufsrecht zustehe, liege darin, dass eine meritorische Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Übertragung eines agrargemeinschaftlichen Anteilsrechts voraussetze, dass ein wirksames Rechtsgeschäft über diese Übertragung vorliege. Die Agrarbehörde habe daher auch zu prüfen, ob dem Rechtsgeschäft ein Veräußerungsverbot entgegen stehe. Ein gesetzliches Vorkaufsrecht, wie es im Art. 17/quater Abs. 2 des zitierten Südtiroler Landesgesetzes normiert sei, entfalte die selbe Wirkung wie ein im Grundbuch eingetragenes Vorkaufsrecht. Die Kernfrage sei, ob dieses Vorkaufsrecht im vorliegenden Fall gelte. Die Auslandsberührung des Sachverhaltes bestehe darin, dass die mitbeteiligten Parteien ihren Wohnsitz im Ausland hätten und die Stammsitzliegenschaft des Käufers ebenfalls im Ausland liege. Die Liegenschaft, an der das kaufgegenständliche Anteilsrecht bestehe, liege jedoch zur Gänze im Inland. Der Kaufvertrag sei auch im Inland abgeschlossen worden, sein Gegenstand sei ein dingliches Recht an einer körperlichen Sache. Der Erwerb eines dinglichen Rechtes an einer körperlichen Sache sei aber nach dem Stand des Staates zu beurteilen, in dem sich die Sache bei Vollendung des Sachverhaltes befinde. Wenn ein Vertrag ein dingliches Recht an einem Grundstück oder ein Recht zur Nutzung eines Grundstückes zum Gegenstand habe, werde vermutet, dass der Vertrag die engsten Verbindungen zu dem Staat aufweise, in dem das Grundstück gelegen sei (Art. 4 Abs. 3 EVÜ), im vorliegenden Fall also im Inland. Es sei daher davon auszugehen, dass das im zitierten Südtiroler Landesgesetz normierte Vorkaufsrecht nicht anwendbar sei, woraus folge, dass dem Beschwerdeführer die Stellung eines Vorkaufsberechtigten und daran geknüpft die Stellung einer Partei des Absonderungsverfahrens nicht zukomme.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahren vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach den unbestrittenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides liegen die Stammsitzliegenschaften der unregulierten Agrargemeinschaft S-Alpe in Italien; die auf Grund persönlicher Anteilsrechte Berechtigten haben ihren Wohnsitz in Italien. Die agrargemeinschaftlichen Grundstücke (die S-Alpe) liegen zur Gänze im Inland.
Diese Umstände bringen es aber mit sich, dass die rechtlichen Vorgänge, welche die auf österreichischem Gebiet gelegenen gemeinschaftlichen Grundstücke betreffen, von den österreichischen Behörden und nach österreichischem Recht zu behandeln sind (vgl. dazu bereits die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 89/07/0139, und vom , Zl. 2333/79,VwSlg. 10.516/A). Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesen beiden Erkenntnissen mit näherer Begründung ausführte, wird die Zuordenbarkeit eines agrargemeinschaftlichen Anteilsrechtes nicht durch die Lage der Stammsitzliegenschaft, sondern durch die Lage der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft bestimmt. Dies gilt gleichermaßen für walzende Anteilsrechte. Auch diese bzw. ihr rechtliches Schicksal werden durch die Lage der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft und nicht durch den Wohnsitz der Anteilsberechtigten oder die Lage der zukünftigen Stammsitzliegenschaft bestimmt.
Der Verwaltungsgerichtshof folgt daher den im Beschwerdefall eingeschrittenen Agrarbehörden darin, dass die im Beschwerdefall relevanten Vorgänge, sofern sie das Schicksal eines agrargemeinschaftlichen Anteilsrechtes an der in Österreich liegenden S-Alpe betreffen, nach den Vorschriften des österreichischen Rechtes, und daher des TFLG, zu beurteilen sind.
Aus § 74 Abs. 5 TFLG ergibt sich aber, dass Parteien im Verfahren zur Bewilligung der Absonderung von Anteilsrechten nur die Eigentümer der bisher berechtigten Stammsitzliegenschaften, die Inhaber eines walzenden Anteilsrechtes und die Erwerber von Anteilsrechten sind; im (hier nicht zutreffenden) Fall des § 38 Abs. 4 lit. c Z. 2 leg. cit. ist auch die Gemeinde Partei. Anderen Personen als denjenigen, die im Gesetz ausdrücklich als Verfahrensparteien genannt sind, kann Parteistellung zukommen, wenn sie durch den Bescheid in ihren rechtlichen Interessen (Rechtschutzinteresse) betroffen sind; ihre Parteistellung ergibt sich aus § 8 AVG.
Ein solches besonderes rechtliches Interesse kann der Beschwerdeführer aber aus der Bestimmung des Art. 17/quater Abs. 2 des zitierten Südtiroler Landesgesetzes, wonach bei Veräußerung einzelner Miteigentumsanteile die Agrargemeinschaft als solche und nach ihr die einzelnen Teilhaber ein Vorkaufsrecht haben, nicht ableiten, weil diese Norm im vorliegenden Fall keine Anwendung findet. Sonstige Hinweise für das Bestehen eines rechtlichen Interesses, das die Parteistellung des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall begründen könnte, sind nicht hervorgekommen. Ihm kam daher auch keine Berufungslegitimation im gegenständlichen Verfahren zu.
Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Bescheid, mit dem seine Berufung als unzulässig zurückgewiesen wurde, daher in keinen Rechten verletzt. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Partei war deshalb abzuweisen, weil ein Mitbeteiligter als obsiegende Partei nach § 48 Abs. 3 Z. 2 VwGG in der Fassung BGBl. Nr. 4/2008 nur Anspruch auf Ersatz des Aufwandes hat, der für ihn mit der Einbringung einer Gegenschrift durch einen Rechtsanwalt (Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) verbunden war.
Wien, am