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VwGH 14.01.2013, 2010/08/0176

VwGH 14.01.2013, 2010/08/0176

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des S P in Wien, vertreten durch Dr. Gottfried Thiery, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwarzenbergstraße 1, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl 2010-0566-9-000945, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien S wurde ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer Notstandshilfe ab dem gebühre. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Beschwerdeführer seinen Anspruch auf Notstandshilfe nicht innerhalb der festgesetzten Frist bis , sondern erst am wieder persönlich geltend gemacht habe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und führte in dieser aus, er habe von 1973 bis 2004, insgesamt 31 Jahre, in Österreich gearbeitet. Durch den Verlust seiner Arbeit leide er an einer "längerdauernden depressiven Reaktion". Er leide weiters an massiven Schlafstörungen und führe Selbstgespräche.

Er lege sich zu Hause alle Termine, die er einhalten müsse, auf den Tisch. Er habe sich als Rückgabetermin den (gemeint wohl: 2010) gemerkt. Als er jedoch bemerkt habe, dass es sich bei diesem Tag um einen Sonntag handle, sei für ihn klar gewesen, dass nur der Februar gemeint sein könne. Am 17. Februar sei dann auch noch ein Termin in der Meldekarte eingetragen gewesen, sodass seine Meinung bestätigt worden sei, dass der Rückgabetermin erst am 17. Februar sei.

Er schreibe diesen Irrtum seiner "psychischen schwierigen Situation zu" und ersuche das Arbeitsmarktservice um Berücksichtigung dieser Situation. Er habe seine Termine immer eingehalten, alle Vorgaben erfüllt und erledige immer die ihm vom Arbeitsmarktservice aufgetragenen Vorgaben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen. Neben der Darlegung des Verwaltungsgeschehens und der Wiedergabe der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde zum Berufungsvorbringen aus, dass dem Beschwerdeführer am vom Arbeitsmarktservice Wien S ein Leistungsantragsformular mit dem Hinweis ausgefolgt worden sei, dass er diesen Antrag bis bei der regionalen Geschäftsstelle abzugeben habe. Für den Fall, dass er die Frist bis nicht einhalten könne, werde er darauf hingewiesen, rechtzeitig eine Terminverlängerung zu vereinbaren, da ansonsten die Leistung erst ab dem Tag gewährt werden könne, an dem er den Antrag abgebe.

Gemäß § 46 Abs 1 iVm § 58 AlVG sei der Anspruch auf Notstandshilfe vom Arbeitslosen persönlich bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle geltend zu machen. Der Anspruch auf eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung gelte erst dann als geltend gemacht, wenn das Antragsformular innerhalb der von der regionalen Geschäftsstelle festgesetzten Frist bei der regionalen Geschäftsstelle persönlich abgegeben worden sei.

Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Notstandshilfe vom binnen der ihm gesetzten Frist für die Antragsrückgabe bis nicht eingebracht, sondern erst am neuerlich persönlich beim Arbeitsmarktservice vorgesprochen habe.

Eine Terminverwechslung stelle keinen triftigen Grund im Sinne des § 46 Abs 1 iVm § 58 AlVG für die Versäumung der Antragsrückgabefrist dar, weshalb die vom Beschwerdeführer in seiner Berufung gemachten Einwendungen keinen triftigen Grund für die Versäumung der bis eingeräumten Frist darlegen könnten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 46 Abs 1 AlVG ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle persönlich geltend zu machen. Für die Geltendmachung des Anspruches ist das bundeseinheitliche Antragsformular zu verwenden. Hat die regionale Geschäftsstelle zur Beibringung des ausgefüllten Antragsformulars oder von sonstigen Unterlagen eine Frist bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gesetzt und wurde diese ohne triftigen Grund versäumt, so gilt der Anspruch erst ab dem Tag als geltend gemacht, ab dem die beizubringenden Unterlagen bei der regionalen Geschäftsstelle eingelangt sind.

Diese Bestimmung ist gemäß § 58 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs enthält § 46 AlVG eine umfassende Regelung der Rechtsfolgen fehlerhafter oder verspäteter Antragstellungen. Zur Beibringung des Antrags und gegebenenfalls der für die Beurteilung des Anspruchs erforderlichen sonstigen Unterlagen ist demnach eine Frist bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu setzen. Nach dem klaren Wortlaut des § 46 Abs 1 letzter Satz AlVG gilt der Anspruch, wenn diese Frist ohne triftigen Grund versäumt wurde, erst ab dem Tag als geltend gemacht, ab dem die beizubringenden Unterlagen bei der regionalen Geschäftsstelle eingelangt sind (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2009/08/0151).

2. Der Beschwerdeführer erachtet sich (unter anderem) in seinem "Recht auf Gewährung eines Wiedereinsetzungsgrundes" verletzt und führt dazu aus, dass sein Vorbringen in Zusammenhang mit seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der festgesetzten Frist vom glaubhaft und nachvollziehbar sei.

