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VwGH vom 29.04.2013, 2012/16/0212

VwGH vom 29.04.2013, 2012/16/0212

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger, Mag. Dr. Köller, Dr. Thoma und die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des MMag. P in I, vertreten durch die Prader Ortner Rechtsanwälte GesbR in 6020 Innsbruck, Dr. Glatz-Straße 1, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Innsbruck vom , Zl. 20Jv 2699-33/12s, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte in diesem Verfahren wird auf das Erkenntnis vom , Zl. 2010/16/0010, verwiesen, mit dem der Verwaltungsgerichtshof den dort angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben hat. Daraus ist folgender Verfahrensgang hervorzuheben:

Am langte beim Landesgericht Innsbruck eine Klage samt Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung mit dem Beschwerdeführer als Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei ein. Als Streitgegenstand bzw. -wert gab der Kläger auf der ersten Seite der Klage an:

"Zustimmung (StW EUR 55.000,00)

Feststellung (StW EUR 55.000,00)"

Das Klagebegehren lautet wörtlich:

"1) Der Beklagte als Eigentümer der Liegenschaft ... ist schuldig, gegenüber dem Stadtmagistrat der Stadt I. als Baubehörde dem Bauansuchen des Klägers, welchem der einen integrierenden Bestandteil dieses Urteils bildende Einreichplan des Arch. D. zum Dachausbau des Hauses ... zu Grunde liegt, seine Zustimmung zu erteilen.

2) Es wird festgestellt, dass der Beklagte dem Kläger gegenüber zugesagt hat, diesem am gesamten, vom Kläger auf eigene Kosten zu Wohnzwecken umzubauenden Dachboden einschließlich der vom 3.OG zum Dachboden führenden Stiege des Hauses 6010 I. ... der Liegenschaft in ... samt einem Zubehörkeller Wohnungseigentum einzuräumen.

…"

Weiter beantragte der Kläger die Erlassung folgender

einstweiliger Verfügung:

"1) Dem Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei wird verboten, über die auf das zu bildende WE-Objekt Dachboden des Hauses auf der Liegenschaft ... entfallenden Liegenschaftsanteile zu verfügen, insbesondere sie zu veräußern (übertragen), zu belasten oder zu verpfänden.

2) ob der Liegenschaft des Gegners der Gefährdeten Partei in ... die Anmerkung der Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum hinsichtlich des WE-Objektes Dachboden des Hauses 6020 I ... für (den Kläger) vorzunehmen."

Zur Begründung führte der Kläger aus, dass ohne sofortige Erlassung der einstweiligen Verfügung die Gefahr bestehe, dass die Verwirklichung des Anspruchs des Klägers vereitelt werde. Der Kläger sei auch jederzeit bereit, den vereinbarten Kaufpreis von EUR 110.000,-- bei Gericht zu hinterlegen.

In der vom Beschwerdeführer eingebrachten Klagebeantwortung führte er als Streitwert "EUR 110.000,00" an.

Mit Beschluss vom bewilligte das Landesgericht Innsbruck die einstweilige Verfügung antragsgemäß, ohne ausdrücklich einen Streitwert zu beziffern.

Gegen diesen Beschluss erhob der Beschwerdeführer als Gegner der gefährdeten Partei Rekurs in eventu Widerspruch, und gab als Streitwert "EUR 110.000,00" an. Die Kosten für den Rekurs und den Widerspruch wurden jeweils auf Basis des genannten Streitwertes verzeichnet.

Das Oberlandesgericht Innsbruck gab mit Beschluss vom dem Rekurs des Beschwerdeführers Folge und änderte den angefochtenen Beschluss ab. Als Streitwert führte es an "wegen Zustimmung und Feststellung (Streitwert je EUR 55.000,--)".

Der dagegen von der klagenden und gefährdeten Partei erhobene außerordentliche Revisionsrekurs wurde vom zurückgewiesen. Im Kopf der Entscheidung wurde als Streitwert angegeben "wegen Zustimmung (Streitwert 55.000 EUR), Feststellung (Streitwert 55.000 EUR) und einstweiliger Verfügung".

Mit Zahlungsauftrag vom wurde dem Beschwerdeführer für den Rekurs gegen die einstweilige Verfügung unter Einrechnung eines bereits überwiesenen Betrages von EUR 493,-

- ein weiterer Betrag gemäß Anmerkung 1a zu TP 2 GGG von EUR 3.211,-- zuzüglich einer Einhebungsgebühr gemäß § 6 Abs. 1 GEG von EUR 8,-- vorgeschrieben.

