VwGH vom 29.04.2014, 2012/16/0130
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma, die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der I, vertreten durch Dr. Peter Schaden und Mag. Werner Thurner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Sporgasse 2, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom , Zl. 1 Jv 51/12z-33, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 42 Abs. 3a VwGG wird der angefochtene Bescheid dahin geändert, dass sein Spruch lautet:
"Der Zahlungsauftrag der Kostenbeamtin des Bezirksgerichtes Graz-West vom im Verfahren 16 C 173/11m wird aufgehoben."
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.326,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit am im elektronischen Rechtsverkehr beim Bezirksgericht G eingebrachtem Schriftsatz vom erhob die Beschwerdeführerin gegen eine A GesmbH Klage. Die Beschwerdeführerin sei grundbücherliche Eigentümerin einer näher bezeichneten Liegenschaft, auf welcher sich ein Einfamilienhaus befinde. Diese Liegenschaft sei der Beklagten vermietet worden. Gegenstand der Klage seien verschiedene Aufwendungen zur Herstellung des ordnungsgemäßen Zustandes, für welchen die Beklagte hafte, sowie Beträge aus dem Titel "Wertsicherung und Betriebskostenabrechnung" und letztlich offene Beträge an verschiedenen Grundbesitzabgaben. Abzüglich einer verzinsten Kaution zu Gunsten der Beklagten hafte der Betrag von 30.741,04 EUR unberichtigt aus, weshalb die Beschwerdeführerin den erwähnten Betrag samt 4 % Zinsen seit Klagseinbringung einklage.
Dafür wurde eine Pauschalgebühr nach TP 1 GGG in Höhe von 641 EUR entrichtet.
Mit Schriftsatz vom dehnte die Beschwerdeführerin die Klage auf den Betrag von 33.861,09 EUR samt 4 % Zinsen seit Klagseinbringung aus, weil sie wegen eines Übertragungsfehlers der Kaution (ausgegangen sei von einer Kaution von 10.000 EUR anstatt von 100.000 S) eine Korrektur ihres Vorbringens in der Klage vornehmen müsse.
Mit Schriftsatz vom erläuterte die Beschwerdeführerin unter III. a) bis e) (Erneuerung der Pflasterung am Vorplatz, Heizungsreparatur in der Küche, Reparatur des Parkettbodens in der Küche, Erneuerung und Reparatur der Türen und der Holzdecke im Stiegenhaus, Rechnung der Fa. Elektro B), weshalb sich die mit der Klage geltend gemachten Beträge der geltend gemachten Ersatzansprüche ergäben. Unter III. f) (Indexberechnung) räumte die Beschwerdeführerin ein, bei der Berechnung der Wertsicherung sei in der Klage ein Fehler unterlaufen, weshalb das Klagebegehren um einen Differenzbetrag ausgedehnt werde. Unter III. g) (Betriebskosten) führte die Beschwerdeführerin aus, dass der aus diesem Titel mit der Klage geltend gemachte Betrag auf Grund einer Fehlinformation entstanden sei und das Klagebegehren um "diesen" Betrag eingeschränkt werde. Unter III. h) und i) (Kosten des SV-Gutachtens und zur Erneuerung der Gartenanlage) führte die Beschwerdeführerin aus, weshalb sich die mit der Klage geltend gemachten Beträge ergäben. Schließlich brachte sie unter III. j) eine Entgegnung zum Einwand der Verjährung vor und bestritt unter III. k) eine von der Beklagten geltend gemachte Gegenforderung.
Unter Punkt IV. des Schriftsatzes (Einschränkung und Ausdehnung des Klagebegehrens) führte die Beschwerdeführerin aus:
"Auf Grund des nunmehr vorgebrachten sieht sich die klagende Partei veranlasst, das Klagebegehren um einen Betrag von EUR 3.392,-- aus dem Titel der Haus-, Grundsteuer-, Müll-, Wasser-Kanalkosten einzuschränken, um das Klagebegehren aber gleichzeitig um einen Betrag von EUR 3.225,50 aus dem Titel der Indexberechnung auszudehnen, sodass es nunmehr zu lauten hat:
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von EUR 33.694,59 samt 4 % Zinsen seit Klagseinbringung zu bezahlen und ihr die Kosten dieses Rechtsstreites zuhanden des Klagsvertreters zu ersetzen.
Dies alles binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution."
Mit Zahlungsauftrag vom forderte die Kostenbeamtin des Bezirksgerichtes G restliche Pauschalgebühren in Höhe von 681 EUR und eine Einbringungsgebühr in Höhe von 8 EUR nach.
Dagegen stellte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom einen Berichtigungsantrag.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Berichtigungsantrag als unbegründet ab. Durch eine Einschränkung des Klagebegehrens trete gebührenrechtlich keine Änderung des Streitwertes ein, weshalb im Beschwerdefall die Klagsausdehnung im Schriftsatz vom um den Betrag von 3.225,50 EUR die Bemessungsgrundlage des Streitwertes auf insgesamt 37.086,59 EUR erhöht habe.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom , B 319/12-3, die Behandlung der vor ihm gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten.
In dem die Beschwerde ergänzenden Schriftsatz vom erachtet sich die Beschwerdeführerin ersichtlich im Recht verletzt, keine weiteren Pauschalgebühren als die von ihr anlässlich der Klagseinbringung entrichteten bezahlen zu müssen.
Die belangte Behörde legte die Gerichtsakten vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall sind gemäß § 8 des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetzes (VwGbk-ÜG) die Bestimmungen des B-VG und des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.
