VwGH vom 22.11.2017, Ra 2017/19/0081
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Rossmeisel sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des H G O in W, vertreten durch Dr. Klaus Fanni, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottenring 14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W161 2140408- 1/5E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist afghanischer Staatsangehöriger. Er stellte am in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und gab an, am geboren und somit minderjährig zu sein. Zu seiner Reiseroute führte er aus, er habe nach seiner Flucht über Pakistan, den Iran und die Türkei in Griechenland das Gebiet der Europäischen Union betreten. Nach einem Aufenthalt von 15 Monaten in Griechenland sei er über Mazedonien und Serbien nach Ungarn und von dort - ohne zuvor einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt zu haben - weiter nach Österreich gereist.
2 Einer Eurodac-Abfrage am zufolge, stellte der Revisionswerber zunächst in Griechenland am einen Antrag auf internationalen Schutz ("Eurodac-Treffer Kategorie eins") und wurde am in Ungarn erkennungsdienstlich behandelt ("Eurodac-Treffer Kategorie zwei").
3 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete daraufhin am ein auf Art. 34 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), Dublin III-Verordnung, gestütztes Informationsersuchen an die zuständige ungarische Behörde. Diese antwortete mit Schreiben vom , dass der Revisionswerber in Ungarn am einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und angegeben habe, am geboren zu sein.
4 Am richtete das BFA ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmegesuch an die zuständige ungarische Behörde. Dabei verwendete das BFA ein Formblatt, wie es in der Stammfassung im Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, vorgesehen war, und fügte in der Spalte Bemerkungen ("comments") hinzu: Es werde um Wiederaufnahme des Revisionswerbers nach Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung ersucht. Es liege zu Ungarn ein "Eurodac-Treffer der Kategorie zwei" sowie die Mitteilung der ungarischen Behörde vom vor, wonach der Revisionswerber am in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Der Revisionswerber habe im Zuge seiner Antragstellung auf internationalen Schutz in Österreich angegeben, ein unbegleiteter Minderjähriger zu sein. Diese Behauptung sei in Hinblick auf seine äußere Erscheinung, die ungarische Mitteilung vom sowie das Fehlen von Dokumenten, die die Behauptung des Revisionswerbers beweisen könnten, nicht glaubwürdig. Der Revisionswerber werde einer medizinischen Untersuchung unterzogen werden, um sein wirkliches Alter festzustellen. Demzufolge werde die Frist für die Beantwortung dieses Ersuchens erst mit der Übermittlung des dazu erstatteten Sachverständigengutachtens an Ungarn beginnen. Bis dahin werde aufgrund der genannten Tatsachen davon ausgegangen, dass Ungarn der zuständige Mitgliedstaat im Sinn des Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung sei.
5 Mit Verfahrensanordnung vom teilte das BFA dem Revisionswerber gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) mit, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, und mit Ungarn Konsultationen geführt würden.
6 Das vom BFA in der Folge eingeholte Sachverständigengutachten zur Altersfeststellung ergab ein Mindestalter des Revisionswerbers zum Zeitpunkt der Antragstellung auf internationalen Schutz in Österreich von 21,27 Jahren. Das Ergebnis dieses Gutachtens übermittelte das BFA am an die zuständige ungarische Behörde mit der Mitteilung, dass damit die Frist zur Beantwortung des Wiederaufnahmegesuches zu laufen beginne.
7 Mit Schreiben vom erklärte die zuständige ungarische Behörde, sie stimme der Wiederaufnahme des Revisionswerbers gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung zu.
8 Mit Bescheid vom wies die BFA den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück, sprach aus, dass für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung Ungarn zuständig sei, erließ eine Anordnung zur Außerlandesbringung und stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Ungarn zulässig sei.
9 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde. Das Bundesverwaltungsgericht erkannte der Beschwerde mit Beschluss vom gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG aufschiebende Wirkung zu.
10 Mit Beschluss vom gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde des Revisionswerbers gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG Folge und behob den Bescheid des BFA vom . Diesen Beschluss stützte das Bundesverwaltungsgericht darauf, dass Erhebungen dazu erforderlich seien, ob im ungarischen Asylsystem systemische Mängel im Sinn von Art. 3 Abs. 2 Dublin III-Verordnung vorlägen, aufgrund derer ein Selbsteintritt Österreichs zur Vermeidung einer Grundrechtsverletzung nach Art. 3 EMRK geboten sei. Auch habe es das BFA unterlassen, Dokumente, die vom Revisionswerber zum Nachweis seines Alters vorgelegt worden seien, übersetzen zu lassen.
