VwGH vom 27.09.2012, 2012/16/0073

VwGH vom 27.09.2012, 2012/16/0073

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2012/16/0007 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde von E N und N, beide in S, beide vertreten durch die Kraft Winternitz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Heinrichsgasse 4, gegen den Bescheid des Präsidenten des Handelsgerichtes Wien vom , Zl. Jv 415/11i-33, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In ihrer am beim Handelsgericht eingebrachten Klage begehrten die Beschwerdeführer folgendes

"URTEIL:

(Feststellung)

1. Es wird mit Wirkung zwischen der Erstklägerin und der beklagten Partei und dem Zweitkläger und der beklagten Partei festgestellt, dass die beklagte Partei der Erstklägerin und dem Zweitkläger aufgrund rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens, vor allem mangelhafter Information und Aufklärung bei Geschäftsabschluss für alle Schäden haftet, die aus dem Knock-In/Knock-Out- Devisenoptionsgeschäft vom EUR Put/CHF Call, Referenznummer …, im Volumen von EUR 194.800,00 und im Gegenwert von CHF 332.426,20, bei einem Ausübungspreis von EUR/CHF 1,7065, mit einer Laufzeit bis , Valuta per , durch die Lieferung eines Betrags von CHF 332.426,20 gegen Erhalt von EUR 194.800,00 bei dem EUR/CHF-Kurs von 1,7065 entstanden sind oder noch entstehen werden (Feststellungsinteresse: EUR 53.000,00).

E v e n t u a l b e g e h r e n (zu 1.)

Für den Fall, dass das Gericht dem Feststellungsbegehren

zu 1. nicht stattgeben sollte, wird i n e v e n t u und

vorbehaltlich der späteren Ausdehnung nach genauer Schadensberechnung durch den Sachverständigen. folgendes Leistungsbegehren gestellt:

(Leistungsbegehren Zug um Zug)

1.a. Die beklagte Partei ist schuldig, den Betrag von CHF 332.426, 20 an die Kläger Zug um Zug gegen Lieferung eines Betrages von EUR 194.800, 00 durch die Kläger binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Eventualbegehren (zu 1. und 1.a.)

Für den Fall, dass das Gericht den Begehren zu 1. und 1.a.

nicht stattgeben sollte, wird i n e v e n t u folgendes

Feststellungsbegehren gestellt:

1. b Es wird mit Wirkung zwischen der Erstklägerin und der beklagten Partei und dem Zweitkläger und der beklagten Partei festgestellt, dass die Kläger nicht schuldig sind, der beklagten Partei den Betrag von EUR 53.279,25 (EUR/CHF-Kurs 1, 34), der aus dem Knock In/Knock-Out- Devisenoptionsgeschäft vom EUR Put/CHF Call, Referenznummer … im Volumen von EUR 194.800, 00 und im Gegenwert von CHF 332.426,20, bei einem Ausübungspreis von EUR/CHF 1,7065, mit einer Laufzeit bis , Valuta per , resultiert, zu bezahlen (Feststellungsinteresse: EUR 53.000,00).

2. Die beklagte Partei ist … schuldig, den Klägern binnen 14 Tagen die Kosten des Verfahrens … zu ersetzen."

Unter Zugrundelegung einer Bemessungsgrundlage von EUR 194.800,-- buchte die Kostenbeamtin des Gerichts vom Konto der Klagevertreter eine Pauschalgebühr von EUR 4.155,80 ab. In ihrem Antrag auf Rückzahlung nach § 30 Abs. 3 GGG begehrten die Beschwerdeführer, die Pauschalgebühr auf Basis der Bemessungsgrundlage von EUR 53.000,-- zu berechnen und den Differenzbetrag von EUR 2.772,-- an Gerichtsgebühr zurückzuzahlen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Rückzahlungsantrag nicht statt. Dieser Antrag sei - so die Begründung des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen - aus nachstehenden Gründen nicht berechtigt:

"... Die Klage enthält ein Haupt- und zwei Eventualbegehren.

