VwGH vom 27.09.2012, 2012/16/0135
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Finanzamtes Graz-Umgebung gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , GZ RV/0296-G/11, betreffend Differenzzahlung zur Familienbeihilfe ab , (mitbeteiligte Partei: K in V, Tschechische Republik) zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerde und dem dieser in Ablichtung angeschlossenen angefochtenen Bescheid ist Folgendes zu entnehmen:
Der Mitbeteiligte heiratete am eine tschechische Staatsangehörige, welche drei minderjährige Kinder in die Ehe einbrachte, und wohnt gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen Stiefkindern in der Tschechischen Republik. Er war im Streitzeitraum ab Juli 2010 bei einem Personalbereitstellungsunternehmen in Österreich beschäftigt. Seinen Antrag auf Gewährung einer Differenzzahlung zur Familienbeihilfe für seine drei Stiefkinder ab Juli 2010 wies das Finanzamt mit Bescheid vom mit der Begründung ab, Stiefelternteile hätten nach dem Unionsrecht keinen Anspruch auf Familienleistungen.
In der dagegen eingebrachten Berufung führte der Mitbeteiligte u.a. aus, er lebe mit seiner Frau und den Kindern in einem Haushalt. Er arbeite in Österreich und habe deshalb kein Anrecht auf Kindergeld in Tschechien.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und hob den vor ihr bekämpften Bescheid des Finanzamtes (ersatzlos) auf. Haushaltsangehörige Stiefkinder zählten zu den Kindern im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes und auch nach Unionsrecht, nämlich nach der zitierten Verordnung. Der Mitbeteiligte sei seit Jahren in Österreich beschäftigt, seit ununterbrochen bei einem Personalbereitstellungsunternehmen. Der Mitbeteiligte, seine Ehefrau und seine drei Kinder lebten in einem gemeinsamen Haushalt in der Tschechischen Republik. Da der Mitbeteiligte nach Art. 11 Abs. 3 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates den österreichischen Rechtsvorschriften unterliege und sich seine Stiefkinder in der Tschechischen Republik aufhielten, im Antrag auf Gewährung der Differenzzahlung der Beruf seiner Ehefrau als "Arbeiterin" angegeben sei, sei davon auszugehen, dass die Tschechische Republik nach Art. 68 Abs. 1 Buchstabe b) der genannten Verordnung vorranging zur Erbringung der Familienleistungen zuständig sei und nach Art. 68 Abs. 2 der genannten Verordnung "ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrages der Leistungen zu gewähren" sei. Bei diesem Unterschiedsbetrag handle es sich um die vom Mitbeteiligten begehrte "Differenzzahlung".
Dagegen richtet sich die gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde des Finanzamtes.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Das Finanzamt bekämpft den angefochtenen Bescheid mit der Begründung, Stiefkinder fielen nicht unter den Begriff des Familienangehörigen im Sinn Art. 1 Buchstabe i) Nr. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABlEU Nr. L 166 vom in der Fassung der Berichtigung ABlEU Nr. L 200 vom , (im Folgenden Verordnung Nr. 883/2004).
Damit gleicht der Beschwerdefall hinsichtlich des zugrundeliegenden Sachverhaltes und der zu beantwortenden Rechtsfrage jenem, den der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2012/16/0054, entschieden hat. Auf die Gründe jenes Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.
Das beschwerdeführende Finanzamt bemerkt, es wäre zu hinterfragen, ob der bei einem Personalbereitstellungsunternehmen in Österreich beschäftigte Mitbeteiligte den österreichischen Rechtsvorschriften unterliege, weil der Mitbeteiligte bei einer 24 Kalendermonate übersteigenden Entsendung im Sinne der Sonderregelung des Art. 12 Abs. 3 der Verordnung Nr. 883/2004 den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats unterläge, in welchen er entsendet wäre. Hinweise oder Belege für eine 24 Kalendermonate nicht übersteigende Entsendung des Mitbeteiligten seien nicht gegeben. Dazu ist das Finanzamt auf die klare Feststellung der belangten Behörde zu verweisen, dass der Mitbeteiligte seit ununterbrochen in Österreich bei einem Personalbereitstellungsunternehmen beschäftigt sei.
Welche aktenkundigen Umstände vorgelegen wären, die die belangte Behörde zu Ermittlungen hätte veranlassen müssen, ob der Beschwerdeführer von diesem Unternehmen über den im Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 genannten Zeitraum von 24 Kalendermonaten hinaus oder zur Ablöse einer anderen Person ins Ausland entsendet worden wäre, führt das Finanzamt in der Beschwerde nicht an. Der bloße Umstand der Beschäftigung des Mitbeteiligten bei einem Personalbereitstellungsunternehmen lässt die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht unschlüssig erscheinen, welche den Angaben des Mitbeteiligten in der Berufung gefolgt ist, der Mitbeteiligte arbeite in Österreich. Dass der Mitbeteiligte im Sinne des Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 ins Ausland entsendet worden wäre, behauptet das Finanzamt in der Beschwerde nicht.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am