VwGH vom 24.11.2010, 2010/08/0148
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des H-Verbandes, vertreten durch Mag. Martin Machold, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Invalidenstraße 7, gegen den Bescheid des Bundeseinigungsamtes beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. BEA/4-2/2009, betreffend Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit nach § 4 Abs. 2 ArbVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem ihr angeschlossenen angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit dem in Beschwerde gezogenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Partei vom auf Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit gemäß § 4 Abs. 2 iVm § 5 Abs. 1 ArbVG abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei habe in ihrem Antrag ausgeführt, sie erarbeite gemeinsame Positionen der großen und mittleren Handelsunternehmen für die jährlichen Kollektivvertragsverhandlungen. Zur Frage der Abgrenzung von Mittel- und Großunternehmen im Einzelhandel gegenüber den kleineren Unternehmen des Einzelhandels habe die beschwerdeführende Partei eine Studie der K-Forschung vorgelegt, in der
"die Filialisierung, die Größe der Verkaufsfläche, die Ladenöffnungszeiten, die Organisationsstruktur, die Beschäftigtenzahl, das Ausmaß der Teilzeitbeschäftigung, die Marktmacht, der Jahresumsatz, die Bilanzsumme, die Finanzierungsstruktur, die Ertragskraft und die betriebswirtschaftliche Position"
als Unterscheidungskriterien erarbeitet worden seien.
Ordentliche Mitglieder des beschwerdeführenden Vereins könnten - so die belangte Behörde weiter - protokollierte Firmen sein, die sich mit Warenhandel oder Dienstleistungen sowie mit anderen Vertriebsformen für Waren und Dienstleistungen befassten. Zu den statutenmäßigen Aufgabenstellungen des beschwerdeführenden Vereins gehörten u.a. der "Zusammenschluss und die Wahrung der wirtschaftlichen Interessen der Mittel- und Großbetriebe des Handels und anderer Vertriebsformen für Waren und Dienstleistungen in Österreich und im Ausland", weiters die "Regelung von Arbeitsbedingungen sowie der Abschluss von Kollektivverträgen im Wirkungsbereich des Verbandes". Weitere Zielsetzungen seien die "Förderung der wirtschaftlichen Tätigkeit der Mitglieder" sowie die "Wahrung des freien Wettbewerbs" (§ 2 der Statuten). Der räumliche Wirkungsbereich der beschwerdeführenden Partei erstrecke sich auf das Bundesgebiet und auf den gesamten EU-Raum. Der statutenmäßige fachliche Wirkungsbereich der beschwerdeführenden Partei umfasse "Mittel- und Großbetriebe des Handels und anderer Vertriebsformen für Waren und Dienstleistungen".
In Österreich gebe es rund 75.000 Handelsunternehmen, die Arbeitnehmer beschäftigten (Arbeitgeberbetriebe). Die "Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer /innen (gemeint: Angestellte)" würde bei rund 475.000 liegen. In der Mitgliederliste der beschwerdeführenden Partei (Vollmitglieder) seien 96 Unternehmen aufgelistet. Nach Abzug der Unternehmen mit Sitz im Ausland, die nicht von einer allfälligen Kollektivvertragsfähigkeit betroffen wären, würden 85 Mitgliedsunternehmen im Bereich des Handels (Einzelhandel und Großhandel) mit Sitz in Österreich verbleiben. Davon entfielen 33 Mitgliedsunternehmen auf das Gebiet des dem Einzelhandel zuzurechnenden Versandhandels, zwölf davon verfügten über einen "stationären Betrieb", die restlichen 21 Versandhandelsunternehmen seien nicht filialisiert. Höchstens 64 Mitgliedsunternehmen (85 minus 21) hätten daher Filialen.
