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VwGH vom 11.07.2012, 2010/08/0210

VwGH vom 11.07.2012, 2010/08/0210

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der UL in Wien, vertreten durch Mag. Johann Galanda und Dr. Anja Oberkofler, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Gonzagagasse 1/9, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2010-0566-9-001635, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien (AMS) vom wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld vom abgewiesen. Sie erziele aus ihrer selbständigen Tätigkeit (als Bezirksrätin und Klubvorsitzende) ein Einkommen, das Arbeitslosigkeit ausschließe.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, mit ihrer Tätigkeit seien laufende Ausgaben verbunden, die ihr monatliches Bruttoeinkommen überstiegen, sodass für die Bestreitung der Lebenshaltungskosten (Essen, Miete, Strom etc) nichts übrig bleibe.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Die Beschwerdeführerin sei seit November 2005 Klubvorsitzende einer Partei in L. Sie habe "viele Ausgaben (Handy, Kilometergeld)" und habe in den Monaten Jänner bis Juli 2010 von der Gemeinde Wien ein gleichbleibendes Bruttoeinkommen von EUR 1.224,-- bezogen. Auch die Tätigkeit einer Landes- bzw. Gemeindepolitikerin könne eine Erwerbstätigkeit darstellen. Ein Erwerbseinkommen im Sinn des § 12 AlVG liege allerdings nur dann vor, wenn die Bezüge ein Ausmaß erreichten, welches zeige, dass sie nicht nur den Zweck hätten, die mit der Ausübung des Mandats in der Regel verbundenen Aufwendungen abzugelten, sondern auch einen angemessenen Beitrag zum Lebensunterhalt der betreffenden Person zu bilden. Als Richtwert für einen angemessenen Lebensunterhalt sei der Ausgleichszulagenrichtsatz "brutto", d.h. zuzüglich (fiktiver) Sozialversicherungsbeiträge, heranzuziehen. Dieser Richtwert betrage im Jahr 2010 EUR 931,66. Der Bezug der Beschwerdeführerin liege darüber. Daher sei von einem die Arbeitslosigkeit ausschließenden Erwerbseinkommen auszugehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde, in der diese die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, erwogen hat:

Die Tätigkeit einer Klubvorsitzenden in einer Bezirksvertretung der Gemeinde Wien stellt - wovon auch die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausgehen - die Ausübung eines politischen Mandates dar. Ob die Ausübung einer solchen Tätigkeit Arbeitslosigkeit ausschließt, hängt davon ab, ob diese Tätigkeit in ihrer Wertigkeit einer Erwerbszwecken dienenden Tätigkeit im Sinn des § 12 Abs. 1 AlVG entspricht (d.h. der fortlaufenden Schaffung von Einkünften in Geld oder Güterform dient). Der Begriff des Erwerbseinkommens, wie er für § 12 AlVG maßgeblich ist, umfasst nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ohne Weiteres alle Einkünfte, die mit der Ausübung eines öffentlichen Mandates verbunden sind. Erwerbseinkommen im Sinn des § 12 AlVG sind - wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat - im gegenständlichen Zusammenhang vielmehr nur dann gegeben, wenn die Bezüge einer öffentlichen Mandatarin ein Ausmaß erreichen, welches zeigt, dass diese nicht nur den Zweck haben, die mit der Ausübung des Mandates in der Regel verbundenen Aufwendungen abzugelten, sondern auch z. B. einen angemessenen Beitrag zum Lebensunterhalt der betreffenden Person zu bilden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2000/08/0133, und vom , Zl. 2002/08/0128, mwN).

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 15 des Gesetzes, mit dem die Bezüge der Organe des Landes und der Gemeinde Wien geregelt werden, LGBl. Nr. 42/1997 (Wiener Bezügegesetz 1997), steht der Klubvorsitzenden in einer Bezirksvertretung ein monatlicher Bezug von 15 % "der Bemessungen gemäß § 2" leg. cit. zu. Nach dieser Bestimmung ist die Bemessungsgrundlage für die Bezüge der Organe der Ausgangsbetrag gemäß § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre, BGBl. I Nr. 64/1997.

Im vorliegenden Fall standen der Beschwerdeführerin nach dem Wiener Bezügegesetz 1997 monatliche Bezüge in Höhe von EUR 1.224,--

zu. Gemäß § 5 leg. cit. gebührt Mandataren wie der Beschwerdeführerin bei Ausscheiden aus der Funktion auf Antrag die Fortzahlung des Bezuges im Ausmaß von 75 % (für höchstens drei Monate). Gemäß § 7 leg. cit. gebühren für jedes Kalenderhalbjahr Sonderzahlungen in der Höhe eines Sechstels der Summe der Bezüge, die ihr für das betreffende Kalenderhalbjahr zustehen (13. und 14. Bezug). Ferner ist sie gemäß § 13 Abs. 1 leg. cit. Mitglied der Krankenfürsorgeanstalt der Bediensteten der Stadt Wien und hat gemäß § 15 Abs. 1 grundsätzlich einen monatlichen Pensionsversicherungsbeitrag von 11,75 % des Bezuges zu leisten. Wenngleich die Beschwerdeführerin - anders als etwa die Mitglieder des Landtages und die Bezirksvorsteher - keinen Auslagenersatz nach § 10 Wiener Bezügegesetz 1997 geltend machen kann, so hat sie doch gemäß § 11 Abs. 1 Z 3 Wiener Bezügegesetz 1997 unter gewissen Voraussetzungen Anspruch auf Vergütung für Dienstreisen.

Im Hinblick auf die Höhe der Einkünfte der Beschwerdeführerin und die genannten weiteren Vergünstigungen (vgl. demgegenüber zur Situation einfacher Mitglieder der Bezirksvertretung im Sinn des § 3 Abs. 1 Z 16 Wiener Bezügegesetz 1997 nochmals das Erkenntnis Zl. 2000/08/0133) kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie das Vorliegen von Arbeitslosigkeit verneint hat. Daran ändert nichts, dass die Beschwerdeführerin - wie sie in der Beschwerde vorbringt - Aufgaben als Bezirksrätin wahrzunehmen hat, dass ihre Wohnung auch als Büro ihrer Partei genützt wird, dass sie ihrer Partei monatlich einen Klubbeitrag von EUR 430,-- leistet und dass sie Fahrtkosten (zB Kilometergeld für das von ihr benützte Fahrrad) und Telefonkosten zu tragen hat.

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
AAAAE-75206