In dem gegen diesen Zahlungsauftrag erhobenen Berichtigungsantrag brachte der Beschwerdeführer vor, die Bemessungsgrundlage für die Einbringung des Rekurses gegen die einstweilige Verfügung sei unrichtig angesetzt worden. Zwar sei die Klage mit EUR 110.000,-- bewertet worden, das Begehren im Provisorialverfahren sei nicht bewertet worden. Es sei daher der Zweifelsstreitwert gemäß § 17 GGG heranzuziehen. Dieser betrage EUR 6.162,--, weshalb Gerichtsgebühren in der Höhe von EUR 493,--, die bereits zur Einzahlung gebracht worden seien, zu entrichten seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Berichtigungsantrag keine Folge und führte nach Wiedergabe des Ganges des Gerichtsverfahrens und Darstellung der einschlägigen Rechtslage zusammengefasst begründend aus, der Beschwerdeführer habe in seiner Rechtsmittelschrift die Bemessungsgrundlage mit EUR 110.000,-- angegeben und auch das Kostenverzeichnis auf dieser Basis erstellt. Damit habe er in einer formalen, leicht erkennbaren Weise klargestellt, dass er sein Rechtsmittelinteresse mit dem angegebenen Betrag beziffere. Damit sei ausreichend und deutlich eine Bewertung im Sinne des § 18 Abs. 2 Z 3 dritter Satz GGG vorgenommen worden. Auch seien dem Beschwerdeführer Kosten auf Basis von EUR 110.000,-- zugesprochen worden. Der Zweifelstreitwert gemäß § 17 GGG komme nicht zur Anwendung.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , B 836/12-3, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Verfahrensakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auch in seiner Beschwerdeergänzung vertritt der Beschwerdeführer im Wesentlichen die Ansicht, die Bewertung des Streitgegenstandes sei ausschließlich Angelegenheit des Klägers im Zivilverfahren; unterbleibe eine solche, sei der Zweifelstreitwert heranzuziehen. Zwar sei die Klage im vorliegenden Fall bewertet worden, allerdings nicht der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Daher komme der Zweifelsstreitwert als Bemessungsgrundlage ausschließlich in Frage.

Dem ist Folgendes entgegen zu halten:

Gemäß § 15 Abs. 4 erster Satz (nunmehr Abs. 4 zur Gänze) des am in Kraft getretenen Gerichtsgebührengesetzes (GGG) dient bei einstweiligen Verfügungen außerhalb eines Zivilprozesses der Wert des zu sichernden Anspruchs als Bemessungsgrundlage.

In den Erläuterungen zu dieser Bestimmung heißt es (GP XVI RV 366) (Fettdruck im Original):

"§ 15 Abs. 4 sieht anders als das bisherige Recht nur noch eine Bemessungsgrundlage für einstweilige Verfügungen außerhalb eines Zivilprozesses vor; wird hingegen ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Zuge eines Zivilprozesses (entweder gleichzeitig mit der Klage oder während des Verfahrens) gestellt, so sind hiefür keine weiteren Gerichtsgebühren vorgesehen, weil in diesen Fällen mit der für die Klage zu bezahlenden Pauschalgebühr nach Tarifpost 1 auch die Gebühren des Verfahrens zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgegolten sein sollen."

Die Vorgängerbestimmung zu dieser Norm (nach den eben zitierten Erläuterungen "das bisherige Recht") war § 14 Abs. 3 Gerichts- und Justizverwaltungsgebührengesetz 1962 (GJGebG), in dem der erste Satz hieß: "Bei einstweiligen Verfügungen dient der Wert des zu sichernden Anspruches als Bemessungsgrundlage."

§ 14 Abs. 3 GJGebG unterscheidet sich von § 15 Abs. 4 GGG demnach nicht durch eine unterschiedliche Ermittlung der Bemessungsgrundlage, sondern lediglich darin, dass seit Inkrafttreten des GGG für eine mit einer Klage verbundene einstweilige Verfügung keine gesonderte Gebühr in erster Instanz zu entrichten ist. Diese mit dem Zusatz "außerhalb eines Zivilprozesses" in § 15 Abs. 4 GGG bewirkte Änderung hatte somit ausschließlich den Wegfall der Pauschalgebühr nach TP 1 für das erstinstanzliche Verfahren im Auge, während der Gesetzgeber nach dem Vorbild des GJGebG auch im GGG bei einstweiligen Verfügungen den "Wert des zu sichernden Anspruchs" als Bemessungsgrundlage festgelegt hat. Nicht bedacht werden konnte damals die mit der Novelle BGBl. I Nr. 52/2009 neu eingeführte Anmerkung 1a zur TP 2 GGG, wonach die Pauschalgebühr nach TP 2 auch für Verfahren zweiter Instanz über die Erlassung einstweiliger Verfügungen anzuwenden ist. Auch wurden in diesem Zusammenhang keine eigenen Bestimmungen zur Bildung einer Bemessungsgrundlage für Rekurse gegen einstweilige Verfügungen erlassen.