Die Mitgliedsunternehmen der beschwerdeführenden Partei beschäftigten rund 43.000 Mitarbeiter, jedoch nicht ausschließlich im Handel, weil die Mitgliedsunternehmen auch andere Gewerbeberechtigungen besäßen. Die jeweils in den Mitgliedsunternehmen anzuwendenden Kollektivverträge seien gemäß § 9 ArbVG zu ermitteln. Die von der beschwerdeführenden Partei vorgelegte Mitgliederliste enthalte Unternehmen, die nach der Gewerbeordnung und dem Wirtschaftskammergesetz anderen Fachorganisationen im Bereich der Wirtschaftskammerorganisation - insbesondere Fachverbänden der Bundessparte Industrie - zuzuordnen seien und damit den von diesen Fachorganisationen abgeschlossenen Kollektivverträgen für Arbeitnehmer bzw. Angestellte unterlägen. Dies betreffe etwa die Unternehmen T AG, A AG und R GmbH. Die Zahl solcher Unternehmen, die einem Kollektivvertrag außerhalb des Handels unterlägen, und die daraus zu folgernde Zahl der nicht von einem allfälligen Kollektivvertrag der beschwerdeführenden Partei erfassten Arbeitnehmer habe nicht abschließend festgestellt werden können. Zwingend ergebe sich aber, dass die mit 85 angegebene Zahl der (inländischen) Mitgliedsunternehmen bzw. die in der Mitgliederliste angeführte Zahl von rund 43.000 Beschäftigten unterschritten werde, sodass den Angaben der beschwerdeführenden Partei insoweit nicht zu folgen sei.
Mit den Kriterien, die in der Studie (der K-Forschung) zur Abgrenzung zwischen Groß- und Mittelbetrieben bzw. Klein- und Kleinstbetrieben des Einzelhandels genannt seien, könne keine allgemein geltende oder zumindest in den beteiligten Verkehrskreisen überwiegend anerkannte Abgrenzung zwischen Groß- und Mittelbetrieben einerseits und Kleinbetrieben andererseits vorgenommen werden. Die Studie selbst gewichte diese Kriterien nicht in einer klaren und nachvollziehbaren Weise, sodass nicht erkennbar sei, welche Kriterien in welchem Umfang vorliegen müssten, um ein Unternehmen als "Mittel- oder Großbetrieb" zu qualifizieren. So führe die Studie z.B. zum Kriterium "Filialisierung" aus, dass "anzunehmen ist, dass filialisierte Unternehmen auf Grund ihrer Größe zu den Mittel- und Großunternehmen zu zählen sind". Hinsichtlich der Verkaufsfläche spreche die Studie davon, dass "größere Geschäfte tendenziell mehr auf filialisierte Geschäfte und somit auf Mittel- und Großunternehmen hinweisen, wobei hier natürlich Ausnahmen bestehen". Der Studie zufolge seien insbesondere Jahresumsatz, Bilanzsumme und Beschäftigtenzahl heranzuziehen. Ob es nun also diese vier Kriterien (Verkaufsfläche und die damit eng verbundene Filialisierung, Jahresumsatz, Bilanzsumme und Beschäftigtenzahl) seien, die ein Mittel- und Großunternehmen des Einzelhandels abschließend definieren, und welche Rolle dann die übrigen acht Kriterien spielen würden, gehe aus der Studie nicht hervor.
Die beschwerdeführende Partei sei ebenfalls nicht in der Lage gewesen, die Abgrenzung schlüssig vorzunehmen. Während sie einmal von den Kriterien Filialisierung, Jahresumsatz und Beschäftigtenzahl als den maßgeblichen spreche (und dadurch eine andere Gewichtung vornehme als die Studie), habe sie ein anderes Mal angegeben, dass sämtliche zwölf Kriterien zumindest überwiegend vorliegen müssten, also insgesamt mindestens sieben Kriterien. Die beschwerdeführende Partei sei nicht in der Lage gewesen, die Gewichtung bzw. die Definition der einzelnen Kriterien genau zu bezeichnen.