Das mit 1. bezeichnete Hauptbegehren ist auf Feststellung gerichtet und wurde vom Kläger mit einem Feststellungsinteresse von EUR 53.000,-- bewertet.

Das mit 1.a. bezeichnete erste Eventualbegehren ist ein Leistungsbegehren, worin die beklagte Partei schuldig sei, den Betrag von CHF 332.426,20 an den Kläger Zug um Zug gegen Lieferung eines Betrages von EUR 194.800,-- durch den Kläger zu bezahlen.

Das mit 1.b. bezeichnete zweite Eventualbegehren ist auf Feststellung gerichtet und wurde vom Kläger mit einem Feststellungsinteresse von EUR 53.000,-- bewertet.

Nach § 14 GGG ist ...

Nach § 54 Abs. 1 JN ist ...

Erbietet sich der Kläger, anstelle der angesprochenen Sache eine bestimmte Geldsumme anzunehmen, oder stellt er ein alternatives Begehren auf Zuerkennung einer Geldsumme, so ist die in der Klage angegebene Geldsumme nach § 56 Abs. 1 JN für die Beurteilung der Zuständigkeit und für die Besetzung des Gerichtes maßgebend. In allen anderen Fällen hat der Kläger den Wert eines nicht in einem Geldbetrag bestehenden vermögensrechtlichen Streitgegenstandes in der Klage anzugeben. Dies gilt insbesondere auch in Ansehung von Feststellungsklagen (Abs. 2 des § 56 JN).

Es ist nicht zu übersehen, dass die Klage in ihrem ersten Eventualbegehren auf eine Geldleistung der beklagten Partei gerichtet ist. Ein in einem Geldbetrag bestehender Streitgegenstand liegt dabei - wie sich aus § 56 Abs. 1 JN ergibt -

immer dann vor, wenn im Klagebegehren selbst die begehrte Leistung mit einer Geldsumme ausgedrückt wird, also auch bei einem Eventualbegehren oder einem Alternativbegehren, falls zumindest eines dieser Begehrens auf eine Geldsumme lautet ...

Der Kläger hat bereits in der Klage den Antrag gestellt, dass anstelle des nicht in einer Geldsumme bestehenden Klagebegehrens über eine bestimmte Geldsumme entschieden wird. Somit liegt diesem Eventualbegehren eine Geldsumme zu Grunde, die bei der Bemessung der Gerichtsgebühr an Stelle des Hauptbegehrens heranzuziehen ist. Auf die Entscheidung über die Klage, insbesondere ob auch über das Eventualbegehren abgesprochen wird, kommt es bei der Vorschreibung der Gerichtsgebühren nicht an, weil die Gebührenpflicht bereits mit der Überreichung der Klage entstand.

Da für die Berechnung der Pauschalgebühr auch der in einem Eventualbegehren angegebene Geldbetrag entscheidend ist, ist im Fall der Änderung des Wertes des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung in Gestalt eines Eventualbegehrens die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu bemessen.

Von der Kostenbeamtin wurde jedoch anstelle der im Eventualbegehren begehrten Geldleistung von CHF 332.426,20 die Gegenleistung des Klägers im Betrag von EUR 194.800,-- bei der Berechnung der Pauschalgebühr nach Tarifpost 1 GGG herangezogen. Diese Gegenleistung ist jedoch nicht zu berücksichtigen, sondern bei der Berechnung der Pauschalgebühr nach Tarifpost 1 GGG ist von der begehrten Geldleistung, hier der Betrag von CHF 332.426,20 auszugehen. Bei einem Wechselkurs am von 0,733 Euro, beträgt die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Pauschalgebühr nach Tarifpost 1 GGG EUR 243.668,40. Die Pauschalgebühr nach Tarifpost 1 GGG beträgt somit EUR 5.540,70. Der Restbetrag von EUR1.384,90 wäre daher noch einzubringen.

Gemäß § 30 Abs. 2 GGG sind Gebühren zurückzuzahlen:

...