Dem ist zu entgegnen, dass aus dem Verwaltungsakt kein Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung ersichtlich ist und ein solcher nicht Gegenstand des Verfahrens ist (ungeachtet dessen wäre ein Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Frist nach § 46 Abs 1 letzter Satz AlVG auch gar nicht zulässig, da es sich um eine materiell-rechtliche Frist zur Geltendmachung eines Anspruchs handelt; vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2009/08/0088). Es erübrigt sich somit ein Eingehen auf das einen Wiedereinsetzungsantrag betreffende Beschwerdevorbringen.

3. Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, die belangte Behörde habe keine Ermittlungen hinsichtlich seiner Erkrankung vorgenommen und sei auf das entsprechende Berufungsvorbringen nicht eingegangen. Der Beschwerdeführer habe nicht lediglich eine Terminversäumung auf Grund von Unachtsamkeit oder Vergesslichkeit geltend gemacht, sondern gravierende psychische Beschwerden. Die belangte Behörde hätte daher ohne eine "eingehende medizinische Untersuchung des Beschwerdeführers" nicht vom Nichtvorliegen eines triftigen Grunds für die Versäumung der Einbringungsfrist ausgehen dürfen.

Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung vom die Versäumung der ihm gemäß § 46 Abs 1 letzter Satz AlVG eingeräumten Frist damit erklärt, dass es sich beim Rückgabetermin des Antrags auf Notstandshilfe, "den " (gemeint wohl: ), um einen Sonntag gehandelt habe. Er habe deshalb geglaubt, "dass es nur der Februar sein kann". Er schreibe diesen Irrtum seiner "psychischen schwierigen Situation" zu und ersuche das Arbeitsmarktservice um Berücksichtigung dieser.

Dazu ist zunächst anzumerken, dass nach den unbestrittenen Feststellungen des angefochtenen Bescheids die Rückgabefrist für den Antrag auf Notstandshilfe auf dem Antragsformular mit 18. und nicht mit vermerkt wurde. Der war ein Montag.

Den eigenen Ausführungen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren folgend gründete die Versäumung der Frist auf einem Versehen, da er geglaubt habe, es müsse sich bei dem Fristende um einen Termin im Februar handeln. Dieses Berufungsvorbringen lässt nicht erkennen, dass die Fristversäumnis in Zusammenhang mit einer Erkrankung des Beschwerdeführers stand oder dass er aufgrund einer Erkrankung an der Einhaltung der Frist gehindert gewesen wäre. Der Beschwerdeführer geht selbst vom Vorliegen eines Irrtums aufgrund einer schlichten Datumsverwechslung aus, wenngleich er diesen Irrtum seiner "psychischen schwierigen Situation" zuschreibt. Angesichts dessen hätten aber weitere Ermittlungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zu keiner anderen Beurteilung führen können, da sowohl gesunden wie auch kranken Personen Irrtümer unterlaufen können und der gegenständliche Irrtum in keinem erkennbaren Zusammenhang mit einer Erkrankung des Beschwerdeführers stand. Die Folgen einer irrtümlich unterlassenen rechtzeitigen Antragstellung muss sich der Beschwerdeführer jedoch selbst zurechnen lassen.

In diesem Zusammenhang kann auch keine - in der Beschwerde gerügte - Verletzung des Parteiengehörs hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers erkannt werden. Beweisaufnahmen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde nämlich (zu Recht) gar nicht durchgeführt.

4. Dem Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde hätte im Rahmen der Manuduktionspflicht nach § 13a AVG den Beschwerdeführer auf die Folgen des Unterlassens einer rechtzeitigen Antragstellung hinweisen müssen und dem Beschwerdeführer sei aufgrund seiner psychischen Probleme die Bedeutung der Einbringungsfrist nicht bewusst gewesen, ist zum einen entgegenzuhalten, dass in dem - dem Beschwerdeführer ausgegebenen - bundeseinheitlichen Antragsformular unmittelbar unterhalb des Vermerks der ihm eingeräumten Rückgabefrist eine Belehrung enthalten ist, wonach bei Nichteinhaltung der Frist die Leistung erst ab dem Tag gewährt werde, am dem er den Antrag einbringe. Wenn jedoch in diesem Formular ausdrücklich auf die entsprechenden Rechtsfolgen hingewiesen wird, so besteht für die Behörde kein rechtlicher Anlass zu einer weiteren diesbezüglichen Belehrung (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2002/08/0041). Zum anderen ließ der Beschwerdeführer in seiner Berufung selbst erkennen, dass er sich der Bedeutung der Frist bewusst war (arg: "(…) Termine, die ich einhalten muss (…)"). Die Versäumung der Rückgabefrist resultierte schließlich nicht aus dem Glauben, die Frist nicht einhalten zu müssen, sondern aus einem - vom Beschwerdeführer zu verantwortenden - Irrtum über das Rückgabedatum.

5. Der belangten Behörde ist somit nicht entgegenzutreten, wenn sie vom Nichtvorliegen eines triftigen Grundes im Sinne des § 46 Abs 1 letzter Satz AlVG für die Versäumung der Rückgabefrist am ausgegangen ist. Folglich war dem Beschwerdeführer erst ab dem Zeitpunkt seiner neuerlichen Vorsprache bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice am Notstandshilfe zuzuerkennen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AlVG 1977 §46 Abs1;
AVG §13a;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2013:2010080176.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
GAAAE-75042

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