Es habe nicht festgestellt werden können, wie viele und welche Mitgliedsunternehmen der beschwerdeführenden Partei alle Kriterien bzw. die Mehrzahl der Kriterien erfüllten. Die beschwerdeführende Partei habe dazu keine umfassenden Informationen vorlegen können. Ihren Angaben zufolge würden alle Mitgliedsunternehmen das Kriterium "Filialisierung" und das Kriterium "Jahresumsatz von 10 Millionen Euro" erfüllen. Hinsichtlich der Filialisierung sei aber anzumerken, dass die Erfüllung dieses Kriteriums nicht für den Versandhandel ohne stationäre Betriebe gelten könne. Insoweit seien die Angaben der beschwerdeführenden Partei in sich widersprüchlich. Das Kriterium "Arbeitnehmerzahl mehr als 50" würden nach der von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Liste 56 der angeführten Mitgliedsunternehmen erfüllen (darunter aber auch jene Unternehmen, "die einem Kollektivvertrag außerhalb des Handels unterliegen"). Diese 56 Mitgliedsunternehmen seien aber nicht deckungsgleich mit jenen Mitgliedsunternehmen, die eine Filialisierung aufwiesen.
Klein-, Mittel- und Großbetriebe des Handels bedienten denselben Markt. Die Aktivitäten der beschwerdeführenden Partei würden einerseits durch ehrenamtlich tätige Funktionäre und andererseits durch Beschäftigte, die in einem Arbeitsverhältnis stünden, ausgeübt. Die beschwerdeführende Partei beschäftige ständig fünf Arbeitnehmer. Sie nehme derzeit nicht an den Verhandlungen über den Handelsangestelltenkollektivvertrag teil. Ihre Aktivitäten erstreckten sich zu etwa 25 % bis 30 % auf Information und Beratung ihrer Mitglieder in arbeits- und sozialrechtlichen Fragen.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass die im § 4 Abs. 2 Z 4 ArbVG geforderte Gegnerunabhängigkeit vorliege. Näher zu prüfen sei die auf einen größeren räumlichen und fachlichen Wirkungsbereich bezogene Zielsetzung (abstrakte Bedeutung iSd § 4 Abs. 2 Z 2 ArbVG) sowie die maßgebende wirtschaftliche Bedeutung auf Grund der Zahl der Mitglieder und des Umfanges der ausgeübten Tätigkeit (konkrete Bedeutung iSd § 4 Abs. 2 Z 3 ArbVG).
§ 4 Abs. 2 Z 2 ArbVG stelle auf die sich aus den Statuten ergebende Bedeutung der Berufsvereinigung auf Grund der darin enthaltenen Zielsetzung in fachlicher und räumlicher Dimension ab. Für diese Zielsetzung seien daher die Kriterien wesentlich, nach denen der Kreis der für eine Mitgliedschaft in Frage kommenden Unternehmen abgegrenzt werde. Unstrittig sei der größere räumliche Wirkungsbereich. Bei der Prüfung des fachlichen Wirkungsbereiches sei relevant, wie die fachlichen Grenzen gezogen würden. Die beschwerdeführende Partei beziehe sich nach ihrem statutenmäßigen Wirkungsbereich auf den Handel. In ihrem Antrag auf Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit nehme sie aber lediglich auf den Einzelhandel Bezug, sodass davon auszugehen sei, dass sie die Kollektivvertragsfähigkeit nur insoweit beantrage, als es sich um den Einzelhandel handeln würde. Zu prüfen sei, ob die Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels einen größeren fachlichen Wirkungsbereich bildeten. Die beschwerdeführende Partei habe dazu eine Studie vorgelegt, wonach zur Abgrenzung zwischen Mittel- und Großunternehmen im Einzelhandel einerseits und Klein- und Kleinstunternehmen andererseits zwölf Kriterien herangezogen werden könnten. Insbesondere könnten Mittel- und Großunternehmen auf der Basis von Jahresumsatz, Bilanzsumme und Zahl der Beschäftigten definiert werden. Eng mit der Größe (Verkaufsfläche) verbunden sei das Merkmal der Filialisierung.
