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VwGH vom 23.01.2018, Ra 2017/18/0246

VwGH vom 23.01.2018, Ra 2017/18/0246

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über die Revision des M B in W, vertreten durch Leeb & Weinwurm Rechtsanwälte GmbH in 2620 Neunkirchen, Schraubenwerkstraße 3/1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W237 1262415- 3/2E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, lebt seit dem Jahr 2005 in Österreich. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom wurde - im administrativen Instanzenzug - festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 8 AsylG 1997 nicht zulässig sei, und es wurde ihm gemäß § 15 AsylG 1997 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt, die in den folgenden Jahren wiederholt verlängert wurde. Gemäß § 75 Abs. 6 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) galt ihm deshalb der Status des subsidiär Schutzberechtigten als zuerkannt.

2 In den Jahren 2013 bis April 2015 beging der Revisionswerber im Alter von 15 bzw. 16 Jahren zahlreiche Jugendstraftaten, wofür er (u.a.) mehrfach wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB und des Verbrechens des Raubes nach § 142 StGB zu - teilweise unbedingten - Freiheitsstrafen verurteilt worden ist.

3 Mit Bescheid vom erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ab und entzog ihm gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Revisionswerbers in die Russische Föderation erklärte das BFA jedoch für unzulässig; ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ihm nicht erteilt.

4 Die Entscheidung begründete das BFA - zusammengefasst - damit, dass der Revisionswerber wegen seiner Straftaten (darunter auch Verbrechen im Sinne des § 17 StGB) die Aberkennungstatbestände nach § 9 Abs. 2 Z 2 und 3 AsylG 2005 erfüllt habe.

5 In der dagegen erhobenen Beschwerde machte der Revisionswerber geltend, es sei zwar die Aberkennung des Schutzstatus wegen eines verübten Verbrechens möglich, das BFA hätte darüber hinaus aber prüfen müssen, ob die Taten des Revisionswerbers auch im konkreten Einzelfall so schwerwiegend gewesen seien, dass die Aberkennung des Schutzstatus gerechtfertigt sei, und es hätte eine Einzelfallprognose stattfinden müssen. Dabei wäre zu berücksichtigen gewesen, dass der Revisionswerber bei Verübung seiner Straftaten jugendlich und drogenabhängig gewesen sei. Mittlerweile habe er seine Drogensucht erfolgreich überwunden. Er nehme an einer Aggressionstherapie teil und werde im Juni 2017 seinen Hauptschulabschluss mit Auszeichnung absolvieren. Im Juli 2017 werde er vorzeitig aus der Haft entlassen und habe bereits die Einstellungszusage eines Arbeitgebers. Seine Mutter und seine Geschwister böten ihm ein gesichertes familiäres Umfeld und würden ihn unterstützen. Es sei daher für den Revisionswerber eine positive Zukunftsprognose anzustellen, weshalb die Gründe, die zur Aberkennung des subsidiären Schutzes geführt hätten, nicht mehr gegeben seien.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

7 Begründend stellte das BVwG die strafrechtlichen Verurteilungen des Revisionswerbers fest und folgerte daraus rechtlich, der Revisionswerber habe u.a. Verbrechen im Sinne des § 17 StGB begangen und deshalb den Tatbestand des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 verwirklicht, weshalb ihm schon aus diesem Grund der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen sei. Eine Einzelfallprüfung der vom Revisionswerber konkret verübten Straftaten sowie eine Gefährdungsprognose seien nicht erforderlich. Die Ausführungen des Revisionswerbers zum Wohlverhalten seit der letzten Verurteilung, die Absolvierung von Suchtmittel- und Antiaggressionstherapien, die Nachholung des Hauptschulabschlusses sowie das Vorliegen einer Einstellungszusage bei Haftentlassung seien daher irrelevant.

