VwGH vom 12.09.2012, 2010/08/0230
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der LK in G, vertreten durch Mag. Claudia Weinwurm, Rechtsanwältin in 2620 Neunkirchen, Triester Straße 8, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom , Zl. LGS NÖ/RAG/05661/2010, betreffend Einstellung der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführerin stand auf Grund ihres Antrags vom in Bezug der Notstandshilfe in Form des Pensionsvorschusses. In einer vor der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice N (in der Folge: AMS) aufgenommenen Niederschrift vom gab sie an, sie lebe seit zwei Jahren von ihrem Ehemann getrennt. Im Hinblick auf die Ankündigung des AMS, das Einkommen ihres Mannes trotz der Trennung anzurechnen, kündigte sie an, gegen ihren Mann entweder eine Unterhaltsklage oder eine Scheidungsklage anzustrengen und dafür bis zum einen Nachweis zu erbringen. Am räumte die Beschwerdeführerin in einer weiteren Niederschrift ein, keine Unterhaltsklage oder Scheidungsklage eingebracht zu haben. Sie bestätigte darüber aufgeklärt worden zu sein, dass ein fiktiver Unterhalt (berechnet vom Einkommen ihres Gatten) angerechnet werde.
Mit Bescheid vom sprach das AMS aus, dass die Notstandshilfe der Beschwerdeführerin ab dem mangels Notlage eingestellt werde. Das anrechenbare Einkommen des Ehegatten der Beschwerdeführerin überschreite auch bei Berücksichtigung der gesetzlichen Freigrenzen ihren Anspruch auf Notstandshilfe.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, sie und ihr Ehegatte hätten ihre Ehe "wegen Zerrüttung, mit Vorhaben sich scheiden zu lassen, durch die Trennung im Dezember 2008 aufgelöst. (Kopien vom Meldezettel sind beigelegt.)" Auf eine einvernehmliche Scheidung habe man sich nicht einigen können, weil ihr Ehegatte von ihr den Verzicht auf Unterhaltsleistungen verlange und sie "durch den Verzicht auf Unterhalt meine Existenz in der Zukunft selbst bedrohen" würde. Eine Scheidung nach Auflösung der häuslichen Gemeinschaft, bei der die Beschwerdeführerin möglicherweise ihre Unterhaltsansprüche bewahren könne, sei erst nach drei Jahren der Trennung möglich.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben. Die Beschwerdeführerin habe bis zum Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosengeld als Bevorschussung von Leistungen gemäß § 23 AlVG bei einer Bemessungsgrundlage von EUR 1.574,31 in Höhe von EUR 23,95 täglich erhalten. Am habe sie mit Wirksamkeit ab den Antrag auf Zuerkennung der Notstandshilfe (bzw. Notstandshilfe gemäß § 23 AlVG) gestellt. Obwohl sie am darauf hingewiesen worden sei, dass eine fiktive Anrechnung ihres Unterhaltsanspruches gegen ihren Ehegatten vorgenommen werde, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten eine Unterhaltsklage einbringe, habe sie den versprochenen Nachweis nicht bis zum vorgelegt und am bekannt gegeben, dass sie keine Unterhaltsklage eingebracht habe.
Der Lohnbescheinigung des Dienstgebers des Ehegatten vom sei für die anspruchsrelevanten Monate Februar 2010 bis April 2010 ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen als Bauleiter von EUR 2.512,57 zu entnehmen. Darüber hinaus habe er durch PKW Nutzung Sachbezüge zwischen EUR 247,79 und EUR 307,02 lukriert. Ansprüche des Beziehers einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung (wie z.B. Unterhaltsansprüche) könnten angerechnet werden, wenn sie rechtsmissbräuchlich nicht durchgesetzt oder betrieben würden. Letzteres sei anzunehmen, wenn sie ohne nachvollziehbare Begründung offensichtlich zu Lasten der Arbeitslosenversicherung nicht durchgesetzt oder betrieben würden. Die Beschwerdeführerin sei am über die Möglichkeit, ihre Unterhaltsleistungen auch bei aufrechter Ehe einzuklagen, aufgeklärt worden. Sie sei darauf hingewiesen worden, dass sie bis zum einen geeigneten Nachweis vorlegen müsse. Die Beschwerdeführerin habe weder eine Unterhaltsklage noch eine Scheidungsklage eingereicht. Daher habe der fiktive Unterhaltsanspruch der Beschwerdeführerin gegen ihren Ehemann als eigenes Einkommen in Höhe von EUR 797,40 monatlich bzw. EUR 26,20 täglich angerechnet werden müssen. Dieser Anspruch übersteige den fiktiven Anspruch der Beschwerdeführerin auf Notstandshilfe in Höhe von EUR 20,86 täglich. Notlage sei ab dem nicht gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 33 Abs. 2 AlVG ist Voraussetzung für die Gewährung der Notstandshilfe unter anderem, dass sich der Arbeitslose in einer Notlage im Sinn des § 33 Abs. 3 AlVG befindet. Nach § 2 Abs. 1 der Notstandshilfeverordnung (NH-VO), BGBl. Nr. 352/1973, in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 388/1989, liegt Notlage vor, wenn das Einkommen (§ 36a Abs. 1 AlVG) des Arbeitslosen und das seines Ehepartners (Lebensgefährten bzw. seiner Lebensgefährtin) zur Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitslosen nicht ausreicht. Bei der Beurteilung der Notlage sind gemäß § 2 Abs. 2 NH-VO die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen selbst sowie des mit dem Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners (Lebensgefährten bzw. Lebensgefährtin) zu berücksichtigen. Ein aus Unterhaltsleistungen des getrennt lebenden oder geschiedenen Ehepartners bezogenen Einkommen des Arbeitslosen wird gemäß § 36a Abs. 3 Z 1 AlVG iVm § 29 Z 1 EStG 1988 in gleicher Weise berücksichtigt wie ein Einkommen aus eigener Erwerbstätigkeit des Arbeitslosen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0270, mwN).
