VwGH 12.09.2012, 2010/08/0220
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des Vereins W in M, vertreten durch Wolczik Knotek Winalek Wutte-Lang, Rechtsanwälte in 2500 Baden, Pergerstraße 12, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. GS5-A-948/800-2010, betreffend Beitragszuschlag nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei:
Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG ein Beitragszuschlag in Höhe von EUR 2.800,-- vorgeschrieben. Im Rahmen einer am erfolgten Betretung durch das "Finanzamt Baden-Mödling/Team KIAB" sei festgestellt worden, dass für vier namentlich genannte Versicherte die Anmeldungen nicht vor Arbeitsantritt erstattet worden seien. Der Beitragszuschlag setze sich aus vier Teilbeträgen für die gesonderte Bearbeitung in Höhe von insgesamt EUR 2.000,-- und dem Teilbetrag für den Prüfeinsatz in Höhe von EUR 800,-- zusammen.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Einspruch. Sie legte Gewerbescheine sowie Werkverträge vor und führte aus, dass die als Versicherte genannten Personen ihre Tätigkeit im Rahmen ihrer Gewerbeberechtigung "Tierbetreuung unter Ausschluss des Teilgewerbes Huf- und Klauenbeschlag, den reglementierten Gewerben sowie der den Veterinärmedizinern vorbehaltenen Tätigkeiten" ausüben würden. Soweit diese Personen die Pferde des beschwerdeführenden Vereines pflegen würden, erfolge dies im Rahmen von Werkverträgen. Es bestünden Pflichtversicherungen bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft.
Die erwähnten, im Verwaltungsakt erliegenden Werkverträge haben folgenden Wortlaut:
"Abgeschlossen zwischen dem
(beschwerdeführenden Verein)
im Folgendem kurz Auftraggeber genannt - und
(...)
Gewerbetreibender Gewerberegister Nr.: (...)
Im Folgendem kurz Auftragnehmer genannt.
1) Der Auftragnehmer verpflichtet sich, für den Auftraggeber folgende Leistungen zu erbringen:
BETREUUNG VON SPORTPFERDEN
2) Der Auftragnehmer ist bei der Erbringung obiger Leistung frei, d.h. an keine Weisungen des Auftraggebers, noch an eine bestimmte Arbeitszeit gebunden.
3) Bei Erbringung der Leistung verwendet der Auftragnehmer seine eigenen Betriebsmittel, und verpflichtet sich, daß das von ihm entsendete Personal qualifiziert und befugt ist, gemäß den in dem Land, in dem das Werk vollbracht wird herrschenden arbeitsrechtlichen Bedingungen das Werk vollbringen.
4) Die Tätigkeit des Auftragnehmers erstreckt sich auf
Fütterung der Pferde
Ausmisten der Pferdeboxen
Koppelführung der Pferde
Sonstige Hilfeleistung
(Verladen,-Vortrabender Pferde etc.)
5) Für die oben erbrachte Leistungen erhält der Auftragnehmer ein Honorar von
EUR 3,-- / Pferd und Tag
6) Die Verrechnung erfolgt monatlich und der Auftragnehmer stellt eine Honorarnote über die erbrachte Leistung.
7) Der Auftragnehmer nimmt zur Kenntnis, dass er selbst für die anfallenden Steuern und gesetzlich vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge zu sorgen hat.
Bei einem Verstoß ist der Auftragnehmer verpflichtet, dem Auftraggeber alle hierdurch verursachten Kosten sowie Strafen zu ersetzen.
8) Änderungen des Werkvertrages bedürfen der Schriftform. Aus zeitweiligen stillschweigenden Abweichungen von Vertragspunkten kann auf eine Änderung oder Ergänzung des Vertrages nicht geschlossen werden.
Sämtliche Ansprüche sind bei sonstigem Verfall vom Auftragnehmer beim Auftraggeber innerhalb von 3 Monaten ab Fälligkeit der jäweiligen Ansprüche schriftlich geltend zu machen."