8 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Revision, in der zur Zulässigkeit und in der Sache vorgebracht wird, das angefochtene Erkenntnis lasse die Bestimmung des § 5 Z 10 JGG außer Acht, wonach für die Ahndung von Jugendstraftaten gelte, dass die in gesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen Rechtsfolgen nicht eintreten. Als Beispiel einer solchen Rechtsfolge werde in der Literatur der Ausschluss der Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 und 3 StbG genannt. Analog dazu müsse dies auch auf den Ausschluss der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten bzw. des subsidiär Schutzberechtigten gemäß §§ 6 bzw. 8 Abs. 3a AsylG 2005 sowie auf die Aberkennung des Status des Asylberechtigten bzw. subsidiär Schutzberechtigten gemäß §§ 7 bzw. 9 AsylG 2005 anzuwenden sein. Wenn der Gesetzgeber die Verleihung der Staatsbürgerschaft für jugendliche Straftäter nicht ausschließen wolle, müsse dies erst recht für die Zuerkennung von internationalem Schutz gelten. Im vorliegenden Fall könne dem Revisionswerber daher - unbeschadet der grundsätzlich einen Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 darstellenden strafgerichtlichen Verurteilungen - der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht aberkannt werden, da dies eine Rechtsfolge darstelle, die § 5 Z 10 JGG gerade verhindern wolle. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ob die Bestimmung des § 5 Z 10 JGG auch in Asylverfahren zur Anwendung gelange, fehle.

9 Das BFA hat zu dieser Revision keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Die Revision ist im Sinne ihrer Zulassungsbegründung

zulässig; sie ist auch begründet.

11 Die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen lauten

auszugsweise:

1.) Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl I. Nr. 122/2009 (AsylG 2005):

"Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär

Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des

subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr

vorliegen;

2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem

anderen Staat hat oder

3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt

hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für

die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines

Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.

(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen."

2.) Jugendgerichtsgesetz 1988, BGBl. Nr. 599/1988 idF BGBl. I Nr. 154/2015 (JGG):

"Begriffsbestimmungen

§ 1. Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

1. Unmündiger: wer das vierzehnte Lebensjahr noch nicht

vollendet hat;

2. Jugendlicher: wer das vierzehnte, aber noch nicht das

achtzehnte Lebensjahr vollendet hat;

3. Jugendstraftat: eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte

Handlung, die von einem Jugendlichen begangen wird;

(...)

Besonderheiten der Ahndung von Jugendstraftaten

§ 5. Für die Ahndung von Jugendstraftaten gelten die allgemeinen Strafgesetze, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist:

(...)

10. In gesetzlichen Bestimmungen vorgesehene Rechtsfolgen

treten nicht ein.

(...)"

12 Das Jugendstrafrecht enthält schon seit vielen Jahrzehnten Sondervorschriften für die Ahndung strafbarer Handlungen von Jugendlichen. Unter anderem sahen etwa bereits das Jugendgerichtsgesetz 1949, BGBl Nr. 272/1949 (§ 11 Abs. 1 Z 3), und das Jugendgerichtsgesetz 1961, BGBl. 278/1961 (§ 11 Z 5), vor, dass die nach dem Strafgesetz oder nach anderen gesetzlichen Bestimmungen mit einer Verurteilung verbundenen nachteiligen Folgen für jugendliche Straftäter nicht eintreten sollen. Mit dem Jugendstrafrechtsanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 425/1974 (§ 11 Z 4), wurde schließlich eine Formulierung gefunden, die sich auch heute noch in § 5 Z 10 JGG findet, dass nämlich bei Ahndung von Jugendstraftaten in gesetzlichen Bestimmungen vorgesehene Rechtsfolgen nicht eintreten. Dieser Rechtsfolgenausschluss wird im JGG nicht weiter umschrieben und bedarf daher der Auslegung.

13 Dabei ist einerseits das Anliegen des JGG zu berücksichtigen, die Folgen einer Verurteilung jugendlicher Straftäter - im Vergleich zum Strafrecht für Erwachsene - zu beschränken. Der Gesetzgeber geht - wie die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Jugendgerichtsgesetzes 1988 erkennen lassen -