Diese Herangehensweise sei jedoch nicht geeignet, eine sachlich begründbare Unterscheidung zwischen Klein- und Kleinstunternehmen des Einzelhandels und Mittel- und Großunternehmen des Einzelhandels zu begründen. "Innerhalb der beteiligten Kreise" gebe es keine geläufige Auffassung darüber, was ein Kleinunternehmen im Einzelhandel und was ein Mittel- bzw. Großunternehmen im Einzelhandel sei. Auch die Studie (der K-Forschung) bzw. die Angaben der beschwerdeführenden Partei seien nicht geeignet, hier eine fachliche Abgrenzung zu treffen. Während in der Studie davon die Rede sei, dass zwölf Kriterien herangezogen werden könnten, von denen insbesondere einige herauszugreifen seien, gehe die beschwerdeführende Partei einmal davon aus, dass die Mehrzahl der zwölf angeführten Kriterien anzuwenden seien, ein anderes Mal wieder davon, dass die Kriterien Filialisierung, Jahresumsatz und Zahl der Arbeitnehmer maßgeblich seien. Die beschwerdeführende Partei sei somit selbst nicht in der Lage, die Gewichtung bzw. Definition der einzelnen Kriterien genau zu beschreiben. Weiters habe sie nicht annähernd angeben können, welche Kriterien von welchen Mitgliedern letztendlich erfüllt würden.
Die belangte Behörde sehe weder in den Angaben der beschwerdeführenden Partei noch in der Studie (der K-Forschung) eine schlüssige Definition der Begriffe Groß- und Mittelunternehmen bzw. Klein- und Kleinstunternehmen, die geeignet wäre, eine sachlich begründete und in der Praxis auch handhabbare Abgrenzung des Begriffs, wie sie für die Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit notwendig wäre, vorzunehmen. Sowohl Klein- als auch Mittel- und Großunternehmen des Einzelhandels bewegten sich auf demselben Markt. Auch dies spreche gegen eine Unterscheidung hinsichtlich des fachlichen Wirkungsbereiches. Groß- und Mittelunternehmen des Einzelhandels würden sich nicht in einer Weise von Klein- und Kleinstunternehmen des Einzelhandels unterscheiden, dass man von einem "größeren fachlichen Wirkungsbereich wie er im § 4 Abs. 2 Z 2 ArbVG gefordert sei", sprechen könnte.
Aber auch das Vorliegen des Kriteriums des § 4 Abs. 2 Z 3 ArbVG (konkrete Bedeutung) sei zu verneinen. Mit diesem Kriterium sei gemeint, dass die Berufsvereinigung gemessen an den Verhältnissen der österreichischen Wirtschaft eine maßgebende wirtschaftliche Bedeutung haben müsse, wobei sich diese aus der Mitgliederzahl einerseits und aus dem Umfang der Tätigkeiten andererseits ergeben müsse. Die Berufsvereinigung müsse ein gesamtwirtschaftlich fühlbares Gewicht entfalten. Selbst wenn man die Frage der Geeignetheit der in der Studie angegebenen zwölf Kriterien außer Acht lasse, sei nach den Feststellungen nicht klar, welche Mitglieder bzw. wie viele Mitglieder der beschwerdeführenden Partei überhaupt dem Kreis der Mittel- und Großunternehmen des Einzelhandels zuzurechnen seien. Die beschwerdeführende Partei sei nicht in der Lage gewesen zu sagen, wie viele und welche ihrer Mitglieder diese Kriterien in welchem Umfang erfüllten. Wenn man weiters - entgegen den getroffenen Feststellungen - auch davon ausgehen würde, dass sämtliche Mitglieder der beschwerdeführenden Partei der Kategorie der Mittel- und Großbetriebe zuzurechnen wären, so würde sich dennoch ergeben, dass die beschwerdeführende Partei lediglich 0,1 % der Handelsunternehmen in Österreich umfasse. Von einer maßgebenden wirtschaftlichen Bedeutung im Sinne eines gesamtwirtschaftlich fühlbaren Gewichts könne aber bei dieser Größenordnung nicht gesprochen werden.
