Suchen Hilfe
VwGH vom 20.10.2010, 2010/08/0185

VwGH vom 20.10.2010, 2010/08/0185

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der IÖ in L, vertreten durch Dr. Elfgund Frischenschlager, Rechtsanwältin in 4020 Linz, Landstraße 15/IV, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom , Zl. LGSOÖ/Abt.4/2010-0566-4-000489-11, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gegenüber der Beschwerdeführerin der Bezug des Arbeitslosengeldes für die Zeiträume vom 1. Jänner bis , vom 1. März bis , vom 13. Juni bis , vom 21. Juli bis sowie vom 28. Oktober bis widerrufen und der durch den Widerruf entstandene Übergenuss von EUR 4.134,24 zurückgefordert.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe am beim Arbeitsmarktservice L Arbeitslosengeld beantragt und dabei angegeben, nicht selbständig erwerbstätig zu sein. In der Folge habe die Beschwerdeführerin ab mit Unterbrechungen Arbeitslosengeld in der Höhe von täglich EUR 19,14 bezogen. Am habe das Arbeitsmarktservice erstmals erfahren, dass die Beschwerdeführerin im Jahr 2008 selbständig erwerbstätig gewesen sei. Der Einkommensteuerbescheid über das Jahr 2008 weise ein "durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen" auf, welches über der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze von EUR 349,01 liege und somit Arbeitslosigkeit ausschließe.

Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice L habe mit Bescheid vom den Bezug von Arbeitslosengeld in den oben genannten Zeiträumen widerrufen und einen Betrag von EUR 4.134,24 zurückgefordert. Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Berufung gegen diesen Bescheid angegeben, im Zeitraum von Jänner bis Dezember 2008 lediglich EUR 1.643,-- "dazuverdient" zu haben. Alle anderen Einkünfte hätten, wie sich aus zugleich vorgelegten Belegen ergebe, nur Kilometergeld für tatsächlich nach Fahrtenbuch gefahrene Kilometer betroffen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass gemäß § 12 Abs. 3 lit. b AlVG insbesondere nicht als arbeitslos gelte, wer selbständig erwerbstätig sei. Nach § 12 Abs. 6 lit. c AlVG gelte als arbeitslos jedoch, wer auf andere Art selbständig erwerbstätig sei bzw. selbständig arbeite und daraus ein Einkommen gemäß § 36a erziele oder im Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit bzw. selbständiger Arbeit einen Umsatz gemäß § 36b erziele, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 % des Umsatzes die in § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge (Geringfügigkeitsgrenze) übersteige. Die Geringfügigkeitsgrenze habe im Jahr 2008 monatlich EUR 349,01 betragen.

Das Bruttoeinkommen der Beschwerdeführerin belaufe sich laut Einkommensteuerbescheid auf EUR 10.621,42; nach Abzug der Topf-Sonderausgaben von EUR 339,37 verbleibe ein zu berücksichtigendes Einkommen aus selbständiger Tätigkeit von EUR 10.282,05. Daraus ergebe sich ein durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen von EUR 856,83, welches über der Geringfügigkeitsgrenze des Jahres 2008 liege und Arbeitslosigkeit somit ausschließe.

Maßgeblich für die Beurteilung der Arbeitslosigkeit im Falle eines Einkommens aus Gewerbebetrieb sei der im Einkommensteuerbescheid ausgewiesene Betrag. Die Beschwerdeführerin sei vom bis selbständig erwerbstätig gewesen. Mangels Arbeitslosigkeit in diesem Zeitraum habe das Arbeitsmarktservice das Arbeitslosengeld daher zu widerrufen. Die Beschwerdeführerin habe die selbständige Erwerbstätigkeit dem Arbeitsmarktservice auch nicht bekannt gegeben. Sie habe damit die Meldepflicht nach § 50 AlVG verletzt und somit einen Rückforderungstatbestand verwirklicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos, wer eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat, nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l), unterliegt und keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt.

Gemäß § 12 Abs. 3 lit. b AlVG gilt insbesondere nicht als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2, wer selbständig erwerbstätig ist.

Als arbeitslos gilt jedoch gemäß § 12 Abs. 6 lit. c AlVG, wer selbständig erwerbstätig ist bzw. selbständig arbeitet und daraus ein Einkommen gemäß § 36a AlVG erzielt oder im Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit bzw. der selbständigen Arbeit einen Umsatz gemäß § 36b AlVG erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 v.H. des Umsatzes die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt.

Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist, wenn die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes gesetzlich nicht begründet war, die Zuerkennung zu widerrufen.

Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ist bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Der Leistungsempfänger ist auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte; in diesem Fall darf jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen.

§ 36a AlVG hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Einkommen

§ 36a. (1) Bei der Feststellung des Einkommens für die Beurteilung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit (§ 12 Abs. 6 lit. a bis e), des Anspruchs auf Familienzuschlag (§ 20 Abs. 2 und 5) und für die Anrechnung auf die Notstandshilfe ist nach den folgenden Absätzen vorzugehen.

(2) Einkommen im Sinne dieses Bundesgesetzes ist das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, in der jeweils geltenden Fassung, zuzüglich den Hinzurechnungen gemäß Abs. 3 und dem Pauschalierungsausgleich gemäß Abs. 4. Einkommensteile, die mit dem festen Satz des § 67 des Einkommenssteuergesetzes 1988 zu versteuern sind, bleiben außer Betracht. Die Winterfeiertagsvergütung gemäß § 13j Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, BGBl. Nr. 414/1972, in der jeweils geltenden Fassung, bleibt außer Betracht. Bezüge aus einer gesetzlichen Unfallversorgung sowie aus einer Unfallversorgung der Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen sind nur zur Hälfte zu berücksichtigen.

...

(5) Das Einkommen ist wie folgt nachzuweisen:

1. bei Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem die Leistung nach diesem Bundesgesetz bezogen wird, und bis zum Vorliegen dieses Bescheides auf Grund einer jeweils monatlich im nachhinein abzugebenden Erklärung des selbständig Erwerbstätigen und geeigneter Nachweise;

...

(7) Als monatliches Einkommen gilt bei durchgehender selbständiger Erwerbstätigkeit ein Zwölftel des sich ergebenden Jahreseinkommens, bei nur vorübergehender selbständiger Erwerbstätigkeit das anteilsmäßige Einkommen in den Monaten, in denen selbständige Erwerbstätigkeit vorlag. Bis zum Vorliegen des Einkommensteuerbescheides für das betreffende Kalenderjahr ist das Einkommen in einem bestimmten Kalendermonat jeweils durch Zusammenrechnung des für diesen Kalendermonat nachgewiesenen Einkommens mit den für frühere Kalendermonate desselben Kalenderjahres nachgewiesenen Einkommen geteilt durch die Anzahl der Monate im Kalenderjahr, für die eine Einkommenserklärung vorliegt, zu ermitteln."

2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie sei für ein Kosmetikunternehmen selbständig tätig gewesen und habe einerseits Verkaufsprovisionen erhalten, andererseits sei ihr für Zustelltätigkeiten als Aufwandersatz Kilometergeld ausbezahlt worden. Seit 2008 könnten nach den Lohnsteuerrichtlinien bei Jahreskilometerleistungen von über 30.000 km nur die tatsächlichen Aufwendungen und nicht das pauschalierte Kilometergeld steuerfrei vergütet werden. Sie sei im Jahre 2008 über 30.000 km gefahren und habe dafür Kilometergeld als Aufwandersatz erhalten. Dieses Kilometergeld sei jedoch nicht zu ihrem Einkommen zu zählen, da sie davon die Kosten für Benzin und allfällige Reparaturen des Pkw beglichen habe. Sie habe im Jahr 2008 lediglich EUR 1.643,-- durch die Verkaufstätigkeit verdient; das restliche ihr ausbezahlte Geld habe lediglich Kilometergeld für tatsächlich nach Fahrtenbuch gefahrene Kilometer betroffen. Dieses Kilometergeld sei dem Einkommen jedoch nicht "hinzuzurechnen". Es diene ausschließlich der Abdeckung eines beruflichen Mehraufwandes und sei somit mangels Entgeltcharakter "aus der Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Arbeitslosengeldes" auszuscheiden.

Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzulegen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet die in § 36a Abs. 5 Z. 1 AlVG enthaltene Anordnung, dass das Einkommen durch die Vorlage des Einkommenssteuerbescheides nachzuweisen ist, eine zwecks Erleichterung des praktischen Vollzuges angedeutete Bindung der Behörden der Arbeitsmarktverwaltung an das Einkommensteuerrecht, wobei das im Einkommensteuerbescheid ausgewiesene Einkommen insoweit heranzuziehen ist, als es aus Einkünften aus selbständiger Tätigkeit, das heißt aus den Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Z. 2 und 3 EStG 1988, resultiert (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2007/08/0191, mwN).