nämlich davon aus, dass jugendliche Straftäter von den Neben- und Spätwirkungen einer Verurteilung allzu oft erst dann getroffen werden, wenn sie in ihrer persönlichen Entwicklung bereits die Phase überwunden haben, in der sie straffällig geworden sind. Die Beschleunigung jeder Form von Entwicklung im Jugendalter begründe die Notwendigkeit, besondere (diesem Umstand Rechnung tragende) Vorschriften für die Jugendstrafrechtspflege zu schaffen (486 BlgNR 17. GP 18f). Im Bericht des Justizausschusses zur Novelle des Jugendgerichtsgesetzes mit BGBl. I Nr. 19/2001 (404 BlgNR 21. GP 1) wurde zum Ausdruck gebracht, dass Jugendkriminalität - wie allgemein anerkannt sei - überwiegend kein Anzeichen für den Beginn "krimineller Karrieren" darstelle, sondern vielmehr Ausdruck vorübergehender Probleme bei der Anpassung an die Erwachsenenwelt sei, die in aller Regel bald überwunden werden könnten. Unter diesem Blickwinkel verfolgt offenkundig auch § 5 Z 10 JGG das Ziel, die Chancen des straffällig gewordenen Jugendlichen auf Resozialisierung nicht durch zusätzliche, zur Strafe hinzutretende Folgewirkungen zu erschweren oder unmöglich zu machen (vgl. in diesem Sinne etwa auch Jesionek/Edwards/Schmitzberger, Jugendgerichtsgesetz5 (2017), § 5 Anm. 61 ff; Schroll in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch2 (2016), § 5 JGG Rz 53).

14 Andererseits ist in Betracht zu ziehen, dass in der Literatur zu anderen strafrechtlichen Normen, insbesondere zu §§ 27 und 44 StGB, der Begriff der "Rechtsfolgen" einschränkend interpretiert wird. § 27 StGB enthält Regelungen für den Amtsverlust und andere Rechtsfolgen der Verurteilung. § 44 Abs. 2 StGB eröffnet die Möglichkeit, Rechtsfolgen der Verurteilung unabhängig von der Hauptstrafe bedingt nachzusehen. Zu beiden Vorschriften wird die Ansicht vertreten, dass unter den "Rechtsfolgen" nur solche zu verstehen sind, die kraft gesetzlicher Anordnung ex lege mit Rechtskraft des Strafurteils eintreten und somit nicht der Anordnung durch das Gericht oder durch eine andere Behörde unterliegen (vgl. etwa Birklbauer, Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 44 StGB, Rz 26f; Jesionek/Birklbauer/Rauch, Nebenfolgen einer gerichtlichen Verurteilung, RZ 2012, 4 ff; Ratz, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch2 (2011), § 27 StGB, Rz 1; Fabrizy, StGB11, § 27 StGB, Rz 1). Birklbauer (a.a.O) argumentiert, dass es sich um keine "Rechtsfolge" handle, wenn eine strafgerichtliche Verurteilung für verwaltungsbehördliche Entscheidungen auf Grund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung ein materielles Kriterium bilde, das der Beurteilung durch die entscheidende Behörde unterliege. Die Folge trete in solchen Fällen nicht ex lege mit rechtskräftiger strafgerichtlicher Verurteilung ein. Keine Ex-lege-Rechtsfolgen seien daher etwa die Verhängung eines Aufenthaltsverbots oder die Entziehung der Lenkberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit.

15 Als Anwendungsfälle des § 5 Z 10 JGG werden in den einschlägigen Kommentaren etwa die Degradierung bzw. der Ausschluss von der Beförderung nach § 6 MilStG oder der Ausschluss von der Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 1 Z 2 und 3 StbG genannt (vgl. Jesionek/Edwards/Schmitzberger, a.a.O., Maleczky, Jugendstrafrecht5 (2016), Rz 2.57; Schroll, a.a.O.). Jesionek/Edwards/Schmitzberger (a.a.O.)vertreten die Auffassung, es sei rechtswidrig, einem wegen einer Jugendstraftat Verurteilten unter bloßem Hinweis auf diese Tatsache etwa eine Lenkberechtigung nicht zu erteilen oder zu entziehen, Jagd- oder Fischereiberechtigungen nicht zu gewähren oder Aufenthaltsverbote zu verhängen. Diese Praxis sei nur dann mit § 5 Z 10 JGG vereinbar, wenn sich der konkrete Bescheid auf andere jeweils relevante Tatsachen stütze, die in der Regel von der strafrechtlichen Verurteilung unabhängig seien. Dabei könne selbstverständlich die strafrechtliche Verurteilung Anlass zur Prüfung der besonderen Umstände geben, wie etwa eine Verurteilung wegen eines Verkehrsdelikts nach § 136 StGB Grundlage zur Prüfung der Verlässlichkeit nach § 66 KFG sein könne.