Auch bei Berücksichtigung der Zahl der bei den Mitgliedsunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer komme man zu keinem anderen Ergebnis. Mangels Informationen durch die beschwerdeführende Partei hätten zu dieser Zahl keine klaren Feststellungen getroffen werden können. Es habe auch keine klare Abgrenzung hinsichtlich der Mitgliedsunternehmen vorgenommen werden können, die auf Grund einer mehrfachen Fachverbandszugehörigkeit einem Kollektivvertrag außerhalb des Handels unterworfen seien (§ 9 ArbVG). Es sei zwar zuzugeben, dass die beschwerdeführende Partei Unternehmen vertrete, die insgesamt eine durchaus beachtliche Anzahl von Arbeitnehmern aufwiesen, die aber im Verhältnis zur Gesamtbeschäftigtenzahl im Handel "keine deutliche Relevanz" besäßen. Die maßgebende wirtschaftliche Bedeutung müsse sich zusätzlich auch aus den tatsächlich entfalteten Aktivitäten in den Bereichen Arbeitsrecht, Arbeitnehmerschutzrecht oä ergeben. Es könne aber dahingestellt bleiben, ob die Aktivitäten der beschwerdeführenden Partei diesbezüglich ausreichten, weil die maßgebende wirtschaftliche Bedeutung schon aus anderen Gründen zu verneinen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom , B 435/10, abgelehnte, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene und sodann ergänzte Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 4 ArbVG lautet samt Überschrift:
"Kollektivvertragsfähigkeit
§ 4. (1) Kollektivvertragsfähig sind gesetzliche Interessenvertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, denen unmittelbar oder mittelbar die Aufgabe obliegt, auf die Regelung von Arbeitsbedingungen hinzuwirken und deren Willensbildung in der Vertretung der Arbeitgeber- oder der Arbeitnehmerinteressen gegenüber der anderen Seite unabhängig ist.
(2) Kollektivvertragsfähig sind die auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhenden Berufsvereinigungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, welche
1. sich nach ihren Statuten zur Aufgabe stellen, die Arbeitsbedingungen innerhalb ihres Wirkungsbereiches zu regeln;
2. in ihrer auf Vertretung der Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerinteressen gerichteten Zielsetzung in einem größeren fachlichen und räumlichen Wirkungsbereich tätig werden;
3. vermöge der Zahl der Mitglieder und des Umfanges der Tätigkeit eine maßgebende wirtschaftliche Bedeutung haben;
4. in der Vertretung der Arbeitgeber- oder der Arbeitnehmerinteressen gegenüber der anderen Seite unabhängig sind.
(3) Für Arbeitsverhältnisse zu Vereinen, die vermöge der Zahl ihrer Mitglieder, des Umfanges ihrer Tätigkeit und der Zahl ihrer Arbeitnehmer eine maßgebende Bedeutung haben, sind diese selbst kollektivvertragsfähig, soweit sie nicht für Arbeitsverhältnisse bestimmter Betriebs- oder Verwaltungsbereiche einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft der Arbeitgeber angehören."
Aus der unterschiedlichen Textierung des § 4 Abs. 2 Z 2 und 3 ArbVG, wonach es nach der Z 2 auf "Zielsetzungen", nach der Z 3 hingegen auf die Anzahl der Mitglieder und den "Umfang der Tätigkeit" ankommt, ist nach der hg. Rechtsprechung abzuleiten, dass dem Gesetzgeber im Hinblick darauf, dass er in § 4 Abs. 2 Z 3 ArbVG auf die faktischen Verhältnisse abstellt, nicht zugesonnen werden kann, dass er dies auch in Z 2 so gemeint und insoweit zweimal dasselbe geregelt hätte. Das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 2 ist daher nicht auf Grund der faktischen Tätigkeit des beschwerdeführenden Vereins zu bestimmen. Richtigerweise ist zunächst nach formalen Kriterien zu prüfen, ob die Vereinigung statutarisch entsprechende Zielsetzungen hat (Z 2) und in zweiter Linie, ob sie sich auch gemäß diesen Zielsetzungen mit Erfolg betätigt, was nach Z 3 an der Zahl der Mitglieder und am Umfang der bisherigen tatsächlichen Tätigkeit (deren Spiegelbild auch die Anzahl der beschäftigten Dienstnehmer sein kann) abzulesen ist. Der erste Fall der Z 2 (größerer fachlicher Wirkungsbereich) und der erste Fall der Z 3 (maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung vermöge der Zahl der Mitglieder) hängen jedoch insoweit miteinander zusammen, als beiden Elementen eine Bezugsgröße gemeinsam ist, an der das Element "größere" bzw. "maßgebliche" zu messen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0001).