Dass nach den Angaben der Beschwerdeführerin ein großer Teil ihrer Einnahmen aus der selbständigen Erwerbstätigkeit im verfahrensgegenständlichen Zeitraum aus "Kilometergeldern" stammt, vermag an der Maßgeblichkeit des im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Einkommens nichts zu ändern. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass in dem - nach den Angaben der Beschwerdeführerin hier vorliegenden - Fall, in dem wegen einer Jahreskilometerleistung von über 30.000 km eine steuermindernde Geltendmachung des amtlichen Kilometergeldes nicht möglich ist, die gesamten für die betrieblichen Fahrten tatsächlich angefallenen Ausgaben als Betriebsausgaben geltend gemacht werden können, sodass entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin gerade nicht davon auszugehen ist, dass dem ihr ausbezahlten "Kilometergeld" ein "beruflicher Mehraufwand" gegenüberstünde, der im Einkommensteuerbescheid nicht berücksichtigt worden wäre.

Die Beschwerdeführerin bestreitet auch nicht, dass der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in der Höhe von EUR 10.621,42 (nach Abzug der Sonderausgaben: EUR 10.212,05) ausweist. Da das für das Arbeitsmarktservice somit bindend festgestellte Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze lag, war die Beschwerdeführerin daher nicht arbeitslos im Sinne des § 12 AlVG, sodass der Widerruf des Arbeitslosengeldbezuges gemäß § 24 Abs. 2 AlVG zu Recht erfolgte.

3. Gemäß § 50 Abs. 1 AlVG sind Bezieher von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 AlVG unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen.

Diese Verpflichtung besteht selbst dann, wenn nach Auffassung des Leistungsempfängers diese Tätigkeit den Leistungsanspruch nicht zu beeinflussen vermag. Die Beurteilung, ob diese Beschäftigung als geringfügig zu werten ist und daher durch die Aufnahme der Beschäftigung der Zustand der Arbeitslosigkeit nicht beseitigt wurde, kann nicht dem Empfänger des Bezuges anheim gestellt sein; diese Beurteilung unterliegt ausschließlich der Behörde (vgl. wiederum das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom ).

Eine der Voraussetzungen für die Rückforderung gemäß § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG ist der Umstand der Verschweigung.

Die Beschwerdeführerin hat ihre selbständige Erwerbstätigkeit dem Arbeitsmarktservice nicht gemeldet und damit eine für den Leistungsanspruch maßgebende Tatsache verschwiegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/08/0112), sodass auch die Rückforderung der Leistung gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zu Recht erfolgte.

4. Die Beschwerde rügt weiters, die belangte Behörde habe nicht begründet, weshalb sie der Berufung nicht stattgegeben habe und sie habe auch keine Beweiswürdigung durchgeführt. Dem ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt - das nach dem Einkommensteuerbescheid erzielte Einkommen sowie den Umstand, dass die selbständige Erwerbstätigkeit dem Arbeitsmarktservice auch nicht gemeldet worden war - im angefochtenen Bescheid festgestellt hat. Diese Feststellungen wurden von der Beschwerdeführerin auch nicht in Zweifel gezogen. Hingegen bestand keine Veranlassung für die belangte Behörde, sich mit dem - für die rechtliche Beurteilung nicht erheblichen - Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin über die Zusammensetzung ihrer Einnahmen aus Provisionen bzw. Kilometergeld auseinander zu setzen und diesbezügliche Feststellungen zu treffen.

5. Soweit die Beschwerdeführerin schließlich darauf verweist, dass ihr entgegen der Bestimmung des § 25 Abs. 4 AlVG, wonach bei Rückforderungen gemäß § 25 Abs. 1 AlVG im Fall der Aufrechnung mit Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung die Hälfte des Leistungsbezuges frei bleiben muss, "bis dato kein Arbeitslosengeld ausbezahlt" werde, ist darauf hinzuweisen, dass ein allfälliger aktueller Leistungsbezug nicht Gegenstand des - den Widerruf und die Rückforderung von Leistungen aus dem Jahr 2008 betreffenden - Beschwerdeverfahrens ist.

6. Die Beschwerde war daher, da bereits ihr Inhalt erkennen ließ, dass die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
GAAAE-75081