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VwGH vom 12.09.2012, 2010/08/0207

VwGH vom 12.09.2012, 2010/08/0207

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des MO in W, vertreten durch Mag. Sonja Scheed, Rechtsanwältin in 1220 Wien, Brachelligasse 16, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2010-0566-9-001060, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde ein Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld vom mangels Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt gemäß § 7 AlVG abgewiesen.

Nach Darlegung des Verwaltungsgeschehens stellte die belangte Behörde (m Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der Beschwerdeführer sei nigerianischer Staatsbürger. Am habe er einen Asylantrag gestellt, über den mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom in zweiter Instanz negativ entschieden worden sei. In diesem Verfahren sei eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof anhängig, der aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei.

Seit sei der Beschwerdeführer mit der österreichischen Staatsbürgerin M.O. verheiratet. Am habe er parallel zu seinem Asylverfahren erstmals einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gestellt. Dieser Antrag sei mit Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom rechtskräftig abgewiesen worden. Am habe der Beschwerdeführer neuerlich einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gestellt. Über diesen Antrag habe die Bundesministerin für Inneres mit Bescheid vom in zweiter Instanz negativ entschieden.

Nach der vorgelegten Arbeitsbescheinigung sei der Beschwerdeführer ohne Beschäftigungsbewilligung vom bis bei der Firma A. beschäftigt gewesen. Ein Antrag der Firma A. auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung vom sei abgelehnt worden. Vom bis und vom 30. März bis sei der Beschwerdeführer bei der Firma P. beschäftigt gewesen, vom 12. bis 13. November bei der Firma M. und vom 11. bis bei T.R. Eine Beschäftigungsbewilligung sei bisher nicht erteilt worden.

Zum Berufungseinwand des Beschwerdeführers, er verfüge als Ehegatte einer österreichischen Staatsbürgerin über einen Arbeitsmarktzugang, führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer nur dann gemäß § 1 Abs. 2 lit. m AuslBG von diesem Gesetz ausgenommen sei, wenn er zur Niederlassung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) berechtigt sei. Der Beschwerdeführer verfüge jedoch als Asylwerber über kein Aufenthaltsrecht nach dem NAG, sodass "diese Bestimmung" auf ihn nicht anzuwenden sei.

Entgegen seinen Ausführungen in der Berufung könne sich der Beschwerdeführer auch nicht darauf stützen, dass seine Ehefrau durch einen Aufenthalt in Spanien von ihrem Recht auf Freizügigkeit gemacht habe. Nach den Versicherungsdaten sei die Ehefrau des Beschwerdeführers bis 2001 in Österreich bei verschiedenen Dienstgebern beschäftigt gewesen und beziehe seit 2001 mit kurzen Unterbrechungen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Der Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung sei für die Ehefrau des Beschwerdeführers daran geknüpft, dass sie dem österreichischen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe. Aus den Leistungsdaten ergebe sich jedoch kein Hinweis, dass sie insbesondere durch Aufnahme einer mehrmonatigen Beschäftigung in Spanien von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht habe. Das Vorliegen einer spanischen Aufenthaltskarte allein sei kein ausreichender Nachweis. Der Beschwerdeführer könne sich daher nicht darauf berufen, dass in seinem Fall ein Aufenthaltstitel nur deklarative Wirkung habe und er sein Recht auf Aufenthalt und Arbeitsmarktzugang direkt aus dem Gemeinschaftsrecht, und zwar aus der Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ableiten könne. Die Voraussetzungen für das Vorliegen der Ausnahmeregelung gemäß § 1 Abs. 2 lit. a AuslBG seien damit nicht erfüllt.

In diesem Sinne sei auch die Entscheidung der Bundesministerin für Inneres vom erfolgt, nach der ebenfalls davon ausgegangen werde, dass der Beschwerdeführer mit einer nicht freizügigkeitsberechtigten Österreicherin verheiratet sei und ihm deshalb keine Daueraufenthaltskarte gemäß § 54 NAG ausgestellt worden sei.

Derzeit verfüge der Beschwerdeführer über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber in Österreich, ein Aufenthaltstitel nach dem NAG sei bisher nicht erteilt worden. Er benötige daher für die Aufnahme einer Beschäftigung eine Beschäftigungsbewilligung. Eine solche könne jedoch gemäß § 4 Abs. 3 Z 10 AuslBG nur dann erteilt werden, wenn keine wichtigen Gründe in der Person des Ausländers entgegenstünden. Als wichtige Gründe seien im Gesetz ausdrücklich wiederholte Verstöße aufgrund Ausübung einer Beschäftigung ohne Bewilligung angeführt. Es sei daher davon auszugehen, dass die vorliegenden Verstöße gegen das AuslBG (mehrfache Beschäftigung ohne Beschäftigungsbewilligung) als wichtige Gründe für eine Ablehnung der Beschäftigungsbewilligung anzusehen seien. Der Beschwerdeführer stehe der Arbeitsvermittlung somit nicht zur Verfügung, da ihm nach den Bestimmungen des AuslBG keine Beschäftigungsbewilligung erteilt werden könne. Die gesetzlichen Bestimmungen des AlVG sähen jedoch eine eindeutige Verknüpfung zwischen der Berechtigung zum Aufenthalt mit dem Zweck der Aufnahme und Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung und der Leistungsverpflichtung nach dem AlVG vor. Eine Leistung sei nur dann zu gewähren, wenn auch eine unselbständige Beschäftigung aufgenommen werden könne und dürfe. Da die Voraussetzungen für die Verfügbarkeit gemäß § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG iVm § 4 Abs. 3 Z 10 AuslBG somit nicht erfüllt seien, sei kein Leistungsanspruch gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer (u.a.) der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf und arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist (§ 7 Abs. 2 AlVG). Nach § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG idF BGBl. I Nr. 102/2005 kann und darf eine Person eine Beschäftigung aufnehmen, die sich (u.a.) berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben.

