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VwGH vom 29.04.2013, 2012/16/0197

VwGH vom 29.04.2013, 2012/16/0197

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger, Mag. Dr. Köller, Dr. Thoma und die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Mag. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , Zl. 100 Jv 901/12k-33a, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer brachte am als anwaltlicher Vertreter des im Verfahren X des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien Beklagten Berufung gegen das Teilurteil vom ein, mit dem der Beklagte zur Rechnungslegung verpflichtet worden war; das Rubrum dieses Schriftsatzes enthielt den Vermerk "Gebühreneinzug über Konto im Anschriftscode".

In einem Schriftsatz vom zeigte der Beschwerdeführer gegenüber dem Gericht an, dass er das Vollmachtsverhältnis zum Beklagten an diesem Tag mit sofortiger Wirkung aufgekündigt habe.

Mit Beschluss vom , bekannt gemacht am selben Tag, eröffnete das Bezirksgericht Döbling über das Vermögen des Beklagten das Schuldenregulierungsverfahren, worauf das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien mit Beschluss vom 13. Dezember d.J. feststellte, dass das Verfahren über die dort anhängige Klage seit dem 7. d.M. gemäß § 181 iVm § 7 der Insolvenzordnung unterbrochen sei.

Im Februar 2012 zog die Kostenbeamtin dieses Gerichts für die vom Beschwerdeführer eingebrachte Berufung offensichtlich von dem in dessen Anschriftscode genannten Einziehungskonto die Pauschalgebühr nach Tarifpost 2 GGG im Betrag von EUR 934,-- im Wege des Gebühreneinzugs ein.

In seinem Schriftsatz vom ersuchte dieser um umgehende Rückzahlung dieses Betrages: er habe bereits am bekannt gegeben, den Beklagten nicht mehr zu vertreten. Am sei das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Beklagten eröffnet worden. Beides sei aktenkundig. "Die Republik Österreich" hätte daher ihren Pauschalgebührenanspruch im Schuldenregulierungsverfahren anmelden müssen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien (die belangte Behörde) diesem Antrag nicht statt. Der Anspruch des Bundes auf die Pauschalgebühr für das zivilgerichtliche Verfahren zweiter Instanz werde - so im Wesentlichen die Begründung - gemäß § 2 Z. 1 lit. c GGG mit der Überreichung der Rechtsmittelschrift begründet. Zahlungspflichtig sei der Rechtsmittelwerber (§ 7 Abs. 1 Z. 1 GGG). Gemäß § 4 Abs. 4 GGG könnten sämtliche Gebühren durch Abbuchung und Einziehung entrichtet werden, wenn die kontoführende Stelle (Kreditinstitut, Postsparkasse) zur Abbuchung der Gebühren auf das dafür bestimmte Justizkonto ermächtigt sei und die Eingabe einen Hinweis auf die erteilte Abbuchungsermächtigung, die Angabe des Kontos, von dem die Gebühren einzuziehen seien und allenfalls den höchstens abzubuchenden Betrag enthalte. Im vorliegenden Fall enthalte der Berufungsschriftsatz den Vermerk "Gebühreneinzug über Konto im Anschriftscode". Diese Einziehungsermächtigung sei bis zum Eintritt der Verjährung des Gebührenanspruches - auch wenn das Vollmachtsverhältnis des Parteienvertreters mit dem Zahlungspflichtigen bereits beendet worden sei - unwiderruflich. Es sei Sache des Parteienvertreters, der die Einziehungsermächtigung für die Pauschalgebühr erteile, innerhalb der Verjährungsfrist für die Bereitstellung des gesamten einzuziehenden Gebührenbetrages auf seinem Einziehungskonto zu sorgen. Aus der Haftungsbestimmung des § 31 GGG für den Bevollmächtigten ergebe sich dessen Verpflichtung, die Gebührenentrichtung sicherzustellen. Auf die Anmeldung der offenen Gebühr als Konkursforderung im Schuldenregulierungsverfahren des Gebührenschuldners brauche sich der Bund deshalb nicht verweisen zu lassen. Nebenbei sei bemerkt, dass die Pauschalgebühr in der Höhe von EUR 934,-- im Berufungsschriftsatz verzeichnet worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom , B 575/12, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten, ergänzten Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Rückzahlung der von seinem Gerichtsgebührenkonto rechtswidrig abgebuchten Pauschalgebühr verletzt; er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde sieht die inhaltliche Rechtswidrigkeit in einer verfehlten Rechtsansicht der belangten Behörde. Erstens liege ein Anwendungsfall des § 31 GGG offenkundig gar nicht vor, weil es im vorliegenden Fall ausschließlich um die Pauschalgebühr, nicht jedoch um den Mehrbetrag im Sinn des § 31 Abs. 1 GGG, für den der Bevollmächtigte hafte, gehe. Zweitens begründe § 31 GGG keinerlei Verpflichtung des Bevollmächtigten, die Gebührenentrichtung durch den Gebührenschuldner sicher zu stellen. Für die Pauschalgebühr sei gemäß § 7 Z. 1 GGG ausschließlich der Rechtsmittelwerber, nicht auch dessen (vormaliger) Bevollmächtigter zahlungspflichtig. Drittens sei § 4 Abs. 4 GGG offenkundig nicht so zu verstehen, dass die Gebühren auch dann noch durch Abbuchung und Einziehung vom Konto des Bevollmächtigten zu entrichten seien, wenn das Vollmachtsverhältnis zum Zeitpunkt des tatsächlichen Gebühreneinzugs bereits aufgelöst und die Auflösung (richtig wohl:) dem Gericht bekannt sei. Die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bewirke einen Widerruf der zuvor erteilten Einzugsermächtigung. Viertens sei § 4 Abs. 4 GGG offenkundig nicht so zu verstehen, dass die Gebühren auch dann noch durch Abbuchung oder Einziehung vom Konto des Bevollmächtigten zu entrichten seien, wenn über das Vermögen des Gebührenschuldners zum Zeitpunkt des Gebühreneinzugs bereits das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet worden sei.