11 Am teilte das BFA der zuständigen ungarischen Behörde mit, dass der Revisionswerbers flüchtig sei, sodass sich die Frist zur Überstellung gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-Verordnung auf 18 Monate verlängere. In einer Stellungnahme bestritt der Revisionswerber mit näherer Begründung, jemals flüchtig gewesen zu sein.
12 Mit Bescheid vom wies das BFA den Antrag des Revisionswerbers gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 neuerlich als unzulässig zurück, sprach aus, dass für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung Ungarn zuständig sei, erließ gestützt auf § 61 Abs. 1 FPG eine Anordnung zur Außerlandesbringung und stellte fest, dass "demzufolge" gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung des Revisionswerbers nach Ungarn zulässig sei.
13 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers - ohne dieser zuvor aufschiebende Wirkung zuerkannt zu haben - als unbegründet ab und stellte gemäß § 21 Abs. 5 BFA-VG fest, dass die am durchgeführte Überstellung des Revisionswerbers nach Ungarn rechtmäßig gewesen sei. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
14 In der Begründung dieses Erkenntnisses gab das Verwaltungsgericht den Verfahrensgang wieder und stellte fest, der Revisionswerber, der bei seiner Antragstellung auf internationalen Schutz volljährig gewesen sei, sei Ende des Jahres 2014 von Griechenland über Serbien nach Ungarn gereist, wo er am einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Nach "Art. 18 Abs. 1" Dublin III-Verordnung ergebe sich daher die Zuständigkeit Ungarns. Ausgehend von den - im Erkenntnis näher wiedergegebenen - Länderberichten zu Ungarn habe der Revisionswerber nicht glaubhaft machen können, dass bei einer Abschiebung nach Ungarn eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK gegeben sei, sodass die Vermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 nicht entkräftet worden sei. Der Revisionswerber sei daher zu Recht nach Ungarn überstellt worden.
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet wurde, erwogen:
16 Der Revisionswerber macht zur Zulässigkeit seiner Revision sowie zu den Revisionsgründen - unter anderem und zusammengefasst -
geltend, im an Ungarn gerichteten Wiederaufnahmegesuch vom habe das BFA ausgeführt, dass die Antwortfrist erst zu laufen beginne, sobald ein Gutachten über das Alter des Revisionswerbers vorliege. Die Dublin III-Verordnung sehe eine solche Verlängerung der Antwortfrist nicht vor. Die Verordnung gehe vielmehr davon aus, dass die vorgesehenen Fristen ausreichend seien, um das Gesuch zu stellen, zu prüfen und beantworten zu können. Daher sei aber infolge "Verfristung" die Zuständigkeit Österreichs eingetreten. Der Revisionswerber sei im Sinn der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () zu Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 2 Dublin II-Verordnung, die auch auf die neue Rechtslage zu übertragen sei, nicht "flüchtig" im Sinn des Art 29 Abs. 2 Dublin III-Verordnung gewesen, weil sein Aufenthaltsort der Behörde nie unbekannt gewesen sei. Es sei daher zu keiner Verlängerung der Frist des Art. 29 Abs. 2 Dublin III-Verordnung gekommen. Das Bundesverwaltungsgericht habe es unterlassen, zu seinem dazu erstatteten Vorbringen Ermittlungen anzustellen und Feststellungen zu treffen.
17 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
18 Art. 18 Abs. 1, Art. 23, Art. 25, Art. 27 Abs. 1 und Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-Verordnung (jeweils samt Überschrift) lauten auszugsweise:
"Artikel 18
Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats
(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:
...
b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines
Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
..."
"Artikel 23
Wiederaufnahmegesuch bei erneuter Antragstellung im
ersuchenden Mitgliedstaat
(1) Ist ein Mitgliedstaat, in dem eine Person im Sinne des Artikels 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d einen neuen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Auffassung, dass nach
Artikel 20 Absatz 5 und Artikel 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d ein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags zuständig ist, so kann er den anderen Mitgliedstaat ersuchen, die Person wieder aufzunehmen.
(2) Ein Wiederaufnahmegesuch ist so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung im Sinne von Artikel 9 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 zu stellen.
