VwGH vom 30.08.2017, Ra 2017/18/0119

VwGH vom 30.08.2017, Ra 2017/18/0119

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. A H, 2. D A, und 3. E A, alle in W und vertreten durch Dr. Michael Lentsch, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 32, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zlen. L515 2128782-1/12E (zu 1.), L515 2128778-1/8E (zu 2.) und L515 2128781-1/8E (zu 3.), betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter des minderjährigen Zweitrevisionswerbers und der minderjährigen Drittrevisionswerberin; sie alle sind armenische Staatsangehörige.

2 Sie reisten gemeinsam mit dem Ehemann der Erstrevisionswerberin bzw. dem Vater der zweit- und drittrevisionswerbenden Parteien (im Folgenden: Ehemann/Vater) im Jänner 2016 in das Bundesgebiet ein und stellten Anträge auf internationalen Schutz. Zur Begründung verwiesen sie zunächst darauf, dass der Ehemann/Vater in Armenien aus näher umschriebenen politischen Gründen verfolgt werde.

3 Mit Bescheiden vom wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diese Anträge ab, erteilte keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ Rückkehrentscheidungen, stellte fest, dass die Abschiebung der revisionswerbenden Parteien und des Ehemannes/Vaters nach Armenien zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen fest. Diesen Entscheidungen lag zusammengefasst zugrunde, dass die behauptete Verfolgungsgefahr für den Ehemann/Vater der revisionswerbenden Parteien nicht glaubhaft gemacht worden sei.

4 Dagegen erhoben die revisionswerbenden Parteien und der Ehemann/Vater mit Schriftsatz vom eine gemeinsame Beschwerde.

5 Mit Schreiben vom erstatteten die revisionswerbenden Parteien, vertreten durch die Rechtsberaterin, folgendes ergänzendes Vorbringen:

"(Die Erstrevisionswerberin) und ihre Kinder hatten sich am an C.W. von der Kinder- und Jugendhilfe, Magistrat Wr. Neustadt, gewandt und um Hilfe gebeten aufgrund massiver Gewalt des Kindesvaters gegen sie und auch gegen die Kinder. Frau W. ging mit der Frau und den Kindern zur Polizei, um den Gewaltvorfall zur Anzeige zu bringen. Die Anzeige wurde aufgenommen, es erfolgte eine Wegweisung und es wurde ein Betretungsverbot gegen (den Ehemann/Vater) ausgesprochen. Am 29. Juni wurde vom Bezirksgericht Wiener Neustadt die Einstweilige Verfügung erlassen (Beilage). Der Ehegatte und Vater der BF (...) ist Ende Juni aus dem Bundesgebiet ausgereist und nach Armenien zurückgekehrt. (Die Erstrevisionswerberin) ist seit 15 Jahren von wiederkehrender Gewalt durch ihren Ehemann betroffen. Von Anzeigen gegen ihn in Armenien konnte (der Ehemann/Vater) sich freikaufen. (Die Erstrevisionswerberin) bekam keinerlei Hilfe, Unterstützung oder Schutz. Da (der Ehemann/Vater) aus Österreich ausgereist ist, wurde das (strafrechtliche) Ermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt (...). (Die Erstrevisionswerberin) und ihre Kinder fürchten bei einer Rückkehr nach Armenien wieder massive Gewalt durch (den Ehemann/Vater) ausgesetzt zu sein und keinen Schutz durch staatliche Einrichtungen zu erhalten. (...)"

6 Diesem Schreiben war unter anderem eine gegen den Ehemann/Vater gerichtete und auf § 382b Abs. 1 Z 2 und § 382e Abs. 1 Z 1 EO gestützte einstweilige Verfügung des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom , GZ 25 C 15/16- 9, zugunsten der revisionswerbenden Parteien angeschlossen.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerden der revisionswerbenden Parteien als unbegründet ab; lediglich die "spruchgemäße Erledigung zu § 55 AsylG 2005" wurde ersatzlos behoben. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.