Nach § 2 Z. 1 lit. c GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Gebühr für das zivilgerichtliche Verfahren zweiter Instanz mit der Überreichung der Rechtsmittelschrift begründet.

§ 4 GGG regelt die Art der Gebührenentrichtung. Nach § 4 Abs. 4 GGG können sämtliche Gebühren auch durch Abbuchung und Einziehung entrichtet werden, wenn die kontoführende Stelle (Kreditinstitut, Postsparkasse) zur Abbuchung der Gebühren auf das dafür bestimmte Justizkonto ermächtigt ist und die Eingabe einen Hinweis auf die erteilte Abbuchungsermächtigung, die Angabe des Kontos, von dem die Gebühren einzuziehen sind, und allenfalls den höchstens abzubuchenden Betrag enthält. Wird eine Eingabe im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs (§§ 89a bis 89d GOG) eingebracht, so sind die Gebühren durch Abbuchung und Einziehung zu entrichten; in diesem Fall darf ein höchstens abzubuchender Betrag nicht angegeben werden.

Nach § 7 Abs. 1 Z. 1 GGG ist bei zivilgerichtlichen Verfahren und Exekutionsverfahren der Antragsteller (Kläger, Rechtsmittelwerber, betreibender Gläubiger) zahlungspflichtig. Nach Abs. 2 leg. cit. haften die Vertreter der Parteien sowie die sonstigen am Verfahren Beteiligten für die Gerichtsgebühren nicht, sofern nichts anderes gesetzlich festgelegt ist.

§ 31 Abs. 1 GGG sieht die Erhebung eines Mehrbetrages von 50 v.H. des ausstehenden Betrages vor, wenn der Anspruch des Bundes auf eine Gebühr mit der Überreichung der Eingabe begründet und die Gebühr nicht oder nicht vollständig beigebracht worden oder die Einziehung erfolglos geblieben ist; der Mehrbetrag darf jedoch EUR 400,-- nicht übersteigen. Für den Mehrbetrag nach Abs. 1 haften nach § 31 Abs. 2 GGG als Bürge und Zahler mit den zur Zahlung der Gebühr verpflichteten Personen die bevollmächtigten und die gesetzlichen Vertreter, die den Schriftsatz, durch dessen Überreichung der Anspruch des Bundes auf die Gebühr begründet wird, verfasst oder überreicht haben.

Nach § 30 Abs. 2 Z. 1 GGG sind Gebühren zurückzuzahlen, wenn sie ohne Zahlungsauftrag entrichtet wurden, sich aber in der Folge ergibt, dass überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde.

Nach § 14 Abs. 1 der Abbuchungs- und Einziehungsverordnung, BGBl. Nr. 599/1989 - AEV, ist § 30 GGG auch auf Gerichtsgebühren anzuwenden, die durch Abbuchung und Einziehung entrichtet werden.

Bevollmächtigte und gesetzliche Vertreter haften nach § 31 Abs. 2 GGG nur für den Mehrbetrag nach Abs. 1 leg. cit., nicht aber für den Grundbetrag (die Pauschalgebühr;

vgl. Stabentheiner , Gerichtsgebühren9, Anm. 13 zu § 31 GGG, und nunmehr Wais/Dokalik , Gerichtsgebühren10, Anm. 13 zu § 31 GGG).

Unbestritten ist, dass vom Konto des Beschwerdeführers ausschließlich die Pauschalgebühr nach Tarifpost 2 GGG für die von ihm für seinen Mandanten eingebrachte Berufung (d.h. der Grundbetrag) eingezogen wurde.

Im vorliegenden Fall ist daher die Frage zu beantworten, ob der Einzug der Pauschalgebühr im Februar 2012 vom Konto des Beschwerdeführers als (ehemaligem) Bevollmächtigten des Beklagten zu Recht erfolgte.

