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VwGH vom 17.10.2012, 2010/08/0184

VwGH vom 17.10.2012, 2010/08/0184

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der P Ges.m.b.H. in S, vertreten durch Dr. Michael Schneditz-Bolfras, Dr. Fritz Vierthaler und Dr. Christoph Mizelli, Rechtsanwälte in 4810 Gmunden, Marktplatz 16, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 40 - SR-8165/2010, betreffend Beitragsnachbelastung (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse in 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid stellte die belangte Behörde gemäß §§ 413 und 414 iVm. § 355 ASVG fest, dass die beschwerdeführende Gesellschaft als Dienstgeberin iSd § 35 Abs. 1 ASVG verpflichtet sei, für den Dienstnehmer C. für den Zeitraum bis Beiträge und Umlagen sowie Beiträge nach dem Betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetz in Gesamthöhe von EUR 276,81 an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zu entrichten.

Im Verfahren war strittig, ob die dem Dienstnehmer in diesem Zeitraum bezahlten Trennungsgelder in der Höhe von EUR 711,60 dem Tatbestand des § 49 Abs. 3 Z 1 ASVG unterfallen und daher vom beitragspflichtigen Entgelt ausgenommen sind, obwohl er ausschließlich auf Baustellen in Wien, wo er auch gemeinsam mit seiner Ehefrau wohnte, beschäftigt war. Die beschwerdeführende Gesellschaft war der Ansicht, dass das Trennungsgeld beitragsfrei sei, weil der "Betriebsort" sich im Bundesland Salzburg befinde und es für die Beitragsfreiheit nur auf die Entfernung zwischen "dem Arbeitsort, nämlich der Betriebsstätte" und jenem Ort, an dem der Arbeitnehmer tatsächlich eingesetzt werde, ankomme. Die belangte Behörde führte dazu aus, dass nach § 49 Abs. 3 Z 1 ASVG u. a. Vergütungen für den bei Arbeiten außerhalb des Betriebes oder mangels zumutbarer täglicher Rückkehrmöglichkeit an den ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) verbundenen Mehraufwand, wie Bauzulagen, Trennungsgelder, Übernachtungsgelder, Zehrgelder, Entfernungszulagen, Aufwandsentschädigungen, Stör- und Außerhauszulagen uä. beitragsfrei seien. Dem Dienstnehmer C. sei gemäß § 8 Z 4 des Kollektivvertrages für Arbeiter im Bauhilfsgewerbe ein "Trennungsgeld" bezahlt worden. Die genannte Bestimmung des Kollektivvertrages sehe vor, dass der Arbeitnehmer bei auswärtigen Arbeiten, bei denen ihm eine tägliche Rückkehr von der Arbeitsstelle nicht zugemutet werden könne, sofern ihm ausreichende Verpflegung und zumutbares Quartier nicht beigestellt werden könne, für die Mehrkosten eine Auslöse erhalte. Der anzuwendende Kollektivvertrag spreche also nicht von "Betriebsstätte", sondern von "Arbeitsstelle". In der Regel werde zwar der Dienstort mit dem Betriebsort des Arbeitgebers zusammenfallen. Werde jedoch der Arbeitnehmer am Betriebsort dienstlich nicht tätig, weil seine tatsächlich ständige Arbeitsstelle außerhalb des Betriebsortes liege, sei die regelmäßige Einsatzstelle und nicht der Betriebsort als Dienstort des Arbeitnehmers anzusehen. Da C. im strittigen Zeitraum in Wien wohnhaft und ausnahmslos auf Baustellen in Wien tätig gewesen sei, sei eine Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr von der Arbeitsstelle zum Wohnort nicht vorgelegen. Die an ihn ausbezahlten Trennungsgelder stellten daher keine Vergütungen für einen Mehraufwand dar, weshalb sie der Beitragspflicht nach dem ASVG unterlägen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 49 Abs. 3 Z 1 ASVG in der Fassung BGBl. I Nr. 130/2006 (Einfügung des zweiten Satzes, im Übrigen unverändert seit der Novellierung durch das Abgabenänderungsgesetz 1989, BGBl. Nr. 660) gelten nicht als Entgelt:

"Vergütungen des Dienstgebers an den Dienstnehmer (Lehrling), durch welche die durch dienstliche Verrichtungen für den Dienstgeber veranlassten Aufwendungen des Dienstnehmers abgegolten werden (Auslagenersatz); hiezu gehören insbesondere Beträge, die den Dienstnehmern (Lehrlingen) als Fahrtkostenvergütungen einschließlich der Vergütungen für Wochenend(Familien)heimfahrten, Tages- und Nächtigungsgelder gezahlt werden, soweit sie nach § 26 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400, nicht der Einkommensteuer(Lohnsteuer)pflicht unterliegen. § 26 des Einkommensteuergesetzes 1988 ist sinngemäß auch auf Vergütungen, die Versicherten nach § 4 Abs. 4 gezahlt werden, anzuwenden. Unter Tages- und Nächtigungsgelder fallen auch Vergütungen für den bei Arbeiten außerhalb des Betriebes oder mangels zumutbarer täglicher Rückkehrmöglichkeit an den ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) verbundenen Mehraufwand, wie Bauzulagen, Trennungsgelder, Übernachtungsgelder, Zehrgelder, Entfernungszulagen, Aufwandsentschädigungen, Stör- und Außerhauszulagen uä."