8 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die behauptete politische Verfolgung des Ehemannes/Vaters der revisionswerbenden Parteien sei nicht glaubhaft gemacht worden. Das BVwG gehe jedoch davon aus, dass die revisionswerbenden Parteien in Armenien und Österreich vom Ehemann/Vater erheblich misshandelt worden seien. Es wäre ihnen jedoch möglich und zumutbar, sich an die armenischen Behörden zu wenden, welche gewillt und befähigt seien, ihnen Schutz zu gewähren. Auch wenn ein solcher Schutz nicht lückenlos möglich sei, wären die befürchteten Übergriffe in Armenien offensichtlich im Rahmen des allgemeinen Strafrechts auch ohne die Existenz eines speziellen Gewaltschutzgesetzes, welches sich gegen häusliche Gewalt richte, amtswegig zu verfolgende strafbare Handlungen. Auch würden in Armenien Behörden existieren, die zur Strafrechtspflege bzw. zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit berufen seien und auch effektiv tätig würden. Diese Behörden seien auch dazu berufen, tätig zu werden, wenn Frauen von Gewalt betroffen seien. Die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der Behörden sei somit grundsätzlich gegeben. An anderer Stelle der Entscheidungsgründe führte das BVwG aus, es schenke im Zweifel der Erstrevisionswerberin Glauben, dass ihrem Versuch, ihren Gatten bei einer (armenischen) Polizeistation anzuzeigen, kein Erfolg beschieden gewesen sei. Dass Beamte einer bestimmten Polizeidienststelle nicht bereit gewesen seien, eine Anzeige ordnungsgemäß aufzunehmen, bedeute aber nicht, dass die staatlichen Institutionen generell nicht gewillt und befähigt wären, die revisionswerbenden Parteien zu schützen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass es sich um ein staatlicherseits weder gefördertes noch geduldetes individuelles Fehlverhalten einzelner Organwalter gehandelt habe, wogegen sich die revisionswerbenden Parteien zur Wehr setzen hätten können, indem sie sich etwa an die vorgesetzte Dienststelle bzw. direkt an die Gerichte, die Staatsanwaltschaft oder den Ombudsmann hätten wenden können. Ebenso sei in Armenien eine Reihe von nationalen und internationalen Organisationen zur Beobachtung und Durchsetzung von Menschenrechten tätig. Die Einschaltung einer solchen Organisation und die dadurch entstehende Publizität ihres Falles würde sich jedenfalls günstig für die revisionswerbenden Parteien im Bestreben, ihre Rechte durchzusetzen, auswirken. Es sei auch darauf hinzuweisen, dass innerhalb der armenischen Polizei eine eigene Polizeiabteilung für Familienangelegenheiten existiere und nichts darauf hindeute, dass sich die Erstrevisionswerberin an diese gewandt habe. Ebenso gehe aus den Feststellungen hervor, dass die Erstrevisionswerberin in Armenien Zugang zu unentgeltlicher juristischer Vertretung habe, was die Durchsetzung ihres Schutzbedürfnisses zweifellos erleichtere. Dass sie versucht habe, eine derartige Unterstützung zu erhalten, könne nicht festgestellt werden. Wenngleich es in Armenien sehr begrenzte Unterbringungsmöglichkeiten für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder gebe, sei festzuhalten, dass es solche gebe und darüber hinaus in Armenien nach wie vor Verwandte der revisionswerbenden Parteien lebten, mit denen sie in Kontakt stünden. Nichts deute darauf hin, dass diese gänzlich unwillig wären, die revisionswerbenden Parteien zu unterstützen. Im Ergebnis hätten die revisionswerbenden Parteien somit kein Vorbringen erstattet, welches hinreichende Zweifel am Vorhandensein oder an der Effektivität der (staatlichen) Schutzmechanismen begründet hätte. Den revisionswerbenden Parteien sei somit weder Asyl noch subsidiärer Schutz zu gewähren. Auch sei das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in seinen Entscheidungen (insbesondere) zu Recht davon ausgegangen, dass den revisionswerbenden Parteien keine Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 zu erteilen seien.

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der - zusammengefasst - geltend gemacht wird, das BVwG habe die Frage der Schutzfähigkeit und - willigkeit der armenischen Behörden bei häuslicher Gewalt unrichtig beurteilt und sei dabei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

10 Das BFA hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 Die Revision ist im Sinne der Zulassungsbegründung

zulässig und auch begründet.