Nach dem Gesagten traf die Zahlungspflicht für die in Rede stehende Berufung nach § 7 Abs. 1 Z. 1 GGG nur den Berufungswerber (Beklagten des eingangs genannten zivilgerichtlichen Verfahrens), nicht jedoch den Beschwerdeführer als dessen Bevollmächtigten.

Allerdings hatte der Beschwerdeführer schon in der von ihm eingebrachten Berufung eine Abbuchungsermächtigung zulasten seines Kontos gegenüber dem Kostenbeamten (und wohl auch gegenüber seiner kontoführenden Stelle -Kreditinstitut) erteilt, wodurch ein mehrpersonales Verhältnis von Anweisendem (oder Ermächtigendem), Angewiesenem (Ermächtigtem) und Empfänger begründet wurde (vgl. zum dreipersonalen Schuldverhältnis etwa Koziol-Welser , Bürgerliches Recht Bd. II13, Seite 159 ff).

Ausgehend davon, dass die Zahlungspflicht für die in Rede stehende Pauschalgebühr nicht den Beschwerdeführer (als bevollmächtigten Anwalt), sondern ausschließlich den Berufungswerber selbst traf, stellt sich das mehrpersonale Verhältnis als solches zwischen dem Berufungswerber (als Anweisendem oder Ermächtigendem) in einem öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis nach dem GGG zum Bund als Empfänger dar. Beide stehen ihrerseits zu kontoführenden Stelle (dem Kreditinstitut des Beschwerdeführers) in getrennten Verhältnissen: der Berufungswerber (vermittels seines Verhältnisses zwischen ihm und seinem Anwalt und dessen Verhältnis zur kontoführenden Stelle) in einem Auftrags- oder Ermächtigungsverhältnis, das § 4 Abs. 4 GGG voraussetzt und vermöge dessen die kontoführende Stelle beauftragt oder ermächtigt ist, dem Abbuchungs- und Einziehungsauftrag des Bundes (im Wege der Österreichischen Postsparkasse; vgl. § 11 AEV) Folge zu leisten; der Bund wiederum (im Wege der Österreichischen Postsparkasse) in einem "Einlösungsverhältnis" zur kontoführenden Stelle, das § 4 Abs. 4 GGG regelt:

Die vorliegende Beschwerde führt u.a. ins Treffen, dass über das Vermögen des Berufungswerbers das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet worden sei.

Da das Gerichtsgebührengesetz ebenso wenig wie die AEV weitergehende Bestimmungen über dieses dreipersonale Verhältnis trifft, ist zur Beantwortung der Frage, ob und gegebenenfalls welche Auswirkungen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Berufungswerbers entfaltet, auf allgemeine - namentlich zivilrechtliche - Grundsätze zurückzugreifen: Darnach erlischt im Falle eines (nunmehr) Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Anweisenden (Ermächtigenden) ein Auftrag oder eine Ermächtigung zur Abwicklung im dreipersonalen Verhältnis (vgl. die Beschlüsse des Obersten Gerichtshofes vom , 3 Ob 515/95, vom , 2 Ob 313/98k, sowie vom , 3 Ob 62/11f, jeweils mwN; Apathy/Iro/Koziol , Österreichisches Bankvertragsrecht Bd. III2 (2008), Seite 102 ff, insbesondere Rz 1/157, mwN).

Soweit in den zitierten Fundstellen noch auf die Bestimmungen der Konkursordnung (namentlich auf § 26 Abs. 1 KO) Bezug genommen wird, trat durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010, BGBl. I Nr. 29/2010, keine inhaltliche Änderung der maßgeblichen Rechtslage (insbesondere nunmehr § 26 Abs. 1 IO) ein.

Der Ausnahmefall, dass die Anweisung vom Angewiesenen (hier: der kontoführenden Stelle) schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Empfänger (hier: dem Bund) gegenüber angenommen worden wäre, kann im vorliegenden Beschwerdefall außer Betracht bleiben.

Auf die Frage der Widerrufbarkeit einer Abbuchungsermächtigung nach § 4 Abs. 4 GGG - die die belangte Behörde offenbar nach den Grundsätzen des § 36 Abs. 1 ZPO beantwortete (dort ist die Wirksamkeit allerdings nur "dem Prozessgegner" gegenüber beschränkt) - braucht bei diesem Ergebnis nicht mehr eingegangen zu werden.

Daraus folgt, dass mit der Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens über das Vermögen des Berufungswerbers das durch die Abbuchungsermächtigung iSd § 4 Abs. 4 GGG zugunsten des Bundes begründete Einlösungsverhältnis ex lege erlosch. Für eine Abbuchung der Pauschalgebühr vom Konto des Anwaltes bestand damit keine Rechtsgrundlage mehr.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Die Abweisung des Mehrbegehrens folgt wiederum daraus, dass nach den zitierten Bestimmungen ein gesonderter Ersatz von Umsatzsteuer aus Schriftsatzaufwand nicht vorgesehen ist.

Wien, am