Stützt sich das Wiederaufnahmegesuch auf andere Beweismittel als Angaben aus dem Eurodac-System, ist es innerhalb von drei Monaten, nachdem der Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Artikel 20 Absatz 2 gestellt wurde, an den ersuchten Mitgliedstaat zu richten.
(3) Erfolgt das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb der in Absatz 2 festgesetzten Frist, so ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, in dem der neue Antrag gestellt wurde.
(4) Für ein Wiederaufnahmegesuch ist ein Standardformblatt zu verwenden, das Beweismittel oder Indizien im Sinne der beiden Verzeichnisse nach Artikel 22 Absatz 3 und/oder sachdienliche Angaben aus der Erklärung der betroffenen Person enthalten muss, anhand deren die Behörden des ersuchten Mitgliedstaats prüfen können, ob ihr Staat auf Grundlage der in dieser Verordnung festgelegten Kriterien zuständig ist.
Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für die Erstellung und Übermittlung von Wiederaufnahmegesuchen fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen."
"Artikel 25
Antwort auf ein Wiederaufnahmegesuch
(1) Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Wiederaufnahme der betreffenden Person so rasch wie möglich, in jedem Fall aber nicht später als einen Monat, nachdem er mit dem Gesuch befasst wurde. Stützt sich der Antrag auf Angaben aus dem Eurodac-System, verkürzt sich diese Frist auf zwei Wochen.
(2) Wird innerhalb der Frist von einem Monat oder der Frist von zwei Wochen gemäß Absatz 1 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen."
"Artikel 27
Rechtsmittel
(1) Der Antragsteller oder eine andere Person im Sinne von
Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d hat das Recht auf ein wirksames Rechtsmittel gegen eine Überstellungsentscheidung in Form einer auf Sach- und Rechtsfragen gerichteten Überprüfung durch ein Gericht.
..."
"Artikel 29
Modalitäten und Fristen
(1) Die Überstellung des Antragstellers oder einer anderen Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Artikel 27 Absatz 3 aufschiebende Wirkung hat. ...
(2) Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist."
In der Entsprechungstabelle in Anhang II der Dublin III-Verordnung wird unter anderem angegeben:
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Verordnung (EG) Nr. 343/2003 | Diese Verordnung |
Artikel 18 | Artikel 22 |
Artikel 19 Absatz 4 | Artikel 29 Absatz 2 |
19 Art. 2 und 12 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, in der durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom geänderten Fassung (Durchführungsverordnung Nr. 1560/2003) lauten auszugsweise:
"Artikel 2
Stellen eines Wiederaufnahmegesuchs
Ein Wiederaufnahmegesuch wird mithilfe eines Formblatts entsprechend dem Muster in Anhang III, aus dem die Art und die Gründe für das Gesuch sowie die Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates hervorgehen, auf die sich das Gesuch stützt, gestellt.
..."
"Artikel 12
Unbegleitete Minderjährige
(1) Könnte die Entscheidung, einen unbegleiteten Minderjährigen bei einem anderen Angehörigen als seinem Vater oder seiner Mutter oder seinem gesetzlichen Vormund in Obhut zu geben, besondere Schwierigkeiten aufwerfen, insbesondere, wenn der betreffende Erwachsene seinen Wohnsitz außerhalb der Gerichtsbarkeit des Mitgliedstaats hat, in dem der Minderjährige um Asyl nachsucht, wird die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, insbesondere den für Jugendschutz zuständigen Behörden bzw. den entsprechenden Gerichten erleichtert; es werden die notwendigen Maßnahmen getroffen, damit diese Behörden sich in voller Kenntnis der Sachlage dazu äußern können, ob der (die) Erwachsene(n) in der Lage ist (sind), den Minderjährigen seinem Interesse entsprechend in Obhut zu nehmen. Zu diesem Zweck werden die Möglichkeiten genutzt, die sich im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen bieten.
(2) Die Dauer der Verfahren im Zusammenhang mit der Unterbringung des Minderjährigen kann über die Fristen gemäß
Artikel 18 Absätze 1 und 6 und Artikel 19 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 hinausgehen. Dieser Umstand steht nicht zwangsläufig dem Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates oder der Durchführung der Überstellung entgegen."
20 Die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom wurde im Amtsblatt der Europäischen Union am , L 039 Seite 1, veröffentlicht und trat nach ihrem Artikel 2 am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft. Mit dieser Verordnung wurden unter anderem Art. 2 Durchführungsverordnung Nr. 1560/2003 sowie das in dieser Bestimmung genannte Muster des Formblatts in Anhang III dieser Verordnung geändert.