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde diesem Einspruch keine Folge gegeben. Unbestritten sei, dass die genannten Personen im Zuge der Betretung durch Organe der KIAB bei der Verrichtung von Hilfstätigkeiten für die beschwerdeführende Partei im Bereich deren Reitstalles (Ausmisten der Pferdebox, Reparieren eines Boxentores) angetroffen worden seien. Unbestritten sei auch, dass die sozialversicherungsrechtlichen Meldungen für diese Personen zum Zeitpunkt der Betretung noch nicht vorgenommen worden seien bzw. zwei Tage vor der Betretung eine Abmeldung erfolgt sei. Den beschriebenen Hilfstätigkeiten komme nicht der Charakter eines eigenständigen Werkes zu. Es handle sich um Dienstleistungen im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses. Am Tag der Betretung sei jeweils ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis iSd § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG vorgelegen. Die Personen seien bereits über einen längeren Zeitraum als Stallburschen ohne Arbeitsbewilligung tätig gewesen, und zwar NM. und BC. ab , SH. ab und NS. ab . Material und Werkzeug seien von der beschwerdeführenden Partei zur Verfügung gestellt worden. Als Lohn für ihre Arbeiten hätten die genannten Personen von der beschwerdeführenden Partei EUR 3,-- pro Pferd und Tag erhalten. Der Umstand, dass die Personen auf Grund des vorangegangenen Dienstverhältnisses mit den örtlichen Gegebenheiten und den Pferden der beschwerdeführenden Partei bereits vertraut gewesen seien und von sich aus gewusst hätten, wie sie sich bei ihrer Tätigkeit zu verhalten haben, spreche nicht gegen das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit. Sie seien der stillen Autorität des Dienstgebers unterlegen. Bei der Beschäftigung überwögen die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber jenen der selbständigen Ausübung der Erwerbstätigkeit. Die Vorschreibung des Beitragszuschlages sei dem Grunde nach zu Recht erfolgt. In der Folge legte die belangte Behörde ihre Erwägungen zur Bemessung der Höhe der Beitragszuschläge dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerde bringt vor, dass "in casu kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis der Betretenen" mit der beschwerdeführenden Partei vorläge. Aus den Werkverträgen ergebe sich, dass die Tätigkeiten vollkommen weisungsfrei verrichtet worden seien. Die genannten Personen seien weder an bestimmte Arbeitszeiten gebunden gewesen noch bestünde eine Anwesenheitspflicht. Die genannten Personen seien auf Grund ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit in der "GSVG-Krankenversicherung" pflichtversichert.
Der Umstand, dass die beim beschwerdeführenden Verein beschäftigten Stallburschen Beiträge an einen anderen Sozialversicherungsträger als an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse geleistet haben, kann nicht dazu führen, dass es ausgeschlossen wäre, von einer Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG auszugehen. Im Übrigen kann bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten, die - wie die vorliegenden Stall- und Pferdebetreuungsarbeiten - in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, bei einer Integration des Beschäftigten in den Betrieb des (einzigen) Beschäftigers - in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte - das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden (vgl. zum Fall eines Pferdepflegers mit einem Gewerbeschein für das Gewerbe "Betreuung und Pflege von Pferden" das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/08/0032, mwN). Atypische Umstände, die einer Beurteilung als abhängige Beschäftigungsverhältnisse entgegenstünden, sind hier nicht ersichtlich und können auch durch die Präsentation schriftlicher "Werkverträge", von denen die beschriebene tatsächliche Ausübung der Beschäftigung abgewichen ist, nicht herbeigeführt werden.
Bei dem weiteren Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, dass die genannten Personen auch an anderen Orten bzw. Reithöfen Tier- und Pferdebetreuungen durchgeführt hätten, und dass die durchgeführten Arbeiten (Ausmisten der Pferdebox, Reparieren eines Boxentores) nicht für die beschwerdeführende Partei bzw. deren Reitstall, sondern für "Pferde bzw. Pferdeboxen dritter Personen" vorgenommen wären, handelt es sich um im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerungen (§ 41 VwGG). Mit dem Vorbringen, dass "die zur Verrichtung ihrer Tätigkeit notwendigen Betriebsmittel bzw. Arbeitsutensilien" von den genannten Personen selbst gestellt würden, zeigt die Beschwerde ebenfalls keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil der Einsatz eigener Betriebsmittel in untergeordnetem Ausmaß (z.B. Pferdestriegel oder Mistgabel) nichts am Vorliegen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse unter den hier vorliegenden Umständen ändern könnte. Dass die genannten Personen wesentliche eigene Betriebsmittel für eine selbständige Pferdebetreuung (z.B. Pferdeboxen, Pferdefutter, Koppeln) zur Verfügung gestellt hätten, hat die beschwerdeführende Partei nicht behauptet.
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
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Normen | |
Schlagworte | Dienstnehmer Begriff Persönliche Abhängigkeit |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2012:2010080220.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAE-75246