16 In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde auf § 5 Z 10 JGG - soweit ersichtlich - bislang nicht Bezug genommen. Allerdings spielte die strafrechtliche Verurteilung von Jugendlichen insbesondere im Zusammenhang mit dem Staatsbürgerschaftsrecht und mit fremdenpolizeilichen Anordnungen in der höchstgerichtlichen Judikatur wiederholt eine Rolle.

17 Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist zunächst festzuhalten, dass das von der Revision zitierte und in der Literatur regelmäßig angeführte Beispiel für einen Anwendungsfall des § 5 Z 10 JGG, nämlich der Ausschluss von der Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 1 Z 2 und 3 StbG, nicht zutrifft. § 10 Abs. 1a StbG sieht nämlich ausdrücklich vor, dass eine gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 oder 3 maßgebliche (strafrechtliche) Verurteilung auch dann vorliegt, wenn sie wegen einer Jugendstraftat erfolgt ist. Die Anwendung des § 5 Z 10 JGG scheidet bei dieser - auf einer lex specialis beruhenden - Rechtslage aus. Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits erkannt, dass jede wegen einer Vorsatztat erfolgte rechtskräftige gerichtliche Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe der Verleihung der Staatsbürgerschaft entgegensteht, und zwar auch dann, wenn sie wegen einer Jugendstraftat erfolgt ist (vgl. etwa ).

18 Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Staatsbürgerschaftsangelegenheiten lässt sich weiters ableiten, dass strafrechtliche Verurteilungen wegen Jugendstraftaten von der Verleihungsbehörde auch herangezogen werden dürfen, wenn sie - im Zusammenhang mit dem Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG - das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers in Prüfung zieht, um zu beurteilen, ob der Verleihungswerber auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung oder - anderer im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter Rechtsgüter - erlassene Vorschriften missachten werde (vgl. etwa , , 2004/01/0421). Damit wurde - wenn auch nur implizit - erkannt, dass der Rechtsfolgenausschluss des § 5 Z 10 JGG die Verwaltungsbehörde nicht daran hindert, auch Verurteilungen wegen Jugendstraftaten in ihre Überlegungen einzubeziehen, wenn die Behörde nach den einschlägigen materiellen Verwaltungsvorschriften eine Gefährdungsprognose in Bezug auf die betroffene Person zu erstellen hat.

19 Gleiches ergibt sich aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen Fremde. Auch hier können Jugendstraftaten des Fremden im Rahmen der Gesamtabwägung der Interessen nach Art. 8 EMRK oder bei einer Gefährdungsprognose Beachtung finden (vgl. etwa , u.a.).

20 Demnach hindert § 5 Z 10 JGG eine Verwaltungsbehörde jedenfalls nicht, die Verurteilung einer Person wegen einer von ihr begangenen Jugendstraftat in ihrem Verfahren zu berücksichtigen, wenn die einschlägigen Normen des Verwaltungsrechts dies im Speziellen anordnen oder die Bedachtnahme auf diese strafrechtliche Verurteilung als Teil einer Gesamtbeurteilung des Verhaltens dieser Person im Rahmen einer Gefährdungsprognose erfolgt.

21 Abgesehen davon greift der Rechtsfolgenausschluss des § 5 Z 10 JGG dort ein, wo Rechtsfolgen einer strafrechtlichen Verurteilung für den Bereich des Verwaltungsrechts aufgrund gesetzlicher Anordnung ex lege (mit Rechtskraft des Urteils) eintreten. Das gilt aus kompetenzrechtlichen Gründen jedenfalls für jene gesetzlich angeordneten Rechtsfolgen, die sich in Bundesgesetzen finden.