21 In seinem Urteil vom , C-63/15, Ghezelbash, hat der EuGH ausgesprochen, dass sich die Rechtslage nach der Dublin III-VO von der Vorgängerregelung der Dublin II-VO maßgeblich unterscheidet und Art. 27 Abs. 1 der Dublin III-VO im Licht des 19. Erwägungsgrundes dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass in einem Sachverhalt, wie dem im dortigen Ausgangsverfahren fraglichen, ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitskriteriums geltend machen kann (vgl. auch ).
22 Mit Urteil vom , Rs C-670/16, Mengesteab, hat der EuGH ausgesprochen, dass eine Person, die internationalen Schutz beantragt, sich im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine ihr gegenüber ergangene Überstellungsentscheidung auf den Ablauf der in Art. 21 Abs. 1 Dublin III-Verordnung genannten Frist berufen kann. Dazu hat der EuGH festgehalten, dass die Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach Kapitel III der Dublin III-Verordnung obligatorisch im Einklang mit den insbesondere in Kapitel VI der Verordnung genannten Regeln durchgeführt werden müssen (Rn. 49). Im Verfahren sind daher insbesondere eine Reihe zwingender Fristen zu beachten (Rn. 50). Mit Blick auf die Frist zur Stellung eines Aufnahmegesuches nach Art. 21 Abs. 1 Dublin III-Verordnung hat der EuGH dazu ausgeführt, dass der Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig wird, wenn das Gesuch nicht innerhalb der genannten Fristen unterbreitet wird (Rn. 52). Eine Entscheidung, mit der die Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat als den, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, angeordnet wird, kann daher nicht wirksam ergehen, wenn die in diesen Vorschriften festgelegten Fristen abgelaufen sind (Rn. 53). Dass der ersuchte Mitgliedstaat bereit wäre, die betreffende Person trotz Fristenablaufes aufzunehmen, ist nicht ausschlaggebend (Rn. 59).
23 Mit Urteil vom , C-201/16, Shiri, hat der EuGH diese Rechtsprechung bekräftigt und ausgeführt, dass zu den zwingenden Fristen, nach denen die Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren nach der Dublin III-Verordnung durchzuführen sind, auch die in Art. 29 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung erwähnte Frist zur Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat zählt. Wird die Frist nicht eingehalten, geht die Zuständigkeit, ohne dass dies von der Reaktion des zuständigen Mitgliedstaates abhängig wäre, auf den ersuchenden Mitgliedstaat über (Rn. 30, 34 und 39). Nach Art. 27 Abs. 1 der Dublin III-VO muss der Antragsteller auf internationalen Schutz daher über einen wirksamen und schnellen Rechtsbehelf verfügen, der es ihm ermöglicht, sich auf den nach dem Erlass der Überstellungsentscheidung eingetretenen Ablauf der in Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-Verordnung festgelegten sechsmonatigen Frist zu berufen (Rn. 46).
24 Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Zuständigkeit nach der Dublin III-Verordnung im angefochtenen Erkenntnis lediglich aus, die Zuständigkeit Ungarns ergebe sich aus "Art. 18 Abs. 1" dieser Verordnung. Die dem erkennbar zu Grunde liegende Ansicht, Art. 18 der Dublin III-Verordnung sei für sich genommen zuständigkeitsbegründend, wurde in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits verworfen (vgl. , Rn. 21).
25 Wie die Revision zutreffend aufzeigt, hätte das Bundesverwaltungsgericht die Zuständigkeit nach der Dublin III-Verordnung insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der Einhaltung der Regeln nach Kapitel VI dieser Verordnung, nach denen im Sinn der dargestellten Rechtsprechung des EuGH die Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren zwingend durchzuführen sind, prüfen und dabei auf das vom Revisionswerber dazu erstattete Vorbringen eingehen müssen.
