VwGH vom 02.05.2012, 2010/08/0180

VwGH vom 02.05.2012, 2010/08/0180

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2010/08/0181

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerden des Z N in Wien, vertreten durch Dr. Gabriele Baumann-Otto, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Rennweg 59, gegen die auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zlen. 2010-0566-9- 002003 und 2010-0566-9-002037, betreffend Widerruf des Arbeitslosengeldes und des Übergangsgeldes bzw. Einstellung des Übergangsgeldes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice E (in der Folge: AMS) hat mit Bescheiden vom 27. Mai und dem Beschwerdeführer gegenüber den Übergangsgeldbezug mit eingestellt sowie die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes vom 1. Jänner bis und des Übergangsgeldes vom 23. März bis widerrufen. Dies wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer laufend eine vorzeitige Alterspension aus Ungarn beziehe, welche hinsichtlich der Zuerkennung einer Ausgleichszulage einer inländischen Pension gleichgestellt sei. (Von einer Rückforderung der bezogenen Leistung aus der Arbeitslosenversicherung wurde abgesehen.)

In den gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen hat der (im Juni 1948 geborene) Beschwerdeführer vorgebracht, seit 1993 in Österreich zu leben. Er habe 27 Jahre in Ungarn und ab 1993 weitere 17 Jahre in Österreich gearbeitet, wobei er beim Wechsel nach Österreich das ungarische Versicherungssystem verlassen und dem österreichischen beigetreten sei. Im Jahr 2003 habe er sich für eine Altersteilzeitregelung (mit der Aussicht, auf Grund der Versicherungszeiten in beiden Ländern ab in Pension gehen zu können) entschieden; durch die Änderungen im österreichischen Pensionssystem könne er jedoch erst mit Alterspension und ab eine Korridorpension beziehen. Er habe 2008 den ungarischen Anteil seiner Pension beantragt und erhalte - nach Bestätigung der PVA an den ungarischen Versicherungsträger, dass er kein Arbeitslosengeld beziehe - ab ca. EUR 260,--, nach Abzug der Einkommenssteuer ca. EUR 160,-- netto. Nach Ablauf der Altersteilzeit habe er keine Möglichkeit gehabt, das Dienstverhältnis zu verlängern. Das AMS habe § 22 Abs. 3 AlVG unrichtig angewendet, zumal es sich bei ihm um keine ungarische Pension handle, sondern um einen "ungarischen Anteil einer österreichisch-ungarischen Pension".

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden hat die belangte Behörde die erstinstanzlichen Bescheide bestätigt.

In ihren Bescheidbegründungen ging die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges davon aus, dass der Beschwerdeführer im Zuge der Antragstellung bezüglich des mit beim AMS geltend gemachten Arbeitslosengeldes bekannt gegeben habe, laufend eine Pension aus Ungarn zu beziehen; am habe er Übergangsgeld beantragt und es seien ihm beide Leistungen vom AMS zuerkannt worden. Im Mai 2010 sei vom AMS festgestellt worden, dass die ungarische Pension hinsichtlich der Zuerkennung einer Ausgleichszulage einer inländischen Pension gleichgestellt sei.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde neben Zitierung der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer eine (vorzeitige) Alterspension aus Ungarn beziehe. Diese Pension sei hinsichtlich der Zuerkennung einer Ausgleichszulage einer inländischen Leistung gleichgestellt.

Dem Berufungsvorbringen, dass der Beschwerdeführer nur einen Pensionsanteil einer "österreichisch-ungarischen" Pension erhalten habe, wurde erwidert, dass nach Art. 49 EG-VO 1408/71 - wenn die betreffende Person zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht alle Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nach den Rechtsvorschriften aller Mitgliedstaaten erfüllt - jeder zuständige Träger, nach dessen Vorschriften die Voraussetzungen erfüllt sind, den Betrag der geschuldeten Leistung berechne. Der Beschwerdeführer beziehe daher nicht den Anteil einer "österreichisch-ungarischen" Pension, da eine grenzüberschreitende gemeinsame Pensionsberechnung auch EU-weit nicht vorgesehen sei, sondern jedes Mitgliedsland den jeweiligen Pensionsanspruch eigenständig ermittle.

