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VwGH 26.05.2011, 2008/07/0148

VwGH 26.05.2011, 2008/07/0148

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
WRG 1959 §34 Abs1 idF 2006/I/123;
WRG 1959 §35;
RS 1
Anders als bei einer schon bestehenden Wasserversorgungsanlage (Hinweis E , 2007/07/0109) kommt im Fall der Sicherung des künftigen Trink- und Nutzwasserbedarfs einer Gemeinde dieser kein subjektives Recht auf Erlassung einer Maßnahme nach § 35 WRG 1959 zu. Diese Bestimmung räumt niemandem einen Anspruch auf Erlassung von Schutz-/Schongebietsanordnungen ein. Daraus folgt, dass potentielle Nutzer des zu schützenden Wasservorkommens keinen Anspruch auf eine Anordnung nach § 35 WRG 1959 haben. Schutzobjekt nach § 35 WRG 1959 ist nämlich nicht ein (geplantes) Projekt für eine Wasserversorgungsanlage, sondern das Wasservorkommen. Demnach ist auch Anknüpfungspunkt für die nach § 35 WRG 1959 zu erlassenden, für den ausreichenden Schutz erforderlichen Maßnahmen nicht ein in der Zukunft liegendes, allenfalls auch bereits konkretisiertes Vorhaben zur Errichtung einer Wasserversorgungsanlage, sondern das zur Deckung des künftigen Trink- und Nutzwasserbedarfs vorgesehene Wasservorkommen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. Sulzbacher und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde der Marktgemeinde G, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in 4840 Vöcklabruck, Stadtplatz 11, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom , Zl. UW.4.1.6/0150- I/5/2008, betreffend Maßnahmen nach § 35 WRG 1959 (mitbeteiligte Parteien: 1. K P in W, 2. R V in G, vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger, Dr. Otto Urban, Mag. Andreas Meissner, Mag. Thomas Laherstorfer und Dr. Robert Gamsjäger, Rechtsanwälte in 4840 Vöcklabruck, Feldgasse 6, 3. Mag. H M in G, 4. G S in G, 5. W H, 6. I H, beide in G, 7. J S und 8. J S, beide in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der zweitmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die nunmehr beschwerdeführende Marktgemeinde G. stellte mit Schreiben vom an den Landeshauptmann von Oberösterreich (LH) den Antrag auf Errichtung eines Schutzgebietes gemäß § 35 WRG 1959 zur Sicherstellung ihrer künftigen Trink- und Nutzwasserversorgung. Dafür sei die Errichtung eines weiteren Brunnens erforderlich, die "in den nächsten Jahren geplant" sei.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde mit Bescheid des LH vom zum Schutz der zukünftigen Wasserentnahme auf dem Grundstück Nr. 1463/1, KG St., für die Trink-, Nutz- und Feuerlöschwasser der Marktgemeinde G. nach Maßgabe der Projektsunterlagen und des Inhalts der Verhandlungsschrift vom gemäß § 35 WRG 1959 ein näher umschriebenes "Schutzgebiet" festgelegt. Danach sind von der Zone I ("Fassungsgebiet") zwei Grundstücke und von der Zone III insgesamt 100 Grundstücke (zur Gänze oder teilweise) betroffen. Zum Schutz der (auf dem genannten Grundstück Nr. 1463/1, KG St.) geplanten Brunnenanlage "Au II" wurden sodann 22 Anordnungen - im Einzelnen angeführte Verbote und Gebote betreffend die Benutzung der im Schutzgebiet gelegenen Grundstücke - ausgesprochen. In einem weiteren Spruchteil wurden die von den mitbeteiligten Parteien erhobenen Einwendungen teilweise abgewiesen und teilweise zurückgewiesen.

In der Begründung betreffend die Schutzgebietsfestsetzung führte der LH aus, von der Marktgemeinde G. sei vorgesehen, die Versorgungssicherheit dadurch besser zu gewährleisten, dass ein zweiter leistungsfähiger Brunnen errichtet werde, wofür als geologisch günstige Stelle das Grundstück Nr. 1463/1, KG St., gefunden worden sei. Auch wenn derzeit noch kein Verfahren über die Grundwasserentnahme selbst abgeschlossen sei, erscheine es sinnvoll, den Schutz der zukünftigen Entnahme vorzusehen. Dementsprechend werde - auf der Grundlage des eingereichten Projektes - nach fachlicher Beurteilung ein Schutzgebiet eingerichtet. Nach dem schlüssigen Gutachten sei das Schutzgebiet in der festgelegten Form notwendig, um einen ausreichenden Schutz zu gewährleisten. Aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung werde daher das im Spruch ausgewiesene Schutzgebiet installiert. Eine detaillierte Unterteilung in Zone II und III erfolge nach Durchführung eines Pumpversuches und der daraus gewonnenen Erkenntnisse über die lokalen Grundwasserverhältnisse. Danach folgt im Bescheid des LH noch eine nähere Begründung zur Entscheidung über die Einwendungen der mitbeteiligten Parteien.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (der belangten Behörde) vom wurde der Bescheid des LH vom "anlässlich" der dagegen von den mitbeteiligten Parteien erhobenen Berufungen "gemäß § 66 AVG" ersatzlos behoben. Das gründet sich auf die von der belangten Behörde unter Zitierung von Meinungen in einschlägigen Kommentaren vertretene Rechtsauffassung, Anordnungen gemäß § 35 WRG seien nach herrschender Lehre nur in Form von Verordnungen durch den LH möglich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nur Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend machende Beschwerde der Marktgemeinde G., über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die zweitmitbeteiligte Partei erwogen hat:

Die Festlegung eines "Schutzgebietes" stützte der LH in seinem Bescheid vom auf § 35 WRG 1959. Diese Bestimmung hat samt Überschrift - seit ihrer Einfügung mit der WRG-Novelle 1959 inhaltlich unverändert - folgenden Wortlaut:

"Sicherung der künftigen Wasserversorgung.

§ 35. Zur Sicherung des künftigen Trink- und Nutzwasserbedarfes können, wenn das zu schützende Wasservorkommen geeignet und dafür erforderlich ist, nach Prüfung der Verhältnisse und Abwägung der Interessen gleichfalls Anordnungen im Sinne des § 34 erlassen werden. Einschränkungen fremder Rechte sind jedoch nur so weit zulässig, als eine nach § 34 Abs. 4 gebührende Entschädigungsleistung gesichert ist. Wer eine solche Entschädigungsleistung übernommen hat, ist in allen das geschützte Wasservorkommen betreffenden Verfahren Partei."

Die zitierte Regelung ermöglicht zur Sicherung des künftigen Trink- und Nutzwasserbedarfes die Erlassung von "Anordnungen im Sinne des § 34 WRG 1959". Diese Bestimmung lautet (in der Fassung der WRG-Novelle 2006, BGBl. I Nr. 123) samt Überschrift (auszugsweise):

"Schutz von Wasserversorgungsanlagen (Wasserschutzgebiete)

§ 34. (1) Zum Schutze von Wasserversorgungsanlagen gegen Verunreinigung (§ 30 Abs. 2) oder gegen eine Beeinträchtigung ihrer Ergiebigkeit kann die zur Bewilligung dieser Anlagen zuständige Wasserrechtsbehörde - zum Schutze von nicht bewilligungspflichtigen Wasserversorgungsanlagen die Bezirksverwaltungsbehörde - durch Bescheid besondere Anordnungen über die Bewirtschaftung oder sonstige Benutzung von Grundstücken und Gewässern treffen, die Errichtung bestimmter Anlagen untersagen und entsprechende Schutzgebiete bestimmen. Darüber hinaus kann - nach Anhörung der gesetzlichen Interessenvertretungen - auch der Betrieb bestehender Anlagen und Unternehmungen im notwendigen Ausmaß eingeschränkt werden. Die besonderen Anordnungen sind tunlichst gleichzeitig in jenem Bescheid, mit dem die wasserrechtliche Bewilligung für die zu schützende Anlage erteilt wird, zu treffen. Die Änderung solcher Anordnungen ist zulässig, wenn der Schutz der Wasserversorgung dies gestattet oder erfordert.

(2) Zum Schutz der allgemeinen Wasserversorgung kann der Landeshauptmann ferner mit Verordnung bestimmen, dass in einem näher zu bezeichnenden Teil des Einzugsgebietes (Schongebiet) Maßnahmen, die die Beschaffenheit, Ergiebigkeit oder Spiegellage des Wasservorkommens zu gefährden vermögen, vor ihrer Durchführung der Wasserrechtsbehörde anzuzeigen sind oder der wasserrechtlichen Bewilligung bedürfen, oder nicht oder nur in bestimmter Weise zulässig sind. Zugleich kann die wasserrechtliche Bewilligung für solche Maßnahmen an die Wahrung bestimmter Gesichtspunkte gebunden werden. Solche Regelungen sind im gebotenen Maße nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse abgestuft zu treffen. Die Anordnung von Betretungsverboten darf überdies nur insoweit erfolgen, als das Interesse am Schutz der Wasserversorgung die Interessen von Berechtigten oder der Allgemeinheit am freien Zugang zu den in Betracht kommenden Flächen übersteigt.

(2a) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ist zur Erlassung einer Verordnung nach Abs. 2 zuständig, wenn

a) eine ländergrenzenübergreifende Regelung erforderlich ist, oder

b) die Regelung gemeinsam mit einer wasserwirtschaftlichen Rahmenverfügung zu treffen ist."

Die beschwerdeführende Marktgemeinde wendet sich gegen die dargestellte Rechtsauffassung der belangte Behörde und führt dazu in der Beschwerde aus, in § 35 WRG 1959 werde "generell" auf die Bestimmung des § 34 WRG 1959 verwiesen, ohne hinsichtlich deren Abs. 1 und Abs. 2 zu differenzieren. Der Gesetzgeber habe mit der gewählten Textierung alle Optionen im Sinne des § 34 WRG 1959 zulassen wollen. Es könnten daher auch zur Sicherung eines künftigen Wasserbedarfs, abgestimmt auf die einer Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalte, sowohl Schutzgebiete mit Bescheid als auch Schongebiete mit Verordnung festgelegt werden.