12 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes

kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren.

13 Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.

14 Gemäß Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie), die im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts mit zu berücksichtigen ist, muss der Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden wirksam sein. Ein solcher Schutz ist generell gewährleistet, wenn etwa der Herkunftsstaat geeignete Schritte einleitet, um die Verfolgung oder den ernsthaften Schaden zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, und wenn der Asylwerber Zugang zu diesem Schutz hat. Bei Prüfung (u.a.) dieser Frage berücksichtigen die Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 2 Statusrichtlinie zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers.

15 Die Statusrichtlinie sieht daher einerseits vor, dass die staatliche Schutzfähigkeit zwar generell bei Einrichtung eines entsprechenden staatlichen Sicherheitssystems gewährleistet ist, verlangt aber anderseits eine Prüfung im Einzelfall, ob der Asylwerber unter Berücksichtigung seiner besonderen Umstände in der Lage ist, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (vgl. zum Ganzen etwa , und vom , Ra 2016/18/0233, jeweils mit weiteren Nachweisen).

16 Droht einem Schutzsuchenden bei Rückkehr in den Herkunftsstaat die reale Gefahr einer Verletzung seiner (insbesondere) durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte, so wäre ihm - ungeachtet des möglichen Fehlens eines Konventionsgrundes - zumindest subsidiärer Schutz zu gewähren.

17 Ausgehend von diesen rechtlichen Grundsätzen kommt der Frage, ob die revisionswerbenden Parteien gegen die gewaltsamen Übergriffe des Ehemannes bzw. Vaters im Herkunftsstaat Schutz finden können, für die Beurteilung der Berechtigung ihrer Anträge auf internationalen Schutz entscheidende Bedeutung zu.

18 Darüber hinaus ist die Schutzfähigkeit und -willigkeit der armenischen Behörden fallbezogen aber auch für die Beurteilung eines allfälligen Aufenthaltstitels nach § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 von Relevanz:

Gemäß § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist. Im vorliegenden Fall wurde zugunsten der revisionswerbenden Parteien nachweislich eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b und 382e EO erlassen. Ein Aufenthaltstitel nach § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 wäre demnach zu gewähren, wenn dieser zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof bereits klargestellt, dass die Situation im Herkunftsland in den Blick zu nehmen ist. Nur wenn feststeht, dass im Herkunftsstaat ausreichender staatlicher Schutz vor derartigen Bedrohungen gewährleistet ist, kann von der Gewährung des Aufenthaltstitels nach § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 Abstand genommen werden (vgl. , 0024).

19 Im vorliegenden Fall hat das BVwG die Schutzfähigkeit und - willigkeit der armenischen Behörden in Fällen häuslicher Gewalt bejaht. Dem hält die Revision zunächst entgegen, dass die Erstrevisionswerberin tatsächlich Schutz vor Übergriffen ihres Ehemannes bei staatlichen Stellen gesucht habe und ihr dieser nicht zuteil geworden sei. Die Revision argumentiert, es müsse deshalb nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon ausgegangen werden, dass die ihr drohende häusliche Gewalt von staatlichen Stellen geduldet werde (Hinweis auf ). Dem ist nur zum Teil zuzustimmen. Allein der Umstand, dass ein einzelnes Polizeiorgan im Herkunftsstaat nicht bereit ist, dem Schutzansuchen einer Asylwerberin vor häuslicher Gewalt zu entsprechen, bedeutet nicht, dass der Herkunftsstaat generell nicht schutzfähig und -willig wäre. Derartiges lässt sich auch dem zitierten hg. Erkenntnis 94/19/0043 nicht entnehmen. Fehlleistungen einzelner Sicherheitsorgane sind nicht auszuschließen. Sie berühren die Schutzfähigkeit und -willigkeit eines Staates solange nicht, als es Möglichkeiten gibt, sich dagegen zur Wehr zu setzen und auf diese Art und Weise wirksamen Schutz zu erlangen. Insofern ist dem BVwG Recht zu geben, dass die Schutzfähigkeit und -willigkeit der staatlichen Behörden grundsätzlich daran zu messen ist, ob im Heimatland wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, vorhanden sind und ob die schutzsuchende Person Zugang zu diesem Schutz hat. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass auch bei Vorhandensein von Strafnormen und Strafverfolgungsbehörden im Einzelfall geprüft werden muss, ob der Asylwerber oder die Asylwerberin unter Berücksichtigung seiner oder ihrer besonderen Umstände in der Lage ist, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben.