Nach Art. 50 der genannten EG-VO dürfe der Empfänger von Leistungen nach diesem Kapitel in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet er wohnt und nach dessen Rechtsvorschriften ihm eine Leistung zusteht, keinen niedrigeren Leistungsbetrag als die Mindestleistung erhalten, die nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaates für eine Versicherungszeit vorgesehen ist, welche den Versicherungszeiten insgesamt entspricht, die bei der Feststellung seiner Leistung gemäß den vorstehenden Artikeln angerechnet wurden. Der zuständige Träger dieses Staates zahle dem Betreffenden gegebenenfalls während der gesamten Zeit, in der er im Gebiet dieses Staates wohne, eine Zulage in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der Summe der nach diesem Kapitel geschuldeten Leistungen und dem Betrag der Mindestleistung.

Diese Bestimmung - so die belangte Behörde weiter - verpflichte jedes Mitgliedsland, eine Zulage zu einer aus einem anderen EU-Land zustehenden Pension zu leisten. Dies sei auch in der österreichischen Pensionsversicherung so vorgesehen. Der Bezug einer Alterspension schließe einen Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung - gemäß § 22 Abs. 1 AlVG - aus; ebenso nach Abs. 3 dieser Bestimmung eine ausländische Pension, die bezüglich der Gewährung des Ausgleichszulagenrichtsatzes gleichgestellt sei. Es schließe also nicht der Bezug der ungarischen Pension - wie in der Berufung angeführt - einen Anspruch auf Arbeitslosengeld/Übergangsgeld aus, sondern die Tatsache, dass diese Pension hinsichtlich der Zuerkennung einer Ausgleichszulage inländischen Leistungen gleichgestellt sei. Ein Widerspruch zur EG-VO 1408/71 könne nicht festgestellt werden: Der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Art. 46a (3) d finde keine Anwendung, da der Ausschluss vom Leistungsanspruch auf Grund der Tatsache erfolge, dass die ungarische Pension bezüglich einer Ausgleichszulage einer österreichischen Pension gleichgestellt sei und nicht auf Grund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer eine ausländische Leistung beziehe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide erhobenen, wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die §§ 22 und 39 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 82/2008 lauten (auszugsweise) wie folgt:

"§ 22. (1) Arbeitslose, die eine Leistung aus einem der Versicherungsfälle des Alters aus der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Pensionsgesetz (APG), BGBl. I Nr. 142/2004, dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG), dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG), BGBl. Nr. 560/1978, dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz (BSVG) oder dem Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger (FSVG), BGBl. Nr. 624/1978, ein Sonderruhegeld nach dem Nachtschicht-Schwerarbeitsgesetz (NSchG), BGBl. Nr. 354/1981, oder einen Ruhegenuss aus einem Dienstverhältnis zu einer öffentlichrechtlichen Körperschaft beziehen oder die Anspruchsvoraussetzungen für eine Pension aus einem der Versicherungsfälle des Alters erfüllen, haben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. …

(3) Der Ausschluss des Anspruches gemäß Abs. 1 gilt auch bei Bezug vergleichbarer ausländischer Leistungen, wenn diese hinsichtlich der Zuerkennung einer Ausgleichszulage inländischen Leistungen gleich gestellt sind oder diese (insgesamt) monatlich mindestens die Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes gemäß § 293 Abs. 1 lit. a ASVG erreichen.

§ 39. (1) Personen, die eine Altersteilzeitvereinbarung im Sinne des § 27 dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 92/2000 abgeschlossen haben, die nach dem und vor dem wirksam geworden ist, haben bis zur Erfüllung der Voraussetzungen für eine Alterspension Anspruch auf ein Übergangsgeld, wenn sie nach Ende des Dienstverhältnisses arbeitslos im Sinne des § 12 (allenfalls mit Ausnahme des Abs. 3 lit. f) sind und wegen Anhebung des Antrittsalters für die vorzeitige Alterspension noch nicht die Anspruchsvoraussetzungen für eine Leistung aus der gesetzlichen Pensionsversicherung erfüllen. …

(5) Soweit in anderen Rechtsvorschriften keine gesonderten Regelungen für das Übergangsgeld nach Altersteilzeit getroffen wurden, sind die für das Arbeitslosengeld getroffenen Regelungen oder auf das Arbeitslosengeld bezogenen Regelungen auch auf das Übergangsgeld nach Altersteilzeit anzuwenden."