Tarifpost 1 (TP 1) des Gerichtsgebührengesetzes (GGG) legt Pauschalgebühren in zivilgerichtlichen Verfahren erster Instanz in abgestufter Höhe nach dem Wert des Streitgegenstandes fest. TP 1 in der für den Zeitpunkt der Klagseinbringung maßgebenden Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, legte die Pauschalgebühr bei einem Wert des Streitgegenstandes über 7.000 EUR bis 35.000 EUR mit 641 EUR fest.
Bemessungsgrundlage ist gemäß § 14 GGG, soweit nicht im Folgenden etwas anderes bestimmt ist, der Wert des Streitgegenstandes nach den Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN.
Gemäß § 54 Abs. 1 JN ist für die Berechnung des für die Zuständigkeit maßgebenden Wertes des Streitgegenstandes der Zeitpunkt der Anbringung der Klage entscheidend.
Die Bemessungsgrundlage bleibt gemäß § 18 Abs. 1 GGG für das ganze Verfahren gleich. Hievon tritt gemäß § 18 Abs. 2 Z 2 GGG die Ausnahme ein, dass die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen und die bereits entrichtete Pauschalgebühr einzurechnen ist, wenn der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert wird.
Eine Änderung des Streitwertes für die Pauschalgebühren tritt gemäß § 18 Abs. 3 GGG nicht ein, wenn das Klagebegehren eingeschränkt wird.
Der Anspruch des Bundes auf die Gebühr wird hinsichtlich der Pauschalgebühren für das gerichtliche Verfahren erster Instanz gemäß § 2 Z 1 lit. a GGG mit der Überreichung der Klage und gemäß § 2 Z 1 lit. b leg. cit., wenn das Klagebegehren erweitert wird, mit dem Zeitpunkt der Überreichung des Schriftsatzes, begründet.
Für die ursprüngliche, am eingebrachte Klage mit einem Streitwert von 30.741,04 EUR entstand daher eine Gerichtsgebühr nach TP 1 GGG in Höhe von 641 EUR, welche im Beschwerdefall entrichtet wurde.
Die Ausdehnung des Klagebegehrens mit Schriftsatz vom auf den Betrag von 33.861,09 EUR ließ keine Gerichtsgebührenschuld entstehen, weil der Streitwert - bei insoweit unveränderter Rechtslage - innerhalb der bei Einbringung des Schriftsatzes bestehenden Grenzen des Streitwertes zwischen 7.000 EUR und 35.000 EUR blieb.
Im Schriftsatz vom wurde zunächst (Punkt III.) inhaltlich erläutert, weshalb sich einzelne mit der Klage geltend gemachte Ansprüche mit den in der Klage angeführten Beträgen ergäben, und wurden sodann inhaltlich Änderungen der mit der Klage geltend gemachten Beträge zu bestimmten Klagstiteln erläutert. Im Punkt IV. des Schriftsatzes "Einschränkung und Ausdehnung des Klagebegehrens" wurde in einer Zusammenfassung dieser inhaltlichen Erläuterungen aus näher angeführten Titeln eine Einschränkung des Klagebegehrens hinsichtlich mancher Titel und gleichzeitig aus einem anderen Titel eine Erweiterung des Klagebegehrens mit näher angeführten Gesamtbeträgen ausgesprochen, die sodann in den begehrten Urteilsspruch münden sollte, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 33.694,59 EUR zu bezahlen.
Dies ist bei verständiger Würdigung so zu verstehen, dass damit eine Einschränkung des Klagebegehrens (und damit des Streitwertes) von 33.861,09 EUR (nach der Klagsausdehnung im Schriftsatz vom ) auf den Betrag von 33.694,59 EUR vorgenommen wurde. Auch eine Aufspaltung in eine Klagsausdehnung hinsichtlich der Titel, in denen sich die Beträge vergrößerten, und einer Klagseinschränkung hinsichtlich der Titel, hinsichtlich welcher sich die Beträge verringerten, wie sie im Einleitungssatz des Punktes IV. des Schriftsatzes bezeichnet wurden, ändert bei einer derartigen Gestaltung des Schriftsatzes den Streitwert nur auf den durch den begehrten Urteilsausspruch angeführten - sich nach Saldierung der einzelnen Änderungen ergebenden - Betrag. Die Gerichtsgebührenpflicht knüpft an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten (vgl. die bei Wais/Dokalik, Gerichtsgebühren10, E. 12 zu § 1 GGG zitierte hg. Rechtsprechung).
Mit dem erwähnten Schriftsatz vom wurde das durch den begehrten Urteilsspruch formulierte Klagebegehren somit auf den Betrag von 33.694,59 EUR eingeschränkt, weshalb sich gemäß § 18 Abs. 3 GGG der Wert des Streitgegenstandes für die Pauschalgebühren nicht geändert hat.
Eine Pauschalgebühr nach § 2 Z 1 lit. b GGG ist im Zeitpunkt der Überreichung dieses Schriftsatzes (unter Anrechnung der bereits entrichteten Pauschalgebühr) daher nicht entstanden, weshalb im Beschwerdefall auch keine Einhebungsgebühr nach § 6 GEG zu entrichten war.
Der angefochtene Bescheid wäre daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben und im fortzusetzenden Verfahren hätte gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 9 letzter Satz B-VG und § 19a Abs. 13 zweiter Satz GEG das Bundesverwaltungsgericht sodann den Zahlungsauftrag der Kostenbeamtin des Bezirksgerichtes Graz-West vom (ersatzlos) aufzuheben.
Gemäß § 42 Abs. 3a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof jedoch in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersprarnis liegt. Dies ist im vorliegenden Beschwerdefall gegeben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der im Beschwerdefall noch anzuwendenden VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am