Die Voraussetzungen, die eine Rückzahlung von zu viel entrichteten Pauschalgebühren rechtfertigen würden, liegen hier nicht vor.

Die Pauschalgebühr nach Tarifpost 1 GGG beträgt somit EUR 5.540,70. Der Restbetrag von EUR 1.384,90 wäre daher noch einzubringen.

Aus den vorgenannten Gründen war daher dem Rückzahlungsantrag nicht statt zu geben."

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluss vom , B 413/11, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten, über Auftrag ergänzten Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführer in ihren Rechten auf Bemessung der Gerichtsgebühr unter Heranziehung einer Bemessungsgrundlage von EUR 53.000,-- und auf Rückzahlung zu viel entrichteter Gerichtsgebühr verletzt; sie begehren die Aufhebung des angefochtenen Bescheides offensichtlich wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde sieht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zusammengefasst darin, nach dem unmissverständlichen Wortlaut des § 14 GGG seien die Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN subsidiär zu den diesen folgenden Bestimmungen des GGG, so auch zu jener des § 15 Abs. 3a leg. cit. In ihrem Hauptbegehren auf Feststellung hätten die Beschwerdeführer den Wert ihres nicht in einem Geldbetrag bestehenden vermögensrechtlichen Streitgegenstandes angegeben und damit auch die Bemessungsgrundlage für die Gerichtsgebühr bindend bestimmt. § 56 JN finde auf die Bestimmung der Gerichtsgebühr nur subsidiär Anwendung.

Nach § 14 GGG ist Bemessungsgrundlage, soweit nicht im Folgenden etwas anderes bestimmt wird, der Wert des Streitgegenstandes nach den Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN.

§ 15 GGG trifft besondere Bestimmungen über die Bemessungsgrundlage.

Ist ein Geldbetrag in anderer Weise als in einem Leistungsbegehren, etwa durch ein Feststellungs- oder Unterlassungsbegehren, Gegenstand einer Klage, so bildet nach § 15 Abs. 3a GGG - ungeachtet einer Bewertung durch den Kläger nach § 56 Abs. 2 der JN - dieser Geldbetrag die Bemessungsgrundlage.

§ 56 JN lautet:

"§ 56

(1) Erbietet sich der Kläger, an Stelle der angesprochenen Sache eine bestimmte Geldsumme anzunehmen, oder stellt er ein alternatives Begehren auf Zuerkennung einer Geldsumme, so ist die in der Klage angegebene Geldsumme für die Beurteilung der Zuständigkeit und für die Besetzung des Gerichtes (§ 7a) maßgebend.

(2) In allen anderen Fällen hat der Kläger den Wert eines nicht in einem Geldbetrag bestehenden vermögensrechtlichen Streitgegenstandes in der Klage anzugeben. Dies gilt insbesondere auch in Ansehung von Feststellungsklagen. Unterlässt der Kläger eine Bewertung in einer Klage, so gilt der Betrag von 5 000 Euro als Streitwert.

(3) Bei der Bewertung des Streitgegenstandes sind die dem Kläger etwa obliegenden Gegenleistungen nicht in Abzug zu bringen."

Die §§ 15 und 16 GGG gehen als gerichtsgebührenrechtliche Sonderbestimmungen den allgemeinen Regelungen über den Wert des Streitgegenstandes in streitigen Zivilrechtssachen (§§ 54 bis 60 JN) vor. Daher gelten für die Streitigkeiten, die in § 16 GGG angeführt sind, die dort angegebenen (sogenannten "bindenden" oder "festen") Bemessungsgrundlagen. Bei anderen Streitigkeiten sind - aufgrund der Verweisung des § 14 GGG - für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage die Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN anzuwenden, dies allerdings nur, soweit nicht im § 15 GGG eine gerichtsgebührenrechtliche Sonderregelung getroffen wird (dies ist - nur beispielsweise - für die Frage der Zusammenrechnung der Fall; hier geht die Sonderregel des § 15 Abs. 2 GGG jener des § 55 Abs. 1 JN vor; gleichermaßen etwa § 15 Abs. 3 GGG für die Teileinklagung; § 15 Abs. 5 GGG enthält eine völlig eigenständige Regelung für den Ehegattenunterhalt, § 15 Abs. 6 GGG für die Anfechtung eines Schiedsspruchs und Streitigkeiten über die Existenz eines Schiedsspruches).