§ 292 Abs. 1 ASVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 62/2010 hat folgenden Wortlaut:

"§ 292. (1) Erreicht die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und der gemäß § 294 zu berücksichtigenden Beträge nicht die Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes (§ 293), so hat der Pensionsberechtigte, solange er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes Anspruch auf eine Ausgleichszulage zur Pension."

Art. 10a Abs. 3 EG-VO 1408/71 lautet wie folgt:

"(3) Ist nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats der Anspruch auf eine Zusatzleistung nach Absatz 1 vom Bezug einer Leistung nach einem der Buchstaben a) bis h) des Artikels 4 Absatz 1 abhängig und wird keine Leistung dieser Art nach diesen Rechtsvorschriften geschuldet, wird jede nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedsstaats gewährte entsprechende Leistung im Hinblick auf die Gewährung der Zusatzleistung als nach den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats gewährte Leistung betrachtet."

Vorausschickend ist klarzustellen, dass der Beschwerdeführer hier die Kürzung bzw. den Entfall von Leistungen bei Arbeitslosigkeit bekämpft. § 22 Abs. 1 AlVG sieht dazu vor, dass Arbeitslose, die Pensionsleistungen aus einem der Versicherungsfälle des Alters beziehen oder die Anspruchsvoraussetzungen für diesen Bezug erfüllen, keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Dies gilt nach Abs. 3 dieser Bestimmung unter den dazu genannten Voraussetzungen auch bei Bezug vergleichbarer ausländischer Leistungen.

Im konkreten Fall ist entscheidend, ob eine vergleichbare ausländische Leistung iSv § 22 Abs. 3 AlVG vorliegt:

Nach den unstrittigen Feststellungen bezieht der Beschwerdeführer, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat, ausschließlich eine Pension von einem ungarischen Versicherungsträger; sein (daraus erzieltes) Einkommen liegt unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz.

Die Ausgleichszulage ist eine beitragsunabhängige Sonderleistung (vgl. dazu auch EuGH, C-160/02, Skalka vom ); der Anspruch auf diese Zusatzleistung ist vom Bezug einer Leistung nach Art. 4 Abs. 1 lit. c der genannten Verordnung - Leistungen bei Alter - abhängig; jede nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gewährte entsprechende Leistung - hier also die ungarische Pension - wird als Leistung nach den Rechtsvorschriften Österreichs betrachtet.

Nach Art. 10a Abs. 3 EG-VO 1408/71 ist diese fremdmitgliedstaatliche Pensionsleistung für den Anspruch auf Ausgleichszulage als beitragsunabhängige Sonderleistung einer österreichischen Pensionsleistung gleichzustellen. Es haben daher auch EU-Bürger mit einer ausländischen Pension einen Anspruch auf Ausgleichszulage gegenüber dem österreichischen Pensionsversicherungsträger, sofern sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich und ein Einkommen unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz haben (vgl. OGH, 10 ObS 172/10g vom ).

Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde - entgegen der Beschwerdeargumentation - ohne zusätzliche Ermittlungen bzw. Feststellungen den Bezug einer ungarischen Alterspension des Beschwerdeführers bezüglich des Anspruchs auf Ausgleichszulage einer österreichischen Pension gleichgestellt einstuft und gemäß § 22 Abs. 3 iVm Abs. 1 AlVG die Voraussetzungen der gegenständlichen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung als von Beginn an nicht gegeben betrachtet.

Insgesamt vermochte der Beschwerdeführer somit keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide aufzuzeigen, sodass die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen waren.

Die Kostenentscheidung gründet in §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Im vorliegenden Fall ist die beantragte Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus folgenden Gründen nicht erforderlich:

Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht. Der EGMR hat in seiner Entscheidung vom , Zl. 68087/01 (Hofbauer/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass die Anforderungen von Art. 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jeglicher Anhörung (im Originaltext "any hearing at all") erfüllt sind, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft. Der Gerichtshof verwies im erwähnten Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. In den vorliegenden Beschwerden wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Wien, am