Die Voraussetzung eines größeren fachlichen und räumlichen Wirkungsbereiches wurde vom Gesetzgeber des Arbeitsverfassungsgesetzes aus dem Kollektivvertragsgesetz 1947 (§ 3 Abs. 1 Z 2 lit. b) entnommen. Die Materialien zum Arbeitsverfassungsgesetz lassen erkennen, dass man mit der entsprechenden Regelung die Absicht verfolgen wollte, unbedeutende Splittergruppen von der Kollektivvertragsfähigkeit auszuschließen (vgl. dazu 285 BlgNR 5. GP, 11, und Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz, Wien 2002, § 4 Rz 20). Weder dem Gesetzestext noch den zitierten Materialien ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber für die Erfüllung des § 4 Abs. 2 Z 2 ArbVG verlangt, die entsprechende Berufsvereinigung müsse eine "umfassende" Organisation der Angehörigen eines bestimmten Berufs- oder Wirtschaftszweiges darstellen. Im Gegenteil, gerade durch die Verwendung des Begriffes "größerer Wirkungsbereich" wird durchaus ein entsprechender Spielraum eröffnet. Die Kollektivvertragsfähigkeit soll auch Organisationen zukommen, die nach anderen Kriterien als dem der vollständigen Zusammenfassung aller Angehörigen eines bestimmten Wirtschaftszweiges aufgebaut sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/01/0424).
Die Zulässigkeit einer bestimmten fachlichen Ausrichtung hängt jedoch davon ab, ob eine ausreichend große Gruppe von Arbeitgebern (bzw. Arbeitnehmern) gebildet werden kann, die sich von anderen Arbeitgebern (bzw. Arbeitnehmern) so hinreichend unterscheidet, dass eine "fachliche" Unterscheidung gerechtfertigt ist. Dies ebenfalls vor dem Hintergrund, eine zu weitgehende Aufsplitterung der in der Kollektivvertragsfähigkeit enthaltenen Rechtssetzungsbefugnis hintanzuhalten.
Der fachliche Wirkungsbereich einer Berufsvereinigung im Sinne des § 4 Abs. 2 Z 2 ArbVG ist nach objektiven Kriterien darauf hin zu prüfen, ob die Gruppenbildung, wie sie sich im beschwerdeführenden Verein manifestiert, zutreffend und hinreichend ist (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 2007/05/0001). Es kommt im Falle der Z 2 nicht auf die Zahl der statuarisch angepeilten Mitglieder, sondern auf die Kriterien an, nach denen der Kreis der für eine Mitgliedschaft in Frage kommenden Arbeitnehmer oder Arbeitgeber abgegrenzt wird, bzw. darauf, wie die fachlichen Grenzen eines Wirkungsbereiches gezogen werden (Strasser, aaO, Rz 20). Die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Z 2 ArbVG setzt daher voraus, dass der fachliche Wirkungsbereich einer Berufsvereinigung hinreichend definiert ist.
Auch das Kriterium der "maßgebenden wirtschaftlichen Bedeutung" iSd § 4 Abs. 2 Z 3 ArbVG verfolgt (wie die Vorschrift der Z. 2 leg. cit.) das Ziel, "kleinere Berufsvereinigungen" von der Kollektivvertragsfähigkeit auszuschließen. Sowohl für Arbeitnehmer- als auch für Arbeitgeberverbände kommt hier dem Vergleich der Zahl der tatsächlich erfassten Mitglieder mit der Zahl der für eine Mitgliedschaft in Frage kommenden Arbeitnehmer bzw. Arbeitgeber entscheidende Bedeutung zu (Strasser, aaO, Rz 21). Ob die Berufsvereinigung zufolge ihres Mitgliederstandes und Tätigkeitsumfanges ein gesamtwirtschaftlich fühlbares Gewicht darzustellen vermag, ist auf Grund konkreter, im einzelnen nachprüfbarer Tatsachenfeststellungen auf Grund eines (transparenten) entsprechenden Ermittlungsverfahrens zu beurteilen (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/01/0424). Von einer "maßgebenden wirtschaftlichen Bedeutung" im Sinne des § 4 Abs. 2 Z 3 ArbVG wurde etwa dann nicht gesprochen, wenn der Mitgliederstand der die Kollektivvertragsfähigkeit anstrebenden Berufsvereinigung der Arbeitnehmer sich nur auf ca. 1,2 % der dem Berufsstand als solchem angehörigen Beschäftigten belief und sich die Tätigkeit der Vereinigung auch sonst nicht gesamtwirtschaftlich fühlbar auswirkte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , VwSlg 10896/A; weitere Orientierungsbeispiele bei Strasser, aaO, Rz 21).