20 Das BVwG sieht die staatliche Schutzfähigkeit und - willigkeit in Fällen häuslicher Gewalt in Armenien als gegeben an, obwohl die Feststellungen in seiner Entscheidung diese Einschätzung nicht zweifelsfrei decken:

21 So stellte das BVwG unter Bezugnahme auf einen Bericht des US Department of State von , Country Report on Human Rights Practices 2014, fest, dass ehelicher Missbrauch und Gewalt gegen Frauen in Armenien weit verbreitet zu sein scheine. Behörden verfolgten Fälle von häuslicher Gewalt nicht effektiv. Die Anzahl der Zufluchtsstätten für Opfer häuslicher Gewalt sei unzureichend. Es gebe lediglich eine solche Zufluchtsstätte in Eriwan, welche durch private Mittel unterstützt werde. Auch nach einem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom gebe es in Armenien nur "ungenügende(n) Schutz durch staatliche Behörden vor Gewalt gegen Frauen. (...) In Armenien existieren keine staatlichen Schutz- und Unterkunfts-Mechanismen und auch keine Kooperation zwischen der Polizei und Sozialarbeitenden. (...) Die OSZE Erewan bezeichnet den Opferschutz in Armenien generell als ungenügend."

22 Diese Berichte stehen in einem unaufgeklärten Spannungsverhältnis zu anderen, in der angefochtenen Entscheidung ebenfalls zitierten Länderberichten. So heißt es in einem Bericht des Schweizer Bundesamtes für Migration älteren Datums, nämlich vom , dass in den letzten Jahren in Armenien Maßnahmen getroffen worden seien, um Opfer häuslicher Gewalt mehr Möglichkeiten zu geben, sich zu schützen. Anzeigen würden mehrheitlich entgegengenommen, Opfer häuslicher Gewalt hätten ein Anrecht auf kostenlose Verteidigung durch einen staatlich gestellten Anwalt, es gebe auch rechtliche Unterstützung durch Anwälte der staatlichen Ombudsstelle für den Fall, dass sich die Polizei weigern sollte, eine Anzeige entgegen zu nehmen. Auch existierten in Armenien beispielsweise drei Frauenhäuser und mehrere NGOs, die in Fällen von Gewalt Beratungs- und Krisenintervention leisteten. Laut den Feststellungen des BFA, denen sich das BVwG im Übrigen angeschlossen hat, soll es nach einem Bericht von "Armenian Weekly" vom auch eine neu gegründete Polizeiabteilung für Familienangelegenheiten sowie polizeiinterne Richtlinien geben, um vorbeugend häusliche Gewalt zu verhindern.

23 Ausgehend von dieser diametralen Beurteilung der Lage in Armenien in unterschiedlichen Länderberichten lässt sich die - nicht weiter begründete - Einschätzung des BVwG, den revisionswerbenden Parteien würde im Falle der Rückkehr nach Armenien ein wirksamer Schutz gegen weitere Gewaltakte des Ehemannes/Vaters zuteil werden, nicht nachvollziehen. Dazu bedürfte es vielmehr einer genaueren Erforschung der aktuellen Lage in Armenien (gegebenenfalls unter Einschaltung der Staatendokumentation), verbunden mit einer schlüssigen Bewertung der Beweiskraft von Berichten, die zu diesem Thema zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen gelangen. All das lässt die angefochtene Entscheidung vermissen, weshalb sie keinen Bestand haben kann.

24 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

25 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG Abstand genommen werden.

26 Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Da die revisionswerbenden Parteien aufgrund der bewilligten Verfahrenshilfe keine Gebühr nach § 24a Z 1 VwGG leisten müssen, war das diesbezügliche Kostenmehrbegehren der Revision abzuweisen.

Wien, am