Voraussetzung für die Verfügbarkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG ist das Vorliegen der aufenthaltsrechtlichen Berechtigung, eine unselbständige Beschäftigung im Bundesgebiet aufnehmen zu dürfen. Es kommt dabei nicht auf die subjektive Absicht des Betroffenen an, im Inland eine Beschäftigung aufnehmen zu wollen, sondern darauf, dass seine Berechtigung zum Aufenthalt die Möglichkeit einer Beschäftigungsaufnahme in rechtlicher Hinsicht abdeckt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0211, mwN).

2. Der Beschwerdeführer bringt vor, er leite seine Aufenthaltsberechtigung direkt aus dem AsylG ab. Zwar sei am eine zweitinstanzliche Entscheidung über seinen Asylantrag ergangen, gegen diese habe er aber Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Der Beschwerde sei aufschiebende Wirkung zuerkannt worden.

3. Nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheids stellte der Beschwerdeführer seinen Asylantrag am .

Gemäß § 75 AsylG 2005 sind alle am anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 60 des AsylG 2005 sind auf diese Verfahren anzuwenden.

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt.

Gemäß § 19 AsylG 1997 besteht grundsätzlich eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung während eines Asylverfahrens (vgl. zu einer ähnlichen Fallkonstellation das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/08/0183).

§ 4 Abs. 3 Z 7 AuslBG in der im Zeitpunkt der Antragstellung auf Arbeitslosengeld bis zum anwendbaren Fassung BGBl. I Nr. 78/2007 lautet:

"(3) Die Beschäftigungsbewilligung darf weiters nur erteilt werden, wenn

(…)

7. der Ausländer über ein Aufenthaltsrecht nach dem NAG oder dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, verfügt, das die Ausübung einer Beschäftigung nicht ausschließt, oder einen Asylantrag eingebracht hat, über den seit drei Monaten nicht rechtskräftig abgesprochen wurde, und das Verfahren nicht eingestellt wurde (§ 24 AsylG 2005) oder auf Grund einer Verordnung gemäß § 76 NAG zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist oder Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit genießt;"

§ 4 Abs. 3 Z 7 in der ab anwendbaren Fassung BGBl. I Nr. 120/2009 lautet:

"(3) Die Beschäftigungsbewilligung darf weiters nur erteilt werden, wenn

(…)

7. der Ausländer über ein Aufenthaltsrecht nach dem NAG oder dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, verfügt, das die Ausübung einer Beschäftigung nicht ausschließt, oder seit drei Monaten zum Asylverfahren zugelassen ist und über einen faktischen Abschiebeschutz oder ein Aufenthaltsrecht nach §§ 12 oder 13 AsylG 2005 verfügt oder gemäß § 46a FPG geduldet ist und zuletzt gemäß § 1 Abs. 2 lit. a vom Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgenommen war oder auf Grund einer Verordnung gemäß § 76 NAG zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist oder Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit genießt;"

Wie der angefochtene Bescheid feststellt, war einer Beschwerde gegen die Abweisung des Asylantrags des Beschwerdeführers vom Verwaltungsgerichtshof aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. Über den Asylantrag des Beschwerdeführers war demnach zum Zeitpunkt seiner Antragstellung auf Arbeitslosengeld seit mehr als drei Monaten nicht rechtskräftig abgesprochen worden. Im Übrigen ging die belangte Behörde selbst davon aus, dass der Beschwerdeführer über eine "vorläufige Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber in Österreich verfüge".

Aufgrund des dem Beschwerdeführer zukommenden vorläufigen Aufenthaltsrechts im Sinne des § 19 AsylG 1997 kam für ihn nach § 4 Abs. 3 Z 7 AuslBG (unter den weiteren im AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen) daher die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung in Frage.

Die belangte Behörde verweist auf § 4 Abs. 3 Z 10 AuslBG, wonach eine Beschäftigungsbewilligung nur dann erteilt werden dürfe, wenn keine wichtigen Gründe in der Person des Ausländers entgegenstünden, was anhand mehrfacher Verstöße des Beschwerdeführers aufgrund von Beschäftigungen ohne Bewilligung nicht gegeben sei.

§ 7 Abs. 3 Z 2 AlVG stellt jedoch nur auf die Aufenthaltsberechtigung ab, nicht aber auf die Erfüllung noch etwaiger anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften, die für den tatsächlichen konkreten Antritt einer Beschäftigung im Einzelfall eventuell noch nötig sein könnten (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/08/0183, sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/08/0335). Da sich der Beschwerdeführer - wie von der belangten Behörde angenommen - berechtigt im Bundesgebiet aufhielt, stand er ungeachtet des Erfordernisses einer Bewilligung nach dem AuslBG dem Arbeitsmarkt - vorbehaltlich des Ergebnisses einer Prüfung nach § 7 Abs. 3 Z 1 sowie §§ 8, 9 und 12 AlVG - zur Verfügung. Ob ihm gemäß § 4 Abs. 3 Z 10 AuslBG eine Beschäftigungsbewilligung erteilt hätte werden dürfen, war hingegen für die Prüfung der Verfügbarkeit im Sinne des § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG nicht von Bedeutung (vgl. zu einem vergleichbaren Sachverhalt das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0067).

4. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet; es erübrigt sich daher auch, auf das weitere Beschwerdevorbringen zum Vorliegen eines Aufenthaltstitels aufgrund der Unionsbürger-RL, 2004/38/EG, einzugehen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
CAAAE-75185