Die Beurteilung der "maßgebenden wirtschaftlichen Bedeutung" iSd § 4 Abs. 2 Z 3 ArbVG setzt im Hinblick auf die oben erwähnte gemeinsame Bezugsgröße aber ebenfalls voraus, dass der fachliche Wirkungsbereich einer Berufsvereinigung iSd § 4 Abs. 2 Z 2 ArbVG, hinreichend definiert ist. Die in der Z 2 näher umschriebene abstrakte, dh schon aus dem Statut noch ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse eines Interessenverbandes ablesbare Bedeutung kommt daher als Verleihungsvoraussetzung eine besondere Bedeutung zu (vgl. Strasser, aaO, Rz 18).
Die beschwerdeführende Partei macht geltend, die belangte Behörde habe zu Unrecht die Möglichkeit in Zweifel gezogen, Klein- und Kleinstbetriebe von Groß- und Mittelbetrieben (des Einzelhandels) nach objektiven Kriterien abzugrenzen.
Diesem Vorbringen ist zu erwidern, dass die belangte Behörde nicht die grundsätzliche Möglichkeit einer derartigen Abgrenzung, sondern zu Recht die Art, wie sie von der beschwerdeführenden Partei zum Zweck der (statuarischen) Umschreibung ihres fachlichen Wirkungsbereiches vorgenommen wurde, wegen ihrer Unbestimmtheit für ungeeignet befunden hat. Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, dass selbst die in der Studie der K-Forschung genannten Kriterien nicht näher konkretisiert sind, sodass es - auch bei Anwendung von Grundsätzen eines beweglichen Systems bzw. eines wertenden Zusammenspiels der genannten Kriterien - nicht möglich erscheint, einen bestimmten Betrieb mit hinreichender Unterscheidungskraft richtig zu klassifizieren und der einen oder der anderen Gruppe zuzuweisen. Der fachliche Wirkungsbereich, in dem die beschwerdeführende Partei statutengemäß tätig sein soll, ist somit nicht abgrenzbar. Damit steht aber nicht fest bzw. ist nicht feststellbar, dass die beschwerdeführende Partei die Voraussetzung des § 4 Abs. 2 Z 2 ArbVG erfüllt und in ihrer auf Vertretung der Arbeitgeberinteressen gerichteten Zielsetzung in einem größeren fachlichen Wirkungsbereich tätig sein würde.
In der Beschwerde wird weiters die Auffassung vertreten, die belangte Behörde wäre im Rahmen ihrer Pflicht zur amtswegigen Sachverhaltsermittlung verpflichtet gewesen, das Vorbringen zu überprüfen, wonach die beschwerdeführende Partei "die Interessen von 96 Unternehmen, die als Groß- und Mittelbetriebe des Einzelhandels etwa 43.000 Beschäftigte in Österreich beschäftigen
... zu überprüfen und nachvollziehbare Sachverhaltsfeststellungen
über die Antragsbehauptungen zu treffen".
In Ermangelung geeigneter bzw. ausreichend definierter Kriterien, die Zugehörigkeit der Mitgliedsunternehmen zu einem Kreis der "Groß- und Mittelbetriebe" zu beurteilen, ist jedoch nicht ersichtlich, welche zielführenden Ermittlungen die belangte Behörde hätte vornehmen sollen. Auch die Beschwerde enthält diesbezüglich keine Ausführungen. Aus dem Grund der mangelhaften Definition des fachlichen Wirkungsbereiches ist es auch nicht möglich zu beurteilen, welche Unternehmen (mit welchen Umsätzen und wie vielen Arbeitnehmern), die (noch) nicht Mitglieder der beschwerdeführenden Partei sind, vom fachlichen Wirkungsbereich umfasst sein könnten bzw. welche Unternehmen von diesem ausgeschlossen sind (und nicht Mitglieder der beschwerdeführenden Partei werden könnten).