Wenn in einem ausgewiesenen Gebiet sinnvoll nutzbare Wasservorkommen gegeben seien und die Voraussetzungen nach § 35 WRG 1959 vorlägen, ohne dass die punktuell nach Lage bezeichnete Wasserentnahme feststehe, liege sicherlich eine so allgemein gehaltene wasserwirtschaftliche Rahmenbedingung vor, die einen Schutz über eine Verordnung zwingend erscheinen lasse. Wenn aber - wie im vorliegenden Fall - die künftige Entnahme schon "lagemäßig mit Grundstücksbezeichnung" festgelegt sei und lediglich der Zeitpunkt der technischen Umsetzung des Projektes nach entsprechendem wasserrechtlichen Verfahren in der Zukunft liege, sei ein soweit konkretisierter Sachverhalt gegeben, der über den Rahmen allgemeiner wasserwirtschaftlicher Gesichtspunkte hinausgehe und daher auch ein konkretes Verwaltungshandeln ermögliche. Damit könne auf einem konkreten Sachverhalt - wie er auch dem § 34 Abs. 1 WRG 1959 "immanent" sei - eine konkrete, den "Einzeltatbestand" betreffende Entscheidung durch die Behörde aufgebaut werden.

Es sei somit - so heißt es in der Beschwerde abschließend - "sinnentsprechend" gewesen, gestützt auf § 35 WRG 1959 nicht eine allgemeine wasserwirtschaftliche Verfügung in Form einer Verordnung zu erlassen, sondern mit konkretem Verwaltungshandeln den Schutz der nach Lage feststehenden Grundwasserentnahme durch Bescheid festzulegen.

Für den vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob der Verweis in § 35 WRG 1959 auf die "Anordnungen im Sinne des § 34" auch die dort genannten Rechtssatzformen umfasst und bejahendenfalls, ob die gegenständlichen Anordnungen mit Bescheid oder Verordnung zu treffen gewesen wären, oder ob sich der Verweis nur auf die in § 34 WRG 1959 genannten Arten von Maßnahmen bezieht. Es bedarf daher auch keiner näheren Auseinandersetzung mit der von der belangten Behörde vertretenen Meinung, Maßnahmen nach § 35 WRG 1959 seien nur in Form von Verordnungen durch den LH möglich (idS auch Bumberger/Hinterwirth, WRG, K 2 zu § 35; siehe auch Oberleitner, Kommentar zum WRG, Rz 1 zu § 35, und Raschauer, Wasserrecht, Rz 2 zu § 35), und mit der gegenteiligen, in der Beschwerde vertretenen Auffassung. Die beschwerdeführende Marktgemeinde ist nämlich durch die bekämpfte ersatzlose Behebung des nach § 35 WRG 1959 erlassenen Schutzgebietsbescheides des LH nicht in Rechten verletzt, weil - anders als bei einer schon bestehenden Wasserversorgungsanlage (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung zu § 34 Abs. 1 WRG 1959 zuletzt das Erkenntnis vom , Zl. 2007/07/0109) - im hier vorliegenden Fall der Sicherung des künftigen Trink- und Nutzwasserbedarfs einer Gemeinde dieser kein subjektives Recht auf Erlassung einer Maßnahme nach § 35 WRG 1959 zukommt.

Diese Bestimmung räumt niemandem einen Anspruch auf Erlassung von Schutz-/Schongebietsanordnungen ein. Daraus folgt, dass potentielle Nutzer des zu schützenden Wasservorkommens keinen Anspruch auf eine Anordnung nach § 35 WRG 1959 haben. Schutzobjekt nach § 35 WRG 1959 ist nämlich nicht ein (geplantes) Projekt für eine Wasserversorgungsanlage, sondern das Wasservorkommen. Demnach ist auch Anknüpfungspunkt für die nach § 35 WRG 1959 zu erlassenden, für den ausreichenden Schutz erforderlichen Maßnahmen nicht ein in der Zukunft liegendes, allenfalls auch bereits konkretisiertes Vorhaben zur Errichtung einer Wasserversorgungsanlage, sondern das zur Deckung des künftigen Trink- und Nutzwasserbedarfs vorgesehene Wasservorkommen.

Da somit eine Rechtsverletzung der beschwerdeführenden Partei nicht vorliegt, war ihre Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
WRG 1959 §34 Abs1 idF 2006/I/123;
WRG 1959 §35;
Sammlungsnummer
VwSlg 18142 A/2011
Schlagworte
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde
subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und
Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde
Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint
keineBESCHWERDELEGITIMATION
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht
Anfechtungsrecht VwRallg9/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2011:2008070148.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
FAAAE-75278