2. Diese Bestimmung nimmt nach ihrem ersten Halbsatz Auslagenersätze vom Entgeltbegriff nach dem ASVG aus und nennt in der Folge Beispiele für solche beitragsfreien Auslagenersätze. Allen ist gemeinsam, dass ein tatsächlich entstehender Aufwand - wenn auch allenfalls in pauschalierter Form - abgegolten wird. Das gilt auch für die im letzten Satz genannten "Trennungsgelder": Sie stellen eine der Vergütungen dar, die einen auf Grund von "Arbeiten außerhalb des Betriebes oder mangels zumutbarer täglicher Rückkehrmöglichkeit" entstehenden Mehraufwand des Dienstnehmers ausgleichen sollen.

Anders als die Beschwerde meint, sind Trennungsgelder daher nur dann gemäß § 49 Abs. 3 Z 1 ASVG vom beitragspflichtigen Entgelt ausgenommen, wenn sie dazu dienen, einen dem Dienstnehmer tatsächlich entstehenden Aufwand abzudecken. Wenn die Beschwerdeführerin - im Verwaltungsverfahren unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/08/0199 - ausführt, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur bei Entgeltbestandteilen nach dem ersten Satz des § 49 Abs. 1 Z 3 ASVG tatsächliche Aufwendungen vorliegen müssten, so übersieht sie, dass sich diese Rechtsprechung auf eine andere Rechtslage (vor der Novellierung durch das Abgabenänderungsgesetz 1989, BGBl. Nr. 660) bezogen hat. Nach dieser Rechtslage waren die jetzt im letzten Satz genannten Vergütungen dann beitragsfrei, wenn sie auf Grund gesetzlicher Vorschriften, Dienstordnungen oder Normen kollektiver Rechtsgestaltung gebührten oder bei Fehlen von Normen kollektiver Rechtsgestaltung zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer vereinbart wurden und nicht die Vergütungssätze in Kollektivverträgen für vergleichbare Betriebe überschritten. Nach der im Beschwerdefall anzuwendenden Rechtslage kommt es hingegen auf das Vorhandensein von gesetzlichen Regelungen oder Normen der kollektiven Rechtsgestaltung nicht an - daher erübrigt sich auch ein Eingehen auf die von der Beschwerde ins Treffen geführte Kollektivvertragsbestimmung -, sondern es ist für die Subsumtion eines Entgeltbestandteils unter § 49 Abs. 3 Z 1 letzter Satz ASVG jeweils individuell zu prüfen, ob es sich um eine Vergütung für einen auf Grund von Arbeiten außerhalb des Betriebes oder mangels zumutbarer täglicher Rückkehrmöglichkeit entstehenden Mehraufwand handelt.

3. Dass im Beschwerdefall mit dem Trennungsgeld ein derartiger Mehraufwand des Dienstnehmers C. abzugelten war, konnte nicht aufgezeigt werden, ist doch unbestritten geblieben, dass C. im gegenständlichen Zeitraum ausschließlich auf Baustellen in Wien tätig war - wo somit auch sein Dienstort lag (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0176, mwN) - und er dort gemeinsam mit seiner Ehefrau seinen Hauptwohnsitz hatte. Unerheblich ist, wo genau im Stadtgebiet die Baustellen waren, weil eine tägliche Rückkehr innerhalb Wiens jedenfalls zumutbar ist. Die diesbezügliche Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin ist daher nicht berechtigt.

4. Für das gegenständliche Verfahren unerheblich ist schließlich auch, ob der beschwerdeführenden Gesellschaft im Jahr 1997 vom Finanzamt T. die Auskunft erteilt worden ist, die Auszahlung beitragsfreier Trennungsgelder gehe in der vorliegenden Konstellation "in Ordnung". Weder aus einer derartigen Auskunft noch aus der bisherigen Nichtbeanstandung der Vorgangsweise bei früheren Prüfungen ist ein Rechtsanspruch darauf abzuleiten, dass die Trennungsgelder weiterhin als beitragsfrei behandelt werden.

5. Wenn die Beschwerde schließlich rügt, dass im angefochtenen Bescheid entgegen § 59 Abs. 1 AVG nicht die maßgeblichen Rechtsvorschriften bezeichnet worden seien, so ist dem zu entgegnen, dass im Spruch zwar nur §§ 413 und 414 ASVG (sowie § 35 Abs. 1 ASVG) genannt worden sind, in der Begründung aber auf §§ 44 Abs. 1 und 49 Abs. 1 ASVG sowie - vor allem - ausführlich auf den im Beschwerdefall in erster Linie interessierenden § 49 Abs. 3 Z 1 ASVG eingegangen worden ist. Inwieweit die Beschwerdeführerin durch die unterlassene Nennung weiterer Bestimmungen an der zweckmäßigen Verfolgung ihrer Rechte gehindert worden sein sollte, wird nicht einmal ansatzweise dargelegt.

6. Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am