Die beschwerdeführende Partei bringt weiters vor, es gebe grundsätzliche Interessensgegensätze zwischen Klein- und Kleinstbetrieben und Groß- und Mittelbetrieben (des Einzelhandels). Diese Interessensgegensätze seien in der genannten Studie dargelegt worden. Die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid die Schlüssigkeit dieser von der beschwerdeführenden Partei verfolgten Zielsetzungen verneint.
Dazu ist zu sagen, dass sich der angefochtene Bescheid lediglich mit den Abgrenzungskriterien zwischen den genannten unternehmerischen Erscheinungsformen auseinander gesetzt hat, nicht jedoch mit den unterschiedlichen Interessenslagen, die in den abzugrenzenden Gruppen herrschen würden, etwa in den von der beschwerdeführenden Partei genannten Themenbereichen "Ladenöffnungszeiten, Organisationsstruktur, Beschäftigtenzahl, Ausmaß der Teilzeitbeschäftigung". Über die Sinnhaftigkeit der von der beschwerdeführenden Partei behaupteten Zielsetzungen enthält der angefochtene Bescheid keine Aussage. Abgesehen davon, dass nach den insoweit unbedenklichen Feststellungen der belangten Behörde schon eine verlässliche Grenzziehung der beiden Gruppen nach den von der beschwerdeführenden Partei genannten Kriterien sich als nicht gangbar erweist, verkennt die beschwerdeführende Partei auch die Relevanz der von ihr als Begründung für die Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit geltend gemachten Interessensgegensätze.
Auch bei der Beurteilung der Frage, ob der beschwerdeführenden Partei iSd § 4 Abs. 2 Z 3 ArbVG eine maßgebende wirtschaftliche Bedeutung zukommt, wirft die Beschwerde der belangten Behörde vor, konkrete nachprüfbare Tatsachenfeststellungen unterlassen zu haben. Die beschwerdeführende Partei vertrete unbestritten die Arbeitgeberinteressen "von Betrieben des österreichischen Einzelhandels, die insgesamt 42.774 Arbeitnehmer beschäftigen". Entgegen der Rechtsauffassung der belangten Behörde sei "der selbst gewählte Wirkungsbereich" der beschwerdeführenden Partei der maßgebliche Bezugspunkt für die Beurteilung der Frage, ob ein größerer fachlicher und räumlicher Wirkungsbereich vorliegt.
Dem ist zu erwidern, dass der "selbst gewählte Wirkungsbereich" der beschwerdeführenden Partei in Ermangelung aussagekräftiger Unterscheidungskriterien nicht abgrenzbar ist und daher auch nicht beurteilbar ist, ob in Bezug auf diesen Wirkungsbereich eine maßgebende wirtschaftliche Bedeutung der beschwerdeführenden Partei iSd § 4 Abs. 2 Z 3 ArbVG gegeben ist. Aus demselben Grund ist es auch nicht zielführend, wenn die maßgebende wirtschaftliche Bedeutung - wie die beschwerdeführende Partei vorbringt - aus dem Verhältnis der Beschäftigten bei den Mitgliedsbetrieben der beschwerdeführenden Partei zur Gesamtbeschäftigtenzahl "in Groß- und Mittelbetrieben des österreichischen Einzelhandels" abgeleitet werden soll, weil es eben an der grundsätzlichen tauglichen Abgrenzung der "Groß- und Mittelbetriebe" vom Kreis der "Klein- und Kleinstbetriebe" fehlt.
Da das Vorliegen der Voraussetzungen iSd § 4 Abs. 2 Z 2 bzw. 3 ArbVG für eine Kollektivvertragsfähigkeit der beschwerdeführenden Partei nicht festgestellt werden konnten, hat die belangte Behörde den Antrag zu Recht gemäß § 5 Abs. 1 ArbVG abgewiesen.
Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am