26 Durch die dargestellte Rechtsprechung des EuGH ist nunmehr klargestellt, dass an die Versäumung der Fristen für das Stellen eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs sowie auch für die Antwort auf ein solches Gesuch klare Rechtsfolgen geknüpft sind. Die Versäumung der Fristen für die Stellung eines Aufnahmegesuches nach Art. 21 Abs. 1 Dublin III-Verordnung bzw. eines Wiederaufnahmegesuches nach Art. 23 Abs. 2 Dublin III-Verordnung führen demnach zur Zuständigkeit des ersuchenden Mitgliedstaates. Dasselbe gilt für die Versäumung der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-Verordnung. Unter Beachtung des vom EuGH dargelegten zwingenden Charakters der Fristen kann auch kein Zweifel daran bestehen, dass der Beginn und der Ablauf dieser Fristen - ebenso wie der Fristen zur Antwort auf ein Aufnahmegesuch nach Art. 22 Abs. 1 Dublin III-Verordnung bzw. auf ein Wiederaufnahmegesuch nach Art. 25 Abs. 1 Dublin III-Verordnung -nicht der Disposition der beteiligten Mitgliedstaaten unterliegt.
27 Im vorliegenden Fall ist das Bundesverwaltungsgericht - wie zuvor das BFA - davon ausgegangen, dass der Revisionswerber in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und vor Abschluss des dazu geführten Verfahrens nach Österreich weitergereist ist. Dieser Annahme tritt auch die Revision nicht mehr entgegen. Gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung waren daher die Regelungen des Wiederaufnahmeverfahrens nach Art. 23, 24, 25 und 29 Dublin III-Verordnung anzuwenden.
28 Nach Art. 23 Abs. 2 Dublin III-Verordnung richtet sich die Maximalfrist für das Wiederaufnahmegesuch nach dem Vorliegen einer Eurodac-Treffermeldung im Sinn von Art. 9 Abs. 5 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013. Im Fall des Vorliegens ist das Wiederaufnahmegesuch nach dem ersten Unterabsatz der Bestimmung innerhalb von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung zu stellen. Stützt sich das Wiederaufnahmegesuch dagegen auf andere Beweismittel, ist es nach dem zweiten Unterabsatz des Art. 23 Abs. 2 Dublin III-Verordnung innerhalb von drei Monaten, nachdem der Antrag auf internationalen Schutz im Sinn von Art. 20 Abs. 2 Dublin III-Verordnung gestellt wurde, an den ersuchten Mitgliedstaat zu richten.
29 An diese Bestimmung knüpft auch Art. 25 Abs. 1 Dublin III-Verordnung an, in dem, je nachdem ob das Wiederaufnahmegesuch auf Angaben aus dem Eurodac-System oder andere Beweismittel gestützt wird, unterschiedliche Antwortfristen festgelegt werden. Mit Blick auf diese Bestimmung hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass sich die Frist im Sinn des zweiten Satzes des Art. 25 Abs. 1 Dublin III-Verordnung nur dann auf Angaben aus dem Eurodac-System stützt, wenn der ersuchende Mitgliedstaat mit dem Wiederaufnahmegesuch, in dem er sich auf den "Eurodac-Treffer" bezieht, an jenen Mitgliedstaat herantritt, von dem die Speicherung im Eurodac-System stammt (vgl. ). Diese Überlegungen sind auch auf Art. 23 Abs. 2 Dublin III-Verordnung zu übertragen. Die Frist nach dem ersten Unterabsatz dieser Bestimmung kommt daher nur zur Anwendung, wenn sich das Wiederaufnahmegesuch auf eine vom ersuchten Mitgliedstaat stammende Eurodac-Treffermeldung im Sinn von Art. 9 Abs. 5 Verordnung (EU) Nr. 603/2013 stützen kann ("Eurodac-Treffer Kategorie eins"; vgl. Art. 24 Abs. 4 Verordnung (EU) Nr. 603/2013).
30 Im vorliegenden Fall lag zu Griechenland eine Eurodac-Treffermeldung im Sinn von Art. 9 Abs. 5 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 vor. Hinsichtlich Ungarns ergab sich, wie auch durch das BFA in seinem Wiederaufnahmegesuch angemerkt, (lediglich) eine Eurodac-Treffermeldung im Sinn von Artikel 14 Abs. 1 der Verordnungen (EU) Nr. 603/2013 ("Eurodac-Treffer Kategorie zwei"). Dem folgend konnte sich das BFA in einem auf Art. 18 Abs. 1 lit. b iVm Art. 23 Abs. 2 der Dublin III-VO gestützten Wiederaufnahmegesuch nicht auf einen "Eurodac-Treffer", sondern (nur) auf die nach dem Informationsersuchen vom gemäß Art. 34 Dublin III-Verordnung erteilte Auskunft der zuständigen ungarischen Behörde, dass der Revisionswerber am einen Antrag auf internationalen Schutz in Ungarn gestellt habe, stützen. Das Wiederaufnahmegesuch war daher im Sinn des Art. 23 Abs. 2 zweiter Unterabsatz Dublin III-Verordnung innerhalb von drei Monaten nach der am erfolgten Stellung des Antrags des Revisionswerbers auf internationalen Schutz in Österreich zu stellen. Auf ein solches Wiederaufnahmegesuch wäre durch den ersuchten Mitgliedstaat nach Art. 25 Abs. 1 erster Satz Dublin III-Verordnung spätestens innerhalb eines Monats zu antworten gewesen.