Im konkreten Fall ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte im relevanten Zeitraum in getrennten Haushalten wohnten. Damit ist bei der Prüfung des Vorliegens einer Notlage der Beschwerdeführerin grundsätzlich nur auf das tatsächlich der Arbeitslosen zufließende Einkommen abzustellen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob sie durch eine bessere Verwertung ihres Vermögens ("bestmögliche Nutzung von Einnahmequellen") überhaupt bzw. höhere Einkünfte erzielen könnte, es sei denn, sie würde sich für bestimmte die Erzielung von Einkünften betreffende Gestaltungsmöglichkeiten nur deshalb entscheiden, um einer Einkommensanrechnung "zu entgehen", indem sie z.B. ihren Schuldner von seiner Verpflichtung zu Lasten der Versicherungsgemeinschaft befreit; eine derartige Konstellation kann auch vorliegen, wenn es die Arbeitslose unterlässt, eigene Unterhaltsforderungen zu verfolgen (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2008/08/0270, mwN).
Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerdeführerin vom AMS ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie auch während aufrechter Ehe ihre (in Geld bestehenden) Unterhaltsansprüche gegen den von ihr getrennte lebenden Ehegatten einklagen müsse. Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren somit auch zur Kenntnis genommen, dass sie zumindest die ernsthafte Verfolgung ihrer Unterhaltsansprüche gegenüber ihrem Ehegatten dem AMS nachzuweisen habe, widrigenfalls sie mit der Einstellung der Notstandshilfe rechnen müsse. Zutreffend ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass das Verhalten der Beschwerdeführerin, die Verfolgung ihrer Unterhaltsansprüche gegenüber ihrem Ehegatten zu unterlassen, ohne dafür eine plausible Begründung auch nur anzudeuten, nicht anders als ein Vorgehen in rechtsmissbräuchlicher Absicht zu Lasten der Versicherungsgemeinschaft gewertet werden kann. In Anbetracht der Ankündigung der Beschwerdeführerin, entsprechende Nachweise vorzulegen, und ihrer zweimaligen niederschriftlichen Belehrung trifft auch der Beschwerdevorwurf nicht zu, die belangte Behörde hätte ermitteln müssen, aus welchen Gründen die Beschwerdeführerin ihren Unterhaltsanspruch nicht verfolgt habe.
Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren nicht behauptet und es finden sich im Verwaltungsakt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sie durch Erkrankungen an der Einbringung der Unterhaltsklage gehindert gewesen wäre. Daher handelt es sich bei dem in der Beschwerde erstatteten Vorbringen, sie habe die Unterhaltsklage nicht rechtsmissbräuchlich, sondern aus gesundheitlichen Gründen unterlassen, um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung (§ 41 VwGG). Die Beschwerdeführerin hat die Notwendigkeit der Einbringung einer Unterhaltsklage zur Kenntnis genommen und am sogar ausdrücklich angekündigt, bis zum einen geeigneten Nachweis über deren Einbringung vorzulegen. Auch in der Niederschrift vom deponierte sie lediglich, keine Unterhaltsklage eingereicht zu haben, ohne eine Begründung dafür anzuführen.
Die Anrechnung der der Höhe nach nicht bestrittenen Unterhaltsansprüche der Beschwerdeführerin gegen ihren Ehegatten und die daraus resultierende Verneinung einer Notlage als Voraussetzung für einen Anspruch auf Notstandshilfe erfolgten daher zu Recht.
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am