Wenn demnach die Bemessungsgrundlage nach den §§ 54 bis 60 JN zu bilden ist (weil keine der in § 16 GGG benannten Streitigkeiten und auch kein Sonderfall wie etwa die Anfechtung eines Schiedsspruchs - § 15 Abs. 6 GGG - vorliegt) und Gegenstand der Klage nicht ein Geldbetrag ist (wenn dies der Fall ist, bildet gemäß § 15 Abs. 3a GGG dieser Geldbetrag die Bemessungsgrundlage), hat der Kläger den Streitgegenstand gemäß § 56 Abs. 2 JN zu bewerten; seine Bewertung ist dann auch die für die Gerichtsgebühr maßgebliche Bemessungsgrundlage. (vgl. Stabentheiner , Gerichtsgebühren9 (2010), Anm. 1 zu § 14 GGG; ebenso nunmehr Wais/Dokalil , Gerichtsgebühren10 (2012), Anm. 1 zu § 14 GGG).

Während im vorliegenden Beschwerdefall die belangte Behörde die Gerichtsgebühr unter Zugrundelegung einer Bemessungsgrundlage nach § 14 GGG iVm § 56 Abs. 1 JN ermittelte, vertreten die Beschwerdeführer die Auffassung, die Gerichtsgebühr sei nach § 15 Abs. 3a GGG zu ermitteln, wobei der der im Hauptbegehren genannte Geldbetrag von EUR 56.000,-- die Bemessungsgrundlage bilde.

Eine Anwendung des § 15 Abs. 3a GGG setzt voraus, dass ein Geldbetrag in anderer Weise als in einem Leistungsbegehren, etwa durch ein Feststellungs- und Unterlassungsbegehren, Gegenstand einer Klage ist. Hält man sich das eingangs wiedergegebene, auf Feststellung der Haftung "für alle Schäden", die "entstanden sind oder noch entstehen werden", gerichtete Hauptbegehren vor Augen, so mangelt das auf Feststellung einer solchen Haftung gerichtete Hauptbegehren insofern der Konkretisierung durch einen Geldbetrag, als die dort genannten Euro- und Schweizer Franken-Beträge lediglich zur Bestimmung jenes Devisenoptionsgeschäftes dienten, aus dem die den Beschwerdeführern behaupteter Maßen entstandenen oder noch entstehenden Schäden resultieren, ohne dass anhand dieser Beträge das endgültige Schadensausmaß und damit der festzustellende Haftungsumfang betraglich eingegrenzt worden wäre; vielmehr zielt das Feststellungsbegehren auch auf die Haftung für zukünftige, noch nicht absehbare Schäden ab. Damit scheidet aber im Beschwerdefall eine Bewertung des Hauptbegehrens nach § 15 Abs. 3a GGG aus.

Bei diesem Ergebnis kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie gemäß § 14 GGG iVm § 56 Abs. 1 JN im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die in Stabentheiner , aaO, sowie in Wais/Dokalil , aaO, jeweils unter E 8 ff zu § 14 GGG wiedergegebene Rechtsprechung) als Bemessungsgrundlage den im (ersten) Eventualbegehren bezifferten Geldbetrag, den die beklagte Partei schuldig sei zu zahlen, heranzog.

Soweit die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides über die Versagung der Rückzahlung hinausgehend die Ansicht vertrat, es sei noch eine weitere Pauschalgebühr offen, fand dies nicht in den Spruch und somit nicht in den normativen Gehalt des angefochtenen Bescheides Eingang, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGB1. II Nr. 455.

Wien, am