31 In seinem Wiederaufnahmegesuch vom teilte das BFA der ungarischen Behörde mit, dass in Österreich noch Erhebungen zur Altersfeststellung in Hinblick auf die Behauptung des Revisionswerbers, ein unbegleiteter Minderjähriger zu sein, geführt würden und die Frist für eine Antwort (erkennbar gemeint: nach Art. 25 Abs. 1 Dublin III-Verordnung) vorerst - bis zur Übermittlung der Ergebnisse des Gutachtens zur Altersfeststellung hinsichtlich des Revisionswerbers - nicht ausgelöst werde. Damit wurde vom BFA auch zum Ausdruck gebracht, dass zur endgültigen Abklärung der Zuständigkeit noch die Ergebnisse des weiteren Ermittlungsverfahrens abgewartet werden müssten.
32 Durch das BFA wurde eine Grundlage dieser Vorgehensweise nicht offen gelegt. Sollte dem aber die Annahme zu Grunde gelegen sein, dass im Sinn des Art. 12 Abs. 2 Durchführungsverordnung Nr. 1560/2003 über die Fristen der Dublin III-Verordnung hinausgegangen hätte werden können, so ist dem entgegenzuhalten, dass die Bestimmung sich nach ihrem klaren Wortlaut nur auf die "Dauer der Verfahren im Zusammenhang mit der Unterbringung des Minderjährigen" in Hinblick auf die Fristen nach Art. 22 und 29 Abs. 2 Dublin III-Verordnung, nicht aber auf die Fristen des Wiederaufnahmeverfahrens nach Art. 23, 24 und 25 Dublin III-Verordnung bezieht.
33 Ein Wiederaufnahmegesuch nach Art. 23 Dublin III-Verordnung stellt aber nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung ein Ersuchen um Wiederaufnahme auf der Grundlage der "Auffassung" dar, dass der andere Mitgliedstaat nach Artikel 20 Abs. 5 und Artikel 18 Abs. 1 Buchstaben b, c oder d Dublin III-Verordnung für die Prüfung des Antrags zuständig ist. Dem entspricht daher ein Gesuch, in dem - wie vorliegend - noch nicht endgültig von der Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates ausgegangen wird, sondern diese von weiteren Erhebungen abhängig gemacht und eine Antwort auf das Gesuch daher ausdrücklich nicht verlangt wird, nicht. Eine andere Sichtweise verbietet sich auch schon deshalb, weil - wie bereits dargestellt - an ein Wiederaufnahmegesuch im Sinn des Art. 23 Dublin III-Verordnung die "zwingende" Frist zur Antwort des ersuchten Mitgliedstaates nach Art. 25 Abs. 1 Dublin III-Verordnung anknüpft, bei deren Versäumung davon "auszugehen" ist, dass dem Gesuch stattgegeben wird, wodurch die Zuständigkeit auf den ersuchten Staat übergeht und die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-Verordnung zu laufen beginnt.
34 Im Hinblick auf den in der Rechtsprechung des EuGH dargestellten obligatorischen Charakter der Regeln der Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren nach Kapitel VI der Dublin III-Verordnung kann das Gesuch des BFA vom daher - unabhängig davon, dass auch nicht das zum Zeitpunkt der Stellung aktuelle Formblatt nach Anhang III der Durchführungsverordnung Nr. 1560/2003 verwendet wurde - nicht als Wiederaufnahmegesuch im Sinn des Art. 23 Dublin III-Verordnung angesehen werden. Damit wurde aber ein solches Wiederaufnahmegesuch nicht rechtzeitig gestellt und ist Österreich schon infolge der Versäumung der Frist zur Stellung eines Gesuches nach Art. 23 Abs. 2 Dublin III-Verordnung zuständig geworden.
35 Das angefochtene Erkenntnis war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
36 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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