22 § 5 Z 10 JGG bezieht sich somit - nach unstrittigem allgemeinen Verständnis - jedenfalls auf Fälle, in denen eine bundesgesetzlich angeordnete Rechtsfolge der Verurteilung eintreten würde, ohne dass es einer Anordnung durch die Verwaltungsbehörde bedürfte.

23 Nichts anderes kann aber gelten, wenn sich die Rechtsfolge zwar erst aufgrund einer Entscheidung der Verwaltungsbehörde realisiert, diese Entscheidung als Folge der strafrechtlichen Verurteilung vom Gesetz aber zur Gänze determiniert ist und der Behörde weder hinsichtlich der Frage, ob die Entscheidung getroffen wird, noch wie sie inhaltlich auszufallen hat, eigenen Entscheidungsspielraum belässt. Sehen die gesetzlichen Vorschriften nämlich vor, dass allein die strafrechtliche Verurteilung zwingend zu einer bestimmten Reaktion der Verwaltungsbehörde führen muss, ohne dass dieser bei ihrem Vorgehen ein eigenes Prüfkalkül zukäme, handelt es sich im Ergebnis auch um eine gesetzliche Rechtsfolge der Verurteilung im Sinne des § 5 Z 10 JGG. Mangels einer anderslautenden spezielleren gesetzlichen Anordnung kommt auch in solchen Fällen der Rechtsfolgenausschluss des § 5 Z 10 JGG zum Tragen.

24 Werden diese rechtlichen Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewandt, so kann das angefochtene Erkenntnis aus folgenden Gründen keinen Bestand haben:

25 Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 setzt lediglich voraus, dass der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht. Die Asylbehörde hat im Aberkennungsverfahren nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 weder eine Einzelfallprüfung etwa in Bezug auf die Umstände der Taten vorzunehmen, noch hat sie eine Gefährdungsprognose anzustellen (vgl. und Ra 2015/20/0047, ). Die Aberkennung nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 hat somit aufgrund der gesetzlichen Anordnung zwingend und ohne eigenes Prüfkalkül der Asylbehörde stattzufinden. Sie ist aus diesem Grund nach dem bisher Gesagten als "Rechtsfolge" im Sinne des § 5 Z 10 JGG anzusehen und unterliegt dem Anwendungsbereich dieser Norm. Dementsprechend kann eine Aberkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 nicht auf eine Verurteilung wegen eines Verbrechens nach § 17 StGB gestützt werden, die wegen einer Jugendstraftat erfolgt ist.

26 Anders wäre hingegen eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 zu beurteilen. Nach dieser Vorschrift hat eine Aberkennung stattzufinden, wenn der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt. Ob der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, erfordert eine Gefährdungsprognose, wie sie in ähnlicher Weise auch in anderen asyl- und fremdenrechtlichen Vorschriften zugrunde gelegt ist (vgl. etwa § 6 Abs. 1 Z 3 und § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005;§§ 53 und 66 Abs. 1 FPG). Dabei ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die Annahme gerechtfertigt ist, der Fremde stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Strafgerichtliche Verurteilungen des Fremden sind daraufhin zu überprüfen, inwieweit sich daraus nach der Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und der Tatumstände der Schluss auf die Gefährlichkeit des Fremden für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich ziehen lässt (vgl. ). Aufgrund der von der Asylbehörde vorzunehmenden Gefährdungsprognose kann also bei Heranziehung des Aberkennungstatbestandes des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 - anders als bei § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 - nicht davon ausgegangen werden, dass die Aberkennung des subsidiären Schutzstatus bloß eine "Rechtsfolge" im Sinne des § 5 Z 10 JGG wäre.

27 Im vorliegenden Verfahren hat das BFA seine Aberkennungsentscheidung auf § 9 Abs. 2 Z 2 und Z 3 AsylG 2005 gegründet. Das BVwG hat eine Prüfung der Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG aber unterlassen und sich nur auf den Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 gestützt. Die zugrunde gelegten strafrechtlichen Verurteilungen des Revisionswerbers erfolgten aber nur wegen Jugendstraftaten und unterlagen daher dem Rechtsfolgenausschluss nach § 5 Z 10 JGG.

28 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

29 Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am