Daraus folgt, dass der Gesetzgeber keine unterschiedlichen Bewertungsregeln für einstweilige Verfügungen schaffen, sondern diese durch § 15 Abs. 4 GGG zunächst von der erstinstanzlichen Gebührenpflicht befreien wollte, um sie dann durch Anmerkung 1a zur TP 2 GGG einer Gebührenpflicht für das Rekursverfahren zu unterziehen.

Hat sich aber durch die Änderung der Rechtslage betreffend die Vergebührung an der Art der Bildung der Bemessungsgrundlage für einstweilige Verfügungen nichts geändert und wurden auch keine neuen Regeln dafür geschaffen, ist kein Grund zu sehen, weshalb die Bildung der Bemessungsgrundlage bei - nicht bewerteten - einstweiligen Verfügungen "außerhalb eines Zivilprozesses" nach dem "Wert des zu sichernden Anspruchs" erfolgen soll, während - so die Ansicht des Beschwerdeführers - bei einer mit einer Klage verbundenen - nicht bewerteten - einstweiligen Verfügung der Zweifelsstreitwert gemäß § 17 GGG maßgeblich sein soll. Maßgeblich ist demnach der "Wert des zu sichernden Anspruches".

Nach der Judikatur zum "Wert des zu sichernden Anspruches" (ergangen zu § 14 Abs. 3 GJGebG) ist der Entscheidungsgebühr für die einstweilige Verfügung der von der klagenden Partei angegebene Streitwert des Urteilsbegehrens zu Grunde zu legen, wenn sich der Inhalt einer in der Klage aufgenommenen einstweiligen Verfügung mit dem nicht auf Leistung eines Geldbetrages gerichteten Urteilsbegehren deckt (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 144/74). Für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage bei einstweiligen Verfügungen entscheidet nicht der von der gefährdeten Partei für die einstweilige Verfügung angesetzte Wert des Streitgegenstandes (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 1.682 bis 1.684/77), sondern der Wert, der dem zu sichernden Anspruch zukommt (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 86/16/0091).

Unter Anwendung der zu § 14 Abs. 3 GJGebG ergangenen Rechtsprechung auch auf die vorliegende Rechtslage entscheidet nicht der von der gefährdeten Partei für die einstweilige Verfügung angesetzte Wert des Streitgegenstandes, sondern der Wert des zu sichernden Anspruchs.

Diesen sieht die belangte Behörde im Beschwerdefall im Streitwert des Urteilsbegehrens. Diese Bewertung ist nach der Rechtsprechung dann zutreffend, wenn sich der Inhalt der in der Klage aufgenommenen einstweiligen Verfügung mit dem nicht auf Leistung eines Geldbetrages gerichteten Urteilsbegehren deckt.

Im Beschwerdefall fehlt zwar zwischen dem Klagebegehren und dem Begehren in der beantragten einstweiligen Verfügung die Identität der begehrten Entscheidung, nach der Zielsetzung der einstweiligen Verfügung diente diese aber der Sicherung der eingeklagten Ansprüche. Die Bewertung der eingeklagten Ansprüche entspricht demnach dem Wert des durch die einstweilige Verfügung zu sichernden Anspruchs (vgl. das zitierte Erkenntnis vom , Zlen. 1.682 bis 1.684/77).

Dem Beschwerdevorbringen ist nicht zu entnehmen, dass und allenfalls aus welchen Gründen vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage und in Anbetracht der in der Klage gestellten Anträge eine andere Bewertung als die beschriebene erfolgen sollte. Der Beschwerdeführer unterlässt es, Argumente dahin vorzubringen, dass als Bemessungsgrundlage für die einstweilige Verfügung nicht jene Bewertung herangezogen werden durfte, die der Kläger seiner Klage zu Grunde gelegt hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am